Krankenversicherung - Krankenbehandlung - kein Anspruch auf Präimplantationsdiagnostik nach künstlicher Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation
Gesetze: § 27 Abs 1 S 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 5 SGB 5, § 27a Abs 1 SGB 5, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: S 3 KR 336/18 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 1 KR 160/20 Urteil
Gründe
1I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Präimplantationsdiagnostik (PID) einschließlich notwendiger Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
2Der Chromosomensatz der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten, 1978 geborenen Klägerin weist eine Robertson-Translokation zwischen Chromosom 13 und 14 auf (Vereinigung der langen Chromosomenarme neben dem Zentromer unter Verlust der kurzen Chromosomenarme). Dies bewirkt bei der Klägerin selbst keine gesundheitlichen Nachteile, führt jedoch bei befruchteten Eizellen im Falle eines möglichen unbalancierten Erbträgersatzes zu einem deutlich erhöhten Fehlgeburtsrisiko. Die Klägerin hatte die dies bestätigende humangenetische Diagnostik nach - so ihr Vorbringen - mehreren Fehlgeburten in der Frühschwangerschaft veranlasst. Sie beantragte bei der Beklagten unter Vorlage einer positiven Entscheidung der Ärztekammer H - PID - vom medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit anschließender PID. Dabei ist die künstliche Befruchtung allein notwendig, um eine PID zu ermöglichen. Die befruchteten Eizellen werden untersucht. Nur mit den Embryonen, die nach ärztlicher Erkenntnis keinen Gendefekt infolge der Robertson-Translokation aufweisen, soll eine Schwangerschaft herbeigeführt werden, um die Gefahr einer Fehlgeburt zu reduzieren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Mit ihrer anschließenden Klage auf Kostenerstattung der ab in P selbstbeschafften Behandlungen (wiederholte PID mit künstlicher Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation <IVF>) in Höhe von zuletzt 21 448 Euro ist die Klägerin in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
3Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung der Klägerin ausgeführt: Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 4 SGB V seien nicht erfüllt, da der Klägerin kein Anspruch auf die durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und der PID als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach den §§ 27, 27a SGB V zugestanden habe. Es könne offenbleiben, ob der Behandlungsanspruch unter § 27 oder § 27a SGB V falle. Denn jedenfalls ergebe sich - unabhängig von einer Verknüpfung mit anderen Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung - kein Anspruch auf eine künstliche Befruchtung außerhalb der in § 27a SGB V geregelten Beschränkungen. Der Anspruch scheitere bereits daran, dass zu keinem Zeitpunkt ein den Anforderungen des § 27a Abs 3 Satz 2 SGB V entsprechender Behandlungsplan vorgelegen habe (Urteil vom ).
4Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
5II. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit die Klägerin die Revisionszulassungsgründe der Divergenz (dazu 2.) und des Verfahrensmangels (dazu 3.) rügt. Die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung ist jedenfalls unbegründet (dazu 1.). Die Beschwerde ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.
61. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert hat (dazu a). Soweit sich der Beschwerdebegründung sinngemäß eine konkrete Rechtsfrage entnehmen lässt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet (dazu b).
7a) Die von der Klägerin formulierte Frage
8b) Sollte die Rechtsfrage dahingehend zu verstehen sein, ob nach § 27 SGB V ein eigenständiger Anspruch auf Vorbeugung des chromosomal bedingten Fehlgeburtsrisikos durch die PID besteht, die als Untersuchungsmethode zwangsläufig den Einsatz der extrakorporalen Befruchtung mittels IVF erfordert, ist diese Frage nicht klärungsbedürftig.
9Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn das BSG die Rechtsfrage zwar nicht unter den dort aufgeworfenen Aspekten ausdrücklich behandelt hat, aber deren Beantwortung nach der klaren Rechtslage nicht ernsthaft in Zweifel steht (vgl auch - juris RdNr 7), weil sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt (vgl - juris RdNr 10 mwN auch zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Anforderungen). Dies ist hier der Fall.
10Die vorgenannte Frage lässt sich anhand der bislang ergangenen Rechtsprechung des Senats beantworten. Hiernach hatte die Klägerin weder einen Anspruch auf eine künstliche Befruchtung nach § 27a SGB V unter Zuhilfenahme der PID (dazu aa) noch einen - von der Klägerin allein geltend gemachten - Anspruch auf Behandlung einer bei ihr vorhandenen Erkrankung mittels PID und IVF nach § 27 SGB V (dazu bb).
11aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Rückgriff auf einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach der allgemeinen Vorschrift des § 27 SGB V ausgeschlossen ist, soweit die Sonderregelung des § 27a SGB V reicht. § 27a Abs 1 SGB V bildet insofern einen eigenständigen Versicherungsfall und dient nicht der Beseitigung einer Krankheit iS von § 11 Abs 1 Nr 4 und § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V. Unter § 27a Abs 1 SGB V fallen "medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft". Der Anspruch auf solche Maßnahmen ist in § 27a SGB V abschließend geregelt. § 27a SGB V setzt danach als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (vgl - BSGE 88, 62, 64 f = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24 ff = juris RdNr 13 ff; - SozR 3-2500 § 27a Nr 4 S 38 = juris RdNr 10; - SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13; - BSGE 133, 134 = SozR 4-2500 § 27a Nr 21, RdNr 15; vgl hierzu auch - BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34 mwN).
12Nach dem nachvollziehbaren Vorbringen der Klägerin waren sie und ihr Ehemann in der Lage, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, was für sich genommen nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung schon den Zugang zu Leistungen nach § 27a SGB V ausschließt. Im Übrigen fehlt es auch an einem nach § 27a Abs 3 Satz 2, Abs 5 SGB V iVm den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über künstliche Befruchtung erforderlichen Behandlungsplan, worauf das LSG seine Entscheidung gestützt hat.
13bb) Unzutreffend ist jedoch der Umkehrschluss, dass Leistungen im Zusammenhang mit und einschließlich der künstlichen Befruchtung immer dann schon § 27 SGB V unterfallen, wenn es nicht um einen Fall der Ersetzung des natürlichen Zeugungsvorgangs wegen insoweit bestehender Unfähigkeit geht.
14In diesem Zusammenhang hat der Senat auch entschieden, dass Art 3 Abs 1 GG es nicht gebietet, dass die Gerichte die Behebung einer Fertilitätsstörung mit der Embryonen-Vorauswahl zur Vermeidung erbkranken Nachwuchses bei bestehender Fertilität gleichsetzen ( - BSGE 117, 212 = SozR 4-2500 § 27 Nr 26, RdNr 19; - SozR 4-2500 § 27 Nr 27 RdNr 15; jeweils unter Hinweis auf BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 1764/01 - juris RdNr 2).
15Der Unterschied zu den von der Rechtsprechung des Senats entschiedenen Fallgruppen der PID und der Polkörperdiagnostik besteht allerdings darin, dass die Konduktoreigenschaft und das darauf zurückzuführende chromosomal bedingte Fehlgeburtsrisiko der Klägerin auch als eine Fertilitätsstörung im weiteren Sinne verstanden werden könnten. Konduktoreigenschaft und Fertilitätsstörung stellen jedoch keine mit der PID-IVF behandelten Krankheiten der Klägerin dar.
16(1) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass ihre Konduktoreigenschaft bereits den Begriff einer Krankheit erfüllt (vgl zur Konduktoreigenschaft - SozR 4-2500 § 27 Nr 27 RdNr 10), wird mit der PID diese Erkrankung nicht behandelt.
17Wie der erkennende Senat bereits zur PID ( - BSGE 117, 212 = SozR 4-2500 § 27 Nr 26, RdNr 15) und zur Polkörperdiagnostik ( aaO) entschieden hat, diente dort die künstliche Erzeugung eines Embryos und dessen Bewertung nach medizinischen Kriterien dazu, bei ihm und seiner Nachkommenschaft dem Ausbruch schwerwiegender Erbkrankheiten entgegenzuwirken, also der Vermeidung zukünftigen Leidens eines eigenständigen Lebewesens, nicht aber der Behandlung eines vorhandenen Leidens. Nicht anders liegt der Fall hier im Hinblick auf die Konduktoreigenschaft.
