Leitsatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom , S. 9) in Verbindung mit seinem Anhang folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Darf nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 in Verbindung mit seinem Anhang eine zulässige nährwertbezogene Angabe - insbesondere eine solche zu einem in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel genannten Nährstoff - durch eine zwar nicht im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführte, aber objektiv zutreffende Aussage ergänzt werden, wenn sie aus Sicht des Verbrauchers eine Konkretisierung der nährwertbezogenen Angabe darstellt?
Falls die Vorlagefrage 1 bejaht wird:
2. Muss der Inhalt einer eine zulässige nährwertbezogene Angabe konkretisierenden, nicht im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Aussage den Bedingungen des Anhangs für die Verwendung der nährwertbezogenen Angabe entsprechen?
Gesetze: Art 8 Abs 1 EGV 1924/2006, Art 30 Abs 1 S 1 Buchst b EUV 1169/2011
Instanzenzug: Az: 6 U 3363/23 e Urteilvorgehend LG München I Az: 37 O 14809/22 Urteil
Gründe
1A. Die Beklagte ist eine milchverarbeitende Lebensmittelherstellerin. Sie vertreibt einen Milchreis als Fertigprodukt. Auf der Deckelfolie und dem Seitenetikett des Bechers sind unterhalb der Produktbezeichnung "Milch Reis" die Angabe "HIGH PROTEIN" sowie rechts daneben in einem runden Störer die Angabe "14G PROTEIN" (Deckelfolie) oder "14g PROTEIN pro Becher" (Seitenetikett) angebracht. An anderer Stelle des Seitenetiketts finden sich in tabellarischer Form Angaben zu Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz je 100 Gramm. Der Eiweißgehalt ist dort mit 7,7 Gramm je 100 Gramm und mit 14 Gramm pro 180-Gramm-Becher ausgewiesen.
Deckelfolie:
Seitenetiketten:
2Die Klägerin, die in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragene Wettbewerbszentrale e.V., beanstandet die zusätzlichen isolierten Angaben zum Proteingehalt in Gramm als Verstoß gegen die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung - LMIV).
3Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten,
den Proteingehalt eines Lebensmittels auf der Fertigpackung in Gramm getrennt anzugeben, wie [in den vorstehenden Abbildungen der Produktverpackung] geschehen.
4Ferner hat sie die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen in Anspruch genommen.
5Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I, WRP 2023, 1276). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, GRUR 2025, 1104). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6B. Der Erfolg der Revision der Beklagten hängt von der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health-Claims-Verordnung - HCVO) in Verbindung mit seinem Anhang ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
7I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die isolierte Angabe der Eiweißmenge ohne gleichzeitige Angabe des Brennwerts und der Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Salz sei unlauter. Hierzu hat es ausgeführt:
8Indem die Beklagte auf der Deckelfolie und dem Seitenetikett des Bechers allein die Eiweißmenge, aber nicht die anderen in der verpflichtenden Nährwertdeklaration ausgewiesenen Angaben wiederholt habe, habe sie dem Verbraucher dort die wesentlichen Informationen zu den weiteren in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 LMIV genannten, nach Art. 34 Abs. 1 LMIV als Ganzes und im selben Sichtfeld darzustellenden Nährwertangaben vorenthalten. Sie könne sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des Art. 30 Abs. 3 LMIV berufen, weil diese die isolierte Angabe von Eiweiß nicht vorsehe. Das Vorenthalten der weiteren Nährwertinformationen an den betreffenden Stellen der Verpackung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass es sich bei der Angabe "HIGH PROTEIN" um eine zulässige nährwertbezogene Angabe nach Art. 8 Abs. 1 HCVO in Verbindung mit seinem Anhang handeln und der Verbraucher ihr die Angaben "14G PROTEIN" und "14g PROTEIN pro Becher" zuordnen möge. Auch dann würden die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung zur Art und Weise der Darstellung von Nährwertangaben nicht durch die die Zulässigkeit von nährwertbezogenen Angaben regelnden Bestimmungen der Health-Claims-Verordnung verdrängt. Selbst wenn es sich um nach der Health-Claims-Verordnung zulässige Ergänzungen handelte, müssten diese in der durch die Lebensmittelinformationsverordnung vorgeschriebenen Form erfolgen. Es könne deshalb dahinstehen, ob es grundsätzlich zulässig sei, eine zulässige nährwertbezogene Angabe um die Angabe der absoluten Menge eines Nährstoffs in Gramm zu ergänzen.
9Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die vorenthaltenen Nährwertangaben für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers unerheblich seien. Der an einer ausgewogenen Ernährung interessierte Verbraucher benötige für eine informierte Kaufentscheidung neben der Angabe zur Proteinmenge auch Angaben zu dem Brennwert und der Menge der anderen Nährstoffe.
10II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, wenn ihr Verhalten nicht wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung unlauter ist. Das hängt davon ab, ob das aus Art. 30 Abs. 3 LMIV folgende (dazu B II 1), von der Beklagten nicht beachtete (dazu B II 2 a) Verbot der wiederholten Angabe der Proteinmenge im Streitfall nicht zur Anwendung gelangt, weil es sich bei den Angaben "14G PROTEIN" auf der Deckelfolie und "14g PROTEIN pro Becher" auf dem Seitenetikett des Produktbechers um nach der Health-Claims-Verordnung erlaubte Konkretisierungen der zulässigen nährwertbezogenen Angabe "HIGH PROTEIN" handelt (dazu B II 2 b).
111. Die aus einem Verstoß gegen die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung folgende Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten beurteilt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Abs. 1 LMIV, sondern nach § 3a UWG, Art. 30 Abs. 3 LMIV.
12a) Gemäß § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die lebensmittelrechtlichen Vorschriften sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG, die der Information der Verbraucher über ernährungs- und gesundheitsbezogene Aspekte von Lebensmitteln dienen (vgl. , GRUR 2015, 498 [juris Rn. 38] = WRP 2015, 569 - Combiotik).
13Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG gelten nach § 5b Abs. 4 UWG auch solche Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen. Hierzu zählen die von der Lebensmittelinformationsverordnung vorgeschriebenen Angaben auf der Verpackung von Lebensmitteln (, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 27] - Knuspermüsli II).
14Im Fall des Vorenthaltens einer für die geschäftliche Entscheidung eines Verbrauchers wesentlichen Information in Bezug auf kommerzielle Kommunikation ist die Unlauterkeit nicht nach § 3a UWG, sondern allein nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG zu beurteilen (BGHZ 233, 193 [juris Rn. 23] - Knuspermüsli II; , GRUR 2025, 653 [juris Rn. 61] = WRP 2025, 756 - App-Zentrum III).
15Gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 1 LMIV enthält die verpflichtende Nährwertdeklaration folgende Angaben: (Buchst. a) Brennwert und (Buchst. b) die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz. Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Art. 30 Abs. 1 LMIV, so können nach Art. 30 Abs. 3 LMIV die folgenden Angaben darauf wiederholt werden: (Buchst. a) der Brennwert oder (Buchst. b) der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz. Nach Art. 34 Abs. 1 LMIV müssen die Angaben gemäß Art. 30 Abs. 1 LMIV im selben Sichtfeld (Satz 1) und als Ganzes in einem übersichtlichen Format (Satz 2) erscheinen.
16b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten sei nicht nach § 3a UWG, Art. 30 Abs. 3 LMIV, sondern nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Abs. 1 LMIV zu beurteilen. Die Vorschrift des Art. 30 Abs. 3 LMIV enthalte kein Verbot der Wiederholung von Nährstoffangaben auf der Verpackung eines Lebensmittels. Vielmehr könnten sämtliche Nährwertangaben nach dem in Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Abs. 1 LMIV festgehaltenen Grundsatz mehrfach auf der Verpackung erscheinen, wenn die Angaben im selben Sichtfeld und als Ganzes erschienen. In diesem Fall liege keine Verwirrung des Verbrauchers vor, wie sie nach Erwägungsgrund 41 der Lebensmittelinformationsverordnung durch die vereinzelte Angabe von Informationen zum Nährwert vermieden werden solle. Gegenstand des Art. 30 Abs. 3 LMIV sei demnach nicht die Regelung, welche Informationen wiederholt, also ein weiteres Mal angeführt werden dürften, sondern, welche Informationen abweichend von Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Abs. 1 LMIV in unvollständiger Form im Hauptsichtfeld erscheinen dürften. Werde eine einzelne in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 LMIV genannte Angabe, die - wie die Eiweißmenge - nicht unter Art. 30 Abs. 3 LMIV falle, zusätzlich auf der Verpackung dargestellt, liege daher ein Verstoß gegen den Grundsatz nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Abs. 1 LMIV vor, dass sämtliche Nährwertangaben im selben Sichtfeld und als Ganzes darzustellen seien, und nicht gegen die Ausnahmevorschrift des Art. 30 Abs. 3 LMIV, dass (nur) bestimmte Nährwertangaben isoliert wiederholt werden dürften. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17c) Die Klägerin wirft der Beklagten nicht vor, dass sie dem Verbraucher bei der isolierten Angabe der Proteinmenge die weiteren in der verpflichtenden Nährwertdeklaration enthaltenen Angaben zum Brennwert sowie zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Salz verschwiegen hat. Sie wendet sich dagegen, dass die Beklagte über die verpflichtende Nährwertdeklaration hinaus an weiteren Stellen der Verpackung Angaben zu der Proteinmenge in Gramm gemacht hat. Diese Beanstandung findet ihre Grundlage in Art. 30 Abs. 3 LMIV.
