Suchen Barrierefrei
BSG Beschluss v. - B 7 AS 20/25 B

Gründe

1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren begehrte die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts des beklagten Jobcenters vom . Diesen ersetzenden Verwaltungsakt hatte der Beklagte mit Abhilfebescheid vom aufgehoben und am einen weiteren eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt erlassen mit der erneuten Zuweisung in die gleiche Maßnahme. Das SG hatte die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom durch Gerichtsbescheid vom abgewiesen, die der Klägerin am zugestellte Entscheidung aber nicht unterschrieben. Im Anschluss an die Nachholung der Unterschrift erfolgte die erneute Zustellung am .

2Auf die Ladung des zur mündlichen Verhandlung am machte die Klägerin mit beim LSG am selben Tag per Telefax eingegangenem Schreiben vom geltend, das LSG müsse Maßnahmen vergleichbar einem "Zeugenschutz" ergreifen und hilfsweise den Termin zur mündlichen Verhandlung absetzen. Sie teilte ua mit, aufgrund von "Staatsterror" an Herzrhythmus-, Blasen- und Darmentleerungsstörungen und einer Angsterkrankung zu leiden; die sie behandelnden Ärzte hätten nur psychische Ursachen für die Beschwerden festgestellt. Das LSG entschied vor der mündlichen Verhandlung weder über den Antrag auf "Zeugenschutz" noch über die Absetzung des Termins. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Klägerin niemand. Im Urteil vom führte das LSG aus, über den Terminsaufhebungsantrag sei nicht zu befinden gewesen, weil er rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich gewesen sei. Es sei gerichtsbekannt, dass die Klägerin bzw ihr Ehemann, welche zahlreiche Rechtsstreitigkeiten vor dem LSG bereits geführt hätten oder noch führten, nach Mitteilung eines Termins zur mündlichen Verhandlung mit jeweils der gleichen Begründung die Terminsaufhebung beantragten, ohne dass sie hiermit erfolgreich wären. Auf eine die Terminsaufhebung ablehnende Entscheidung folgten regelmäßig Rechtsbehelfe und Befangenheitsgesuche, welche mit dem Ergebnis der getroffenen Entscheidung über den Terminsaufhebungsantrag begründet würden. Dieser regelhaften Verhaltensweise könne nur entnommen werden, dass auch hier der Terminsaufhebungsantrag allein zur Durchsetzung der eigenen Rechtsmeinung und damit für gesetzeswidrige Zwecke gestellt worden sei. Die Berufung wies das LSG zurück und stellte fest, dass der am zugestellte Gerichtsbescheid unwirksam sei.

3Nach der Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung der Kanzlei Rechtsanwälte K (Beschluss vom ) hat dieser am Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und die Beschwerde nach Fristverlängerung bis zum am begründet. Mit der Begründung hat die Klägerin einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch Nichtbescheidung des Terminverlegungsantrags sowie Durchführung der mündlichen Verhandlung in ihrer Abwesenheit geltend gemacht. Außerdem habe das LSG ihre psychische Gesundheit nicht geprüft. Am hat die Klägerin den Anwaltsvertrag gekündigt. Mit Schreiben vom 22.4. und hat sie die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zur Kanzlei Rechtsanwälte K im Hinblick auf deren Vorgehen im Verfahren B 7 AS 86/24 B geltend gemacht und die Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts beantragt. Der Senat hat die Beiordnung wegen des entzogenen Mandats aufgehoben (Beschluss vom ).

4II. Die Beschwerde ist nach Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zu ihrer Einlegung und Begründung zulässig und begründet (dazu 1.). Der Antrag der Klägerin auf erneute Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten hat keinen Erfolg (dazu 2.).

51. Die Klägerin hat die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und damit einen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der im Zusammenhang mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung am LSG am gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor und das Urteil des LSG kann hierauf beruhen.

