Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Art. 20 und 21 AEUV – Art. 7 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Unionsbürger gleichen Geschlechts, die im Zuge der Ausübung dieses Rechts eine Ehe eingegangen sind – Pflicht des Herkunftsmitgliedstaats zur Anerkennung und Eintragung der Eheurkunde im Personenstandsregister – Nationale Regelung, die eine solche Anerkennung und Eintragung nicht erlaubt, weil die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zugelassen wird
Leitsatz
Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
sind dahin auszulegen, dass
sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die – weil dessen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt – weder die Anerkennung einer Ehe zwischen zwei Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gleichen Geschlechts erlaubt, die im Zuge der Ausübung ihres Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ein Familienleben entwickelt oder gefestigt haben, rechtmäßig geschlossen wurde, noch, dass die Eheurkunde zu diesem Zweck im Personenstandsregister des ersten Mitgliedstaats umgeschrieben wird, wenn es sich bei dieser Umschreibung um das einzige Mittel handelt, das dieser Mitgliedstaat vorsieht, um eine solche Anerkennung zu ermöglichen.
Gesetze: AEUV Art. 20, AEUV Art. 21, EMRK Art. 8, EUGrdRCh Art. 7, EUGrdRCh Art. 21, RL 2004/38/EG Art. 2 Nr. 2
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 Abs. 2 Buchst. a und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Jakub Cupriak-Trojan und Herrn Mateusz Trojan (im Folgenden zusammen: am Ausgangsverfahren beteiligte Ehegatten) auf der einen Seite und dem Wojewoda Mazowiecki (Woiwode der Woiwodschaft Mazowieckie, Polen) auf der anderen Seite über einen Antrag auf Anerkennung und Umschreibung der Urkunde über ihre in Deutschland geschlossene Ehe im polnischen Personenstandsregister.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
EU-Vertrag und AEU-Vertrag
3 In Art. 4 Abs. 2 EUV heißt es:
„Die [Europäische] Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.“
4 Art. 20 AEUV bestimmt:
„(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt diese aber nicht.
(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem
das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;
…
Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.“
5 Art. 21 Abs. 1 AEUV sieht vor:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“
Charta
6 Art. 7 („Achtung des Privat- und Familienlebens“) der Charta bestimmt:
„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“
7 In Art. 9 („Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen“) der Charta heißt es:
„Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.“
8 Art. 21 („Nichtdiskriminierung“) Abs. 1 der Charta sieht vor:
„Diskriminierungen insbesondere wegen … der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“
Richtlinie 2004/38
9 Nach ihrem Art. 1 Buchst. a regelt die Richtlinie 2004/38 u.a. die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen.
10 Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38 definiert den Begriff „Familienangehöriger“ für die Zwecke dieser Richtlinie. Gemäß ihrem Art. 2 Nr. 2 Buchst. a handelt es sich bei einem „Ehegatten“ um einen solchen Familienangehörigen.
Polnisches Recht
Verfassung
11 In Art. 18 der Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej (Verfassung der Republik Polen, im Folgenden: Verfassung) heißt es:
„Die Ehe als Verbindung von Frau und Mann, Familie, Mutterschaft und das Elternrecht stehen unter Schutz und in Obhut der Republik Polen.“
12 Art. 47 der Verfassung bestimmt:
„Jedermann hat das Recht auf rechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens, der Ehre und des guten Rufes sowie das Recht, über sein persönliches Leben zu entscheiden.“
Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch
13 Art. 1 Abs. 1 der Ustawa – Kodeks rodzinny i opiekuńczy (Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch) vom (Dz. U. Nr. 9, Pos. 59) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„Die Ehe wird geschlossen, wenn ein Mann und eine Frau, die gleichzeitig anwesend sind, vor dem Leiter des Standesamts erklären, dass sie den Bund der Ehe eingehen wollen.“
Gesetz über Personenstandsurkunden
14 In Art. 3 der Ustawa – Prawo o aktach stanu cywilnego (Gesetz über Personenstandsurkunden) vom (Dz. U., Pos. 1741) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über Personenstandsurkunden) heißt es:
„Personenstandsurkunden stellen den einzigen Beweis für die darin festgestellten Tatsachen dar; ihre Unwahrheit kann nur im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nachgewiesen werden.“
15 Art. 104 des Gesetzes über Personenstandsurkunden bestimmt:
„(1) Ein ausländisches Personenstandsdokument, das ein Ereignis und dessen Eintragung belegt, kann im Wege der Umschreibung in das Personenstandsregister übertragen werden.
(2) Die Umschreibung besteht in einer getreuen und wörtlichen Übertragung des Inhalts des ausländischen Personenstandsdokuments, sowohl in sprachlicher als auch in formeller Hinsicht, ohne jeglichen Eingriff in die Schreibweise der Vor- und Nachnamen der im ausländischen Personenstandsdokument bezeichneten Personen.
