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BGH Urteil v. - 1 StR 177/25

Instanzenzug: Az: 10 KLs 144 Js 126696/20 (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und für erlittene Auslieferungshaft einen Anrechnungsmaßstab bestimmt. Von dem Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren 15 Fällen hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung des materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Teilfreispruch des Angeklagten sowie gegen den Strafausspruch des Urteils. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Angeklagte, der keinen Beruf erlernt hat, die deutsche Sprache weder lesen noch schreiben kann und auch sonst nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügt, war ab November 2011 als Servicekraft bei der M. GmbH (künftig: GmbH) angestellt, die in den Jahren 2011 bis 2020 an verschiedenen Orten Spielhallen betrieb und Geldgewinnspielgeräte unterhielt. Im Wesentlichen schenkte der Angeklagte Tee und Kaffee aus, gelegentlich befüllte er Automaten mit Bargeld. Mit dem Auslesen der Geldspielgeräte war er indes – ebenso wie mit anderen buchhalterischen Aufgaben – nicht befasst. Am wurde der Angeklagte zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Dazu kam es auf Betreiben seines Schwagers T., einem der drei Gesellschafter der GmbH, der dem Angeklagten versichert hatte, dass sich dadurch für ihn nichts ändern werde; lediglich müsse er gelegentlich die Steuererklärungen der GmbH unterschreiben, die der Steuerberater vorbereite. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben seines Schwagers und dessen Redlichkeit stimmte der Angeklagte zu. Sein Aufgabenbereich, seine Befugnisse und auch sein Lohn blieben in der Folgezeit unverändert. Tatsächlich wurde die GmbH – wie zuvor – durch die drei Gesellschafter geführt, in deren Händen auch die Auslesung der Geldspielautomaten nebst sonstiger Buchhaltung lag.

4a) Die Umsätze sämtlicher Geldspielgeräte der GmbH wurden durch Auslesestreifen festgestellt. Diese wurden in den Besteuerungszeiträumen 2011 bis 2015 von nicht feststellbaren Personen derart manipuliert, dass der darauf ausgewiesene „Saldo II“, welcher den Gewinn und (Brutto-)Umsatz des jeweiligen Geldspielgeräts darstellt, herabgesetzt wurde. Die inhaltlich unrichtigen Auslesestreifen wurden von dem für die Buchhaltung der GmbH zuständigen Gesellschafter regelmäßig an den Steuerberater weitergereicht, der alle Angaben ungeprüft übernahm. Fehlerhafte Buchungen oder rechnerische Unstimmigkeiten fielen dem Steuerberater nicht auf. Einmal jährlich, vor der Erstellung der Steuererklärungen und des Jahresabschlusses für die GmbH, fand eine Besprechung zwischen dem Steuerberater und den Gesellschaftern der GmbH statt, an der der Angeklagte nicht teilnahm. Nach Fertigung der Steuererklärungen durch den Steuerberater legte der für die Buchhaltung der GmbH zuständige Gesellschafter dem Angeklagten die Steuererklärungen ohne weitere Erläuterungen zur Unterschrift vor. Auf Nachfrage des Angeklagten versicherte er stets, dass die Erklärung inhaltlich richtig sei und er diese unterschreiben könne. Der Angeklagte selbst war aufgrund seiner eingeschränkten Lese- und Rechenkompetenz nicht in der Lage, die Steuererklärungen inhaltlich zu erfassen und vertraute darauf, dass die von einem Steuerberater vorbereiteten Erklärungen zutreffend seien. Zudem vertraute er aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehung und des deshalb bestehenden Vertrauensverhältnisses zu T. darauf, dass sein nicht vorbestrafter Schwager die zwischen ihnen bestehende familiäre Vertrauensbeziehung nicht für Straftaten missbrauchen würde. Auf diese Weise unterzeichnete der Angeklagte in den Besteuerungszeiträumen 2011 bis einschließlich 2015 alle Jahreserklärungen der GmbH zur Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Aufgrund der unrichtigen Erklärung der Gewinne und Umsätze wurden Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer in einem Gesamtumfang von 1.362.916,28 € zu niedrig festgesetzt.

5b) Für die Besteuerungszeiträume 2016 und 2017 unterzeichnete der Angeklagte jeweils keine Steuererklärung, obwohl er aufgrund seiner Tätigkeit in den Vorjahren wusste, dass er als Geschäftsführer der GmbH zur jährlichen Abgabe der Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen verpflichtet war. In der Folge wurden für die GmbH für die Jahre 2016 und 2017 keine Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen abgegeben und die jeweilige Steuer nicht festgesetzt, wodurch – wie vom Angeklagten billigend in Kauf genommen – Steuern in Höhe von insgesamt jedenfalls 471.640,08 € hinterzogen wurden.

