Vorlage zur Vorabentscheidung – Einwanderungspolitik – Richtlinie (EU) 2016/801 – Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst – Verweigerung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels – Art. 7 Abs. 1 Buchst. e – Nötige Mittel – Zusätzliche Bedingungen, die sich aus der Rechtsprechung eines nationalen obersten Gerichts ergeben – Beweise – Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts
Leitsatz
Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit und der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts
sind dahin auszulegen, dass
zum einen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie einer nationalen Praxis entgegensteht, die im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst beantragt, für die Erfüllung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel verlangt, dass – unter dem Vorbehalt, dass die hierzu abgegebenen Erklärungen stimmig sind – dieser Drittstaatsangehörige die Erfüllung bestimmter spezifischer Kriterien nachweist, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, und
zum anderen dies in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts auch dann gilt, wenn sich diese Anforderungen aus der Rechtsprechung eines obersten nationalen Gerichts ergeben, dessen Entscheidungen bindende Präzedenzwirkung zukommt.
Gesetze: AEUV Art. 79, EUGrdRCh Art. 45, EUGrdRCh Art. 47, RL (EU) 2016/801 Art. 7 Abs. 1 Buchst. e
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. 2016, L 132, S. 21), des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts, von Art. 79 AEUV sowie der Art. 45 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen OS und der Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság (Nationale Generaldirektion der Fremdenpolizei, Ungarn, im Folgenden: nationale Direktion) über die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels in Ungarn zwecks dortiger Teilnahme an einem Freiwilligendienst.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/109/EG
3 Art. 5 („Bedingungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“) Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44) sieht vor: „Die Mitgliedstaaten verlangen vom Drittstaatsangehörigen den Nachweis, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über Folgendes verfügt:
feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen;
…“
Richtlinie 2004/38/EG
4 Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35) bestimmt:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
…
für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen …
…“
Richtlinie 2016/801
5 In den Erwägungsgründen 2, 3, 20, 21, 41, 42, 54 und 61 der Richtlinie 2016/801 heißt es:
Diese Richtlinie sollte die in den Berichten über die Anwendung der [Richtlinien 2004/114/EG des Rates vom über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst (ABl. 2004, L 375, S. 12) und 2005/71/EG des Rates vom über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (ABl. 2005, L 289, S. 15)] festgestellten Defizite beheben, mehr Transparenz und Rechtssicherheit gewährleisten und einen kohärenten Rechtsrahmen für verschiedene Gruppen von Drittstaatsangehörigen bieten, die in die [Europäische] Union einreisen. Die bestehenden Rechtsvorschriften für diese Gruppen sollten daher vereinfacht und in einem Rechtsakt zusammengefasst werden. Die von dieser Richtlinie erfassten Gruppen unterscheiden sich zwar in mancher Hinsicht, doch haben sie auch Gemeinsamkeiten, die es ermöglichen, sie auf Unionsebene in einer Regelung zusammenzufassen.
Diese Richtlinie soll zu der mit dem Stockholmer Programm angestrebten Angleichung des nationalen Rechts über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen beitragen. Die Zuwanderung aus Drittstaaten ist ein Weg, um den Bedarf an hoch qualifizierten Personen in der Union zu decken; insbesondere Studenten und Forscher sind zunehmend gefragt. Durch ihren Beitrag zu intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum und somit zu den Zielen der Strategie Europa 2020 sind sie als Humankapital für die Union ausgesprochen wichtig.
…
Mit dieser Richtlinie sollten die Ziele des Europäischen Freiwilligendiensts unterstützt werden, nämlich die Solidarität, das gegenseitige Verständnis und die Toleranz unter jungen Menschen und den Gesellschaften, in denen sie leben, zu entwickeln und gleichzeitig zur Verstärkung des sozialen Zusammenhalts beizutragen und die aktive Bürgerschaft junger Menschen zu fördern. Um den Zugang zum Europäischen Freiwilligendienst in der gesamten Union in einheitlicher Weise zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die die Zulassung zur Teilnahme am Europäischen Freiwilligendienst beantragen, anwenden.
Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, die Bestimmungen dieser Richtlinie auf Schüler, Freiwillige, die an einem anderen als dem Europäischen Freiwilligendienst teilnehmen, sowie Au-pair-Kräfte anzuwenden, um ihnen die Einreise und den Aufenthalt zu erleichtern und ihre Rechte zu garantieren.
…
Bestehen Zweifel an den Antragsgründen, sollten die Mitgliedstaaten angemessene Prüfungen durchführen oder Nachweise verlangen können, um im Einzelfall die Pläne des Antragstellers in Bezug auf Forschung, Studium, Praktikum, Freiwilligendienst, Schüleraustausch, Bildungsvorhaben oder Au-pair-Tätigkeit zu bewerten und dem Missbrauch und der falschen Anwendung des in dieser Richtlinie festgelegten Verfahrens vorzubeugen.
Sind die übermittelten Angaben unvollständig, sollten die Mitgliedstaaten dem Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist mitteilen, welche zusätzlichen Informationen erforderlich sind, und eine angemessene Frist für deren Vorlage festlegen. Werden die Zusatzinformationen nicht fristgerecht erteilt, so kann der Antrag abgelehnt werden.
…
Die angemessene Behandlung von Drittstaatsangehörigen, die unter diese Richtlinie fallen, sollte im Einklang mit Artikel 79 AEUV sichergestellt werden. Forscher sollten in Bezug auf Artikel 12 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten (ABl. 2011, L 343, S. 1)] wie Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats behandelt werden, wobei dieser Mitgliedstaat allerdings die Möglichkeit haben sollte, die Gleichbehandlung in bestimmten in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Fällen zu beschränken. …
…
Diese Richtlinie wahrt im Einklang mit Artikel 6 [EUV] die Grundrechte und Grundsätze, die mit der Charta … anerkannt wurden.“
6 In Art. 1 („Gegenstand“) dieser Richtlinie heißt es:
„Diese Richtlinie legt fest:
die Bedingungen für die Einreise von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und für den dortigen Aufenthalt für einen Zeitraum von mehr als 90 Tagen zu Forschungs- oder Studienwecken oder zur Absolvierung eines Praktikums oder zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst im Europäischen Freiwilligendienst sowie – wenn Mitgliedstaaten dies beschließen – zur Teilnahme an einem Schüleraustauschprogramm oder einem Bildungsvorhaben, einem anderen Freiwilligendienst als dem Europäischen Freiwilligendienst oder zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit sowie ihre Rechte und gegebenenfalls die ihrer Familienangehörigen;
…“
7 Art. 2 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Diese Richtlinie findet Anwendung auf Drittstaatsangehörige, die zu Forschungs‑, Studien- oder Ausbildungszwecken oder zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst im Europäischen Freiwilligendienst einen Antrag auf Zulassung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellen oder die Zulassung erhalten haben. Die Mitgliedstaaten können auch beschließen, die Bestimmungen dieser Richtlinie auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die die Zulassung zur Teilnahme an einem Schüleraustauschprogramm oder einem Bildungsvorhaben, einem anderen Freiwilligendienst als dem Europäischen Freiwilligendienst oder zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit beantragen.“
8 Art. 4 („Günstigere Bestimmungen“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
Die Richtlinie berührt nicht günstigere Bestimmungen in
bilateralen oder multilateralen Übereinkünften zwischen der Union oder der Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und einem Drittstaat oder mehreren Drittstaaten andererseits oder
bilateralen oder multilateralen Übereinkünften zwischen einem Mitgliedstaat oder mehreren Mitgliedstaaten und einem Drittstaat oder mehreren Drittstaaten.“
9 In Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2016/801 heißt es:
„(1) Ein Drittstaatsangehöriger wird nach dieser Richtlinie nur dann zugelassen, wenn sich nach Prüfung der Dokumente zeigt, dass der Drittstaatsangehörige folgende Bedingungen erfüllt:
die allgemeinen Bedingungen des Artikels 7; und
die einschlägigen besonderen Bedingungen der Artikel 8, 11, 12, 13, 14 oder 16.