18aa) Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Bestimmung des Art. 30 Abs. 3 LMIV als Verbot der wiederholten isolierten Angabe einzelner in der verpflichtenden Nährwertdeklaration enthaltener Nährstoffe auszulegen ist (vgl. OLG Hamburg, WRP 2024, 1525 [juris Rn. 27]; OLG Stuttgart, WRP 2025, 521 Rn. 38; Meisterernst in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2021, Art. 30 LMIV Rn. 28; Hasselblatt/Eggers/Böhler, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl., § 30 Rn. 109; Stellungnahme Nr. 2020/02 des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit [ALS] zu Nährwertangaben im Hauptsichtfeld von Lebensmitteln). Hiervon geht auch die Europäische Kommission aus (vgl. Mitteilung der Kommission - Fragen und Antworten zur Verwendung der LMIV, ABl. C 196 vom , S. 9 Ziff. 3.3.6 und S. 10 Ziff. 3.3.9).
19Nach dem Wortlaut des Art. 30 Abs. 3 LMIV dürfen lediglich bestimmte in der verpflichtenden Nährwertdeklaration enthaltene Angaben auf einem vorverpackten Lebensmittel wiederholt werden. Daraus folgt, dass in Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht genannte Nährstoffe wie Eiweiß nicht erneut angegeben werden dürfen. Auch die Überschrift "Inhalt" des Art. 30 LMIV spricht dafür, dass die Vorschrift eine abschließende Regelung zur Zulässigkeit bestimmter wiederholter Angaben trifft. Ein Verständnis des Art. 30 Abs. 3 LMIV als Verbotsnorm entspricht der Absicht des Unionsverordnungsgebers. Nach Erwägungsgrund 41 Satz 4 der Lebensmittelinformationsverordnung können auf freiwilliger Basis die wichtigsten Bestandteile der Nährwertdeklaration ein weiteres Mal im Hauptsichtfeld erscheinen, damit die Verbraucher die wesentlichen Informationen zum Nährwert beim Kauf von Lebensmitteln leicht sehen können. Da der Verbraucher bei freier Wahl der erneut zu erteilenden Informationen verwirrt werden könnte, erschien es dem Unionsgesetzgeber notwendig zu präzisieren, welche Informationen ein weiteres Mal erscheinen dürfen (Erwägungsgrund 41 Satz 5 und 6 der Verordnung). Durch Art. 30 Abs. 3 LMIV soll demnach festgelegt werden, welche der in der verpflichtenden Nährwertdeklaration enthaltenen Angaben - und welche der dortigen Angaben demzufolge nicht - wiederholt werden dürfen.
20bb) Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschrift des Art. 34 Abs. 1 LMIV folgt nichts anderes. Die Bestimmung des Art. 34 LMIV schreibt nach ihrer Überschrift "Darstellungsform" die formalen Anforderungen an die Präsentation nach Art. 30 LMIV zulässiger Angaben vor. Soweit in Art. 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 LMIV das Erscheinen im selben Sichtfeld und als Ganzes festgehalten ist, bezieht sich die Vorschrift auf die Angaben der verpflichtenden Nährwertdeklaration nach Art. 30 Abs. 1 LMIV. Die Darstellung freiwillig wiederholter Angaben im Sinne des Art. 30 Abs. 3 LMIV ist dagegen in Art. 34 Abs. 3 LMIV geregelt. Die Bestimmung des Art. 34 Abs. 3 Satz 1 LMIV schreibt nicht vor, dass im Fall der Wiederholung von Nährwertangaben die in der verpflichtenden Nährwertdeklaration enthaltenen Angaben insgesamt erscheinen müssen, sondern sieht die Darstellung (Buchst. a) im Hauptsichtfeld und (Buchst. b) unter Verwendung einer bestimmten Schriftgröße vor.
