Instanzenzug: Az: I-28 U 103/21vorgehend LG Bochum Az: I-3 O 61/20
Tatbestand
1Die Kläger nehmen die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem im Dezember 2012 neu erworbenen Mercedes-Benz GLK 250 BlueTec 4Matic, der mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist, auf Schadensersatz in Anspruch, wobei die Frage, wer das Fahrzeug erworben hat, streitig ist.
2Die Kläger haben unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Berufungsanträge weiter.
Gründe
3Die Revision hat Erfolg.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Den Klägern, deren Aktivlegitimation unterstellt werden könne, stünden keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 826, 31 BGB zu. Sie hätten greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht dargetan. Allein aus der zugunsten der Kläger zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen in Form des Thermofensters, der Kühlmittel-Solltemperaturregelung und des SCR-Systems folge kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer.
6Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sei ebenfalls nicht gegeben, da das in Rede stehende Interesse der Kläger, nicht zum Abschluss eines ungewollten Kaufvertrages veranlasst zu werden, nicht vom Schutzzweck der Vorschriften umfasst sei.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
92. Die Revision hat jedoch deshalb Erfolg, weil das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Kläger auf die Gewährung des sogenannten "großen" Schadenersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass den Klägern nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder den Klägern Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
11Die angefochtene Berufungsentscheidung ist demnach aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es den Klägern Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:181125UVIAZR1045.22.0
Fundstelle(n):
SAAAK-05285