…
(3) Wenn alle allgemeinen und einschlägigen besonderen Bedingungen erfüllt sind, hat der Drittstaatsangehörige Anspruch auf einen Aufenthaltstitel.
Wenn ein Mitgliedstaat lediglich in seinem Hoheitsgebiet Aufenthaltserlaubnisse erteilt und sämtliche Zulassungsbedingungen dieser Richtlinie erfüllt sind, stellt der betreffende Mitgliedstaat dem Drittstaatsangehörigen das erforderliche Visum aus.“
10 Art. 7 („Allgemeine Bedingungen“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„In Bezug auf die Zulassung eines Drittstaatsangehörigen gemäß dieser Richtlinie muss der Antragsteller
…
Nachweise darüber vorlegen, dass der Drittstaatsangehörige über eine Krankenversicherung verfügt oder – falls dies im nationalen Recht vorgesehen ist – eine Krankenversicherung beantragt hat, die sich auf alle Risiken erstreckt, die normalerweise für die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats abgedeckt sind. Die Versicherung muss für die Dauer des geplanten Aufenthalts gültig sein;
…
den vom betreffenden Mitgliedstaat verlangten Nachweis erbringen, dass der Drittstaatsangehörige während seines geplanten Aufenthalts über die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für seinen Unterhalt, ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems des betreffenden Mitgliedstaats, und über die Kosten für die Rückreise verfügt. Die Beurteilung der Frage, ob die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, stützt sich auf eine Einzelfallprüfung und berücksichtigt die Mittel, die u.a. aus einem Stipendium, einem gültigen Arbeitsvertrag oder einem verbindlichen Arbeitsplatzangebot oder einer finanziellen Verpflichtung einer für den Schüleraustausch, die Aufnahme von Praktikanten oder den Freiwilligendienst zuständigen Organisation, einer Gastfamilie oder einer Au-pair-Vermittlungsstelle stammen.“
11 Art. 14 („Besondere Bedingungen für Freiwillige“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„In Bezug auf die Zulassung eines Drittstaatsangehörigen zum Zwecke der Teilnahme an einem Freiwilligendienst gemäß dieser Richtlinie muss der Antragsteller zusätzlich zu den allgemeinen Bedingungen des Artikels 7
eine Vereinbarung mit der aufnehmenden Einrichtung oder – falls im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen – einer anderen Stelle vorlegen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat für den Freiwilligendienst zuständig ist, an dem der Drittstaatsangehörige teilnimmt. Die Vereinbarung enthält:
…
die zur Verfügung stehenden Mittel für die Kosten für Unterhalt und Unterkunft des Drittstaatsangehörigen sowie einen Mindestbetrag als Taschengeld für die Dauer des Aufenthalts …
…“
12 Art. 34 („Verfahrensgarantien und Transparenz“) Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor: „Sind die Angaben oder die Unterlagen zur Begründung des Antrags unvollständig, so teilen die zuständigen Behörden dem Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist mit, welche zusätzlichen Informationen erforderlich sind, und legen eine angemessene Frist für deren Vorlage fest. Die Frist in den Absätzen 1 oder 2 wird ausgesetzt, bis die Behörden die verlangten zusätzlichen Informationen erhalten haben. Werden die zusätzlichen Informationen oder Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht, so kann der Antrag abgelehnt werden.“
Ungarisches Recht
13 § 2 Buchst. d des A harmadik országbeli állampolgárok beutazásáról és tartózkodásáról szóló 2007. évi II. törvény (Gesetz Nr. II von 2007 über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, Magyar Közlöny 2007/1) sieht in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. II von 2007) vor:
„Als Familienangehörige gelten:
der Ehepartner eines Drittstaatsangehörigen oder eines ungarischen Staatsangehörigen;
das minderjährige Kind (einschließlich Adoptiv- und Pflegekinder) eines Drittstaatsangehörigen und seines Ehepartners;
das minderjährige Kind (einschließlich Adoptiv- und Pflegekinder) eines Drittstaatsangehörigen, für das dieser das Sorgerecht hat und die elterliche Sorge ausübt;
das minderjährige Kind (einschließlich Adoptiv- und Pflegekinder) des Ehepartners eines Drittstaatsangehörigen oder eines ungarischen Staatsangehörigen, für das dieser Ehepartner das Sorgerecht hat und die elterliche Sorge ausübt;
jede Person, die die elterliche Sorge für einen minderjährigen ungarischen Staatsangehörigen ausübt, das Sorgerecht hat und zum Haushalt dieses ungarischen Staatsangehörigen gehört“.
14 § 13 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes Nr. II von 2007 bestimmt:
„Drittstaatsangehörige können für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen … in das ungarische Staatsgebiet einreisen, wenn sie während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts über die nötigen Mittel zur Deckung ihrer Kosten für Unterhalt und Unterkunft sowie über die Kosten für die Rückreise verfügen.“
15 In § 87 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es:
„Wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist, kann die Fremdenpolizeibehörde die betreffende Person auffordern, eine Erklärung abzugeben. Die Erklärung kann sowohl mündlich als auch schriftlich abgegeben werden. Wird die Erklärung mündlich abgegeben, erstellt die befasste Fremdenpolizeibehörde darüber ein Protokoll. …“
16 § 29 Abs. 5 und 6 der A harmadik országbeli állampolgárok beutazásáról és tartózkodásáról szóló 2007. évi II. törvény végrehajtásáról szóló 114/2007. (V. 24.) Korm. rendelet (Regierungsverordnung 114/2007 vom zur Durchführung des Gesetzes Nr. II von 2007 über die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, Magyar Közlöny 2007/65, im Folgenden: Regierungsverordnung 114/2007) sieht vor:
„(5) Ein Drittstaatsangehöriger verfügt über die für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen nötigen Mittel, wenn er selbst oder ein Familienangehöriger für ihn aus dem ihm zur Verfügung stehenden und rechtmäßig erworbenen Einkommen oder Vermögen für die Kosten seines Unterhalts, seiner Unterkunft, seiner Rückreise und erforderlichenfalls seiner medizinischen Versorgung aufkommen kann.