21cc) Die Revision führt erfolglos an, die erneute Angabe der in Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht angeführten Nährstoffe sei zulässig, wenn sie in anderer Gestaltung als der Tabellenform der verpflichtenden Nährwertdeklaration erfolge. Dies ergebe sich aus der im Verhältnis zur Spezialvorschrift des Art. 30 Abs. 3 LMIV allgemeineren Regelung des Art. 35 Abs. 1 LMIV, wonach die Nährstoffmengen - zusätzlich zu der in Art. 34 Abs. 2 Satz 1 LMIV vorgeschriebenen Darstellungsform als Tabelle - in anderer Form angegeben werden dürften. Die Regelung des Art. 35 Abs. 1 LMIV bietet nach ihrer Überschrift "Weitere Formen der Angabe und der Darstellung" lediglich formale Alternativen zur Präsentation solcher Nährwertangaben, deren inhaltliche Wiederholung nach Art. 30 Abs. 3 LMIV zulässig ist.
22dd) Die Revision macht vergeblich geltend, nach Erwägungsgrund 36 der Lebensmittelinformationsverordnung sollten die Anforderungen an die verpflichtenden Nährwertinformationen für die öffentliche Gesundheit bedeutsame Elemente wie gesättigtes Fett, Zucker oder Natrium berücksichtigen. Die Bestimmung des Art. 30 Abs. 3 LMIV bezwecke daher lediglich, die Wiederholung vom Unionsverordnungsgeber als besonders gefährlich eingestufter Nährwertangaben in geordnete Bahnen zu lenken, aber nicht, die Wiederholung "guter Nährstoffe" wie Eiweiß besonderen Einschränkungen zu unterwerfen. Der Unionsverordnungsgeber hat in Art. 30 Abs. 3 LMIV die Wiederholung derjenigen Angaben erlaubt, deren übermäßiger Aufnahme er mit Blick auf den durch die Lebensmittelinformationsverordnung bezweckten Schutz der Gesundheit der Verbraucher (Art. 3 Abs. 1 LMIV) eine nachteilige Wirkung beimisst (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 12 Satz 1 der Health-Claims-Verordnung). Die isolierte wiederholte Angabe der Gesundheit zuträglicher Nährwerte hat er in Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht vorgesehen.
232. Die Beklagte könnte gegen die Marktverhaltensregelung des Art. 30 Abs. 3 LMIV verstoßen haben.
24a) Sie hat von den tabellarisch deklarierten Nährwerten die - in Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht genannte - Eiweißmenge nochmals auf der Produktverpackung angegeben, indem sie auf der Deckelfolie des Bechers den Hinweis "14G PROTEIN" und auf seinem Seitenetikett den Hinweis "14g PROTEIN pro Becher" angebracht hat. Die Begriffe Eiweiß und Protein stellen Synonyme dar (vgl. OLG Hamburg, WRP 2024, 1525 [juris Rn. 29]; Konnertz-Häußler in Holle/Hüttebräuker, HCVO, Art. 2 Rn. 24; Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Stand März 2025, Art. 2 VO [EG] 1924/2006 Rn. 43; aA offenbar Weyland, GRUR-Prax 2023, 733). Eine wiederholte Angabe der Eiweißmenge ist durch die abschließende Regelung des Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht erlaubt (Hagenmeyer, LMIV, 4. Aufl., Art. 30 Rn. 13; Grube in Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl., Art. 30 Rn. 41).
