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BFH Urteil v. - IX R 12/24

Veräußerungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG

Leitsatz

Steuerberatungskosten, die für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung anfallen, stellen keine Veräußerungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes dar.

Gesetze: EStG § 17; EStG § 20 Abs. 4

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Streitig ist die Berücksichtigung von Steuerberatungskosten für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.

2 Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr 2021 ihre im Privatvermögen gehaltenen Anteile an der . AG (im Weiteren X AG). Ihre Beteiligungsquote entsprach 5,93 %.

3 Mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung beauftragten die Kläger einen Steuerberater. Dieser berechnete für die zur Erstellung der Steuererklärung notwendige Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) . € netto zuzüglich anteiliger Auslagen und Umsatzsteuer.

4 Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) versagte den Abzug der Steuerberatungskosten als Veräußerungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

5 Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2024, 1379 veröffentlichtem Urteil stattgegeben. Der Begriff der Veräußerungskosten setze keinen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Veräußerung voraus. Vielmehr komme es allein auf den Veranlassungszusammenhang an, der auch mittelbar veranlasste Aufwendungen erfassen könne. Die Steuerberatungskosten seien durch den Veräußerungsvorgang veranlasst, da das „auslösende Moment“ für die Entstehung dieser Aufwendungen in dem Veräußerungsvorgang selbst bestehe.

6 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Der Begriff der Veräußerungskosten in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG sei dahingehend auszulegen, dass ein unmittelbarer sachlicher Bezug der Aufwendungen zur Veräußerung erforderlich sei. Dieses Verständnis folge unter anderem aus dem Vergleich zur Regelung in § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG. Selbst unter Anwendung des weitergehenden Veranlassungszusammenhangs seien die Kosten allein durch die Steuererklärungspflicht und nicht durch die Veräußerung selbst ausgelöst worden.

7 Das FA beantragt,

das aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8 Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

10 Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Veräußerung der Anteile an der X AG dem Grunde nach den Einkünftetatbestand des § 17 EStG erfüllt. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft entschieden, dass die von den Klägern für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns getragenen Steuerberatungskosten Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellen.

11 1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).

12 a) Der Begriff der Veräußerungskosten ist weder in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG noch in den weiteren Vorschriften des Ertragsteuerrechts, in denen er benannt ist (u.a. in § 3 Nr. 70 Satz 2 Buchst. d, § 3 Nr. 71 Buchst. b Satz 3, § 3c Abs. 2 und 3, § 6b Abs. 2, § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, § 14a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 8b Abs. 2 Satz 2 und § 15 Satz 1 Nr. 2a Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG—, § 21 Satz 1 und § 44 des Investmentsteuergesetzes), definiert. Gemeinsam ist diesen Vorschriften, dass sie die Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts oder einer Gesamtheit von Wirtschaftsgütern zum Gegenstand haben (vgl. zur selben wirtschaftlichen Sachlage bereits , BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861, Rz 13).

13 b) Der Begriff der Veräußerungskosten ist im Ertragsteuerrecht grundsätzlich einheitlich auszulegen (, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100, und vom  - I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861, Rz 13). Veräußerungskosten sind daher auch im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG die Kosten, die durch die Veräußerung veranlasst sind.

14 aa) Es kommt darauf an, ob die Aufwendungen bei wertender Betrachtung ihr auslösendes Moment in der Veräußerung haben und eine größere Nähe zur Veräußerung als zu den laufenden Einkünften aufweisen (Anschluss an die Rechtsprechung zu § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG: , BFHE 245, 25, BStBl II 2014, 719, Rz 12; vom  - I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861, Rz 13, und vom  - I R 20/16, BFHE 265, 63, BStBl II 2020, 674, Rz 26; und an die Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG: , BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458, unter 1.a; vom  - IV R 22/08, BFHE 227, 481, BStBl II 2010, 736, Rz 11, und vom  - IV R 18/17, BFHE 263, 348, BStBl II 2019, 696, Rz 15).