(6) Im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung eines Visums für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen und eines Aufenthaltstitels kann das Vorliegen der Mittel für den Lebensunterhalt u. a. wie folgt nachgewiesen werden:
ungarische Zahlungsmittel oder bei einem Kreditinstitut in Ungarn konvertible ausländische Zahlungsmittel;
eine Urkunde (Zahlungskontovereinbarung, Spareinlagen etc.), mit denen das Recht eines Drittstaatsangehörigen anerkannt wird, bei einem Zahlungsdienstleister in Ungarn Bargeld abzuheben, zusammen mit einer Bescheinigung eines Kreditinstituts über die verfügbare Bardeckung;
im Handel in Ungarn akzeptierte Bargeldäquivalente (Scheck, Kreditkarte etc.) zusammen mit einer Bescheinigung eines Kreditinstituts über die verfügbare Bardeckung;
ein von der Verwaltung genehmigtes gültiges Einladungsschreiben;
eine Urkunde, mit der die gebuchte und bezahlte Bereitstellung einer Unterkunft und von Nahrung bescheinigt wird;
eine öffentliche oder privatschriftliche Urkunde, mit der das Vorliegen von Vermögen, vermögenswerten Rechten oder den Unterhalt gewährleistenden Vermögenswerten in Ungarn bescheinigt wird;
Nachweis über Einkommen aus einer rechtmäßigen entgeltlichen Tätigkeit, die der Antragsteller im ungarischen Staatsgebiet auszuüben beabsichtigt oder ausübt;
Nachweis über Einkommen, die regelmäßig aus dem Ausland eingehen;
Erklärung eines Familienangehörigen, der im ungarischen Staatsgebiet entweder Inhaber eines Visums oder eines Aufenthaltstitels, des Status als Einwanderer oder niedergelassener Person oder einer gemäß einem Spezialgesetz vorgesehenen Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte ist oder der als Flüchtling anerkannt ist, die vor einem Notar abgegeben wird und mit der die Verpflichtung bestätigt wird, für den Antragsteller als unterhaltsberechtigte Person aufzukommen und ihm Unterhalt zu zahlen; der Erklärung ist eine Urkunde beizufügen, mit der die Fähigkeit des Verpflichteten bestätigt wird, diese Verpflichtung zu erfüllen; oder
jedes andere glaubwürdige Beweismittel.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
17 OS ist ein Drittstaatsangehöriger und Inhaber eines Aufenthaltstitels in Ungarn zu Studienzwecken, der bis zum gültig war. Am stellte er bei der Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Budapesti és Pest megyei Regionális Igazgatósága (Nationale Generaldirektion der Fremdenpolizei, Regionaldirektion Budapest und Komitat Pest, Ungarn, im Folgenden: Regionaldirektion) einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels (im Folgenden: Verlängerungsantrag), in dem er als Aufenthaltszweck die Teilnahme an einem Freiwilligendienst angab. Formal wurde der Antrag jedoch „zu anderen Zwecken“ gestellt. Darüber hinaus gab er an, dass sein Onkel, ein britischer Staatsangehöriger, ihm die während seines Aufenthalts in Ungarn erforderlichen Mittel garantiere.
18 Zum Nachweis des Zwecks seines Aufenthalts fügte OS dem Verlängerungsantrag einen am von einer Vereinigung mit Sitz in Ungarn und dem Namen „Mahatma Gandhi Emberi Jogi Egyesület“ ausgestellten Vertrag bei, dem zufolge er für diese an einem Freiwilligendienst für unbestimmte Zeit ab dem teilnehmen werde. Dem Verlängerungsantrag waren außerdem detaillierte Kontoauszüge auf den Namen von OS der letzten sechs Monate, eine Erklärung seines Onkels, in der er bestätigte, dass er für den Unterhalt von OS aufkomme, sowie Einkommensnachweise seines Onkels beigefügt.
19 Die Regionaldirektion wies den Verlängerungsantrag zurück und ordnete die Ausweisung von OS in das Drittland, dessen Staatsangehöriger er ist, an, ohne die von ihm zur Stützung seines Verlängerungsantrags vorgelegten Dokumente zu berücksichtigen, da sein Onkel, der ihm die Mittel zur Deckung seines Lebensunterhalts in Ungarn zur Verfügung stellen sollte, nicht als „Familienangehöriger“ im Sinne von § 2 Buchst. d des Gesetzes Nr. II von 2007 und § 29 Abs. 5 der Regierungsverordnung 114/2007 angesehen werden könne.
20 OS legte gegen diese ablehnende Entscheidung bei der nationalen Direktion Widerspruch ein. Er machte geltend, dass, auch wenn sein Onkel kein „Familienangehöriger“ im Sinne von § 2 Buchst. d des Gesetzes Nr. II von 2007 sei, er ihm auf der Grundlage eines zwischen ihnen geschlossenen Darlehensvertrags die finanzielle Unterstützung leisten könne, die für seinen Lebensunterhalt in Ungarn erforderlich sei. Hierfür fügte OS seinem Widerspruch eine Erklärung bei, der zufolge sein Onkel ihm die Zahlung eines monatlichen Betrags von 200 000 ungarischen Forint (HUF) (ca. 520 Euro) während des einjährigen Zeitraums, in dem er an dem Freiwilligendienst teilnehme, garantiere.
21 Da die nationale Direktion die Entscheidung der Regionaldirektion bestätigte, erhob OS Klage beim Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn), dem vorlegenden Gericht. Zur Stützung dieser Klage machte OS geltend, dass die nationale Direktion es nicht ablehnen könne, die von ihm vorgelegten Beweise allein deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sein Onkel kein „Familienangehöriger“ im Sinne von § 2 Buchst. d des Gesetzes Nr. II von 2007 sei, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Übernahme seiner Lebenshaltungs- und Heimreisekosten nicht gewährleistet sei. Vor diesem Gericht trug OS vor, dass sein Onkel ihm finanzielle Unterstützung in Form einer freigebigen Zuwendung und nicht in Form von Unterhalt gewähre, so dass er selbst über die Mittel für seinen Lebensunterhalt nötigen Mittel verfüge. Entgegen der Auslegung der nationalen Direktion könne nämlich jedes rechtmäßig erworbene Einkommen ein Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts in Ungarn darstellen.
22 Das vorlegende Gericht gab der Klage von OS statt. Es war insbesondere der Auffassung, dass § 29 Abs. 5 und 6 der Regierungsverordnung Nr. 114/2007 dahin auszulegen sei, dass die Mittel für den Lebensunterhalt, über die die betreffende Person, die einen Aufenthaltstitel beantrage, verfügen müsse, aus Einkommen oder rechtmäßig erworbenem Vermögen stammen könnten, ungeachtet dessen, ob es sich um eigene Einkünfte dieses Antragstellers oder um ihm von einem Familienangehörigen zur Verfügung gestellte Einkünfte handele.
