Licht und Schatten
Steuerrechtliche Halbjahresbilanz der Bundesregierung
Die große Koalition unter der Führung des Bundeskanzlers Friedrich Merz ist nun seit dem im Amt. Für das Steuerrecht zeichnet der Vizekanzler verantwortlich, der als Bundesminister der Finanzen weit weniger die Öffentlichkeit zu suchen scheint als sein Vorgänger im Amt. Nachdem die 100-Tage-Frist abgelaufen ist, die einer neuen Regierung zur Einarbeitung zugestanden wird und die Regierung Merz in ihrer 100-Tage-Bilanz selbst – wen wundert es – zu einer positiven Bewertung ihrer Arbeit gelangt ist (https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/der-anfang-ist-gemacht-2374726), erscheint es nach einem guten halben Jahr und den noch verbleibenden dreieinhalb Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl durchaus legitim einen Blick auf die Maßnahmen zu werfen, die die Bundesregierung im Steuerrecht bisher um- oder ins Werk gesetzt und die der Bundestag bereits verabschiedet oder noch zu verabschieden hat.
Auf der Habenseite der Halbjahresbilanz ist vor allem zu vermerken, dass die Bundesregierung mit dem Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sehr rasch und tatkräftig ihre im Koalitionsvertrag vom Frühjahr angekündigte Investitionsoffensive umgesetzt hat. Allerdings wirkte die „Vermarktung“ dieser Maßnahmen als „Investitions- bzw. Wachstumsbooster“ angesichts der früher schon belächelten Kraftausdrücke „Bazooka“ und „Doppelwumms“ eher etwas abgenutzt. Dabei bezieht sich der im Regierungsentwurf allein achtmal erscheinende Ausdruck „booster“, eigentlich ein Raketen-Hilfsantrieb, nur auf die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (BT-Drucks. 21/323 S. 1 f.), die in Höhe von höchstens 30 % ab – im Koalitionsvertrag noch für das ganze Jahr 2025 versprochen – bis in Anspruch genommen werden kann. Dann ist es mit der Initialzündung aber auch schon vorbei. Denn anschließend an den zeitlich begrenzten „Investitions-Booster“ soll die schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes erst ab dem von derzeit 15 % auf 10 % in 2032 für Liquiditätssteigerungen und langfristige Planungssicherheit sorgen. Aufbruchstimmung schafft man anders. Immerhin zeigt sich ein Funken Verständnis für die Steuersystematik, wenn auf die korrespondierende Absenkung des Thesaurierungssteuersatzes nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG hingewiesen wird, um an dem Ziel einer Belastungsneutralität zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften festzuhalten (BT-Drucks. 21/323 S. 2).
Auf der Sollseite der metaphorischen Bilanz bietet sich aber eher ein Bild steuerlicher Klientelpolitik wie man sie eigentlich nur von einer Partei erwarten konnte, die nicht mehr in der Regierungsverantwortung steht. Dazu gehören einige Maßnahmen, die sich angesichts der Mittelknappheit kaum mit dem Motto des Koalitionsvertrags „Verantwortung für Deutschland“ vereinbaren lassen. So die Anhebung der Entfernungspauschale und die Reduzierung der Umsatzsteuer für Restaurant-Essen (ohne Getränke) durch das StÄndG 2025. Auch die sich hinter dem Schlagwort „Aktivrente“ verbergende Erhöhung des Grundfreibetrags um 24.000 € lässt sich nur schwer sachlich gegenüber davon ausgeschlossenen Personen in vergleichbarer Lage rechtfertigen.
Hans-Joachim Kanzler
Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 3305
KAAAK-05347