…
(5) Die Umschreibung ist verpflichtend, wenn ein polnischer Staatsangehöriger, den das ausländische Personenstandsdokument betrifft, über eine in der Republik Polen erstellte Personenstandsurkunde verfügt, die früher eingetretene Ereignisse bescheinigt, und er die Durchführung einer Maßnahme aus dem Bereich der Eintragung des Personenstands begehrt oder einen polnischen Personalausweis oder eine PESEL-Nummer [(Identifikationsnummer für natürliche Personen, die die polnische Staatsangehörigkeit besitzen)] beantragt.
…“
16 Art. 105 Abs. 1 des Gesetzes über Personenstandsurkunden lautet:
„Der Inhalt des ausländischen Personenstandsdokuments wird durch eine materiell-technische Handlung in das Personenstandsregister übertragen; die Umschreibung wird in der Personenstandsurkunde vermerkt.“
17 Art. 107 des Gesetzes über Personenstandsurkunden sieht vor:
„Der Leiter des Standesamts verweigert die Umschreibung, wenn
…
[diese] den Grundprinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen zuwiderlaufen würde.“
Gesetz über das internationale Privatrecht
18 In Art. 7 der Ustawa – Prawo prywatne międzynarodowe (Gesetz über das internationale Privatrecht) vom (Dz. U. Nr. 80, Pos. 432) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung heißt es:
„Das ausländische Recht wird nicht angewandt, wenn seine Anwendung Wirkungen entfalten würde, die den Grundprinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen zuwiderlaufen.“
19 Art. 1138 der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Zivilprozessordnung) vom (Dz. U. Nr. 43, Pos. 296) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„Ausländische öffentliche Urkunden haben die gleiche Beweiskraft wie polnische öffentliche Urkunden. …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
20 Herr Cupriak-Trojan, der die polnische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und Herr Trojan, ein polnischer Staatsangehöriger, heirateten am in Berlin (Deutschland). Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass sie sich zum Zeitpunkt der Vorlageentscheidung in Deutschland aufhielten, aber nach Polen ziehen und sich dort als Ehepaar aufhalten wollten.
21 Anlässlich der Eheschließung nahm Herr Cupriak-Trojan den Familiennamen von Herrn Trojan als zweiten Bestandteil seines eigenen Familiennamens an. Der Kierownik Urzędu Stanu Cywilnego m.st. Warszawy (Leiter des Standesamts der Hauptstadt Warschau, Polen) erließ auf Antrag von Herrn Cupriak-Trojan einen Bescheid, mit dem dessen Familienname auch in Polen entsprechend geändert wurde.
22 Außerdem beantragte Herr Cupriak-Trojan beim Leiter des Standesamts der Hauptstadt Warschau die Umschreibung der Urkunde über die in Deutschland geschlossene Ehe im polnischen Personenstandsregister. Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass das polnische Recht keine Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts vorsehe und die Umschreibung einer solchen ausländischen Eheurkunde daher den Grundprinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen zuwiderlaufen würde.
23 Die am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten fochten diesen Bescheid beim Woiwoden der Woiwodschaft Mazowieckie an. Dieser bestätigte den Bescheid und stellte außerdem eine Diskrepanz zwischen dem deutschen Muster für Eheurkunden und seinem polnischen Äquivalent fest. Denn im Fall der Umschreibung der Urkunde über die in Deutschland geschlossene Ehe müsse der Leiter des Standesamts der Hauptstadt Warschau die Vor- und Nachnamen zweier Männer eintragen, wobei einer davon unter der Rubrik „Frau“ aufzuführen wäre. Da in Polen eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden könne, sei es jedoch ungeachtet der Bezeichnung der verschiedenen Rubriken in der Musterurkunde ohnehin unzulässig, zwei Männer als Ehegatten im Personenstandsregister einzutragen.
24 Die am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten erhoben beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau, Polen) Klage gegen den Bescheid des Woiwoden der Woiwodschaft Mazowieckie und machten insbesondere geltend, dass die in Art. 18 der Verfassung verankerte Verpflichtung zum Schutz der Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau es nicht verbiete, eine im Ausland zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts geschlossene Ehe einzutragen.
25 Mit Urteil vom wies dieses Gericht die Klage insbesondere mit der Begründung ab, dass die Umschreibung einer Eheurkunde wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Sinne von Art. 107 Nr. 3 des Gesetzes über Personenstandsurkunden den Grundprinzipien der Rechtsordnung der Republik Polen zuwiderlaufen würde. Denn die Übernahme der Argumentation der am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten liefe darauf hinaus, anzuerkennen, dass zwischen einer Frau und einem Mann geschlossene Ehen sowie solche, die zwischen Personen gleichen Geschlechts geschlossen würden, in der nationalen Rechtsordnung nebeneinander bestehen könnten, was weder in der Verfassung noch in den nationalen Gesetzen vorgesehen sei – insbesondere nicht im Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung. Im Übrigen verstoße die Verweigerung der Umschreibung einer solchen Eheurkunde weder gegen die Art. 8 und 14 in Verbindung mit Art. 12 der am in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) noch gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV. Das Ausgangsverfahren betreffe nämlich eine Frage des Personenstands, die nichts mit dem Recht zu tun habe, sich in einem Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten.