23 Da das Gesetz Nr. II von 2007 den Begriff „Einkünfte“ nicht definiere, sei auf seine Bedeutung im nationalen Steuerrecht abzustellen. In diesem Bereich gebe es jedoch keine Unterscheidung nach der Quelle der Einkünfte, so dass diese nicht nur von einem Arbeitgeber stammen, sondern auch von einer anderen natürlichen Person aus gleich welchem Grund gewährt worden sein könnten, wie dies im vorliegenden Fall bei der finanziellen Unterstützung, die OS von seinem Onkel erhalte, der Fall sei. Das vorlegende Gericht zog daraus den Schluss, dass die nationale Direktion dadurch rechtswidrig gehandelt habe, dass sie das von OS angegebene Einkommen allein deshalb nicht berücksichtigt habe, weil es nicht von einem seiner Familienangehörigen stamme. Es hob daher den Bescheid der nationalen Direktion auf und gab der Regionaldirektion auf, den Verlängerungsantrag erneut zu prüfen.
24 Diese Entscheidung wurde von der Kúria (Oberstes Gericht, Ungarn) aufgehoben. Sie entschied, dass die Mittel, die der Drittstaatsangehörige benötige, um während seines Aufenthalts seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ihm zwar tatsächlich von einer Person, die kein „Familienangehöriger“ im Sinne von § 2 Buchst. d des Gesetzes Nr. II von 2007 sei, bereitgestellt werden könnten, dass es jedoch erforderlich sei, dass der Drittstaatsangehörige nachweise, dass er über diese Mittel unbeschränkt verfügen könne, als ob es sich dabei um ein Einkommen oder eigenes Vermögen handele. Im vorliegenden Fall hätten die Erklärungen von OS hierzu variiert, da er die von seinem Onkel bereitgestellte finanzielle Unterstützung bald als Darlehen, bald als freigebige Zuwendung bezeichnet habe.
25 Nach Ansicht der Kúria (Oberstes Gericht) ist es in einem solchen Fall für die Feststellung, ob die Kriterien dieses § 29 Abs. 5 erfüllt seien, unerlässlich, dass der Drittstaatsangehörige, der einen Aufenthaltstitel beantragt habe, klarstelle, ob er diesen Betrag als Einkommen oder Vermögen betrachte, und zum einen dartue, aus welchem Rechtsgrund er diesen Betrag oder dieses Vermögen endgültig erhalten habe, und zum anderen nachweise, dass er darüber unbeschränkt wie über eigene Mittel verfügen könne.
26 Selbst wenn in bestimmten Fällen die von einem Dritten geleistete finanzielle Unterstützung als Einkommen oder Vermögen des Antragstellers angesehen werden könnte, müssten gleichwohl systematisch stimmige Beweise und Erklärungen sowohl von dem Dritten, der die Einkünfte bereitstelle, als auch vom Antragsteller, vorgelegt bzw. abgegeben werden, und zwar auch dazu, auf welchem Rechtsgrund diese Einkünfte beruhten. Die Erklärungen dazu, aus welchem Rechtsgrund die Mittel zur Verfügung gestellt würden oder welcher Art sie seien, könnten daher im Lauf des Verfahrens nicht ständig geändert werden, da andernfalls sowohl die Glaubhaftigkeit dieser Erklärungen als auch die Glaubwürdigkeit des Antragstellers selbst Schaden nähmen.
27 Die Kúria (Oberstes Gericht) verwies die Sache an das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht), das vorlegende Gericht, zurück und gab ihm auf, zu prüfen, ob die Erklärungen von OS zu dem bereitgestellten Einkommen oder Vermögen stimmig und hinreichend belegt seien. Andernfalls könne der bereitgestellte Betrag nicht als ihm gehörend angesehen werden.
28 Das vorlegende Gericht bezweifelt die Vereinbarkeit dieser von der Kúria (Oberstes Gericht) vorgegebenen Prüfungen mit dem Unionsrecht. Es handele sich nämlich um Kriterien, die zu den von der Richtlinie 2016/801, insbesondere in ihrem Art. 7 Abs. 1 Buchst. e, vorgesehenen Kriterien hinzuträten, ohne dass der Antragsteller seine Angaben gegebenenfalls berichtigen und die in Bezug auf diese Kriterien einschlägigen Beweise vorlegen könne.
29 Wenn der Antragsteller eines Aufenthaltstitels gemäß der in diesem Art. 7 Abs. 1 Buchst. e vorgesehenen Bedingung in der vom betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Form beweisen müsse, dass er während seines geplanten Aufenthalts über die für die Bestreitung seines Lebensunterhalts nötigen Mittel verfügen werde, ohne das Sozialhilfesystem des betreffenden Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen (im Folgenden: Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel), betreffe der Spielraum, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Bestimmung verfügten, zuvörderst die Modalitäten der Prüfung der Beweise und beinhalte nur ausnahmsweise die Schaffung zusätzlicher Kriterien, die zu den von dieser Bestimmung vorgesehenen hinzuträten. Mit anderen Worten fragt sich das vorlegende Gericht, wie weit der Beurteilungsspielraum reicht, über den die Mitgliedstaaten bei der Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel verfügten, und, genauer gesagt, ob sie für die Prüfung dieser Bedingung nur Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie und nur die tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigen dürfen, die für die Prüfung, ob die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Bedingungen erfüllt sind, maßgeblich sind, oder ob der nationale Gesetzgeber zusätzliche Anforderungen stellen kann wie etwa stimmige Erklärungen, aus welchem Rechtsgrund die finanzielle Unterstützung gewährt wird, oder den Beweis der Möglichkeit, einen dem Antragsteller von einem Dritten zur Verfügung gestellten Betrag zukünftig, endgültig und unbegrenzt zu nutzen.
30 In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht zum einen auch, ob die von der Kúria (Oberstes Gericht) herausgearbeiteten Kriterien nicht Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 entgegenstehen, und insbesondere, ob es für die Prüfung, ob die von dieser Bestimmung aufgestellten Kriterien erfüllt sind, erheblich ist, ob der Erwerb eines Geldbetrags durch den Antragsteller endgültig ist, d.h., ob er ihn als freigebige Zuwendung oder Darlehen erhalten hat, oder ob es für die Erfüllung der Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel genügt, dass die Person, die diese finanzielle Unterstützung sicherstellt, eine Erklärung abgibt, in der sie zum Ausdruck bringt, dass der Geldbetrag für die Lebenshaltungskosten des Antragstellers bestimmt ist. Zum anderen fragt sich das vorlegende Gericht, welche Auswirkung der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts in der Sache, mit der es befasst ist, hat, da sämtliche der zusätzlichen Anforderungen nicht vom nationalen Gesetzgeber vorgegeben worden seien, sondern sich aus der Rechtsprechung eines obersten Gerichts ergäben, dessen Entscheidungen verbindlich und nicht mehr anfechtbar seien.