62. a) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf, in den Besteuerungszeiträumen 2011 bis einschließlich 2015 durch unrichtige Erklärungen jeweils Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer hinterzogen zu haben (§§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, Abs. 4, 149 ff. AO, § 34 AO, § 35 Abs. 1 GmbHG, §§ 1, 8, 23, 31 KStG i.V.m. §§ 4 ff. EStG, §§ 2, 4 ff., 10, 14, 14a, 16, 18 GewStG, § 25 GewStDV, § 18 Abs. 3 UStG, § 53 StGB), aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat sich nicht die Überzeugung davon zu bilden vermocht, der Angeklagte habe es im Sinne eines bedingten Vorsatzes zumindest für möglich gehalten, dass die vom Steuerberater vorbereiteten und von ihm unterzeichneten Steuererklärungen inhaltlich unrichtig sein könnten. Der nur mit untergeordneten Tätigkeiten betraute Angeklagte, der infolge seiner eingeschränkten Alphabetisierung nicht in der Lage gewesen sei, schriftliche Aufzeichnungen inhaltlich zu erfassen, habe keinen Anlass gehabt, an der inhaltlichen Richtigkeit der Erklärungen zu zweifeln. Er habe vielmehr seinem – strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen – Schwager aufgrund der verwandtschaftlichen Nähebeziehung vertraut. Der Anschein der Richtigkeit sei zudem durch die Erstellung der Erklärung durch einen Steuerberater bekräftigt worden.

7b) Bezüglich der Besteuerungszeiträume 2016 und 2017 hat das Landgericht den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen (Körperschaftsteuer 2016 und 2017 sowie Gewerbesteuer 2016 und 2017) durch Missachtung seiner jeweiligen steuerlichen Erklärungspflicht (§§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, Abs. 4, 149 ff. AO, § 34 AO, § 35 Abs. 1 GmbHG, §§ 1, 8, 23, 31 KStG i.V.m. §§ 4 ff. EStG, §§ 2, 4 ff., 10, 14, 14a, 16, 18 GewStG, § 25 GewStDV, § 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt.

II.

8Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist; soweit sie sich gegen den Strafausspruch wendet, ist sie unbegründet.

91. Die Revision ist rechtswirksam beschränkt auf den Freispruch unter Ziffer VI. der Urteilsgründe sowie den gesamten Strafausspruch. Zwar hat die Staatsanwaltschaft die uneingeschränkte Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt und die Sachrüge ohne Einschränkung erhoben. Die Auslegung ihrer Revisionsbegründung ergibt jedoch, dass lediglich der Freispruch des Angeklagten sowie der Strafausspruch des Urteils angegriffen werden. Beanstandungen gegen den Schuldspruch werden nicht erhoben. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV ist der Rechtsmittelangriff deshalb dahin auszulegen, dass darin keine Rechtsverletzung gesehen wird und sich der Anfechtungsumfang darauf nicht erstreckt (vgl. dazu Rn. 13 f. und vom – 4 StR 151/17 Rn. 6, jew. mwN). Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch wirksam; es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.

102. Der (Teil-)Freispruch des Angeklagten hat keinen Bestand. Die Annahme des Landgerichts, der sich zur Sache einlassende Angeklagte habe bei Abgabe der inhaltlich unrichtigen Steuerklärungen für die Jahre 2011 bis 2015 ohne (bedingten) Vorsatz gehandelt, gründet auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.

11a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO), dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 17 und vom – 1 StR 94/16 Rn. 9). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 13, vom – 1 StR 46/21 Rn. 6 und vom ‒ 1 StR 416/17 Rn. 17, jeweils mwN).

12b) Diesen Maßgaben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht. Sie ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft.

13aa) Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) setzt voraus, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands jedenfalls für möglich hält (kognitives Element) und dies billigend in Kauf nimmt (voluntatives Element; st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom vom ‒ 1 StR 119/19 Rn. 9, vom ‒ 1 StR 331/17 Rn. 14 und vom – 1 StR 38/11 Rn. 27, BGHR StGB § 16 Abs. 1 Umstand 5; Beschluss vom – 3 StR 590/88 Rn. 9, BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 2).