26 Gegen dieses Urteil legten die am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten Kassationsbeschwerde beim Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen), dem vorlegenden Gericht, ein. Ihrer Ansicht nach stellt die Nichtanerkennung ihrer Ehe aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung ihres Personenstands in Polen und Deutschland eine unverhältnismäßige Beschränkung ihres Rechts dar, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dies halte sie davon ab oder hindere sie sogar daran, von dieser Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Insbesondere die Aussicht, mit zwei unterschiedlichen Personenständen zu leben – nämlich als Ehegatten in Deutschland und als ledige Personen in Polen – und in Polen nicht das gleiche Privat- und Familienleben führen zu können wie in Deutschland, sei geeignet, sie davon abzuhalten, sich im Hoheitsgebiet der Republik Polen aufzuhalten.
27 Das vorlegende Gericht äußert Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 20 Abs. 2 Buchst. a und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta.
28 Die Umschreibung eines ausländischen Personenstandsdokuments in Polen bestehe darin, dass der Inhalt dieses Dokuments sowohl in sprachlicher als auch in formeller Hinsicht getreu und wörtlich sowie ohne jeglichen Eingriff in die Schreibweise der Vor- und Nachnamen der im Dokument bezeichneten Personen in das polnische Personenstandsregister übertragen werde. Der Inhalt des Dokuments werde durch eine materiell-technische Handlung in das Personenstandsregister übertragen und die Umschreibung werde in der Personenstandsurkunde vermerkt. Im Zuge der Umschreibung werde eine polnische Personenstandsurkunde erstellt, die von der ursprünglichen Urkunde, in der das Ereignis festgehalten sei, „losgelöst“ sei und deren späteres Schicksal in der polnischen Rechtsordnung unabhängig vom Schicksal der ausländischen Urkunde sei. Nach Art. 3 des Gesetzes über Personenstandsurkunden ziehe die Umschreibung einer ausländischen Personenstandsurkunde die unmittelbare Rechtswirkung nach sich, dass eine polnische Personenstandsurkunde erstellt werde, der die gleiche Beweiskraft wie in Polen ausgestellten Personenstandsurkunden zukomme.
29 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es sich bei Fragen des Personenstands und den damit verbundenen Regelungen über die Ehe um Bereiche handele, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen. Dennoch fragt es sich, ob die Unterschiede zwischen den in Deutschland und den in Polen anwendbaren Regeln nicht zu einer Beeinträchtigung des jedem Unionsbürger zuerkannten Rechts führen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
30 In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht unter Verweis auf das Urteil vom , Parris (C‑443/15, EU:C:2016:897, Rn. 59), darauf hin, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einführung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts in ihrer Rechtsordnung über einen Wertungsspielraum verfügten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssten die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten jedoch das Unionsrecht und insbesondere das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht beachten.
31 Nach der auf die Urteile vom , Coman u.a. (C‑673/16, EU:C:2018:385), und vom , Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“ (C‑490/20, EU:C:2021:1008), zurückgehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs gehöre zu den Rechten, die das Unionsrecht den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gewähre, auch das Recht, sowohl im Aufnahmemitgliedstaat, als auch, wenn sie dorthin zurückkehrten, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besäßen, ein normales Familienleben zu führen, indem sie dort mit ihren Familienangehörigen zusammenlebten. Folglich sei insbesondere fraglich, inwieweit das Recht der am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten, ein Familienleben als Ehepaar in dem Mitgliedstaat zu führen, dessen Staatsangehörigkeit sie besäßen – im vorliegenden Fall in Polen – und die Ausübung der damit verbundenen Rechte beschränkt würden.
32 Insoweit sei der nationalen Rechtsprechung zufolge im Unionsrecht bisher keine absolute Verpflichtung vorgesehen, in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Personenstandsurkunden – einschließlich solcher über die Ehe – im nationalen Personenstandsregister umzuschreiben, und die Verweigerung der Umschreibung einer ausländischen Personenstandsurkunde könne demnach durch die Anwendung von Art. 107 Nr. 3 des Gesetzes über Personenstandsurkunden gerechtfertigt werden. Ferner hätten die nationalen Gerichte entschieden, dass die Einführung der Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts in der polnischen Rechtsordnung im Wege einer Umschreibung im Personenstandsregister Fragen nach der Möglichkeit aufwerfen könne, eine solche Verbindung der Ehe anzugleichen, wie sie im polnischen Zivilrecht vorgesehen sei. Jedoch hätten die nationalen Gerichte die Fragen in diesem Bereich noch nicht eingehend vor dem Hintergrund des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts sowie unter Berücksichtigung der in Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta verankerten Grundrechte geprüft.
