Befehlswidrige Fortsetzung einer Nebentätigkeit auch in Zeiten der Krankschreibung
Leitsatz
Setzt ein Soldat entgegen mehrfacher Befehle eine Nebentätigkeit auch in Zeiten seiner Dienstunfähigkeit im Umfang eines Zweitberufs fort, ist die Höchstmaßnahme zu verhängen.
Instanzenzug: Truppendienstgericht Nord Az: N 6 VL 19/22 Urteil
Tatbestand
1Das Verfahren betrifft den Vorwurf der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit entgegen mehrfacher Befehle auch während einer Krankschreibung.
21. Die ... geborene frühere Soldatin verfügt über den Realschulabschluss. Nach einer Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau wurde sie ... in das Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit berufen. Über etwa drei Jahre absolvierte sie als Maßnahme der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung erfolgreich eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit Oktober 2019 wurde sie im Bundeswehrkrankenhaus A im Bereich IMC (Intermediate Care; Vorstufe zur Intensivstation) verwendet. Sie wurde zuletzt zum Januar 2021 zum Oberfeldwebel befördert, war seit Anfang April 2021 durchgehend krankgeschrieben und wurde mit Ablauf Februar 2023 aus gesundheitlichen Gründen (Leistungsfunktionsstörung) aus der Bundeswehr entlassen.
3Die frühere Soldatin wurde nicht beurteilt. Erstinstanzlich hat die frühere Disziplinarvorgesetzte, Zeugin N., ausgesagt, die frühere Soldatin sei gleich nach dem Examen als Gesundheits- und Krankenpflegerin in dem Bereich Intensivpflege verwendet worden. Da die frühere Soldatin unter der großen Entfernung zu ihrem Heimatort gelitten habe, seien die Dienstpläne möglichst auf sie zugeschnitten worden, um ihr längere Aufenthalte zu Hause zu ermöglichen. Entsprechende Angebote habe sie jedoch nicht angenommen. Auch eine heimatnahe Verwendung im Sanitätsversorgungszentrum T. habe ermöglicht werden sollen, wozu es aufgrund ihrer krankheitsbedingt langen dienstlichen Abwesenheiten jedoch nicht gekommen sei. Sie habe nur den ersten Termin zum Wiedereingliederungsgespräch wahrgenommen und abgelehnt, ihren Dienst im Bundeswehrkrankenhaus wieder aufzunehmen. Daraufhin habe die Zeugin das Dienstunfähigkeitsverfahren eingeleitet.
4Der letzte Auszug aus dem Disziplinarbuch enthält keine Eintragungen und die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister enthält den mit Anschuldigungspunkt 3 sachgleichen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom . Mit ihm wurde die frühere Soldatin wegen Gehorsamsverweigerung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und als Auflage die Zahlung von 3 000 € festgelegt.
5Beschwerden der früheren Soldatin gegen die Befehle zur Unterlassung der Tätigkeit als DJ vom 16. und und wurden zurückgewiesen.
6Die frühere Soldatin ist verheiratet und kinderlos. Bis November 2024 erhielt sie Übergangsgebührnisse unter Berücksichtigung des angeordneten Einbehalts von monatlich 1 640,86 € netto. Die Übergangsbeihilfe in Höhe von 16 157,90 € ist einbehalten. Sie arbeitet bei der B GmbH (im Folgenden: GmbH) als angestellte Künstlerin und erzielt ein monatliches Einkommen von ca. 2 000 € netto. Über Einkünfte bei der GEMA konnte sie keine genaue Auskunft geben. Alleiniger Gesellschafter der GmbH ist ihr Ehemann, ihr Vater deren Geschäftsführer.
72. Nachdem die Stationsleitung des Bundeswehrkrankenhauses A im Juli 2021 gemeldet hatte, dass die frühere Soldatin während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit wiederholt als DJ auftrete und dies zum Missfallen der auf Station Dienst leistenden Kameraden über soziale Netzwerke teile, wurde sie im Februar 2022 unter anderem vorläufig des Dienstes enthoben. Unter dem wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet und unter dem wurde sie vor dem Truppendienstgericht angeschuldigt.
83. Das Truppendienstgericht hat sie unter Ausklammerung des Anschuldigungspunktes 1 mit - der Wehrdisziplinaranwaltschaft am zugestelltem - Urteil vom in den Dienstgrad eines Sanitätssoldaten a.D. herabgesetzt.
9a) In tatsächlicher Hinsicht stehe zu Anschuldigungspunkt 2 fest, dass die frühere Soldatin zwar vom 1. bis krankgeschrieben gewesen, dem Dienst jedoch ohne Genehmigung ihrer Disziplinarvorgesetzten wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich, ferngeblieben sei.
