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BGH Urteil v. - 5 StR 184/25

Instanzenzug: LG Dresden Az: 18 KLs 421 Js 2954/24

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

2Den Angeklagten S.        wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis und wegen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis und wegen Handeltreibens mit Cannabis in fünf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten.

3Den Angeklagten M.         wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Dresden zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis und wegen Handeltreibens mit Cannabis in vier Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.

4Daneben hat das Landgericht bezüglich beider Angeklagter Einziehungsentscheidungen getroffen.

5Gegen das Urteil wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg, denn die umfassende Überprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

6Zu Recht ist das Landgericht auch in den Fällen zu 2 a bis c der Urteilsgründe von Tatmehrheit ausgegangen. Die hierfür gegebene Begründung hält – entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts – der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Im Einzelnen:

71. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fassten die Angeklagten Anfang Mai 2023 den Entschluss, sich fortan gemeinsam durch den eigennützigen An- und Verkauf von Betäubungsmitteln sowie von Cannabis eine wiederholte und fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, mit der sie ihren jeweiligen Lebensbedarf finanzieren wollten. In Ausführung dessen kauften sie gemeinschaftlich von jeweils unbekannten Personen Cannabis und Betäubungsmittel, deponierten diese in zwei von ihnen genutzten Wohnungen, portionierten sie und verkauften sie sodann gewinnbringend im Stadtgebiet von D.          an eine Vielzahl von Abnehmern weiter.

8a) In Umsetzung dieses Tatentschlusses erwarben die Angeklagten am oder kurz vor dem fünf Haschischblöcke mit einem Gesamtgewicht von 500 Gramm, die sie zunächst in einer der beiden Wohnungen lagerten und in den nächsten Tagen verkauften (Fall 2 a der Urteilsgründe).

9b) Am oder kurz vor dem erwarben die Angeklagten knapp 75 Gramm Kokain, das sie zunächst in der gleichen Wohnung aufbewahrten wie das Haschisch im Fall 2 a der Urteilsgründe und in der Folgezeit vollständig an unbekannte Abnehmer verkauften; bis zum hatten sie bereits gut 10 Gramm an ihre Käufer weitergegeben (Fall 2 b der Urteilsgründe).

10c) Am oder kurz vor dem erwarben die Angeklagten erneut fünf Haschischblöcke mit insgesamt 500 Gramm Haschisch, die sie ebenfalls in der gleichen Wohnung einlagerten und in der Folge vollständig verkauften (Fall 2 c der Urteilsgründe).

11d) In der Beweiswürdigung hat die Strafkammer zur Tatbegehung ausgeführt, dass die Angeklagten „so häufig Lieferungen von Drogen erhielten, dass es sich bei den unterschiedlichen Taten jeweils um Betäubungsmittel und Cannabis aus eigenständigen Lieferungen handelte“, auch wenn die Taten in geringem zeitlichen Abstand zueinander standen.

122. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von Tatmehrheit hinsichtlich der drei genannten Taten ausgegangen ist.

13a) Nach ständiger Rechtsprechung stellen sämtliche auf ein und denselben Güterumsatz gerichtete Teilakte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eine Bewertungseinheit und damit eine Tat im Rechtssinne dar (st. Rspr.; seit , BGHSt 30, 28). Da hier die drei Taten jeweils andere Betäubungsmittelarten und -mengen zum Gegenstand hatten, stellte jede für sich eine Bewertungseinheit und damit grundsätzlich eine Tat im Rechtssinne dar. Selbst wenn man mit dem Generalbundesanwalt davon ausginge, es liege nahe, dass sich diese Betäubungsmittel teilweise gleichzeitig in der von den Angeklagten genutzten Wohnung befanden, begründete dies keine Bewertungseinheit, denn der bloße Besitz der verschiedenen Handelsmengen hat nicht die Kraft, zwischen mehreren selbständigen Taten des unerlaubten Handeltreibens Bewertungseinheit zu begründen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 505/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9; vom – 1 StR 310/19 Rn. 6; Urteil vom – 1 StR 629/15, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 25 Rn. 33 f.; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 478 mwN).

14b) Allerdings kann mit Blick auf mehrere gleichzeitig besessene Betäubungsmittelmengen gleichartige Tateinheit wegen der Teilidentität der Ausführungshandlungen gegeben sein, wenn die Art und Weise der Besitzausübung im Einzelfall über bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Besitzausübung über die andere darstellt ( Rn. 7; Beschlüsse vom – 3 StR 95/18 Rn. 6; vom – 6 StR 162/20 Rn. 4; vom – 2 StR 290/20 Rn. 2). Solche über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgehenden oder gar einen „funktionalen Zusammenhang“ begründenden Umstände (vgl. dazu ; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 503) hat das Landgericht indes nicht festgestellt, so dass sich auch unter dem Gesichtspunkt der gleichartigen Tateinheit der Schuldspruch als rechtsfehlerfrei erweist.

15c) Es liegt auch kein Erörterungsmangel darin, dass die Strafkammer keine ergänzenden Feststellungen zum Aufbewahrungsort oder dem zeitlichen Zusammenhang von Erwerbs-, Aufbewahrungs- und Veräußerungshandlungen getroffen hat. Was in den Urteilsgründen in welchem Umfang zu erörtern ist, folgt keinem verfahrensrechtlichen Selbstzweck, sondern richtet sich nach den Erfordernissen des sachlichen Rechts. Was zu dessen richtiger Anwendung notwendig ist, muss – soweit feststellbar – erörtert werden; weitere Feststellungen und Erörterung sind entbehrlich (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 267 Rn. 36). Insoweit ist es insbesondere auch nicht erforderlich, zu nicht feststellbaren Umständen nähere Ausführungen zu machen (vgl. MüKo-StPO/Wenske, 2. Aufl., § 267 Rn. 61).

16Es ist nicht ersichtlich, dass die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vermissten ergänzenden Feststellungen Umstände erbracht hätten, die hier zu einer anderen konkurrenzrechtlichen Bewertung hätten führen müssen. So ist etwa ein enger zeitlicher Zusammenhang der „Aufbewahrungshandlungen“ dem Begriff der Gleichzeitigkeit des Besitzes immanent, der für die Annahme von Tateinheit gerade nicht ausreichend ist. Vor dem Hintergrund der festgestellten hochfrequenten Handelstätigkeit ergeben sich auch mit Blick auf Erwerbs- und Verkaufshandlungen keine Besonderheiten, die die Annahme von Tateinheit nahegelegt hätten; insbesondere ergibt sich aus der Gewerbsmäßigkeit der Handelstätigkeit kein Umstand, der zur Annahme eines „funktional“ ausgerichteten (einheitlichen) Besitzes genötigt hätte. Schließlich legt auch der möglicherweise gleichzeitige Besitz der Betäubungsmittel in derselben Wohnung keinen Umstand nahe, der über die bloße Gleichzeitigkeit des Besitzes maßgeblich hinausgeht und deshalb näherer Darlegung bedurft hätte.

Gericke                         Mosbacher                         Köhler

                   Resch                                 Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:171125U5STR184.25.0

Fundstelle(n):
GAAAK-05626