31 In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, ob das Aufstellen von Zulassungsbedingungen neben den in der Richtlinie 2016/801 vorgesehenen nicht den von dieser Richtlinie verfolgten Zielen, die darin bestehen, die Mobilität von Drittstaatsangehörigen zu fördern, um einen Freiwilligendienst in der Europäischen Union zu absolvieren, sowie der im zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgehobenen Rechtssicherheit, der in ihrem 54. Erwägungsgrund genannten angemessenen Behandlung und ferner der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit sowie dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht zuwiderläuft, die in den Art. 45 bzw. 47 der Charta verankert sind und im 61. Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannt werden.
32 Schließlich stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das Erfordernis eines fairen Verfahrens im Licht des 42. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2016/801 einem Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf einen Aufenthaltstitel entgegenstehen, das den zuständigen Behörden vorschreibt, die von einem Drittstaatsangehörigen abgegebene Erklärung zum Rechtsgrund, weshalb ihm diese finanzielle Unterstützung gewährt wurde, und die zu dieser Erklärung eingereichten Belege zu prüfen, ohne dass dieser Drittstaatsangehörige während des Verwaltungsverfahrens darüber informiert wurde, dass es für die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erforderlich ist, dass seine Erklärungen sowie diejenigen der Person, die ihm finanzielle Unterstützung gewährt, stimmig sind, oder dass er für die Feststellung der Erfüllung dieser Bedingung aufgefordert werden kann, zusätzliche Erklärungen oder Beweise dafür vorzulegen.
33 Daher hat das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, die – im Anschluss an den Nachweis, dass ein nicht als Familienangehöriger geltender Verwandter eines drittstaatsangehörigen Antragstellers mit dem Wunsch, Freiwilligenarbeit zu leisten, aus seinem rechtmäßig erworbenen Einkommen in der Lage ist, mit der regelmäßigen Überweisung des für den Unterhalt nötigen Betrags dem Antragsteller ein ausreichendes Einkommen für seinen Unterhalt und seine Rückreise bzw. Mittel zu deren Deckung zu sichern und sichert – als zusätzliche Voraussetzung für die Anerkennung des Unterhalts auch vorschreibt, dass der Antragsteller genau angibt, ob der erhaltene Betrag Einkommen oder Vermögen darstellt, ferner urkundlich nachweist, aus welchem Rechtsgrund er dieses Einkommen oder Vermögen erworben hat und ob er über das Geld oder Vermögen endgültig und unbegrenzt als eigenes verfügen kann, im Hinblick auf die in den Erwägungsgründen 2 und 41 sowie in Art. 1 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2016/801 festgelegten Ziele mit dem den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie eingeräumten Beurteilungsspielraum vereinbar?
Ist es für die Antwort auf die erste Frage im Hinblick auf den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, die angemessene Behandlung gemäß Art. 79 AEUV, die Aufenthaltsfreiheit gemäß Art. 45 der Charta, den Grundsatz des wirksamen Rechtsbehelfs und eines unparteiischen Verfahrens gemäß Art. 47 der Charta sowie die Erwägungsgründe 54 und 61 der Richtlinie 2016/801, aber insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit von Bedeutung, dass die in der ersten Frage genannten Voraussetzungen in den für die Aufenthaltstitel einheitlich geltenden mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften nicht enthalten sind, und so diese Voraussetzungen nicht vom Gesetzgeber, sondern vom mitgliedstaatlichen Höchstgericht im Rahmen seiner als Präzedenzentscheidung zu betrachtenden Rechtsanwendung aufgestellt worden sind?
Wenn für die Anerkennung des Unterhalts auch eine der mitgliedstaatlichen Rechtsanwendung entsprechende Erklärung und ein dieser Rechtsanwendung entsprechender urkundlicher Nachweis über die oben genannten Voraussetzungen erforderlich sind, ist dann Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 unter Berücksichtigung der angemessenen Behandlung gemäß Art. 79 AEUV, des Grundsatzes des wirksamen Rechtsbehelfs und eines unparteiischen Verfahrens gemäß Art. 47 der Charta, des Erfordernisses der Rechtssicherheit gemäß dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801 sowie ihrer Erwägungsgründe 41 und 42 als verfahrensrechtliche Garantien dahin auszulegen, dass den Bestimmungen der Rechtsvorschriften nur eine Praxis eines Mitgliedstaats entspricht, die unter Verweis auf die Rechtsfolgen vom Antragsteller verlangt, die als notwendig erachteten zusätzlichen Voraussetzungen durchgängig und schlüssig darzulegen und nachzuweisen, und die nur bei entsprechender Sicherung der Beteiligtenrechte und der Durchsetzung der Verfahrensgarantien den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mangels Nachweises der von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen ablehnt?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
34 Die ungarische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, da der Ausgangsrechtsstreit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/801 falle.
35 Erstens habe OS, formal betrachtet, nicht angegeben, dass der Verlängerungsantrag die „Teilnahme an einem Freiwilligendienst“ zum Zweck habe. Formal sei der Antrag nämlich für einen Aufenthalt „zu anderen Zwecken“ gestellt worden.
36 Zweitens habe der ungarische Gesetzgeber, wie es Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie im Licht ihres 21. Erwägungsgrundes vorsehe, entschieden, diese Richtlinie auf Drittstaatsangehörige anzuwenden, die beantragten, sich für die Teilnahme an einem außerhalb des Rahmens des Europäischen Freiwilligendienstes liegenden Freiwilligendienst im ungarischen Staatsgebiet aufhalten zu dürfen.
37 In diesem Fall verlange die nationale Regelung gemäß dem den Mitgliedstaaten von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum jedoch, dass die aufnehmende Einrichtung, bei der der Freiwilligendienst geplant sei, einer Mitteilungspflicht nachkomme. Dies sei vorliegend bei der Vereinigung, bei der OS an einem Freiwilligendienst teilnehmen solle, jedoch nicht der Fall gewesen.
38 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom , Sagrario, C‑63/23, EU:C:2024:739, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Im vorliegenden Fall betrifft, wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht und wie die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof anerkannt hat, der Ausgangsrechtsstreit einen Bescheid, mit dem die zuständigen Behörden den von OS gestellten Verlängerungsantrag mit der Begründung abgelehnt haben, dass die von der Richtlinie 2016/801 vorgesehene Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel, wie sie in die ungarische Rechtsordnung umgesetzt worden sei, nicht erfüllt worden sei. Diese Bedingung ist Gegenstand der Fragen, die das vorlegende Gericht dem Gerichtshof stellt.
40 Demnach ist es nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde.
41 Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
42 Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 und der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen sind, dass
zum einen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie einer nationalen Praxis entgegensteht, die im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst beantragt, für die Erfüllung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel verlangt, dass – unter dem Vorbehalt, dass die hierzu abgegebenen Erklärungen stimmig sind – dieser Drittstaatsangehörige die Erfüllung bestimmter spezifischer Kriterien nachweist, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, und
zum anderen in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts dies auch gilt, wenn sich diese Anforderungen aus der Rechtsprechung eines obersten nationalen Gerichts ergeben, dessen Entscheidungen bindende Präzedenzwirkung zukommt.