33 In Bezug hierauf verweist das vorlegende Gericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur rechtlichen Anerkennung von Lebensgemeinschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts, insbesondere im Kontext des in Art. 8 EMRK verankerten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
34 Das vorlegende Gericht zieht zwei Möglichkeiten zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits in Betracht, wobei es die erste bevorzugt. Zum einen könne es gerechtfertigt sein, Art. 20 Abs. 2 Buchst. a und Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass eine Verweigerung der Umschreibung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen das Recht von Unionsbürgern darstelle, ein Familienleben als Ehegatten zu führen, deren Eheurkunde im Personenstandsregister eines anderen Mitgliedstaats eingetragen sei, und dass in einer solchen Verweigerung ein Anzeichen für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung zum Ausdruck komme. Daraus würde folgen, dass diese Verweigerung solche Ehegatten daran hindere, in vollem Umfang von ihrem Recht Gebrauch zu machen, sich in diesem Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten.
35 Zum anderen könnten diese beiden Bestimmungen dahin ausgelegt werden, dass sie einer Verweigerung der Umschreibung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstünden, da diese Verweigerung den Unionsbürgern nicht ihr Recht nehme, sich in dem Mitgliedstaat, der eine solche Umschreibung verweigert habe, frei zu bewegen und aufzuhalten. Im vorliegenden Fall komme einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten ausländischen öffentlichen Personenstandsurkunde – einschließlich einer Urkunde, mit der eine Ehe bescheinigt werde – die gleiche Beweiskraft zu, wie von den polnischen Behörden ausgestellten öffentlichen Urkunden. Die Verwendung einer solchen in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten öffentlichen Urkunde unterliege keiner anderen Beschränkung als der Verpflichtung, sie in die Landessprache zu übersetzen.
36 Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 20 Abs. 2 Buchst. a und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta sowie Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, der mit einem anderen Unionsbürger (einer Person gleichen Geschlechts) eine Ehe in einem der Mitgliedstaaten nach dessen Recht geschlossen hat, sich weigern können, die Eheurkunde anzuerkennen und sie im Wege einer Umschreibung in das nationale Personenstandsregister zu übertragen, so dass diese Personen daran gehindert werden, sich in diesem Staat mit diesem Personenstand und unter demselben Familiennamen aufzuhalten, weil das Recht des Aufnahmestaats keine Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts vorsieht?
Zur Vorlagefrage
37 Vorab ist festzustellen, dass sich die Vorlagefrage auf die Art. 20 und 21 AEUV in Verbindung mit der Charta und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38 bezieht. Der Ausgangsrechtsstreit betrifft den Antrag der am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten auf Umschreibung der Urkunde über ihre in Deutschland geschlossene Ehe im polnischen Personenstandsregister, um in Polen, dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, als Ehegatten anerkannt zu werden. Somit fällt der Gegenstand dieses Rechtsstreits nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, die allein die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Somit ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die – weil dessen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt – weder die Anerkennung einer Ehe zwischen zwei Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gleichen Geschlechts erlaubt, die im Zuge der Ausübung ihres Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ein Familienleben entwickelt oder gefestigt haben, rechtmäßig geschlossen wurde, noch, dass die Eheurkunde zu diesem Zweck im Personenstandsregister des ersten Mitgliedstaats umgeschrieben wird.
39 Herr Cupriak-Trojan, der die polnische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und Herr Trojan – als polnischer Staatsangehöriger – genießen beide nach Art. 20 Abs. 1 AEUV den Status von Unionsbürgern.
40 Der Unionsbürgerstatus ist der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten (Urteile vom , Grzelczyk, C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31, und vom , Kommission/Malta [Staatsbürgerschaft für Investoren], C‑181/23, EU:C:2025:283, Rn. 92).
41 An diesen Status knüpfen Art. 20 Abs. 2 sowie die Art. 21 und 22 AEUV eine Reihe von Rechten. Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 21 Abs. 1 AEUV verleiht die Unionsbürgerschaft jedem Unionsbürger u.a. ein elementares, persönliches Recht, sich vorbehaltlich der im AEU-Vertrag vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen und der Maßnahmen zu ihrer Durchführung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteile vom , Lassal, C‑162/09, EU:C:2010:592, Rn. 29, vom , Rendón Marín, C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 70, und vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 52).
42 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der in seiner Eigenschaft als Unionsbürger von seinem Recht, sich in einem anderem Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, insbesondere die in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehenen, berufen, und zwar gegebenenfalls auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat (Urteile vom , Morgan und Bucher, C‑11/06 und C‑12/06, EU:C:2007:626, Rn. 22, sowie vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 31).
43 Zu den Rechten, die den Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten durch diese Bestimmung gewährt werden, gehört ihr Recht, sowohl im Aufnahmemitgliedstaat als auch, wenn sie dorthin zurückkehren, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, ein normales Familienleben zu führen, indem sie dort mit ihren Familienangehörigen, einschließlich ihres Ehegatten, zusammenleben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Lounes, C‑165/16, EU:C:2017:862, Rn. 52, und vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 32 und 34).
