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BGH Beschluss v. - IX ZB 9/23

Leitsatz

1.    Eine vom vorläufigen Sachwalter als gesondert beauftragter Sachverständiger vorgenommene rechtliche Bewertung in Bezug auf Vermögensgegenstände - hier: von bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aus- oder Absonderungsrechten - führt nicht zur Hinzurechnung dieser Vermögensgegenstände in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung als vorläufiger Sachwalter.

2.    Eine Befassung in erheblichem Umfang mit Vermögensgegenständen, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, liegt nicht vor, wenn der vorläufige Sachwalter im Wesentlichen die Einholung eines diesbezüglichen Rechtsgutachtens eines Dritten durch den Schuldner anregt und lediglich begleitet.

Gesetze: § 64 Abs 3 InsO, § 274 Abs 1 InsO, § 12a Abs 1 S 4 InsVV, § 12a Abs 4 InsVV

Instanzenzug: LG Verden Az: 11 T 90/22vorgehend AG Syke Az: 15 IN 169/21

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte (im Folgenden: Beteiligter) wurde am zum vorläufigen Sachwalter und am zum Sachwalter bestellt in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der m.        GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Das Insolvenzgericht beauftragte den Beteiligten als vorläufigen Sachwalter unter anderem damit, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, ob das Vermögen zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreicht, welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin bestehen und ob die von der Schuldnerin angestrebte Sanierung Aussicht auf Erfolg hat. Dabei sollte er auch Angaben dazu machen, in welchem Zeitraum die materiell-rechtliche Insolvenzreife eingetreten ist, und es sollten insolvenzspezifische Ansprüche dargestellt werden. Das daraufhin am erstattete Gutachten des Beteiligten verhält sich auch zu einer Treuhandvereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin und der D.                             Stiftung als Treuhänderin sowie der T.            Service GmbH als Administratorin der Arbeitnehmer zur Sicherung von Zusagen auf betriebliche Altersversorgung.

2Mit Schriftsatz vom beantragte der Beteiligte die Festsetzung seiner Vergütung und Auslagen für die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter in Höhe von 1.033.320,41 € brutto. Dabei ging er von einer Berechnungsgrundlage von 22.077.106,92 € aus, von der 10.705.795,61 € auf das Sondervermögen betriebliche Altersvorsorge entfielen, sowie einer Regelvergütung in Höhe von 15 % und Zuschlägen von insgesamt 150 %.

3Das Insolvenzgericht hat die Vergütung ausgehend von einer Berechnungsgrundlage von 11.371.311,31 € auf 571.486,91 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte seinen Vergütungsantrag weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

II.

4Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

51. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, das mit Absonderungsrechten belastete Vermögen sei bei der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen. Auch wenn der Beteiligte umfassend und nachvollziehbar dargelegt habe, dass und warum er sich mit den abgerechneten Aufgaben befasst habe, gehöre die Prüfung der rechtlichen Gegebenheiten hinsichtlich der Absonderungsrechte nicht zu seinen Aufgaben, sondern wäre von einem Sachverständigen durchzuführen gewesen. Der vorläufige Sachwalter sei grundsätzlich nicht mit der Verwertung beauftragt, somit sei auch keine Sicherung der mit Absonderungsrechten behafteten Vermögensgegenstände angezeigt. Nur bei Erforderlichkeit hätten Maßnahmen nach § 270c Abs. 3 InsO angeregt werden können. Der Beklagte habe jedoch nicht vorgetragen, dass eine unmittelbare Verwertung des mit Absonderungsrechten behafteten Vermögens gedroht und er deswegen habe dringend einschreiten müssen.

62. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

7a) Auf das Verfahren sind die ab dem geltenden Vorschriften anzuwenden, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 7 SanInsKG offenkundig nicht gegeben sind. Die Schuldnerin hat weder eine Bescheinigung gemäß § 5 Abs. 2 SanInsKG vorgelegt noch ist im Eröffnungsantrag im Sinne von § 5 Abs. 3 SanInsKG darlegt worden, dass keine Verbindlichkeiten bestehen, die am bereits fällig und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestritten waren.

8b) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht eine Hinzurechnung des mit Absonderungsrechten belasteten Vermögens abgelehnt. Die Voraussetzungen, unter denen Vermögensgegenstände, an denen Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, gemäß § 12a Abs. 1 Satz 4 InsVV dem Vermögen des Schuldners hinzuzurechnen sind, sind nicht dargetan. Die Ausführungen des Beteiligten in seinem Vergütungsantrag und in seinen Stellungnahmen rechtfertigen keine erhebliche Befassung im Rahmen seines Aufgabenkreises.

9aa) Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters bestimmt sich nach § 12a InsVV.