25b) Mit Blick auf die Regelungen der Health-Claims-Verordnung zu nährwertbezogenen Angaben könnte allerdings eine einschränkende Auslegung des Art. 30 Abs. 3 LMIV geboten sein. Danach könnten die von der Klägerin beanstandeten Zusatzangaben zur Grammmenge an Protein nicht als nach Art. 30 Abs. 3 LMIV unzulässige wiederholte Angaben anzusehen sein, wenn sie sich als nach der Health-Claims-Verordnung zulässige Ergänzungen einer nährwertbezogenen Angabe darstellten (vgl. Hagenmeyer aaO Art. 30 Rn. 13). Der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geht davon aus, dass die alleinige Angabe eines Nährstoffgehalts aus der Nährwertdeklaration in Verbindung mit einer durch die Health-Claims-Verordnung zugelassenen nährwertbezogenen Angabe nicht als Wiederholung des Nährwerts, sondern als Ergänzung der zulässigen nährwertbezogenen Angabe anzusehen sei (Stellungnahme Nr. 2020/02 des ALS; zustimmend Weyland, GRUR-Prax 2023, 733).
26aa) Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Angaben, die nach der Health-Claims-Verordnung erlaubt sind, nicht nach der Lebensmittelinformationsverordnung verboten sind und das Verbot des Art. 30 Abs. 3 LMIV daher nicht eingriffe, wenn die Health-Claims-Verordnung die erneute Angabe einer in der verpflichtenden Nährwertdeklaration ausgewiesenen Grammmenge an Eiweiß erlaubte. In diesem Fall würde das aus Art. 30 Abs. 3 LMIV folgende Verbot der wiederholten Angabe der Eiweißmenge durch die abweichenden Regelungen der Health-Claims-Verordnung verdrängt.
27(1) Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein Vorrang der Health-Claims-Verordnung allerdings nicht aus Art. 1 Abs. 4 LMIV. Danach gilt die Lebensmittelinformationsverordnung unbeschadet der in speziellen Rechtsvorschriften der Union für bestimmte Lebensmittel enthaltenen Kennzeichnungsvorschriften. Die Health-Claims-Verordnung gilt nicht für bestimmte Lebensmittel, sondern nach ihrem Art. 1 Abs. 2 grundsätzlich für alle Lebensmittel (Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst aaO Vorbemerkung VO [EG] 1924/2006 Rn. 20).
28(2) Die Bestimmungen der Health-Claims-Verordnung sind allerdings insofern spezieller als die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung, als sie sich nach Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 HCVO mit nährwertbezogenen Angaben in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln befassen. Nach Erwägungsgrund 3 Satz 3 der Health-Claims-Verordnung sollten mit der Verordnung die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie 2000/13/EG - an deren Stelle mit Wirkung vom die Lebensmittelinformationsverordnung getreten ist (Art. 53 Abs. 1, Art. 55 Unterabs. 2 LMIV) - ergänzt und spezielle Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, festgelegt werden. Im Fall einer Kollision gelten die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung daher nicht ergänzend, sondern treten aufgrund des Spezialitätsverhältnisses hinter den Regelungen der Health-Claims-Verordnung zurück. Etwas anderes gilt, wenn sich aus einer Bestimmung der Health-Claims-Verordnung ergibt, dass ihr kein Vorrang gegenüber einer Vorschrift der Lebensmittelinformationsverordnung zukommt (zu dem in Art. 3 Unterabs. 2 Buchst. a HCVO, Art. 7 Abs. 1 LMIV geregelten Täuschungsschutz vgl. , GRUR 2015, 403 [juris Rn. 18] = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II; Urteil vom - I ZR 93/21, GRUR 2022, 1347 [juris Rn. 20] = WRP 2022, 1253 - 7 x mehr).
29(3) Ein Kollisionsfall läge vor, wenn eine nach Art. 30 Abs. 3 LMIV verbotene erneute Angabe eines einzelnen Nährstoffs nach den Bestimmungen der Health-Claims-Verordnung zu nährwertbezogenen Angaben erlaubt wäre. Aus Art. 7 Unterabs. 1 HCVO folgt nichts anderes. Danach ist die Nährwertkennzeichnung von Erzeugnissen, bei denen nährwertbezogene Angaben gemacht werden, grundsätzlich obligatorisch (Satz 1) und sind die in Art. 30 Abs. 1 LMIV aufgeführten Angaben zu machen (Satz 2). Bei nährwertbezogenen Angaben zu einem in Art. 30 Abs. 2 LMIV genannten Nährstoff wird die Menge dieses Nährstoffs nach Maßgabe der Art. 31 bis 34 LMIV angegeben (Satz 3). Die Regelungen des Art. 7 Unterabs. 1 HCVO erklären die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung allein hinsichtlich in Art. 30 Abs. 1 und 2 LMIV geregelter Angaben für anwendbar. Daraus folgt mangels Anhaltspunkten für eine planwidrige Regelungslücke, dass das Verbot des Art. 30 Abs. 3 LMIV neben den Erlaubnistatbeständen der Health-Claims-Verordnung zu nährwertbezogenen Angaben nicht anwendbar ist (vgl. Hagenmeyer aaO Art. 30 Rn. 13; Meisternst in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 30 LMIV Rn. 28; Stellungnahme Nr. 2020/02 des ALS). Hiervon geht offenbar auch die Europäische Kommission aus (vgl. Mitteilung der Kommission - Fragen und Antworten zur Verwendung der LMIV aaO S. 10 Ziff. 3.3.9).