10Zu Anschuldigungspunkt 3 hat das Truppendienstgericht unter Bezugnahme auf "die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts ... im zum Anschuldigungspunkt 1 sachgleichen Strafbefehl vom , Az. 305 DS 35/22" die dortigen Feststellungen der Anklageschrift übernommen. In ihr ist ausgeführt:
"Die Angeschuldigte ist Angehörige des Bundeswehrkrankenhauses A mit dem Dienstgrad Oberfeldwebel und wurde dort im Tatzeitraum als Krankenpflegerin im Bereich Intensivüberwachungspflege verwendet. Seit dem nahm sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Dienst teil. Im oben genannten Tatzeitraum übte sie eine Tätigkeit als Musikabspielerin (sogenannte 'DJane') unter dem Künstlernamen 'B' aus, obgleich sie, wie sie wusste über keine Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit verfügte. Die Tätigkeit übte sie für die B GmbH aus, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ihr Ehemann M. H. ist. Bei Auftritten wurde ein mit ihrem Logo großflächig gekennzeichneter Tourbus verwendet und es werden sogenannte Merchandise-Artikel wie Parfüm und Bekleidung vertrieben. Unter ihrem Namen unterhält sie unter anderem einen Kanal auf der Internetplattform 'C' mit derzeit über 144.645 Abonnenten. Dort überträgt sie regelmäßig Musikdarbietungen aus einem professionell anmutenden Studio.
Am befahl ihre Disziplinarvorgesetzte Hauptmann N. ihr, die Ausübung der Nebentätigkeit zu unterlassen. Im Weiteren wurde der Befehl wie folgt ausgesprochen:
In den nachfolgend aufgeführten Fällen trat die Angeschuldigte bewusst und in Kenntnis zuwider der ausgesprochenen Befehle als DJane öffentlich auf und widersetzte sich dadurch diesen:
11Ergänzend stellte das Truppendienstgericht fest, dass unter Nr. 4 der Anklageschrift statt des 26. der gemeint sei. Die im Strafbefehl festgehaltenen Tatsachen könnten zugrunde gelegt werden, weil sie nicht substanziell in Zweifel gezogen worden seien. Die frühere Soldatin sei gegen ihn auch nicht vorgegangen. Ihr Verteidiger habe zudem erklärt, die objektiven und subjektiven Tatbestände des Strafbefehls seien ordnungsgemäß festgestellt.
12b) Die frühere Soldatin habe sich dahingehend eingelassen, die Befehle zum Verbot der Ausübung einer Nebentätigkeit durch Hauptmann N. und Leutnant D würden eingeräumt. Sie habe sich seinerzeit unter anderem beim Bundeswehrverband informiert, ob ihre Tätigkeit eine genehmigungsfreie Nebentätigkeit sei, was bejaht worden sei. Sie habe die Zeugin N. dann per E-Mail über die Nebentätigkeit in Kenntnis gesetzt. Diese habe bestätigt, ihre formlose E-Mail erhalten zu haben, in der sie beantragt habe, die Nebentätigkeit ausüben zu dürfen. Diese E-Mail sei den Akten nicht zu entnehmen gewesen. Die Zeugin N. habe die E-Mail aber nicht weiterbearbeitet, da es für den Antrag auf Nebentätigkeitsgenehmigung ein Formular gebe.
13c) Die Zeugin S. habe bestätigt, dass die DJ-Tätigkeit der früheren Soldatin auf der Station bekannt gewesen sei. Seit deren Krankschreibung hätten sich die Mitarbeiter der Station über deren Streaming-Auftritte geärgert, denn deren Fehlen habe es notwendig gemacht, dass andere Kollegen einspringen und deren Dienste übernehmen müssten. Gleichzeitig habe man jedoch die frisch-fröhlichen Auftritte der früheren Soldatin in ihren Videos gesehen.
14d) Das Truppendienstgericht sei auch wegen der in öffentlich zugänglichen Quellen getroffenen Aussage der früheren Soldatin davon überzeugt, dass diese seit 2018 als DJ öffentlich unter dem Künstlernamen "B" auftrete und seit Beginn Corona-bedingter Einschränkungen bei öffentlichen Veranstaltungen im Jahr 2020 regelmäßig der Erzielung von Einkünften dienende Internet-Livestream-Auftritte durchgeführt habe. Hierfür habe sie ihren Kanal "B official" auf dem Internetvideostream-Portal "C" genutzt, dessen Veranstalter die GmbH gewesen sei. Die frühere Soldatin richte sich während der Live-Sendung regelmäßig an die jeweiligen Geldversender und kommentiere dankend deren Geldübersendungen. Ausweislich des auf dem Kanal ersichtlichen Terminplanes sei sie regelmäßig viermal wöchentlich per Internet-Livestream (montags, mittwochs, freitags, samstags) aufgetreten.