10(1) Nach § 12a Abs. 1 Satz 2 InsVV erhält der vorläufige Sachwalter in der Regel 25 % der Vergütung des Sachwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 4 InsVV werden Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, dem Vermögen nach § 12a Abs. 1 Satz 2 InsVV hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Sachwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. Die Vorschrift ist durch Art. 6 Nr. 7 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz - SanInsFoG) vom (BGBl. I 3256) mit Wirkung vom (Art. 25 Abs. 1 SanInsFoG) eingefügt worden. Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch die Neuregelung dem vorläufigen Sachwalter ein eigenständiger Vergütungsanspruch eingeräumt werden, der an die Vermögensmasse anknüpft, auf welche sich seine Tätigkeit bezieht und der in seiner Struktur parallel zur Vergütungsregelung für den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgestaltet wird. Zugleich geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass bei einem vorläufigen Sachwalter typisierend von einem begrenzteren Aufgabenkreis als bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter ausgegangen werden kann (BT-Drucks. 19/24181, S. 213).

11(2) Richtig ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass als Aufgabenkreis des vorläufigen Sachwalters alle Tätigkeiten anzusehen und zu vergüten sind, die ihm vom Gesetz selbst oder vom Insolvenzgericht oder den Verfahrensbeteiligten in gesetzlicher Weise wirksam übertragen worden sind. Aufgaben, die der vorläufige Sachwalter in Überschreitung seiner ihm gesetzlich zukommenden Aufgaben ausgeübt hat, sind nicht gesetzlich zu vergüten. Der vorläufige Sachwalter kann seine Aufgaben nicht eigenmächtig in zu Lasten der Masse vergütungspflichtiger Weise erweitern (vgl. , BGHZ 211, 225 Rn. 61 mwN). Daran hat sich aufgrund der Einfügung des § 12a InsVV nichts geändert. Der danach bestehende Vergütungsanspruch des vorläufigen Sachwalters knüpft an die Vermögensmasse an, auf welche sich seine Tätigkeit bezieht (vgl. BT-Drucks. 19/24181, S. 213). Eine Ermächtigung des vorläufigen Sachwalters, die ihm übertragenen Tätigkeiten zu Lasten der Masse vergütungspflichtig zu erweitern, ist damit nicht verbunden.

12Aufgrund der insoweit wörtlichen Übereinstimmung des § 12a Abs. 1 Satz 4 InsVV mit der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV und des nach der Gesetzesbegründung gewollten Gleichlaufs kann sich die Auslegung des Rechtsbegriffs der erheblichen Befassung an den für den vorläufigen Insolvenzverwalter geltenden Maßstäben ausrichten (vgl. Wischemeyer in Schmidt/Wischemeyer/Wolgast, InsVV, § 12a Rn. 8). Die Befassung mit Vermögensgegenständen, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, hat demnach einen erheblichen Umfang, wenn den vorläufigen Sachwalter die darauf entfallende Tätigkeit über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen hat; entscheidend ist ebenso wie beim (vorläufigen) Insolvenzverwalter der real gestiegene Arbeitsaufwand in diesem Bereich, also das zeitliche und sachliche Maß der Befassung. Dieses muss das gewöhnliche Maß an Tätigkeit derart überschreiten, dass eine erhebliche Mehrbelastung des vorläufigen Sachwalters durch die Befassung mit dem Vermögensgegenstand feststeht (vgl. , NZI 2021, 838 Rn. 17). Eine solche erhebliche Befassung muss das Insolvenzgericht feststellen, wenn es den vollen Wert des belasteten Vermögensgegenstandes der Berechnungsgrundlage hinzurechnet. Dies kann nicht an formale Kriterien geknüpft werden, etwa an die Zahl der Sicherungsgläubiger oder den Anteil der Fremdrechte an dem verwalteten Vermögen. Das Insolvenzgericht darf nicht schematisch aus abstrakten Tatbeständen auf eine erhebliche Befassung schließen. Erforderlich ist vielmehr ein konkreter Vortrag des Vergütungsantragstellers, welche Tätigkeiten er für den Vermögensgegenstand im Einzelfall entfaltet hat, um eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende erhebliche Befassung feststellen zu können (vgl. aaO Rn. 18).

13bb) Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Beteiligten nicht.

14(1) Auf den vorläufigen Sachwalter sind gemäß § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO die Vorschriften der §§ 274f InsO anzuwenden. Er hat demnach die Eigenverwaltung des Schuldners im Rahmen seiner Überwachungs- und Kontrolltätigkeit beratend zu begleiten. Dies ist nicht dahin zu verstehen, dass er anstelle der Eigenverwaltung den Sanierungsprozess lenken darf. Er darf sich aber umgekehrt nicht darauf beschränken, von der Eigenverwaltung vorgelegte und abgeschlossen erarbeitete Konzepte nachträglich zu billigen oder im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit zu verwerfen. Eine solche Vorgehensweise würde dem Sanierungsprozess schwerwiegend schaden. Er muss vielmehr beratend in dem Sinne tätig werden, dass er sich rechtzeitig in die Erarbeitung der Konzepte einbinden lässt und rechtzeitig zu erkennen gibt, welche erwogenen Maßnahmen nach seiner Auffassung möglich und welche geprüften Wege gangbar sind (, BGHZ 211, 225 Rn. 73).