30bb) Fraglich ist, ob die Angaben "14G PROTEIN" und "14g PROTEIN pro Becher" nach den Regelungen in Art. 8 Abs. 1 HCVO in Verbindung mit seinem Anhang zur Zulässigkeit nährwertbezogener Angaben erlaubt sind.
31(1) Gemäß Art. 8 Abs. 1 HCVO dürfen nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in der Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen. Nach dem Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO ist die Angabe, ein Lebensmittel habe einen hohen Proteingehalt, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig, wenn auf den Proteinanteil mindestens 20 % des gesamten Brennwerts des Lebensmittels entfallen.
32(2) Die Revisionserwiderung macht vergeblich geltend, bei den beanstandeten Aussagen handele es sich nicht um Angaben im Sinne der Health-Claims-Verordnung, weil die Eiweißmenge nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LMIV verpflichtend anzugeben sei. Eine Angabe ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist. Im Streit steht nicht die Angabe der Menge an Eiweiß in der verpflichtenden Nährwertdeklaration (Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LMIV), sondern die in Art. 30 Abs. 3 LMIV geregelte freiwillige Wiederholung.
33(3) Eine Angabe ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO nährwertbezogen, wenn sie erklärt, suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck bringt, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar unter anderem aufgrund (Buchst. b) der Nährstoffe, die es (Ziff. i) enthält, (Ziff. ii) in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder (Ziff. iii) nicht enthält. Zu den Nährstoffen zählt nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCVO Protein. Angaben zu einem hohen Proteingehalt weisen einen Nährwertbezug im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b Ziff. ii Alt. 2 HCVO auf (vgl. Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 2 VO [EG] 1924/2006 Rn. 79).
34(4) Die Revision führt an, aufgrund der Verpackungsgestaltung werde der Verkehr die Angaben "14G PROTEIN" und "14g PROTEIN pro Becher" als konkretisierende Bestandteile der zulässigen nährwertbezogenen Angabe "HIGH PROTEIN" ansehen. Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass der Verbraucher die Angabe "HIGH PROTEIN" auf der Deckelfolie und dem Seitenetikett des Bechers mit der Angabe "Hoher Proteingehalt" gleichsetzt. Es hat weiter unterstellt, dass sich der Proteinanteil des im Becher enthaltenen Milchreises auf mindestens 20 % seines Brennwerts beläuft. Ferner hat es unterstellt, dass der Verbraucher der Angabe "HIGH PROTEIN" die daneben angebrachten Angaben "14G PROTEIN" und "14g PROTEIN pro Becher" zuordnen wird. Im Revisionsverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr die beanstandeten Grammangaben zur Proteinmenge als Erläuterung einer zulässigen nährwertbezogenen Angabe zum hohen Proteingehalt des Milchreises auffasst.
35(5) Fraglich ist, ob eine solche Konkretisierung nach den Regelungen der Health-Claims-Verordnung zulässig ist. Das hängt davon ab, ob Art. 8 Abs. 1 HCVO in Verbindung mit seinem Anhang die Erläuterung einer zulässigen nährwertbezogenen Angabe durch eine ergänzende Aussage erlaubt und ob in diesem Fall jede Art der Konkretisierung oder lediglich eine solche zulässig ist, deren Inhalt den im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO vorgesehenen Bedingungen für die Verwendung einer nährwertbezogenen Angabe entspricht.