18Die PID-IVF ist keine auf die Therapie der Robertson-Translokation gerichtete Krankenbehandlung bei der Klägerin. Durch die PID-IVF-Behandlung soll bei ihr keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden. Die PID-IVF-Behandlung bezweckt, befruchtete Eizellen zu untersuchen und sie ggf absterben zu lassen, wenn sie nach ärztlicher Erkenntnis eine unbalancierte Robertson-Translokation aufweisen. Die künstliche Erzeugung eines Embryos (vgl § 8 Abs 1 Embryonenschutzgesetz zur Legaldefinition des Embryos) für die Diagnostik mittels PID diente hier der Selektion der Embryonen, die aufgrund ihres Chromosomensatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Fehlgeburt oder infolge erbbedingter schwerer Schädigungen alsbald nach der Geburt gestorben wären. Mit der PID sollte die Klägerin nicht untersucht werden. Untersucht wurden befruchtete Eizellen. Betrachtet man den Gesamtvorgang, ergibt sich, dass es der Klägerin und ihrem Ehegatten - angesichts ihrer erheblichen persönlichen Betroffenheit sehr verständlich - letztlich darum ging, im Wege der künstlichen Befruchtung eine komplikationsfreie Schwangerschaft und die Geburt eines lebensfähigen Kindes zu ermöglichen. Das betrifft den Versicherungsfall des § 27a Abs 1 SGB V.
19(2) Es liegt auch keine als Krankheit zu behandelnde Fertilitätsstörung vor.
20Soweit die Klägerin mit Blick auf die vorgenannten und vom geltend macht, dass ihre Fertilitätsstörung mit einer beim Betroffenen behandelbaren Sterilität vergleichbar sei, trifft dies nicht zu. Richtig ist, dass es der Klägerin in erster Linie darum ging, überhaupt die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft bis zur Geburt eines in der zeitlichen Dauer nicht absehbar eingeschränkt lebensfähigen Kindes zu ermöglichen. Dies rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Senats aber - in Abgrenzung zu § 27a SGB V - keinen Behandlungsanspruch nach § 27 SGB V.
21Nach § 27 Abs 1 Satz 5 SGB V gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen war. Die Krankenbehandlung nach dieser Vorschrift zielt - wie der Senat bereits entschieden hat - darauf ab, die Fähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen, um auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen. Maßnahmen, die sich als Teil einer künstlichen Befruchtung erweisen, regelt das Gesetz demgegenüber allein im Rahmen des § 27a SGB V (vgl - SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 14 ff; - SozR 4-2500 § 27a Nr 12 RdNr 10, jeweils mwN; - BSGE <vorgesehen>, SozR 4-2500 § 27a Nr 23 <vorgesehen>, RdNr 12).
22Die Fertilitätsstörung der Klägerin wird mit der PID nicht in der Weise behoben, dass eine Schwangerschaft durch einen natürlichen Zeugungsakt eröffnet wird. Dieser wird gerade durch die IVF substituiert. Ob insofern § 27a SGB V ggf erweiternd auszulegen ist, bedarf hier keiner Vertiefung.
232. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende, abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB - juris RdNr 6; - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen Rechtssatz aufgestellt hat, der objektiv von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht (vgl zB - juris RdNr 8). Dem LSG muss es dabei aber nicht subjektiv bewusst gewesen sein, dass es einen objektiv abweichenden Rechtssatz aufstellt (vgl auch - juris RdNr 18). Es genügt für eine Abweichung, dass das LSG andere rechtliche Maßstäbe aufstellt (vgl - SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
24a) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin einen vom LSG aufgestellten, von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz hinreichend bezeichnet und ihn einem hinreichend bezeichneten Rechtssatz des erkennenden Senats in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom (B 1 KR 19/13 R - BSGE 117, 212 = SozR 4-2500 § 27 Nr 26) gegenübergestellt hat. Sie zeigt jedenfalls keine Divergenz auf.
25Soweit die Klägerin ausführt, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, "dass die PID zur künstlichen Befruchtung gehör[e] und der § 27a SGB V als Sonderregelung anzuwenden [sei]", legt sie nicht nachvollziehbar dar, aus welchen Äußerungen des LSG ein solcher Rechtssatz folgen soll. Selbst wenn den Ausführungen der Klägerin die Bezeichnung des Rechtssatzes des LSG zu entnehmen sein sollte, dass der in § 27a SGB V festgelegte Umfang des Anspruchs auf künstliche Befruchtung nicht durch Hinweis auf einen mittelbar mit der Leistung verfolgten anderweitigen Behandlungszweck erweitert werden kann, legt sie jedenfalls nicht schlüssig dar, mit welchem Rechtssatz des BSG dieser - aus einer BSG-Entscheidung entnommene Rechtssatz - unvereinbar sein soll. Soweit die Klägerin dem von ihr formulierten Rechtssatz des LSG die Aussage des BSG gegenüberstellt, dass "die PID, zu welcher eine künstliche Befruchtung 'zwangsweise' gehört, nicht von der künstlichen Befruchtung und damit vom Anspruch aus § 27a SGB V per se nicht umfasst ist", legt sie nicht dar, warum beide Aussagen miteinander unvereinbar sein sollen.