15e) Sie habe zwar angegeben, aufgrund der räumlichen Trennung von ihrem Mann und ihrem Lebensmittelpunkt sowie wegen der erhöhten Belastung durch die Corona-Pandemie psychisch erkrankt und fast täglich die Strecke vom Bundeswehrkrankenhaus A nach V., mithin mehr als zwei Autostunden in eine Richtung, gefahren zu sein. Bei ihr seien im April 2021 eine Anpassungsstörung und ein Burnout festgestellt worden. Dies sei jedoch nicht glaubhaft. Die häufigen Heimfahrten seien allein deshalb erfolgt, um an wöchentlich vier Terminen ihre stundenlangen Live-Auftritte im Internet durchzuführen. Sie habe alleine durch die Fahrzeit von A zu ihrem Heimatort und durch die Auftritte im Internet eine extrem hohe körperliche und psychische Belastung gehabt, zu der noch der reguläre Stationsdienst hinzugekommen sei. Der von ihr geschilderte Zusammenbruch bzw. das Burnout sei durch diese Lebensweise selbstverantwortet worden und nicht die Folge der Trennung von ihrem Lebensmittelpunkt. Gleiches gelte für die Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode (F32.1) und einer Anpassungsstörung (F43.2). Dass man der früheren Soldatin eine heimatnahe Verwendung in dem nur 25 km vom Heimatort entfernten T. angeboten, sie es jedoch ungenutzt gelassen habe, unterstreiche diese Annahme. Dass die frühere Soldatin unentgeltlich tätig gewesen sei, sei unglaubhaft. Erschwerend komme hinzu, dass sie diesen Zweitberuf in der Zeit ihrer Dienstunfähigkeit entgegen mehrfacher Befehle weiter ausgeübt habe.
16f) Die frühere Soldatin habe ein Dienstvergehen begangen. Durch ihr unerlaubtes Fernbleiben habe sie die nach § 7 SG bestehende Pflicht zum treuen Dienen vorsätzlich verletzt, die insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung einschließe. Zugleich habe sie nach § 15 Abs. 1 WStG vorsätzlich eine Straftat verwirklicht und auch dadurch gegen die Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Indem sie wissentlich und willentlich acht Befehle, ihre Tätigkeit als DJ zu unterlassen, nicht befolgt habe, habe sie ferner vorsätzlich ihre Gehorsamspflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 2 SG verletzt und durch mehr als zwanzig selbstständige Handlungen zugleich gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WStG verstoßen und eine Straftat verwirklicht. Damit habe sie zugleich und wiederholt gegen die Pflicht zum treuen Dienen in Form der Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung verstoßen. Die Ausübung einer Nebentätigkeit während einer krankheitsbedingten Freistellung vom Dienst begründe zudem einen Verstoß gegen die Pflicht zur Wiederherstellung der Gesundheit nach § 17a Abs. 1 Alt. 2 SG. Einher gehe damit ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 SG. Unabhängig davon, ob die Tätigkeit genehmigungs- oder nicht genehmigungspflichtig gewesen sei, habe jedenfalls ein Versagungsgrund nach § 20 Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 6 Satz 6 SG vorgelegen. Mit dem Aufbau der Künstlermarke "B offizial" und den Auftritten habe die frühere Soldatin nach außen deutlich gemacht, dass sie sich auf Dauer von ihrem Dienstherrn lösen wolle. Sie habe sich in der Zeit ihrer Krankschreibung eine neue berufliche Existenz aufgebaut. Hinzu trete der Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 und 3 SG, wobei sie als Vorgesetzte verschärfter Haftung unterliege.
17g) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme komme zum Tragen, dass das Dienstvergehen wegen der vorsätzlichen Verletzung zahlreicher Dienstpflichten besonders schwer wiege, zumal die frühere Soldatin damit zugleich kriminelles Unrecht begangen habe und entsprechend sanktioniert worden sei. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei bei einer eigenmächtigen Abwesenheit von 14 Tagen sowie in Fällen der Gehorsamsverweigerung eine Dienstgradherabsetzung. Auf der zweiten Stufe würden an sich allein die wiederholten Befehlsverweigerungen den Übergang zur Höchstmaßnahme erfordern. Denn die frühere Soldatin habe mit ihrer achtmaligen Verweigerung eine besondere Beharrlichkeit offenbart, wobei die längere unerlaubte Abwesenheit vom Dienst sowie die Ausübung eines nicht genehmigungsfähigen Zweitberufes während der Krankschreibung erschwerend hinzuträten. Mildernd sei indes zu werten, dass sie jedenfalls die Stationsleitung im Bundeswehrkrankenhaus über ihre Krankschreibungen in Kenntnis gesetzt habe und dass dort eine An- und Abwesenheitskontrolle dienstunfähiger Soldaten nicht oder nicht vollständig erfolgt sei. Ebenfalls mildernd wirke, dass die Disziplinarvorgesetzten die erteilten Befehle nicht durchgesetzt hätten. Hinzu komme, dass die Zeugin N. durch die formlose Mitteilung der früheren Soldatin Kenntnis über ihre Nebentätigkeit gehabt habe, gleichwohl lange Zeit untätig geblieben sei und den eigentlich zuständigen Disziplinarvorgesetzten nicht unterrichtet habe. Diese mildernden Umstände zusammen mit einer überlangen Verfahrensdauer rechtfertigten es, von der Höchstmaßnahme abzuweichen und die frühere Soldatin in den Dienstgrad eines Sanitätssoldaten a.D. herabzusetzen.