36(a) Es fragt sich zunächst, ob Art. 8 Abs. 1 HCVO in Verbindung mit seinem Anhang die Konkretisierung einer im Anhang aufgeführten nährwertbezogenen Angabe - insbesondere wie vorliegend einer solchen zu einem in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LMIV angeführten Nährstoff - überhaupt zulässt. Dieser Klärung dient die Vorlagefrage 1.
37Für eine Zulässigkeit könnte sprechen, dass die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO aufgeführten nährwertbezogenen Angaben - wie diejenige zum hohen Proteingehalt des Produkts - allgemein gehalten sind. Eine diesen allgemeinen Inhalt konkretisierende Aussage trägt dazu bei, dem Verbraucher die Bedeutung der nährwertbezogenen Angabe zu veranschaulichen und sie für ihn aussagekräftiger zu machen. Auf diese Weise vermag sie dem Verbraucher eine zusätzliche, für sich genommen zutreffende Information zu vermitteln, die für seine Kaufentscheidung relevant werden kann. Eine solche Zusatzinformation kann dem Zweck der Health-Claims-Verordnung dienen, dem Verbraucher die Wahl beim Kauf von Lebensmitteln zu erleichtern (vgl. Erwägungsgrund 1 Satz 2 der Verordnung).
38Gegen die Annahme, eine konkretisierende Aussage zu einer nährwertbezogenen Angabe sei nach der Health-Claims-Verordnung zulässig, könnte allerdings sprechen, dass der Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO die zulässigen nährwertbezogenen Angaben abschließend auflistet (vgl. Holle in Holle/Hüttebräuker aaO Art. 8 Rn. 20; Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 8 VO [EG] 1924/2006 Rn. 16). Eine Erläuterung dieser Angaben ist im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO nicht vorgesehen. Dies könnte möglicherweise den Schluss zulassen, dass die Health-Claims-Verordnung lediglich die Zulässigkeit nährwertbezogener Angaben selbst regelt (vgl. Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 HCVO) und sich die Zulässigkeit solche Angaben konkretisierender Aussagen nach anderen Rechtsvorschriften - vorliegend nach der die Health-Claims-Verordnung ergänzenden Lebensmittelinformationsverordnung (vgl. Erwägungsgrund 3 Satz 3 der Health-Claims-Verordnung) - richtet. Hinsichtlich der in Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LMIV angeführten Nährstoffe verbliebe es dann bei dem Verbot der einzelnen wiederholten Angabe nach Art. 30 Abs. 3 LMIV. Hierdurch würde dem Zweck des Art. 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 LMIV Rechnung getragen, dass sich der Verbraucher nicht nur über den konkreten Gehalt eines seiner Ernährung zuträglichen Nährstoffs wie Protein, sondern anhand der verpflichtenden Nährwertdeklaration zugleich über die genaue Menge eher ernährungsnachteiliger Nährwerte eines Lebensmittels informiert, und auf diese Weise seine ausgewogene Ernährung gefördert wird, wie dies die Health-Claims-Verordnung nach ihrem Erwägungsgrund 1 Satz 3 bezweckt.
39(b) Sollte die Health-Claims-Verordnung konkretisierende Aussagen zu einer zulässigen nährwertbezogenen Angabe - wie vorliegend zum hohen Proteingehalt des Produkts - erlauben, fragt sich weiter, ob jegliche inhaltlich zutreffende Erläuterung zulässig ist oder ihr Inhalt den Bedingungen des Anhangs zu Art. 8 Abs. 1 HCVO für die Verwendung der nährwertbezogenen Angabe entsprechen muss. Dieser Klärung dient die Vorlagefrage 2. Im Streitfall kommt eine Konkretisierung nicht nur im Wege der beanstandeten Angabe der im Produkt enthaltenen Grammmenge an Protein, sondern auch einer Angabe des Proteinanteils am Gesamtbrennwert des Produkts in Form der Angabe von mindestens 20 % des gesamten Brennwerts (entsprechend den Verwendungsbedingungen des Anhangs zu Art. 8 Abs. 1 HCVO) oder des von der Revision errechneten genauen Anteils von 33,7 % des Gesamtbrennwerts in Betracht.