44 Insoweit hat der Gerichtshof in Bezug auf drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers entschieden, dass es, wenn sich im Zuge eines eine gewisse Zeit andauernden Aufenthalts eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, auf der Grundlage und unter Beachtung der Richtlinie 2004/38 dort ein Familienleben entwickelt oder gefestigt hat, aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Rechte des Unionsbürgers aus Art. 21 Abs. 1 AEUV geboten ist, dass das Familienleben, das der Unionsbürger in diesem Mitgliedstaat geführt hat, bei seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, fortgesetzt werden kann, was insbesondere bedeutet, dass der letztere Mitgliedstaat verpflichtet ist, dem betreffenden drittstaatsangehörigen Familienangehörigen des Unionsbürgers ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Andernfalls könnte der Unionsbürger nämlich davon abgehalten werden, den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zu verlassen, um sein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben oder nach Ausübung dieses Rechts in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückzukehren, weil er nicht die Gewissheit hätte, das im Aufnahmemitgliedstaat entwickelte oder gefestigte Familienleben im Herkunftsstaat fortsetzen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Eind, C‑291/05, EU:C:2007:771, Rn. 35 und 36, sowie vom , O. und B., C‑456/12, EU:C:2014:135, Rn. 54).
45 Insbesondere hat der Gerichtshof in einer Situation, die den drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers betraf, der gleichen Geschlechts wie dieser Unionsbürger war und den der Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig geheiratet hatte, bereits das Bestehen der Verpflichtung festgestellt, dem Ehegatten ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 53 und 56).
46 In Bezug auf die Situation zweier Unionsbürger, die wie im Ausgangsfall ein gemeinsames Leben im Aufnahmemitgliedstaat führen und dort eine Ehe nach dessen Recht geschlossen haben, ist es aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Rechte dieser Unionsbürger aus Art. 21 Abs. 1 AEUV umso mehr geboten, dass sie die Gewissheit haben können, das Familienleben, das sie im Aufnahmemitgliedstaat insbesondere durch ihre Eheschließung entwickelt oder gefestigt haben, in ihrem Herkunftsmitgliedstaat fortsetzen zu können.
47 Zwar fallen die Regelungen über die Ehe beim derzeitigen Stand des Unionsrechts in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und kann das Unionsrecht diese Zuständigkeit nicht in Frage stellen. Den Mitgliedstaaten steht es daher frei, in ihrem nationalen Recht die Ehe für Personen gleichen Geschlechts vorzusehen oder nicht vorzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 37, sowie vom , Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 52).
48 Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags über das jedem Unionsbürger zuerkannte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, beachten und hierzu den in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht festgestellten Personenstand anerkennen (Urteile vom , Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 52, und vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 53).
49 Im vorliegenden Fall geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass die am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten bei den polnischen Behörden die Umschreibung der Urkunde über ihre im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts in Deutschland geschlossene Ehe im polnischen Personenstandsregister beantragt haben, damit diese Ehe in Polen anerkannt wird. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das polnische Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulasse und eine solche Umschreibung daher nicht erlaube.
50 Das vorlegende Gericht äußert Zweifel im Hinblick auf die Auswirkungen einer solchen Verweigerung auf die Möglichkeit dieser Ehegatten, das durch ihre Eheschließung in Deutschland entwickelte oder gefestigte Familienleben in Polen fortzusetzen. Hierzu haben die Ehegatten vorbehaltlich der Überprüfung durch dieses Gericht in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ausgeführt, dass Herr Cupriak-Trojan während eines gewissen Zeitraums, in dem Herr Trojan in Polen gelebt und gearbeitet habe, arbeitslos gewesen sei, ohne in der öffentlichen Krankenversicherung versichert gewesen zu sein, während er versichert gewesen wäre, wären die Wirkungen ihrer Ehe in Polen anerkannt worden. Ebenso sei der Antrag auf Aktualisierung des Familiennamens von Herrn Cupriak-Trojan im Grundbuch für eine seiner Immobilien zwar von einem polnischen Gericht genehmigt, für eine andere Immobilie von einem anderen polnischen Gericht jedoch mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Urkunde über eine Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht als Grundlage für einen solchen Antrag akzeptiert werde.
51 Insoweit ist eine Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit zwei Unionsbürger gleichen Geschlechts besitzen, die Ehe anzuerkennen, die diese rechtmäßig gemäß den hierfür vorgesehenen Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen haben, in dem sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt Gebrauch gemacht haben, geeignet, die Ausübung des in Art. 21 AEUV verankerten Rechts zu behindern, da eine solche Weigerung zu schwerwiegenden Nachteilen administrativer, beruflicher und privater Art für die beiden Unionsbürger führen kann (vgl. entsprechend Urteil vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Insbesondere hindert eine derartige Weigerung solche Unionsbürger – die im Zuge ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat ein Familienleben entwickelt oder gefestigt haben, indem sie dort als Ehegatten gelebt haben – daran, das Familienleben unter Beibehaltung dieses gesicherten rechtlichen Status, der Wirkungen gegenüber Dritten entfaltet, fortzusetzen und zwingt sie dazu, nach ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsmitgliedstaat als ledige Personen zu leben.