15(2) Nach diesem Maßstab sind die im Streitfall erfolgte Abstimmung und Vermittlung eines Gutachters, der Vortrag im Gläubigerausschuss und die Unterstützung des Schuldners bei der Entscheidung über Absonderungsrechte wie etwa das durch die Treuhandvereinbarung zur betrieblichen Altersvorsorge geschaffene Sondervermögen dem Aufgabenkreis des vorläufigen Sachwalters zuzurechnen. Die in diesem Aufgabenkreis entfalteten Tätigkeiten des Beteiligten haben aber keinen Umfang, der eine erhebliche Befassung im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 4 InsVV begründen würde. In dem Vergütungsantrag wird insoweit ohne nähere Darstellung des zeitlichen und sachlichen Maßes der Befassung und ohne Abgrenzung von der Tätigkeit als Sachverständiger lediglich ausgeführt, es sei (eine) erhebliche Tätigkeit entfaltet worden. Dies genügt nicht, um eine erhebliche Befassung des Beteiligten gerade in seinem Aufgabenkreis als vorläufiger Sachwalter feststellen zu können; auch die Rechtsbeschwerde vermag hierzu keinen hinreichenden Vortrag anzuführen. Dem steht nicht zuletzt entgegen, dass sowohl eine Befassung im Rahmen der Beauftragung als Sachverständiger als auch eine Befassung außerhalb des Aufgabenkreises des vorläufigen Sachwalters nicht unter § 12 Abs. 1 Satz 4 InsVV fallen.

16(a) Soweit eine Befassung zur Feststellung der Aus- und Absonderungsrechte im Rahmen der Beauftragung als Sachverständiger erfolgt ist, fallen diese Tätigkeiten nicht unter die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 4 InsVV und sind gesondert zu vergüten. Der Beteiligte war vom Insolvenzgericht ausdrücklich als Sachverständiger beauftragt worden zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, ob das Vermögen zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreicht, welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin bestehen und ob die von der Schuldnerin angestrebte Sanierung Aussicht auf Erfolg hat. In dieser Eigenschaft hat der Beteiligte nach sachverständigen Ermittlungen das Schlussgutachten erstattet, welches sich (wohl ohne abschließende Einschätzung zur Wirksamkeit) auch mit der Treuhandvereinbarung zur Sicherung von Zusagen auf betriebliche Altersversorgung befasst. Dass er mit dem Gutachten einen Bericht über seine Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter verbunden hat, reicht nicht aus, um diese Beurteilung ihres ausschließlichen Charakters als gutachtliche Äußerung zu entkleiden (vgl. , NZI 2006, 167 Rn. 21 zum vorläufigen Insolvenzverwalter). Für die vom Insolvenzgericht beauftragte Tätigkeit als Sachverständiger erhält der Beteiligte gemäß § 12a Abs. 4 InsVV gesondert eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Zur Vermeidung von gesetzlich nicht vorgesehenen Doppelvergütungen scheidet eine Hinzurechnung zur Berechnungsgrundlage der Vergütung als vorläufiger Sachwalter aus, soweit es sich bei der Prüfung - wie hier - um eine Aufgabe des Sachverständigen handelt (vgl. Haarmeyer/Mock, Vergütung in Krise, Sanierung und Insolvenz, 7. Aufl., § 12a InsVV Rn. 34, 65 in Verbindung mit § 11 InsVV Rn. 252; Wischemeyer in Schmidt/Wischemeyer/Wolgast, InsVV, § 12a Rn. 23 in Verbindung mit § 11 Rn. 90).

17(b) Soweit eine selbständige Befassung zur Feststellung der Wirksamkeit und des Bestands der Absonderungsrechte außerhalb der Beauftragung als Sachverständiger im Rahmen der Tätigkeit als Sachwalter erfolgt sein sollte, ist diese nicht vergütungsfähig. Denn eine solche Tätigkeit gehört nicht zum oben dargestellten Aufgabenkreis des vorläufigen Sachwalters. Dem vorläufigen Sachwalter kommt nicht die Befugnis zu, die Masse selbst zu sichern, worunter auch die Prüfung etwaiger (künftiger) Absonderungsrechte fiele. Stellt er Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen würde, so hat er dies nach § 274 Abs. 3 Satz 1 InsO lediglich unverzüglich dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen (, BGHZ 211, 225 Rn. 43). In der vorläufigen Eigenverwaltung ist es grundsätzlich Aufgabe des Schuldners, die Wirksamkeit und den Bestand von Absonderungsrechten zu klären. Dem ist die Schuldnerin nachgekommen, indem sie ein Rechtsgutachten eines Dritten einholte. Dies fällt jedoch nicht in den Aufgabenkreis des vorläufigen Sachwalters. Es rechtfertigt daher nicht die Annahme einer erheblichen Befassung im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 4 InsVV.

Schoppmeyer                         Röhl                         Selbmann

                             Harms                    Weinland

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110925BIXZB9.23.0

Fundstelle(n):
MAAAK-05945