14bb) Vom zutreffenden Maßstab ausgehend hat das Landgericht maßgebliche Umstände rechtsfehlerhaft nicht erörtert, obwohl nach den Feststellungen dazu Anlass bestand. Denn danach verließ sich der Angeklagte auf die Richtigkeit der in den Steuererklärungen enthaltenen Angaben, die auf steuerlicher Beratung fußten und vertraute auch auf die Zusicherung seines strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Schwagers, es handele sich nur um eine „Formsache“. Ob allerdings allein das bestehende Verwandtschaftsverhältnis eine derart weitreichende Vertrauensgrundlage begründen konnte, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Es fehlt bereits an einer ausreichenden Darstellung und Würdigung der näheren Umstände, die das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Schwager prägten. Zum zwischen dem Angeklagten und seinem Schwager üblichen Umgang verhält sich das Urteil nicht. Wie eng das verwandtschaftliche Verhältnis im konkreten Fall mithin tatsächlich war, lässt sich auf dieser Grundlage nicht nachvollziehen. Das Landgericht hätte zudem erörtern müssen, welche Bedeutung der Angeklagte selbst seiner Bestellung zum Geschäftsführer zumaß. Es wäre gehalten gewesen, sowohl die Umstände, die der Bestellung zum Geschäftsführer vorausgingen, als auch die Belehrung vor dem Notar eingehend zu würdigen. Ob der Angeklagte seine aus der Stellung als Geschäftsführer erwachsenden Pflichten kannte oder jedenfalls hätte kennen müssen, ist der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Die Urteilsgründe lassen an dieser Stelle schließlich die erforderliche eigenständige und kritische Würdigung der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung vermissen, was besorgen lässt, dass das Landgericht die Angaben des Angeklagten nicht hinreichend kritisch hinterfragt hat (vgl. dazu etwa Rn. 13 und vom – 2 StR 366/22 Rn. 7).

153. Die Sache bedarf daher im Hinblick auf die Taten, die Gegenstand des Freispruchs sind, neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung.

16Von der Aufhebung des Urteils sind, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, auch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Bei Aufhebung eines freisprechenden Urteils durch das Revisionsgericht können Feststellungen, deren rechtsfehlerfreies Zustandekommen der Angeklagte mangels Beschwer nicht überprüfen lassen konnte, regelmäßig nicht als Grundlage einer möglichen Verurteilung bestehen bleiben (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 10, vom – 5 StR 692/24 Rn. 10; vom – 2 StR 218/23 Rn. 25 und vom – 1 StR 727/97).

17Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die dem Tatgericht gemäß § 264 StPO obliegende Kognitionspflicht (vgl. dazu ‒ 1 StR 308/23 Rn. 19 und vom  – 1 StR 235/15 Rn. 49 mwN) im Falle nicht vorsätzlichen Handelns gebieten würde, eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) zu prüfen, soweit nicht bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

184. Der Strafausspruch des Urteils hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

19a) Das Landgericht ist nicht von einem den Angeklagten rechtsfehlerhaft begünstigenden Schuldumfang ausgegangen. Die Bestimmung des Umfangs der hinterzogenen Körperschaft- und Gewerbesteuern begegnet keinen Bedenken. Bei seiner Überzeugungsbildung hat das Tatgericht insbesondere die vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) berücksichtigt (vgl. dazu ‒ 1 StR 176/17 Rn. 6).

20aa) Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist (st. Rspr., vgl. nur Rn. 37 und vom – 1 StR 519/16 Rn. 19, jeweils mwN). Bei der Wahl der Schätzungsmethode hat das Tatgericht einen Beurteilungsspielraum; es muss jedoch nachvollziehbar darlegen, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese im konkreten Fall für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen geeignet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 12/19 Rn. 26 f.; vom – 1 StR 87/19 Rn. 7 und vom – 1 StR 283/09, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 4 Rn. 12 ff., jeweils mwN). Die Schätzungsgrundlagen sind in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitzuteilen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 229/22 Rn. 9 und vom – 1 StR 484/21 Rn. 5, jeweils mwN).

21bb) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht.

22(1) Eine konkrete Berechnung der Besteuerungsgrundlagen war ausgeschlossen, weil in die Buchführung der GmbH überwiegend manipulierte Auslesestreifen eingegangen waren, die ein verkürztes Betriebsergebnis auswiesen. Ein Rückschluss auf das tatsächliche Betriebsergebnis war auf der Grundlage der vorhandenen Unterlagen lediglich für den Zeitraum von Oktober 2011 bis September 2012 sowie – aufgrund der bei der Durchsuchung vorgenommenen Auslesung – für die Monate September und Oktober 2017 möglich. Aufgrund dieser formell und materiell fehlerhaften Buchführung war das Landgericht befugt, den Umfang der Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