184. Mit ihrer als PDF-Datei beim Truppendienstgericht eingegangenen, dort am ausgedruckten und auf die Maßnahmebemessung beschränkten Berufung begehrt die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Höchstmaßnahme. Die Voraussetzungen für ein Abweichen davon lägen nicht vor. Insbesondere könne nicht mildernd berücksichtigt werden, dass die Vorgesetzten ihre Befehle nicht durchgesetzt hätten. Denn weitere effektivere Mittel als die Wiederholung der Befehle hätten ihnen nicht zur Verfügung gestanden. Ungeachtet dessen seien die aufgeführten Minderungsgründe selbst unter Berücksichtigung eines etwaigen Verstoßes gegen das Durchsetzungsgebot nicht gewichtig genug, um von der Höchstmaßnahme abzusehen. Spätestens nach Bekanntwerden ihrer außerdienstlichen Tätigkeiten habe kein Verständnis der anderen Beschäftigten des Bundeswehrkrankenhauses dafür bestanden, die ausgefallenen Dienste der früheren Soldatin kompensieren zu müssen.
195. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person der früheren Soldatin und zu den Tat- und Schuldfeststellungen wird auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren erhobenen Beweisen wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.
Gründe
20Die Berufung ist begründet. Da sie sich gegen das am verkündete Urteil des Truppendienstgerichts richtet, sind auf das Berufungsverfahren gemäß § 151 Abs. 7 der WDO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (3. WehrDiszNOG) vom (BGBl. I Nr. 424) die §§ 115 bis 121 WDO in der zuletzt durch Gesetz vom (BGBl. I S. 3932) geänderten Fassung (im Folgenden: WDO a. F.) anzuwenden; im Übrigen finden die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung in der ab April 2025 maßgeblichen Fassung (im Folgenden: WDO) Anwendung.
211. Die Berufung ist zulässig.
22Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Berufungsschrift dem Truppendienstgericht innerhalb der gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 WDO a. F., § 94 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 43 Abs. 1 Halbs. 1 StPO am abgelaufenen Berufungsfrist nur per E-Mail als eingescanntes PDF-Dokument am in ausgedruckter Form vorgelegen hat. Nach dem insoweit maßgeblichen § 116 Abs. 1 Satz 3 WDO a. F. i. V. m. § 112 Satz 1 WDO a. F. ist eine Einlegung der Berufung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Wehrdienstgerichts möglich gewesen.
23a) Eine Übermittlung in elektronischer Form war nicht zwingend geboten. Für die Einlegung von Rechtsmitteln der Wehrdisziplinaranwaltschaft enthält § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO a. F. ebenso wie § 94 Abs. 1 Satz 1 WDO einen Verweis auf die Strafprozessordnung. Nach § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO ist in Strafverfahren von den Strafverfolgungsbehörden u. a. die Berufung und ihre Begründung grundsätzlich (vgl. § 32b Abs. 3 Satz 3 StPO) als elektronisches Dokument zu übermitteln.
24Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO tritt allerdings erst dann ein, wenn die Akten elektronisch geführt werden ( - juris Rn. 87 und Beschluss vom - 2 StR 122/24 - juris Rn. 2), wobei es insoweit auf das Gericht ankommt, an das die Berufung und ihre Begründung zu übermitteln sind (vgl. - juris Rn. 87 und vom - 5 StR 168/23 - juris Rn. 15 m. w. N.).
25Nach Maßgabe dessen brauchte die Berufungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht elektronisch übermittelt zu werden. Nach § 116 Abs. 1 Satz 1 WDO a. F. ist die Berufung bei dem Truppendienstgericht einzulegen; dort würden die Akten noch nicht - wie bei den Wehrdienstsenaten des Bundesverwaltungsgerichts - elektronisch geführt. Da die Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht verpflichtet war, die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen, bestand für sie auch keine Pflicht zur elektronischen Übermittlung an das Truppendienstgericht.
26b) Die von der Wehrdisziplinaranwaltschaft übermittelte Berufungsschrift entsprach dem Schriftformerfordernis des § 116 Abs. 2 WDO a. F.
27Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Praktikabilität des Prozessrechts anschließt (noch offen gelassen in: 2 WD 18.19 - BVerwGE 169, 228 Rn. 12; ebenso Beschluss vom - 1 WB 36.22 - juris Rn. 24), ist die Schriftform gewahrt, wenn ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz in eine PDF-Datei eingescannt, diese per E-Mail an das Gericht übersandt und dort vor Ablauf der Berufungsfrist ausgedruckt wird (BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 8.19 - NJW 2019, 2096 Rn. 12, vom - X ZB 11/18 - juris Rn. 16 m. w. N. sowie vom - III ZB 34.20 - juris Rn. 11). Das gilt auch wenn die Unterschrift der zuständigen Wehrdisziplinaranwältin nicht im Original, sondern nur in Kopie vorlag. Dieser Umstand ist unschädlich, weil das Merkmal der Schriftlichkeit der Berufungsschrift (§ 116 Abs. 2 WDO a. F.) auch bei Einreichung einer Ablichtung erfüllt ist, wenn sich aus anderen Umständen mit hinreichender Deutlichkeit die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben als Rechtsmittel einzureichen, ergibt (vgl. 2 WD 37.24 - juris Rn. 22 m. w. N.).