43 Als Erstes ist in Bezug auf die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf der Grundlage der Richtlinie 2016/801 darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie der Drittstaatsangehörige, der einen Antrag auf Zulassung in das Staatsgebiet eines Mitgliedstaats gestellt hat, Anspruch auf einen Aufenthaltstitel hat, wenn er zum einen die allgemeinen in Art. 7 dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen und zum anderen die besonderen Bedingungen, die je nach der Art des gestellten Antrags anwendbar sind, erfüllt, vorliegend die in Art. 14 dieser Richtlinie für Anträge auf Zulassung zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst.
44 Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 3 verpflichtet sind, einem Antragsteller, der die Anforderungen der Art. 7 und 14 der Richtlinie 2016/801 erfüllt hat, einen Aufenthaltstitel für die Teilnahme an einem Freiwilligendienst zu erteilen (Urteil vom , Perle, C‑14/23, EU:C:2024:647, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Den Mitgliedstaaten ist es somit nicht gestattet, über die in diesen Art. 7 und 14 vorgesehenen Bedingungen hinaus zusätzliche Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst einzuführen (vgl. entsprechend Urteil vom , Ben Alaya, C‑491/13, EU:C:2014:2187, Rn. 30).
46 Daraus ergibt sich, dass für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts zu klären ist, was der Begriff „Mittel“ im Sinne dieses Art. 7 Abs. 1 Buchst. e umfasst, und insbesondere, ob er von besonderen Kriterien hinsichtlich der Natur der betreffenden Mittel, ihrer Herkunft, dem Rechtsgrund, aus dem der Drittstaatsangehörige sie erworben hat oder wie er über sie verfügen kann, abhängt.
47 Im vorliegenden Fall sieht dieser Art. 7 Abs. 1 Buchst. e vor, dass der Drittstaatsangehörige den vom betreffenden Mitgliedstaat verlangten Nachweis erbringen muss, dass er während seines geplanten Aufenthalts über die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für seinen Unterhalt, ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems des betreffenden Mitgliedstaats, und über die Kosten für die Rückreise verfügt. In dieser Bestimmung wird auch klargestellt, dass sich die Beurteilung der Frage, ob die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, auf eine Einzelfallprüfung stützt und die Mittel berücksichtigt, die u.a. aus einem Stipendium, einem gültigen Arbeitsvertrag oder einem verbindlichen Arbeitsplatzangebot oder einer finanziellen Verpflichtung einer für den Schüleraustausch, die Aufnahme von Praktikanten oder den Freiwilligendienst zuständigen Organisation, einer Gastfamilie oder einer Au-pair-Vermittlungsstelle stammen.
48 Da dieser Art. 7 Abs. 1 Buchst. e keinerlei Verweisung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten enthält, ist der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Mittel“ als ein autonomer Begriff des Unionsrechts aufzufassen und – unabhängig von den Wertungen in den Mitgliedstaaten – im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen, wobei der Wortlaut der genannten Bestimmung, der Zusammenhang, in dem diese Bestimmung steht, sowie die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, zu berücksichtigen sind (vgl. entsprechend Urteil vom , X [Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte], C‑302/18, EU:C:2019:830 Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Was erstens den Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 betrifft, so wird in dieser Bestimmung, wie aus Rn. 47 des vorliegenden Urteils hervorgeht, eine Reihe von Mitteln genannt, die berücksichtigt werden können, wie etwa ein Stipendium oder eine finanzielle Verpflichtung einer für den Freiwilligendienst zuständigen Organisation. Der nicht abschließende Charakter dieser Aufzählung, der durch die Wendung „u.a.“ zum Ausdruck gebracht wird, deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff „Mittel“ weit fassen wollte und daher bei der Beurteilung, ob die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt ist, nicht bestimmte Mittel ausschließen wollte.
50 Diese Feststellung wird durch das Erfordernis bestätigt, dass nach dieser Bestimmung in jedem Einzelfall zu beurteilen ist, ob die Mittel ausreichend sind. Daraus ergibt sich, dass sich eine solche Beurteilung ihrem Gegenstand nach darauf beschränken muss, zu prüfen, ob der Drittstaatsangehörige in der Lage ist, ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems des betreffenden Mitgliedstaats während seines beabsichtigten Aufenthalts über die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für seinen Unterhalt sowie der Kosten für die Rückreise zu verfügen, ohne dass darüber hinaus verifiziert werden müsste, dass die fraglichen Mittel besondere Kriterien erfüllen, u.a. was ihre Natur, ihre Herkunft oder die Modalitäten betrifft, nach denen der Drittstaatsangehörige über sie verfügt.
51 Darüber hinaus sieht Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 im Rahmen dieser Einzelfallprüfung die Berücksichtigung von Mitteln vor, deren Existenz mittels einer finanziellen Verpflichtung u.a. einer für einen Freiwilligendienst zuständigen Organisation nachgewiesen wird. Daraus folgt, dass diese Bestimmung von dem Drittstaatsangehörigen nicht den Nachweis verlangt, dass er über diese Mittel endgültig und unbeschränkt verfügen kann, als ob es sich dabei um ein Einkommen oder eigenes Vermögen handelte.
52 Infolgedessen deutet der Wortlaut dieser Bestimmung darauf hin, dass die Erfüllung der Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel nicht davon abhängt, ob die Mittel, über die der betreffende Drittstaatsangehörige während seines geplanten Aufenthalts verfügen wird, ein Einkommen oder Vermögen darstellen, aus welchem Rechtsgrund er diese Mittel erworben hat oder ob er darüber endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann. Solche Kriterien würden zusätzliche Bedingungen darstellen, die die Mitgliedstaaten nicht aufstellen dürfen, wie in Rn. 45 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde.
53 Zweitens wird diese Auslegung durch den Zusammenhang bestätigt, in den sich die Richtlinie 2016/801 einfügt und zu dem die Instrumente des Unionsrechts gehören, die das Recht, sich im Staatsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten, von der Erfüllung einer Bedingung, über die nötigen „Mittel“ zu verfügen abhängig machen, die der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie vorgesehenen entspricht.
54 Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten u.a. dann hat, wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.
55 Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, ist daher die in dieser Bestimmung enthaltene Formulierung „über ausreichende Existenzmittel verfügt“ dahin auszulegen, dass es ausreicht, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass die Bestimmung auch nur die geringsten Anforderungen an die Herkunft der Mittel stellt; mithin können diese auch von einem Drittstaatsangehörigen stammen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Singh u.a., C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56 Insbesondere verlangt die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Voraussetzung ausreichender Existenzmittel nicht, dass der Betreffende selbst über solche Mittel verfügen muss, da der Gerichtshof u.a. entschieden hat, dass er sich auf Existenzmittel eines ihn begleitenden Familienangehörigen berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Singh u.a., C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57 Gleichermaßen sieht Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, der von den für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im Staatsgebiet eines Mitgliedstaats geltenden Bedingungen handelt, u.a. vor, dass dieser von dem Drittstaatsangehörigen den Nachweis verlangen muss, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen.