53 Wird diese Ehe im Herkunftsmitgliedstaat nicht anerkannt, besteht somit eine konkrete Gefahr, dass die Unionsbürger nach ihrer Rückkehr in diesen Mitgliedstaat erheblich bei der Gestaltung ihres Familienlebens behindert werden, da es ihnen dann bei vielen alltäglichen Handlungen im öffentlichen wie privaten Bereich unmöglich wäre, sich auf ihren Familienstand zu berufen, obwohl dieser im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig begründet wurde.
54 Daraus folgt, dass die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, eine Ehe anzuerkennen, die zwei Unionsbürger gleichen Geschlechts im Zuge ihres Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen haben, die Ausübung des in Art. 21 Abs. 1 AEUV verankerten Rechts dieser Unionsbürger behindert, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Eine solche Weigerung kann nämlich dazu führen, dass diese Unionsbürger außerstande sind, in den Mitgliedstaat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, zurückzukehren und dort das im Aufnahmemitgliedstaat entwickelte oder gefestigte Familienleben fortzusetzen.
55 Allerdings kann eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit, die wie im Ausgangsverfahren von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängig ist, nach ständiger Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht (Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 41 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner ist eine Maßnahme eines Mitgliedstaats, mit der eine durch den AEU-Vertrag gewährleistete Grundfreiheit beschränkt wird, wenn sie durch einen im Unionsrecht anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt wird, als Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta anzusehen, so dass sie mit den in der Charta verankerten Grundrechten im Einklang stehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Pfleger u.a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 36, sowie vom , INTERZERO u.a., C‑254/23, EU:C:2025:569, Rn. 105).
56 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Maßnahme verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was dazu notwendig ist (Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 41 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem darf eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung nicht verfolgt werden, ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie mit den von der Maßnahme betroffenen Grundrechten in Einklang gebracht werden muss, indem eine ausgewogene Gewichtung dieser Zielsetzung und der fraglichen Rechte vorgenommen wird, um sicherzustellen, dass die durch diese Maßnahme bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielsetzungen stehen (Urteile vom , Luxembourg Business Registers, C‑37/20 und C‑601/20, EU:C:2022:912, Rn. 64, vom , Generalstaatsanwaltschaft Bamberg [Ausnahme vom Grundsatz ne bis in idem], C‑365/21, EU:C:2023:236, Rn. 59, sowie vom , INTERZERO u.a., C‑254/23, EU:C:2025:569, Rn. 109).
57 Im vorliegenden Fall geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass der Antrag der am Ausgangsverfahren beteiligten Ehegatten auf Umschreibung der Urkunde über die in Deutschland geschlossene Ehe im polnischen Personenstandsregister, damit diese Ehe in Polen anerkannt wird, mit der Begründung abgelehnt wurde, dass das polnische Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulasse, und eine solche Umschreibung daher den Grundprinzipien der polnischen Rechtsordnung zuwiderlaufen würde.
58 Insoweit achtet die Union nach Art. 4 Abs. 2 EUV die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt (Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Ferner werden gemäß Art. 9 der Charta das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, nach den einzelstaatlichen Gesetzen geregelt, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.
60 Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“, wenn er eine Ausnahme von einer Grundfreiheit rechtfertigen soll, eng zu verstehen ist, so dass seine Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Unionsorgane bestimmt werden darf. Folglich ist eine Berufung auf die öffentliche Ordnung nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 44 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Die Pflicht des Herkunftsmitgliedstaats, eine Ehe, die Unionsbürger gleichen Geschlechts im Zuge der Ausübung ihres Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts im Aufnahmemitgliedstaat geschlossen haben, anzuerkennen, um es ihnen zu ermöglichen, in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zurückzukehren und ihr Familienleben dort unter Beibehaltung ihres im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig begründeten Familienstands fortzusetzen, beeinträchtigt jedoch nicht das Institut der Ehe im Herkunftsmitgliedstaat, das durch das nationale Recht definiert wird und, wie oben in Rn. 47 ausgeführt, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Diese Pflicht geht nämlich mit keiner Pflicht des Herkunftsmitgliedstaats einher, in seinem nationalen Recht das Institut der Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts vorzusehen. Sie ist vielmehr darauf beschränkt, dass die Anerkennung solcher in einem Aufnahmemitgliedstaat nach dessen Recht geschlossener Ehen gewährleistet werden muss, und zwar zum Zweck der Ausübung der diesen Unionsbürgern aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 45, sowie vom , Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 56 und 57).
62 Somit widerspricht eine solche Anerkennungspflicht weder der nationalen Identität des Herkunftsmitgliedstaats, noch gefährdet sie dessen öffentliche Ordnung.