28Vorliegend waren sowohl das Telefon, das Telefax als auch der Organisationsbriefkasten der 5. und 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd von Freitag, , 12:00 Uhr bis Dienstag, , 14:45 Uhr wegen Serverproblemen nicht erreichbar. Der Ausdruck der aus diesem Grund am (vorab) per E-Mail abgesandten Berufungsschrift in Form eines PDF-Scans des Originaldokuments erfolgte am zusammen mit der Transportemail durch die Geschäftsstelle der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord. An der Urheberschaft der Wehrdisziplinaranwaltschaft bestehen angesichts des am eingegangenen Originalschriftsatzes auch keine Zweifel.
292. Die Berufung ist auch begründet. Bei einer - wie hier - auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung hat der Senat seiner Entscheidung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Dabei erfasst die Bindungswirkung auch die konkreten Straftatbestände aus denen das Truppendienstgericht sowohl den Verstoß gegen die Rechtsordnung als auch die außerdienstliche disziplinarische Relevanz abgeleitet hat ( 2 WD 15.24 - NVwZ-RR 2025, 573 Rn. 20).
30a) Aufgrund der Tat- und Schuldfeststellungen des Truppendienstgerichts steht in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend fest, dass die frühere Soldatin 14 Tage, nämlich vom 1. bis , dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben ist. Ferner ist sie entgegen acht Befehlen ihrer Vorgesetzten, die Nebentätigkeit als DJ zu unterlassen, vorsätzlich in 23 Fällen einer entgeltlichen, genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit nachgegangen, die in ihrem Ausmaß einem Zweitberuf entsprach und ihrer Genesung abträglich war. In rechtlicher Hinsicht steht aufgrund der Bindungswirkung fest, dass sie hierdurch ihre Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG), zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SG), zur Gesunderhaltung (§ 17a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SG) zur Ausübung von nicht genehmigten bzw. nicht angezeigten Nebentätigkeiten (§ 20 Abs. 1 und 6 SG), sowie zum inner- und außerdienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 3 SG) in auch strafrechtlich - vorliegend nach § 15 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WStG - relevanter Weise verletzt hat.
31b) Die Bindungswirkung entfällt zwar ausnahmsweise, wenn die erstinstanzliche Entscheidung an schweren Verfahrensmängeln im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2, § 121 Abs. 2 WDO a. F. leidet, was bei unzureichenden oder widersprüchlichen Feststellungen zu Tat- und Schuldfragen der Fall sein kann ( 2 WD 5.24 - juris Rn. 23 m. w. N. und vom - 2 WD 15.24 - NVwZ-RR 2025, 573 Rn. 21). Solche schweren Verfahrensmängel liegen aber nicht vor. Zwar enthalten die Urteilsgründe - etwa auf Seite 5 - unrichtige Bezeichnungen sowohl des Aktenzeichens als auch des entscheidenden Gerichts in Bezug auf das Strafverfahren zu Anschuldigungspunkt 3. An anderer Stelle wird dies in den Urteilsgründen jedoch wieder zutreffend wiedergegeben, sodass kein innerer Widerspruch, sondern nur ein reines Versehen vorliegt. Das gilt auch für den Schreibfehler auf Seite 19 der Urteilsgründe; dort wird versehentlich auf den bereits ausgeklammerten Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens nach Anschuldigungspunkt 1 Bezug genommen. Aus den hier unmittelbar nachfolgenden Ausführungen auf Seite 19 der Urteilsgründe wird jedoch deutlich, dass damit das mit Anschuldigungspunkt 2 vorgeworfene unerlaubte Fernbleiben gemeint ist. Insgesamt handelt es sich bei den genannten unzutreffenden Angaben somit um offensichtliche Unrichtigkeiten.
323. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 38 Abs. 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung sowie die Beweggründe zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde. Danach ist hier die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 WDO erforderlich. Denn eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis wäre gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 WDO geboten gewesen, wenn die frühere Soldatin sich noch im Dienst befände. Eine solche Disziplinarmaßnahme darf auch noch gegen sie verhängt werden, weil ihre Übergangsbeihilfe einbehalten wird und sie deshalb gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldatin im Ruhestand gilt.
33a) Auf der ersten Stufe ist zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme für die betreffende Fallgruppe ein Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu bestimmen. Dabei wird der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nach der am stärksten ins Gewicht fallenden Pflichtverletzung bestimmt. Dies ist der dreiundzwanzigfache Ungehorsam und nicht das zweiwöchige unerlaubte Fernbleiben vom Dienst.