23(2) Die Schätzung für das Veranlagungsjahr 2016 ist auch als solche rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, wie es zu einer Kürzungsquote von 15 Prozent gelangt ist. Da für diesen Zeitraum keine Auslesedaten vorlagen, konnte es im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei die für den Angeklagten günstigste der für die (zeitweise) datenunterlegten Veranlagungsjahre 2011, 2012 und 2017 ermittelten Kürzungsquoten zugrunde legen. Diese das Besteuerungsjahr 2011 betreffende Kürzungsquote von 20 Prozent hat das Landgericht seinerseits rechtsfehlerfrei geschätzt. Anhand der unzureichend manipulierten Auslesestreifen für die Monate Oktober bis Dezember 2011 konnte es für jedes einzelne Casino auf das tatsächliche Betriebsergebnis zurückrechnen und hieraus eine monatliche Kürzungsquote ermitteln. Aus diesen Werten hat es für alle Casinos einheitlich die durchschnittliche Abweichung der erklärten von den tatsächlichen Gewinnen für die Monate Oktober bis Dezember 2011 errechnet und ist so zu einer durchschnittlichen Kürzungsquote von 28,77 Prozent gelangt. Wegen der nur drei Monate umfassenden Datengrundlage hat es einen Sicherheitsabschlag von 8,77 Prozent auf 20 Prozent vorgenommen. Zu Recht weist die Revision der Staatsanwaltschaft insoweit zwar darauf hin, dass die einzelnen Kürzungswerte für den Monat Dezember 2011 pro Casino im Vergleich zu den weiteren Monaten des Zeitraums Oktober 2011 bis September 2012 auffallend niedrig waren und damit das Gesamtergebnis rechnerisch nicht unerheblich nach unten beeinflussen. Von einem für das Gesamtergebnis nicht berücksichtigungsfähigen „Ausreißer“ musste das Landgericht angesichts der auch insgesamt schmalen Datenlage jedoch nicht zwingend ausgehen, zumal hierauf auch keine weiteren objektivierbaren Anzeichen hindeuteten. Mit Blick auf das Fehlen von Daten insbesondere für die Monate Januar bis September 2011 durfte das Landgericht im Rahmen freier richterlicher Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) in Bezug auf den Gesamtzeitraum 2011 auch einen weiteren Sicherheitsabschlag von 8,77 Prozent vornehmen. Der Rahmen des wirtschaftlich Möglichen und Vernünftigen ist damit noch nicht verlassen. Da für das Besteuerungsjahr 2016 gar keine Daten feststellbar waren und für die Strafbarkeit nach § 370 AO der Mindestschuldumfang festzustellen ist, ist auch die Vornahme eines weiteren Sicherheitsabschlags von fünf Prozent für dieses Jahr nicht rechtsfehlerhaft. Soweit – worauf die Revision gleichfalls zutreffend hinweist – die für die verfahrensgegenständlichen Besteuerungsjahre angenommenen Sicherheitsabschläge mitunter erheblich voneinander abweichen, erklärt sich dies aus der jeweils unterschiedlich ausgeprägten Datengrundlage. Eine absolute Betrachtung – wie sie die Revision vornehmen will – war daher nicht zwingend geboten.

24(3) Für das Besteuerungsjahr 2017 gelten diese Erwägungen entsprechend, zumal die Unterschiede im Schätzergebnis im Vergleich zu den anderen Jahren ohnehin gering sind.

25b) Durchgreifend rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägungen sind auch sonst nicht ersichtlich. Zu Recht hat das Landgericht strafmildernd berücksichtigt, „dass die Taten jeweils lange Zeit zurückliegen“. Denn allein schon durch einen langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, nimmt das Strafbedürfnis – ungeachtet der hiervon zu trennenden Verfahrensdauer, die eigenständige Bedeutung sowohl für die Strafzumessung als auch eine konventionswidrige Verzögerung erlangen kann – allgemein ab (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 17/25 Rn. 3 mwN; vom – 3 StR 173/09 Rn. 5 und vom – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 142). Soweit das Landgericht die Verbüßung von Untersuchungshaft in dieser Sache als bestimmenden Strafmilderungsgrund angesehen hat, ohne dass es über die üblichen Beschwernisse einer Untersuchungshaft hinausgehende Belastungen konkret festgestellt hätte, war dies zwar rechtfehlerhaft. Der – auch erstmalige – Vollzug von Untersuchungshaft ist für sich genommen für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil diese nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. Rn. 7 und vom – 2 StR 127/22 Rn. 22; Beschluss vom – 1 StR 62/24 Rn. 18, jeweils mwN). Der Senat schließt allerdings aus, dass das Urteil hierauf beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060825U1STR177.25.0

Fundstelle(n):
TAAAK-05691