40Für die Annahme der Zulässigkeit einer jeden (zutreffenden) Erläuterung unabhängig von den Vorgaben des Anhangs zu Art. 8 Abs. 1 HCVO - und damit auch einer Grammangabe zur Proteinmenge - könnte der Wortlaut des Anhangs sprechen, wonach nicht die nährwertbezogene Angabe selbst (hier "High Protein" beziehungsweise "Hoher Proteingehalt"), sondern das damit beworbene Produkt die gesetzlichen Verwendungsbedingungen (hier einen Proteinanteil von mindestens 20 % des Gesamtbrennwerts des Milchreises) erfüllen muss. Die Revision weist zudem darauf hin, dass die Angabe der im Produkt enthaltenen Grammmenge eines Nährstoffs wie Protein für den an einer ausgewogenen Ernährung interessierten Verbraucher mit Blick auf die empfohlene tägliche Referenzmenge von Bedeutung sein kann. Sie kann für den Verbraucher daher gegebenenfalls von größerem Informationsinteresse als die Angabe des Proteinanteils am Brennwert des Erzeugnisses sein (vgl. OLG Stuttgart, WRP 2025, 521 Rn. 51) und ihm die Auswahl des Lebensmittels erleichtern (vgl. Erwägungsgrund 1 Satz 2 der Health-Claims-Verordnung).
41Für die Annahme, der Inhalt einer eine zulässige nährwertbezogene Angabe erläuternden Aussage müsse den Verwendungsbedingungen des Anhangs zu Art. 8 Abs. 1 HCVO entsprechen, könnte dagegen sprechen, dass aus Sicht des Unionsverordnungsgebers allein den gesetzlichen Vorgaben eine hinreichende Aussagekraft betreffend die nährwertbezogene Angabe zukommt. Dabei ist der Verordnungsgeber erkennbar davon ausgegangen, dass bei Protein - anders als bei Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker oder Natrium - nicht die Grammmenge, sondern das Verhältnis zum Gesamtbrennwert des Produkts für die von der Health-Claims-Verordnung bezweckte ausgewogene Ernährung des Verbrauchers zum Schutz seiner Gesundheit (vgl. Erwägungsgrund 1 Satz 2 und 3 sowie Erwägungsgrund 18 der Verordnung; , GRUR 2016, 1090 [juris Rn. 39] = WRP 2016, 1466 - Verband Sozialer Wettbewerb/Innova Vita) von Bedeutung ist. Nach der gesetzlichen Wertung liefert die Angabe, ein Produkt weise aufgrund der darin enthaltenen Grammmenge an Protein einen hohen Proteingehalt auf, dem Verbraucher daher keine zielführenden Informationen, sondern ist geeignet, bei ihm im Sinne einer normativen Irreführung (vgl. Art. 3 Unterabs. 2 Buchst. a HCVO) den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, die absolute Proteinmenge sei für die Höhe des Proteingehalts von Bedeutung (vgl. OLG Hamburg, WRP 2024, 1525 [juris Rn. 34]; OLG Stuttgart, WRP 2025, 521 Rn. 50). Dies könnte für die Annahme sprechen, dass eine Angabe zu der in einem Produkt enthaltenen Grammmenge an Protein aus Rechtsgründen nicht als inhaltlich gleichbedeutend mit einer Angabe zum hohen Proteingehalt und demzufolge nicht als Konkretisierung einer zulässigen nährwertbezogenen Angabe angesehen werden kann (vgl. Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst aaO Art. 8 VO [EG] 1924/2006 Rn. 90).
423. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Stellen die Angaben "14G PROTEIN" und "14g PROTEIN pro Becher" keine nach Art. 8 Abs. 1 HCVO in Verbindung mit seinem Anhang zulässigen Konkretisierungen der Angabe "HIGH PROTEIN" dar, so ist ihre Anbringung auf der Deckelfolie und dem Seitenetikett des Produkts gemäß § 3a UWG, Art. 30 Abs. 3 LMIV unlauter. Der dann gegebene Verstoß gegen Art. 30 Abs. 3 LMIV wäre geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne des § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Der Verfolgung eines Verstoßes gegen Art. 30 Abs. 3 LMIV als nach § 3a UWG unlautere geschäftliche Handlung stünde nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern in Binnenmarkt die Vorschriften der Mitgliedstaaten über solche unlauteren Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Richtlinie). Die Richtlinie 2005/29/EG lässt nach ihrem Art. 3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Die Kennzeichnungsbestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung sind solche Vorschriften (BGHZ 233, 193 [juris Rn. 28] - Knuspermüsli II).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:201125BIZR2.25.0
Fundstelle(n):
PAAAK-05273