34Indem die frühere Soldatin den ihr wiederholt erteilten und verbindlichen Befehl, ihre Nebentätigkeit als DJ zu unterlassen, vorsätzlich missachtet hat, hat sie nicht nur ihre soldatische Pflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SG verletzt, sondern, wie mit rechtskräftigem Strafbefehl festgestellt, den Straftatbestand der Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WStG verwirklicht. Der Senat hat in der Vergangenheit die Verletzung der Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - mit einer Gehaltskürzung, einem Beförderungsverbot oder auch einer Dienstgradherabsetzung geahndet (vgl. 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 Rn. 85 und vom - 2 WD 21.10 - juris Rn. 49 m. w. N.) und bei einer Kombination von Pflichtverletzungen den Umständen des Falles auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen einzelfallbezogen Rechnung getragen ( 2 WD 10.13 - Rn. 87 ff.). Dabei hat er das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher eingestuft, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind ( 2 WD 7.14 - juris Rn. 51 ff. m. w. N.). Zwar handelte es sich vorliegend nicht um Befehle mit unmittelbarer Bedeutung für Leib und Leben von Kameraden oder Dritten. Da die frühere Soldatin jedoch beharrlich einen für sie verbindlichen (vgl. 2 WDB 3.25 - juris Rn. 33 ff.) Befehl nicht befolgte, nachdem dieser - nach den erstinstanzlich bindenden Feststellungen - acht Mal wiederholt worden war, liegt der Wehrstraftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG und somit ein schwerer Fall von Ungehorsam vor, der regelmäßig ebenfalls mit einer Herabsetzung im Dienstgrad zu ahnden ist ( 2 WD 14.17 - juris Rn. 98).
35b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung der Regelmaßnahme gebieten. Angesichts gewichtiger erschwerender Umstände, ist vorliegend der Übergang zur Aberkennung des Ruhegehalts als Höchstmaßnahme geboten.
36aa) Dazu gehört, dass die frühere Soldatin mit der Verwirklichung der unter Anschuldigungspunkt 3 bezeichneten Handlung gegen zahlreiche soldatische Pflichten verstoßen und mit der unter Anschuldigungspunkt 2 bezeichneten Handlung neben der Verletzung dienstlicher Pflichten durch den Verstoß gegen § 15 Abs. 1 WStG erneut einen Wehrstraftatbestand verwirklicht hat. Dabei zählt die Pflicht zur Dienstleistung zu den zentralen soldatischen Pflichten, deren Verletzung von erheblicher Bedeutung ist. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind ( 2 WD 6.21 - juris Rn. 32). Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst wiegt zwar als disziplinarrechtlicher Vorwurf weniger schwer, wenn eine Krankschreibung durch den Truppenarzt vorliegt (vgl. 2 WD 6.21 - juris Rn. 40). Dies ändert aber nichts daran, dass das Fernbleiben über 14 Tage ohne Genehmigung des Disziplinarvorgesetzten unerlaubt ist (vgl. 2 WD 19.18 - BVerwGE 166, 189 Rn. 24) und für sich genommen eine einschneidende gerichtliche Disziplinarmaßnahme erfordert.
37Erheblich erschwerend zu gewichten ist auch, dass die frühere Soldatin dem Befehl zur Einstellung ihrer Nebentätigkeit den Gehorsam verweigert hat, nachdem der Befehl nicht nur einmal, sondern achtfach wiederholt worden war. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Nebenbeschäftigung als künstlerische Betätigung erlaubnisfrei gewesen wäre. Dabei kann es offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine Nebentätigkeit als DJ nicht gewerblich, sondern künstlerisch ist (vgl. - juris Rn. 24 ff.). Denn die frühere Soldatin hat weder eine Genehmigung für eine gewerbliche Betätigung formgerecht beantragt, noch eine diesbezügliche künstlerische Betätigung mit den von § 20 Abs. 6 Satz 2 SG geforderten Angaben vor ihrer Aufnahme schriftlich angezeigt. Vor allem ist ihr die Tätigkeit als DJ durch mehrfachen Befehl untersagt worden. Das ist nach § 20 Abs. 6 Satz 6 SG auch bei einer nicht genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit möglich, wenn ihre Ausübung dienstliche Pflichten verletzt. Von einer Kollision mit dienstlichen Pflichten wird insbesondere ausgegangen, wenn eine nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeit - wie vom Truppendienstgericht bindend festgestellt - nach Art und Umfang einem Zweitberuf entspricht (VGH Mannheim, Urteil vom - 4 S 1611/12 - juris Rn. 27; Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 20 Rn. 111).
38Soweit die frühere Soldatin auf die Möglichkeit einer formlosen Anzeige oder Beantragung einer Nebentätigkeit und auf die Rechtmäßigkeit einer befehlswidrigen Fortführung vertraut haben will, ist dies zum einen nicht glaubhaft. Denn Feldwebel werden im Rahmen ihrer Ausbildung auch über Nebentätigkeitsfragen unterrichtet. Zum anderen sind die für beide Formen der Nebentätigkeit einheitlichen Formulare in der Truppe allgemein bekannt. Des Weiteren wäre ein solcher Rechtsirrtum jedenfalls im Sinne der § 22 Abs. 3 WStG, § 17 StGB vermeidbar gewesen.
39Erheblich erschwerend wirkt ferner, dass die frühere Soldatin noch nach Beginn der disziplinaren Ermittlungen auf der Verweigerung des Gehorsams beharrte; selbst nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens im Dezember 2021 und damit in Kenntnis der ihr massiv drohenden disziplinarischen Sanktionen sowie nach dem Erlass zwei weiterer Befehle führte sie bis Juni 2022 gut zwanzig Veranstaltungen durch. In Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 38 Abs. 2 WDO gebietet bereits dies eine erhebliche Verschärfung der Disziplinarmaßnahme ( 2 WD 25.24 - juris Rn. 37).