15 bb) Der hiernach maßgebliche Veranlassungszusammenhang muss jeweils nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Die die Aufwendungen auslösenden Momente müssen gewichtet und gegeneinander abgewogen werden, um festzustellen, welches Moment das letztlich maßgebende war. Diese Abwägung und Gewichtung der einzelnen zu berücksichtigenden Umstände ist als Bestandteil der tatrichterlichen Würdigung in erster Linie Aufgabe des FG. Dessen Beurteilung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senatsurteil vom  - IX R 29/23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BStBl II 2025, 277, Rz 14, m.w.N.).

16 c) Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom  - IX R 25/12 (BFHE 242, 513, BStBl II 2014, 102) die Kosten eines abkommensrechtlichen Verständigungsverfahrens nicht als Veräußerungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG eingeordnet. Dabei hat er einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Veräußerung verlangt und darauf abgestellt, dass auslösendes Moment für den Kostenaufwand nicht die Veräußerung, sondern deren Steuerbarkeit ist (vgl. dort Rz 10, 12).

17 Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass er einen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und dem Rechtsgeschäft der Veräußerung nicht für zwingend erforderlich hält. Vielmehr genügt auch im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ein Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung, um Aufwendungen als Veräußerungskosten zu behandeln. So können auch mittelbar durch die Veräußerung entstandene Aufwendungen unter den Begriff der Veräußerungskosten fallen, soweit sie bei wertender Betrachtung ihr auslösendes Moment in der Veräußerung haben.

18 d) Gegen die hier vertretene Ansicht spricht nicht die Regelung in § 20 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG. Danach ist der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Die Norm des § 20 Abs. 4 EStG hat mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom (BGBl I 2007, 1912) Eingang in das Einkommensteuergesetz gefunden und sollte sich nach der Gesetzesbegründung an die vergleichbaren Regelungen zu den Veräußerungsvorschriften in § 17 und § 23 EStG anlehnen. Zu den Aufwendungen nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG gehören danach auch die Veräußerungskosten (BTDrucks 16/4841, S. 57).

19 Der Senat kann offenlassen, ob der in § 20 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG geforderte „unmittelbare sachliche Zusammenhang“ dahingehend zu verstehen ist, dass es auf das auslösende Moment ankommt. Denn jedenfalls hätte es dem Gesetzgeber freigestanden, den Abzug von durch die Veräußerung veranlassten Aufwendungen im Bereich des § 20 EStG im Vergleich zu § 17 EStG abweichend zu regeln. Eine vollständige Belastungsgleichheit von Einkünften aus § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und solchen nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG kann schon durch die unterschiedlichen tariflichen Regelungen nicht erzielt werden.

20 2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG zwar zutreffend einen Veräußerungsvorgang nach § 17 Abs. 1 und 2 EStG bejaht und für die Annahme von Veräußerungskosten auf das auslösende Moment für den Kostenaufwand abgestellt.

21 Die Feststellung der Vorinstanz, auslösendes Moment für die Entstehung der streitgegenständlichen Steuerberatungskosten sei der Veräußerungsvorgang selbst, widerspricht jedoch den dargestellten Anforderungen. Denn diese Aufwendungen sind Folge der sachlichen Steuerpflicht der Veräußerung und dem hierauf beruhenden Entschluss der Kläger, für die Erfüllung ihrer steuerlichen Erklärungspflichten einen Steuerberater zu beauftragen (vgl. auch Senatsurteil vom  - IX R 25/12, BFHE 242, 513, BStBl II 2014, 102, Rz 12). Das FG hat unzutreffend darauf abgestellt, dass bereits vor einer Veräußerung eine abstrakt bestehende steuerliche Pflicht zur Erklärung eines später gegebenenfalls vorliegenden Veräußerungsgewinns bestünde, welche sich durch die Veräußerung konkretisiere. Hieraus folgt insbesondere nicht, dass die Erklärungspflicht als auslösendes Moment hinter den Veräußerungsvorgang zurücktritt.

22 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.090925.IXR12.24.0- 6 -

Fundstelle(n):
CAAAK-05328