63 Zu ergänzen ist, dass in Anbetracht der oben in Rn. 55 angeführten Rechtsprechung eine nationale Maßnahme, die geeignet ist, die Ausübung der Personenfreizügigkeit zu behindern, nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sie mit den durch die Charta verbürgten Grundrechten, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, und insbesondere mit dem in Art. 7 der Charta verankerten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie mit dem in deren Art. 21 Abs. 1 vorgesehenen Verbot von Diskriminierungen wegen der sexuellen Ausrichtung vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 47, vom , Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo“, C‑490/20, EU:C:2021:1008, Rn. 58, sowie vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 62).
64 Insoweit geht in Bezug auf das in Art. 7 der Charta verbürgte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) hervor, dass nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die in deren Art. 7 verbürgten Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite haben wie die Rechte aus Art. 8 EMRK, wobei die letztgenannte Bestimmung einen Mindestschutzstandard darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann aber die von einem gleichgeschlechtlichen Paar geführte Beziehung genauso unter die Begriffe „Privatleben“ und „Familienleben“ fallen wie die Beziehung eines verschiedengeschlechtlichen Paares, das sich in der gleichen Situation befindet (Urteil vom , Coman u.a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass Art. 8 EMRK den Mitgliedstaaten eine positive Verpflichtung auferlegt, einen Rechtsrahmen für die rechtliche Anerkennung und den Schutz gleichgeschlechtlicher Paare zu schaffen, und dass die Republik Polen gegen diese Verpflichtung verstoßen hat, wodurch die betroffenen Personen nicht in der Lage waren, grundlegende Aspekte ihres Privat- und Familienlebens zu gestalten. In Bezug auf Personen gleichen Geschlechts, die rechtmäßig eine Ehe im Ausland geschlossen hatten, hat er u.a. festgestellt, dass die polnischen Behörden sie durch die Weigerung, diese Ehe in irgendeiner Form zu registrieren, in einem Rechtsvakuum belassen und die grundlegenden Bedürfnisse in einer dauerhaften Beziehung lebender gleichgeschlechtlicher Paare nach Schutz und Anerkennung missachtet haben. Folglich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass keiner der von der polnischen Regierung vorgebrachten Rechtfertigungsgründe im öffentlichen Interesse das Interesse dieser Personen überwiegt, dass ihre jeweiligen Beziehungen in angemessener Weise rechtlich anerkannt und geschützt werden (EGMR, , Przybyszewska u.a./Polen, CE:ECHR:2023:1212JUD001145417, §§ 113, 123 und 124, EGMR, , Formela u.a./Polen, CE:ECHR:2024:0919JUD005882812, § 20, 25, 26 und 29, sowie EGMR, , Andersen/Polen, CE:ECHR:2025:0424JUD005366220, § 11, 14 bis 19).
67 Die Nichtanerkennung der Ehe, die zwei Unionsbürger gleichen Geschlechts nach dem Recht des Mitgliedstaats geschlossen haben, in dem sie von ihrem Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht haben, mit der Begründung, dass das Recht des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit diese Unionsbürger besitzen und in dem sie ihr Privat- und Familienleben fortsetzen möchten, die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt, verletzt daher die Grundrechte, die in Art. 7 der Charta für gleichgeschlechtliche Paare verbürgt sind.
68 Wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, obliegt es einem Mitgliedstaat, der die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt, daher, geeignete Verfahren einzuführen, damit eine solche Ehe anerkannt wird, wenn sie von zwei Unionsbürgern im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats geschlossen wurde.
69 Insoweit fällt die Auswahl der Modalitäten für die Anerkennung von Ehen, die Unionsbürger im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen haben, in den Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten, über den sie im Rahmen der Ausübung ihrer oben in Rn. 47 genannten Zuständigkeit im Bereich der Regelungen über die Ehe verfügen. Somit handelt es sich bei der Umschreibung von Eheurkunden im Personenstandsregister der Mitgliedstaaten lediglich um eine Modalität unter mehreren, durch die eine solche Anerkennung ermöglicht werden kann. Jedoch dürfen diese Modalitäten die Wahrnehmung der durch Art. 21 AEUV verliehenen Rechte nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
70 Außerdem haben die Mitgliedstaaten im Rahmen der Nutzung des Wertungsspielraums, über den sie im Hinblick auf die Einführung geeigneter Verfahren zur Anerkennung einer von zwei Unionsbürgern im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Ehe verfügen, Art. 21 Abs. 1 der Charta zu beachten. Insoweit hat das in dieser Bestimmung verankerte Verbot von Diskriminierungen wegen der sexuellen Ausrichtung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter (vgl. entsprechend Urteile vom , Association de médiation sociale, C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 47, vom , Egenberger, C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76, und vom , Cresco Investigation, C‑193/17, EU:C:2019:43, Rn. 76).