40Gravierend erschwerend tritt hinzu, dass sie die Nebentätigkeit selbst in Zeiten ihrer Dienstunfähigkeit ausübte. Fühlt ein Soldat sich imstande, Dienstleistungen - auch nur in beschränktem - Umfang zu erbringen, handelt er pflichtwidrig, wenn er sie nicht seinem Dienstherrn anbietet, der ihm das Gehalt weiterzahlt und ihm aus Anlass der Krankheit Vorteile gewährt ( 2 WD 25.24 - juris Rn. 38).
41Abgerundet wird der Kanon belastender Umstände schließlich durch die massiven Auswirkungen des Dienstvergehens. Sie bestanden nicht nur darin, dass die frühere Soldatin vorläufig des Dienstes enthoben werden musste, sondern auch in der nachhaltigen Unruhe, zu der ihr Verhalten ausweislich der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage der Zeugin S. geführt hat. Sie hat namentlich auf die Folgebelastungen für die anderen Kameradinnen und Kameraden während der Erkrankung der früheren Soldatin hingewiesen, die (erst) dann keine Akzeptanz mehr gefunden habe, als diese zeitgleich ihrer Nebentätigkeit nachgegangen sei. Bei alledem wurde das disziplinarisch relevante Handeln ausweislich etwa des Berichts des Tagesspiegels (Stand: ) auch in der Öffentlichkeit bekannt. Der durch die Nebentätigkeiten entstehende Eindruck, trotz Krankschreibung zur Dienstleistung außerstande zu sein, aber der Nebentätigkeit einen höheren Stellenwert beizumessen als dem regulären Dienst, beeinträchtigte das Ansehen der Bundeswehr extrem (zum Beamtenrecht: - NVwZ-RR 2023, 685 Rn. 23).
42Insgesamt liegt damit ein Extremfall wiederholter Befehlsverweigerung mit zugleich extrem nachteiligen inner- und außerdienstlichen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb vor, der den Übergang zur disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme erfordert.
43bb) Diesen massiv erschwerenden Umständen stehen keine hinreichend gewichtigen Milderungsgründe entgegen. In Verbindung mit den Einlassungen der früheren Soldatin in der Berufungshauptverhandlung bringt dies zum Ausdruck, dass sie das für alle Streitkräfte elementare Prinzip von Befehl und Gehorsam nicht akzeptiert. Die prinzipielle Infragestellung des Prinzips von Befehl und Gehorsam lässt ihre Eignung für den militärischen Dienst entfallen (vgl. 2 WD 17.24 - juris Rn. 68).
44aaa) Mildernd wirkt zwar, dass sich die frühere Soldatin zum Zeitpunkt der Tathandlungen in einer schwierigen Lebenssituation befunden hat. Die ärztlichen Befundberichte vom , und bescheinigen der früheren Soldatin eine Anpassungsstörung und eine mittelgradige depressive Episode, die zu einer beruflichen Leistungsfunktionsstörung führten. Auch werden im Befundbericht der E-Klinik vom das fehlende private Fußfassen der früheren Soldatin in A sowie die täglichen Heimfahrten als Gründe für deren Belastungssituation beschrieben. Diese persönliche Belastungssituation hat jedoch kein ausreichendes Gewicht als Entschuldigungsgrund für das Verhalten der früheren Soldatin. Die ärztlichen Diagnosen geben keine belastbaren Anhaltspunkte für eine erhebliche verminderte Schuldfähigkeit analog § 21 StGB. Auch rechtfertigen die beschriebenen Lebensumstände nicht die Annahme einer seelischen Ausnahmesituation. Denn dies setzt eine von so außergewöhnlichen Besonderheiten geprägte Situation voraus, dass von einem Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann ( 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124>, vom - 2 WD 22.19 - juris Rn. 30 und vom - 2 WD 1.24 - juris Rn. 38).
45Die frühere Soldatin sah sich mit den insbesondere während der COVID 19-Pandemie erhöhten dienstlichen Belastungen sowie der heimatfernen Verwendung jedoch Anforderungen ausgesetzt, denen sich auch jede andere Soldatin und jeder andere Soldat insbesondere des Sanitätsdienstes stellen musste. Soweit die Belastungen auch aus den nahezu täglichen Rückfahrten zum Heimatort resultierten, ist zudem einzustellen, dass die damit verbundene Belastungs- und Überforderungssituation auf ihrer eigenen Entscheidung beruhte, von dort aus im ständig zunehmenden Maß der Nebentätigkeit als DJ nachzugehen. Denn nach eigener Einlassung hatte sie während der COVID 19-Pandemie an ihrem Heimatort ein eigenes Studio aufgebaut, von dem aus sie selbst während ihrer Krankschreibung viermal wöchentlich Livestreams übertrug.