6Zwar war eine Verlegung bzw Vertagung des Termins im Hinblick auf ein Vorbringen zum "Zeugenschutz" nicht geboten, wie beide mit Verfahren der Klägerin befasste, für das SGB II zuständige Senate des BSG bereits entschieden haben (zuletzt - juris RdNr 12 mwN; zur Ablehnung von PKH zuletzt BH - juris RdNr 5 sowie BH - juris RdNr 6). Ob im Hinblick auf die vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen anderes gilt, kann - weil sich Nachweise hierzu nicht in den Akten befinden - dahingestellt bleiben. Der Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör liegt hier bereits in der Nichtbescheidung ihres Terminsaufhebungsantrags.

7Von der Frage, ob dem Antrag stattgegeben werden muss zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Vorsitzenden (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 1 ZPO), einen Antrag auf Terminsaufhebung bzw -verlegung vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung förmlich kurz zu bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (vgl - juris RdNr 8; - juris RdNr 7; zum fairen Verfahren - juris RdNr 7; - juris RdNr 11). Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Recht des Beteiligten auf Information über das Schicksal des Verlegungsantrags (zum Recht auf Information als Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör - BVerfGE 89, 28, 35 = SozR 3-1500 § 60 Nr 2 S 7 f, juris RdNr 26; vgl - juris RdNr 8). Infolge dieser Information kann sich der Beteiligte darauf einrichten, dass eine Entscheidung des Gerichts aufgrund der angesetzten mündlichen Verhandlung möglich ist. Die - kurz begründete - Entscheidung über den Antrag kann formlos mitgeteilt werden (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 2 ZPO; vgl - juris RdNr 6 mwN; insgesamt - juris RdNr 8). Daran fehlt es hier.

8Anders als in der Berufungsentscheidung des LSG ausgeführt, kann auf die Entscheidung auch deshalb nicht verzichtet werden, weil der Antrag nach Ansicht des LSG rechtsmissbräuchlich gewesen ist. Nach den Ausführungen des LSG ist schon offen, ob es für die Bewertung eines Verhaltens als rechtsmissbräuchlich auf dasjenige der Klägerin oder des am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Ehemannes abgestellt hat (vgl "…gerichtsbekannt, dass die Klägerin bzw. ihr Ehemann…"). Im Übrigen rechtfertigte ein Rechtsmissbrauch zwar die Ablehnung des Antrags auf Terminsaufhebung, weil die hierfür vorgebrachten Gründe unbeachtlich sind, nicht aber dessen Nichtbescheidung.

9Ob weitere vorliegende Verfahrensmängel hinreichend gerügt worden sind oder gerügte Verfahrensmängel vorliegen, kann der Senat offenlassen.

10Nach § 160a Abs 5 SGG kann das Revisionsgericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

112. Der Klägerin ist kein weiterer Rechtsanwalt beizuordnen.

12Die Beiordnung eines weiteren Anwalts findet nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einem Anwaltswechsel veranlasst hätte ( B 10 ÜG 25/16 B - juris RdNr 22). Ein Anspruch auf Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts scheidet hier bereits aus, weil die für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wesentlichen Handlungen eines beim BSG zugelassenen Bevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) - Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - zum Zeitpunkt der Kündigung des Anwaltsvertrags gegenüber der Kanzlei Rechtsanwälte K abgeschlossen waren. Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt insoweit zulässig (vgl - juris RdNr 5). Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, ein auf eigene Kosten prozessierender Beteiligter hätte im Anschluss daran einen weiteren Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beauftragt. Im Übrigen ist die Nichtbeantwortung einer E-Mail vom (Karfreitag) vor dem (Dienstag nach Ostern) durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt in einem anderen Verfahren (B 7 AS 86/24 B) kein sachlicher Grund für die Kündigung des Mandatsverhältnisses im vorliegenden Verfahren.

133. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:011025BB7AS2025B0

Fundstelle(n):
MAAAK-05449