26b) Soweit die Klägerin das - und die darin enthaltene Aussage in Bezug nimmt, die künstliche Befruchtung sei ultima ratio und gegenüber der Behandlung zur Herstellung der natürlichen Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit subsidiär, bezeichnet sie keinen Rechtssatz aus der Entscheidung des Berufungsgerichts, der damit unvereinbar sein soll. Sie trägt vielmehr nur vor, das LSG habe "den Rechtssatz, dass § 27a SGB V gegenüber § 27 SGB V nachrangig ist, wenn die Schwangerschaft anders erreicht werden kann, außer Acht gelassen", und behauptet damit nur, das LSG habe das Recht im vorliegenden Fall falsch angewandt. Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung kann aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde sein (stRspr; vgl - SozR 1500 § 160a Nr 7; - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 - juris RdNr 21; - juris RdNr 6).
273. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).
28a) Die Klägerin rügt zwar ausdrücklich die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG. Der Beschwerdebegründung ist jedoch zu entnehmen, dass sie die Verletzung der Hinweispflicht des Vorsitzenden nach § 106 SGG rügt. Das LSG hätte bei unklaren Anträgen auf eine Klärung des gewollten Prozessziels hinwirken müssen. Dann hätte das LSG auch erkannt, dass es ihr um die Durchsetzung eines auf § 27 SGB V gestützten Anspruchs gehe. Soweit den Ausführungen der Klägerin damit letztlich konkludent die Rüge zu entnehmen ist, das LSG habe den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt (vgl dazu - juris RdNr 3 mwN), da es ihr von Anfang an nicht um die Herbeiführung einer Schwangerschaft gegangen sei, während das LSG die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 27a SGB V geprüft habe, legt sie einen Verfahrensfehler nicht schlüssig dar.
29Ob das LSG § 27 SGB V als Teil der Anspruchsgrundlage für maßgeblich ansieht, ist keine Frage des Streitgegenstands, der sich hier aus dem Antrag - der auf die Kostenerstattung gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage - und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt - den durchgeführten PID-IVF-Behandlungen - ergibt. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das LSG abweichend über einen anderen Sachverhalt entschieden hat. Sie verdeutlicht nicht, über welchen anderen Streitgegenstand das LSG ihrer Meinung nach hätte entscheiden sollen, zumal sie selbst gegenüber der Beklagten den "Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit anschließender Präimplantationsdiagnostik (PID)" gestellt hatte (Schreiben vom ). Im Ergebnis greift die Klägerin damit auch hier nur in nach § 160a SGG unbeachtlicher Weise die ihrer Meinung nach unrichtige Rechtsanwendung des LSG an.
30b) Soweit die Klägerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG in Form einer Überraschungsentscheidung rügt, legt sie nicht dar, wodurch sie an welchem Vortrag gehindert worden sein soll.
31Die richterliche Hinweispflicht (§ 106 Abs 1 SGG) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Auch § 112 SGG, der den Gang der mündlichen Verhandlung regelt, dient der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt danach vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht. Allerdings besteht keine allgemeine Pflicht des Gerichts zu einem Rechtsgespräch oder zu einem Hinweis zu seiner Rechtsauffassung. Denn diese würde eine tatsächliche und rechtliche Würdigung voraussetzen, die sich regelmäßig erst aufgrund einer abschließenden Beratung des Gerichts ergeben kann ( - juris RdNr 4 f mwN). Die Klägerin trägt dagegen selbst vor, dass sie zu den aus ihrer Sicht maßgeblichen Gesichtspunkten umfassend und ausreichend vorgetragen habe. Es stellt hingegen keinen Verfahrensfehler dar, wenn das LSG ihrer rechtlichen Würdigung nicht gefolgt ist und die seinige mit ihr in der mündlichen Verhandlung nicht diskutiert hat.
32c) Soweit dem Vorbringen zu entnehmen sein sollte, dass das LSG ihr rechtliches Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen habe, geht sie nicht darauf ein, dass das LSG in seinem Tatbestand berichtet, die Klägerin stütze ihren Anspruch (auch) auf § 27 SGB V.
334. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
345. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:270825BB1KR5923B0
Fundstelle(n):
CAAAK-05448