58 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht indes hervor, dass die Herkunft der in dieser Bestimmung genannten Einkünfte für den betreffenden Mitgliedstaat kein entscheidendes Kriterium für die Prüfung ist, ob sie fest, regelmäßig und ausreichend sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , X [Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte], C‑302/18, EU:C:2019:830, Rn. 41).
59 Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass mit dem in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 verwendeten Begriff „Einkünfte“ nicht ausschließlich „eigene Einkünfte“ desjenigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, gemeint sind, sondern dass dieser Begriff auch Mittel umfasst, die diesem Antragsteller von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden, sofern unter Berücksichtigung der individuellen Situation des betreffenden Antragstellers davon ausgegangen wird, dass sie die in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , X [Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte], C‑302/18, EU:C:2019:830, Rn. 44).
60 Folglich bestätigen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof, dass für die – entsprechende – Beurteilung dessen, ob die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 vorgesehene Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt ist, die hierfür maßgeblichen Mittel nicht bestimmte spezielle Kriterien erfüllen müssen, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann.
61 Drittens stützen die von der Richtlinie 2016/801 verfolgten Ziele ebenfalls diese Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie.
62 Im dritten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es nämlich u.a., dass Zuwanderung aus Drittstaaten ein Weg ist, um den Bedarf an hoch qualifizierten Personen in der Union zu decken, und dass sie durch ihren Beitrag zu intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum als Humankapital für die Union ausgesprochen wichtig sind.
63 Des Weiteren heißt es in ihrem 20. Erwägungsgrund, dass mit der Richtlinie 2016/801 die Ziele des Europäischen Freiwilligendienstes unterstützt werden sollten, nämlich die Solidarität, das gegenseitige Verständnis und die Toleranz unter jungen Menschen und den Gesellschaften, in denen sie leben, zu entwickeln und gleichzeitig zur Verstärkung des sozialen Zusammenhalts beizutragen und die aktive Bürgerschaft junger Menschen zu fördern. Zudem sollten die Mitgliedstaaten gemäß dem 21. Erwägungsgrund dieser Richtlinie die Möglichkeit haben, die Bestimmungen dieser Richtlinie auf Schüler, Freiwillige, die an einem anderen als dem Europäischen Freiwilligendienst teilnehmen, sowie Au-pair-Kräfte anzuwenden, um ihnen die Einreise und den Aufenthalt zu erleichtern und ihre Rechte zu garantieren.
64 Wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, folgt daraus, dass der Zweck der Richtlinie 2016/801 darin besteht, die Einreise und den Aufenthalt von – im vorliegenden Fall – Teilnehmern an einem Freiwilligendienst zu erleichtern, sofern diese Personen über die nötigen Mittel verfügen, damit sie dem betreffenden Mitgliedstaat und insbesondere seinem Sozialhilfesystem nicht zur Last fallen.
65 Zur Erreichung dieses Ziels reicht es jedoch aus, dass der Drittstaatsangehörige, der einen Aufenthaltstitel u.a. zum Zweck der die Teilnahme an einem Freiwilligendienst beantragt hat, den Nachweis erbringt, dass er während seines geplanten Aufenthalts über die nötigen Mittel verfügt. Hierfür sind besondere Kriterien hinsichtlich der Frage, ob diese Mittel Einkommen oder Vermögen darstellen, aus welchem Rechtsgrund er sie erworben hat und ob er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, als solche irrelevant. Die Prüfung, ob die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt ist, von der Erfüllung solcher Kriterien abhängig zu machen, liefe darauf hinaus, zusätzliche Bedingungen einzuführen, die zu den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e vorgesehenen hinzuträten und dadurch geeignet wären, die Verwirklichung der Ziele, die mit dieser Richtlinie erreicht werden sollen, zu behindern.
66 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Angaben von OS zu den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Mitteln variierten, da er sie bald als Darlehen, bald als freigebige Zuwendung bezeichnete. Es ist jedoch festzustellen, dass vorbehaltlich einer Prüfung durch das nationale Gericht die Tatsache, dass OS die von seinem Onkel bereitgestellten Beträge eventuell zurückzahlen muss, sobald er seinen Freiwilligendienst beendet hat, keine Auswirkung auf die Frage hat, ob er während seines geplanten Aufenthalts im Staatsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats über die nötigen Mittel dafür verfügt.
67 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Frage, ob die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt ist, nicht davon abhängen darf, dass der betreffende Drittstaatsangehörige nachweist, dass bestimmte spezielle Kriterien erfüllt sind, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, da dies darauf hinausliefe, die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel von Anforderungen abhängig zu machen, die über die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 vorgesehenen hinausgingen.
68 Als Zweites betreffen die Fragen des vorlegenden Gerichts auch den Beweiswert der Beweise, mit denen belegt werden soll, dass die Bedingung der notwendigen Mittel erfüllt ist, und insbesondere die Bedeutung, die bei der Prüfung dieser Bedingung der Stimmigkeit der hierzu gemachten Angaben beizumessen ist, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige nicht darüber informiert wurde, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst allein wegen fehlender Stimmigkeit dieser Angaben zurückgewiesen werden könnte.
69 Wie auch der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, darf die Bedingung der notwendigen Mittel nur dann von der Vorlage bestimmter Beweise durch den betreffenden Drittstaatsangehörigen abhängig gemacht werden, wenn sich diese Beweise auf die Anforderungen dieser Bedingung beziehen, und nicht von zusätzlichen Anforderungen, die über die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 vorgesehenen hinausgehen.
70 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass zwar die Natur der Mittel, über die der betreffende Drittstaatsangehörige verfügt, der Rechtsgrund, aus dem er sie erworben hat, und die Bedingungen, unter denen er über sie verfügt, als solche keine zusätzlichen Anforderungen darstellen dürfen, von denen die Erfüllung der Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel abhängt, solche Erwägungen gleichwohl aber Beweise darstellen können, die im Rahmen der Beurteilung dessen, ob diese Bedingung erfüllt ist, von Belang sind.
71 In diesem Zusammenhang ist ebenfalls hervorzuheben, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass im Fall einer Person, die einen Aufenthaltstitel für Studienzwecke nach der Richtlinie 2016/801 beantragt hat, Unstimmigkeiten in den Angaben zum Studienvorhaben zu den objektiven Umständen gehören können, aufgrund deren ein Missbrauch festgestellt werden kann, sofern diese Unstimmigkeiten hinreichend offensichtlich sind und im Licht aller besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Perle, C‑14/23, EU:C:2024:647, Rn. 53).