71 Im vorliegenden Fall ist es – obwohl im Ausland ausgestellten Eheurkunden grundsätzlich die gleiche Beweiskraft zukommen kann wie polnischen Eheurkunden – in der Praxis übermäßig schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Rechte aus diesen Urkunden herzuleiten, da deren Anerkennung in Ermangelung ihrer Umschreibung im polnischen Personenstandsregister im Ermessen der Verwaltungsbehörden liegt und folglich Gegenstand voneinander abweichender Entscheidungen dieser Behörden sein kann, wie die oben in Rn. 50 dargelegten Umstände des Ausgangsverfahrens zeigen.
72 Sowohl aus den Angaben des vorlegenden Gerichts als auch aus den von der polnischen Regierung beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht nämlich hervor, dass es sich bei der Umschreibung der Eheurkunde im polnischen Personenstandsregister um das einzige Mittel handelt, das das polnische Recht vorsieht, um dafür zu sorgen, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Polen geschlossene Ehe von den polnischen Verwaltungsbehörden tatsächlich anerkannt wird.
73 Daher kann die Ausübung des Rechts auf Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Ehe insoweit durch das Ermessen in Frage gestellt werden, über das die zuständigen Behörden im Rahmen des Verfahrens zur Anerkennung der Eheurkunde verfügen, als sich aus diesem Ermessen unterschiedliche Ansätze im Hinblick auf eine solche Anerkennung ergeben, die zu den in Rn. 51 des vorliegenden Urteils genannten schwerwiegenden Nachteilen administrativer, beruflicher und privater Art führen können (vgl. entsprechend Urteil vom , Mirin, C‑4/23, EU:C:2024:845, Rn. 69).
74 Außerdem geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Informationen hervor, dass es verschiedengeschlechtlichen Paaren möglich ist, ihre Eheurkunde im polnischen Personenstandsregister umschreiben zu lassen, wenn diese Ehe in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurde. Demgegenüber können gleichgeschlechtliche Paare, wie das am Ausgangsverfahren beteiligte, die Voraussetzungen, die im polnischen Recht für eine solche Umschreibung vorgesehen sind, aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung nicht erfüllen.
75 Somit verfügen die Mitgliedstaaten, wie oben in Rn. 69 dargelegt, zwar über einen Wertungsspielraum im Hinblick auf die Modalitäten der Anerkennung von Ehen, die Unionsbürger im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen haben, jedoch stellt der Umstand, dass es keine Anerkennungsmodalität gibt, die derjenigen für verschiedengeschlechtliche Paare gleichwertig ist, eine nach Art. 21 Abs. 1 der Charta verbotene Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung dar. Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat, der sich im Rahmen dieses Wertungsspielraums dazu entscheidet, in seinem nationalen Recht eine einzige Modalität für die Anerkennung von Ehen vorzusehen, die Unionsbürger im Zuge der Ausübung ihres Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen haben, wie im vorliegenden Fall die Umschreibung der Eheurkunde im Personenstandsregister, diese Modalität unterschiedslos sowohl auf zwischen Personen gleichen Geschlechts als auch auf zwischen Personen verschiedenen Geschlechts geschlossene Ehen anzuwenden hat.
76 Schließlich entfalten sowohl Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV als auch Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta aus sich heraus Wirkung und müssen nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden, um den Einzelnen Rechte zu verleihen, die sie als solche geltend machen können. Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung seines nationalen Rechts nicht in Betracht kommt, wäre es daher verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den den Einzelnen aus diesen Bestimmungen erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls die betreffenden nationalen Bestimmungen unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Egenberger, C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78 und 79, sowie vom , Kinsa, C‑460/23, EU:C:2025:392, Rn. 72).
77 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die – weil dessen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt – weder die Anerkennung einer Ehe zwischen zwei Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gleichen Geschlechts erlaubt, die im Zuge der Ausübung ihres Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ein Familienleben entwickelt oder gefestigt haben, rechtmäßig geschlossen wurde, noch, dass die Eheurkunde zu diesem Zweck im Personenstandsregister des ersten Mitgliedstaats umgeschrieben wird, wenn es sich bei dieser Umschreibung um das einzige Mittel handelt, das dieser Mitgliedstaat vorsieht, um eine solche Anerkennung zu ermöglichen.
Kosten
78 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 7 und Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
sind dahin auszulegen, dass
sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die – weil dessen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht zulässt – weder die Anerkennung einer Ehe zwischen zwei Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gleichen Geschlechts erlaubt, die im Zuge der Ausübung ihres Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ein Familienleben entwickelt oder gefestigt haben, rechtmäßig geschlossen wurde, noch, dass die Eheurkunde zu diesem Zweck im Personenstandsregister des ersten Mitgliedstaats umgeschrieben wird, wenn es sich bei dieser Umschreibung um das einzige Mittel handelt, das dieser Mitgliedstaat vorsieht, um eine solche Anerkennung zu ermöglichen.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:917
Fundstelle(n):
EAAAK-06091