46Soweit die frühere Soldatin den therapeutischen Nutzen ihrer Tätigkeit als Musikerin betont, stellte sie das persönliche Erfolgreichsein - erstinstanzlich hat sie sich als "Rampensau" bezeichnet, der es gefalle, vor Publikum aufzutreten, und die gerne im Mittelpunkt stehe - über das Interesse des Dienstherrn. Denn dieser darf berechtigterweise dem Eindruck entgegenwirken, dass der früheren Soldatin die Arbeit als DJ wichtiger sei als die Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit. Eine Ansehensbeeinträchtigung entfällt auch nicht deshalb, weil die Nebentätigkeit deren Gesundheit und Genesung förderlich gewesen wäre. Für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Bundeswehr, für die insbesondere psychische Erkrankungen nicht erkennbar sind, kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit für den Soldaten gesundheitsfördernd ist ( - NVwZ 2019, 1689 Rn. 8 ff.). Dass die Ausübung der Nebentätigkeit eine zwingende therapeutische Maßnahme bildete (OVG Lüneburg, Urteil vom - 6 LD 1/13 - juris Rn. 70), folgt auch nicht aus dem ärztlichen Attest des E Klinikums vom . Denn die Bundeswehrkrankenhäuser haben diesen "therapeutischen" Ansatz nicht aufgegriffen und auch das Attest geht lediglich von einer zeitweisen musikalischen Betätigung in Form unentgeltlicher Auftritte, nicht von der Aufnahme eines Zweitberufs, aus. Zudem zeigt die Entlassung der früheren Soldatin aus dem Dienst wegen einer Leistungsfunktionsstörung, dass die Aufnahme des Zweitberufs als DJ ihre Dienstfähigkeit nicht wiederhergestellt hat.
47bbb) Ebenso wenig liegt der Schuldmilderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten wegen der zahlreichen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Wiederholungstaten vor. Jene Umstände verbieten die Annahme eines durch ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit charakterisierten Verhaltens ( 2 WD 1.24 - juris Rn. 39).
48ccc) Die frühere Soldatin kann sich nicht auf ein Mitverschulden des Dienstherrn in Form mangelnder Dienstaufsicht oder mangelnder Fürsorge berufen. Er hat ihr durch die mehrfache Wiederholung des Befehls, die Nebentätigkeit als DJ einzustellen, ihr Fehlverhalten hinreichend deutlich gemacht, und ihre Beschwerden dagegen in drei Beschwerdebescheiden zurückgewiesen. Soweit die frühere Soldatin in der Berufungshauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, keinen dieser Bescheide erhalten zu haben, ändert dies an der Verbindlichkeit der Befehle und dem Bemühen des Dienstherrn, ihr die rechtlichen Gründe der Untersagung zu erläutern, nichts. Es lässt nur darauf schließen, dass die frühere Soldatin zum Ausgang der Beschwerdeverfahren nicht nachgefragt hat. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Vorgesetzten die Befehle entgegen § 10 Abs. 5 Satz 1 SG nicht durchgesetzt hätten. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat zutreffend ausgeführt, dass den Vorgesetzten rechtlich keine ausreichenden Instrumente zur Durchsetzung der Befehle zur Verfügung standen. Die angesichts der Schwere des Dienstvergehens allein in Betracht zu ziehende Verhängung eines bis zu dreiwöchigen Arrestes nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 26 WDO kam wegen der psychischen Erkrankung und der Krankschreibung der früheren Soldatin nicht ernsthaft in Betracht. Ferner wäre der Arrest angesichts der im Wiedereingliederungsgespräch am abgegebenen Erklärung der früheren Soldatin, nicht wieder Dienst leisten zu wollen, disziplinarisch nicht mehr zielführend und deshalb gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 SG nicht mehr angemessen gewesen. Schließlich hat sich der Dienstherr auch im Rahmen der Fürsorge bemüht, der früheren Soldatin Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu eröffnen. Er hat der früheren Soldatin das Angebot unterbreitet, durch eine Erhöhung der Tagesarbeitszeit die Tage am Dienstort zu reduzieren, was sie aber nicht beansprucht hat. Entsprechendes gilt für das Angebot einer ortsnahen Abordnung. Daher liegt der Schuldminderungsgrund eines Mitverschuldens des Dienstherrn nicht vor.
49ddd) Als Milderungsgrund ist allerdings anzuerkennen, dass die frühere Soldatin in der Berufungshauptverhandlung Reue und Einsicht gezeigt hat. Dieser Milderungsgrund hat jedoch ebenso wenig wie der Milderungsgrund einer schwierigen Lebenssituation solches Gewicht, dass von der nach Art und Schwere des Dienstvergehens veranlassten Höchstmaßnahme abzuweichen wäre.
50bb) Da das Vertrauen in die frühere Soldatin zerstört und deswegen die Höchstmaßnahme zu verhängen ist, kann eine - etwaige - überlange Verfahrensdauer ebenso wenig maßnahmemildernde Wirkungen entfalten wie besondere Leistungen oder eine etwaige Nachbewährung, für die vorliegend zudem nichts spricht ( 2 WD 3.22 - juris Rn. 40).
514. Da die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft erfolgreich ist, sind die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 WDO der früheren Soldatin aufzuerlegen. Gründe, die dies im Sinne des § 143 Abs. 1 Satz 3 WDO unbillig erscheinen lassen, liegen nicht vor. Ebenso besteht kein Grund, die ihr im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:130825U2WD27.24.0
Fundstelle(n):
TAAAK-05451