72 Aus diesen Erwägungen folgt, dass im Rahmen eines Zulassungsantrags nach der Richtlinie 2016/801 Unstimmigkeiten in den Angaben zu den Mitteln, über die der betreffende Drittstaatsangehörige verfügen wird, ein Indiz für eine Situation darstellen können, in der die von dieser Richtlinie vorgesehenen Bedingungen, was namentlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst betrifft, nicht erfüllt sind.
73 Was derartige Unstimmigkeiten anbelangt, so kann von den Mitgliedstaaten im Übrigen nicht verlangt werden, im Vorhinein die Drittstaatsangehörigen, die einen Antrag auf Zulassung in ihr Staatsgebiet stellen, darauf hinzuweisen, dass fehlende Stimmigkeit in den zur Stützung ihres Antrags abgegebenen Erklärungen zu einer Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels führen kann.
74 Allerdings sieht Art. 34 Abs. 3 der Richtlinie 2016/801 u.a. vor, dass, wenn die Angaben oder die Unterlagen zur Begründung des Antrags unvollständig sind, die zuständigen Behörden dem Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist mitteilen müssen, welche zusätzlichen Informationen erforderlich sind, und eine angemessene Frist für deren Vorlage festlegen müssen. Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, muss folglich, wenn sich aufgrund eventueller Unstimmigkeiten in den während des Prüfungsverfahrens abgegebenen Erklärungen erweist, dass die Informationen fehlen, die für die Beurteilung dessen erforderlich sind, ob die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt ist, dem Antragsteller eine angemessene Möglichkeit eingeräumt werden, diese Informationen mitzuteilen.
75 Hierzu ist hervorzuheben, dass solche Unstimmigkeiten die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht verhindern dürfen, wenn aus der Einzelfallprüfung, wie sie in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 verlangt wird, hervorgeht, dass der betreffende Drittstaatsangehörige während seines geplanten Aufenthalts ungeachtet dieser Unstimmigkeiten über die nötigen Mittel verfügen wird, er also die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel erfüllt.
76 Demnach kann die Feststellung von Unstimmigkeiten in den Angaben des Antragstellers zu den Mitteln, über die er während seines geplanten Aufenthalts verfügen wird, grundsätzlich nicht ausreichend dafür sein, die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels abzulehnen, es sei denn, es geht aus diesen Unstimmigkeiten evident hervor, dass die Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel nicht erfüllt ist.
77 Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels allein deshalb abzulehnen, weil die Erklärungen zu den Mitteln, über die der Antragsteller während seines geplanten Aufenthalts verfügen wird, während des Verwaltungsverfahrens variierten, liefe nämlich entgegen dem, was Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2016/801 verlangt, darauf hinaus, diese Erteilung von der Erfüllung zusätzlicher Bedingungen abhängig zu machen, die zu den von dieser Richtlinie vorgesehenen hinzuträten, was den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, wie in Rn. 45 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde.
78 Als Drittes fragt sich das vorlegende Gericht, welche Auswirkung im Ausgangsverfahren der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts insofern hat, als sich die Anforderungen daran, dass sich die vom betreffenden Drittstaatsangehörigen angegebenen Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, daran, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie daran, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, sowie an die Stimmigkeit seiner zu diesen verschiedenen Punkten abgegebenen Erklärungen aus der Rechtsprechung eines obersten nationalen Gerichts ergäben, dessen Entscheidungen bindende Präzedenzwirkung zukomme.
79 Nach ständiger Rechtsprechung besagt der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, dass das Unionsrecht dem Recht der Mitgliedstaaten vorgeht. Dieser Grundsatz verpflichtet daher alle mitgliedstaatlichen Stellen, den verschiedenen unionsrechtlichen Vorschriften volle Wirksamkeit zu verschaffen, wobei das Recht der Mitgliedstaaten die diesen verschiedenen Vorschriften zuerkannte Wirkung in ihrem Hoheitsgebiet nicht beeinträchtigen darf. Folglich kann nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass sich ein Mitgliedstaat auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruft, auch wenn sie Verfassungsrang haben (Urteil vom , Global Ink Trade, C‑537/22, EU:C:2024:6, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
80 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht, das von der ihm durch Art. 267 AEUV eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, bei der Entscheidung des ihm vorgelegten Rechtsstreits durch die Auslegung der betreffenden unionsrechtlichen Vorschriften durch den Gerichtshof gebunden ist und daher unter Umständen, wenn es angesichts der Auslegung durch den Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Beurteilung eines höheren nationalen Gerichts nicht dem Unionsrecht entspricht, von ihr abweichen muss, indem es gegebenenfalls die nationale Vorschrift, die es verpflichtet, den Entscheidungen dieses höheren Gerichts nachzukommen, unangewendet lässt (Urteil vom , Global Ink Trade, C‑537/22, EU:C:2024:6, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
81 Demnach umfasst das Erfordernis, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, die Verpflichtung dieses nationalen Gerichts, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist (Urteil vom , Global Ink Trade, C‑537/22, EU:C:2024:6, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82 Im vorliegenden Fall ist das vorlegende Gericht daher für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits an die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof gebunden und wird gegebenenfalls die aus der Rechtsprechung der Kúria (Oberstes Gericht) folgende Beurteilung unberücksichtigt lassen müssen, obwohl es nach nationalem Recht grundsätzlich verpflichtet wäre, sich daran zu halten, wenn es in Anbetracht dieser Auslegung der Auffassung sein sollte, dass diese Beurteilung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
83 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2016/801 und der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen sind, dass
zum einen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie einer nationalen Praxis entgegensteht, die im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst beantragt, für die Erfüllung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel verlangt, dass – unter dem Vorbehalt, dass die hierzu abgegebenen Erklärungen stimmig sind – dieser Drittstaatsangehörige die Erfüllung bestimmter spezifischer Kriterien nachweist, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, und
zum anderen dies in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts auch dann gilt, wenn sich diese Anforderungen aus der Rechtsprechung eines obersten nationalen Gerichts ergeben, dessen Entscheidungen bindende Präzedenzwirkung zukommt.
Kosten
84 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit und der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts
sind dahin auszulegen, dass
zum einen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie einer nationalen Praxis entgegensteht, die im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Teilnahme an einem Freiwilligendienst beantragt, für die Erfüllung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingung hinsichtlich der nötigen Mittel verlangt, dass – unter dem Vorbehalt, dass die hierzu abgegebenen Erklärungen stimmig sind – dieser Drittstaatsangehörige die Erfüllung bestimmter spezifischer Kriterien nachweist, die sich darauf beziehen, dass sich diese Mittel als Einkommen oder Vermögen einstufen lassen, darauf, aus welchem Rechtsgrund sie der Drittstaatsangehörige erworben hat, sowie darauf, dass er über sie endgültig und unbegrenzt wie über eigene verfügen kann, und
zum anderen dies in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts auch dann gilt, wenn sich diese Anforderungen aus der Rechtsprechung eines obersten nationalen Gerichts ergeben, dessen Entscheidungen bindende Präzedenzwirkung zukommt.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:877
Fundstelle(n):
PAAAK-05636