Instanzenzug: Az: 3 StR 25/24 Beschlussvorgehend LG Kleve Az: 110 KLs 22/23 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und 899 sichergestellte Cannabissetzlinge eingezogen. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Januar 2023 oder davor richtete der Angeklagte an einem unbekannt gebliebenen Ort in Deutschland eine Plantage mit dem Ziel ein, Marihuana zu erzeugen und es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Plantage war spätestens am vollständig eingerichtet und bot Platz für mindestens 899 Cannabispflanzen. Sie war hinsichtlich Bewässerung, Düngung, Belüftung und Beleuchtung technisch so beschaffen, dass die angebauten Pflanzen einen Mindestertrag von 25 Gramm Marihuana je Pflanze mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5%, mithin einen Gesamtertrag von 22.475 Gramm mit 1.123,75 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Ernte erbracht hätten. Jährlich wären drei Ernten möglich gewesen.
4Am fuhr der Angeklagte mit seinem PKW in die Niederlande und übernahm bei einem Züchter 899 weibliche Cannabissetzlinge, um sie anschließend zu der Plantage zu transportieren, sie dort in größere Pflanzgefäße umzutopfen und nach Erreichen der Erntereife Erträge in der beschriebenen Größenordnung zu erzielen. Die 12 bis 15 Zentimeter großen Setzlinge hatten Wurzeln ausgebildet. Sie waren in mit Erde befüllten Pflanzmulden von sieben Kunststoffplatten (sog. Setzlingstrays) eingebracht. Bei einer polizeilichen Kontrolle im Anschluss an den Grenzübertritt nach Deutschland wurden die Setzlinge entdeckt und sichergestellt. Sie hatten nach Trocknung ein Gewicht von 200,15 Gramm und enthielten 7,005 Gramm THC.
52. Das Landgericht hat die Tat als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. Bereits der Ankauf und der Transport der Cannabissetzlinge mit dem Ziel, Cannabisprodukte zu gewinnen und zu veräußern, stellten auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeiten und keine bloßen Vorbereitungshandlungen dar.
II.
61. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs dahin, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG schuldig ist. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen nicht mehr die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; denn am ist als Artikel 1 des Cannabisgesetzes vom (BGBl. I Nr. 109) das Konsumcannabisgesetz in Kraft getreten. Diese Gesetzesänderung ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach ihr unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. , juris Rn. 4 mwN).
7a) Nach neuem Recht ist das festgestellte Verhalten als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zu werten, wobei das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für einen besonders schweren Fall erfüllt ist (zum Grenzwert vgl. , juris Rn. 20 mwN).
8aa) Es gilt:
9Wer Cannabissetzlinge in Besitz nimmt, um ihren Ertrag nach weiterer Aufzucht in einer eingerichteten Plantage gewinnbringend zu verkaufen, verwirklicht den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis, ohne dass ihre Einpflanzung in der Plantage erforderlich ist.
10(1) Ein solches Verhalten unterfällt dem weiten Begriff des Handeltreibens im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG. Dieser umfasst – entsprechend § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG – jede eigennützige, auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit. Von straflosen Vorbereitungshandlungen unterscheidet sich die Inbesitznahme einer bestimmten Anzahl von Cannabissetzlingen zum Zweck des Einbringens in einer Plantage namentlich dadurch, dass Art und Menge der erwarteten Droge hinreichend konkretisiert sind. Der Tatbestand des Anbaus von Cannabis hat – ebenso wie andere nach § 34 Abs. 1 KCanG strafbare Begehungsformen – keine Begrenzungsfunktion für denjenigen des Handeltreibens (s. im Einzelnen , NStZ 2025, 375 Rn. 8 ff.; zustimmend Hillenbrand, StRR 7/2025, 24; Patzak/Möllinger, NStZ 2025, 595, 598; Weber/Kornprobst/Maier/Dietsch/ Dietsch, BtMG, 7. Aufl., § 1 KCanG Rn. 25, § 34 KCanG Rn. 274a; ablehnend demgegenüber Sobota, JR 2025, 339).
11(2) Der Senat hat in der vorliegenden Sache mit dem näher begründeten Beschluss vom (NStZ 2025, 375) seine Absicht erklärt, im dargelegten Sinne zu entscheiden, und bei den übrigen Strafsenaten angefragt (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG), ob an – gegebenenfalls – entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Der 1., 2., 5. und 6. Strafsenat haben sich daraufhin dieser Rechtsauffassung – teilweise unter Aufgabe früherer Rechtsprechung – angeschlossen (Beschlüsse vom – 5 ARs 4/25; vom – 6 ARs 2/25; vom – 1 ARs 3/25; vom – 2 ARs 90/25); der 4. Strafsenat hat mitgeteilt, seine Rechtsprechung widerspreche der beabsichtigten Entscheidung nicht (Beschluss vom – 4 ARs 2/25).
12bb) Nach den aufgezeigten Maßstäben trieb der Angeklagte Handel mit Cannabis. Die Übernahme der sich in den Pflanzmulden der Kunststoffplatten befindenden 899 Cannabissetzlinge in der Absicht, sie in der bereits vollständig eingerichteten Plantage einzubringen und die zu einem späteren Zeitpunkt erwarteten Blüten als Marihuana gewinnbringend zu verkaufen, stellt hiernach bereits eine auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit dar. Gleiches gilt für die nachfolgenden Teilakte des Transports und der Einfuhr. Das Umsatzgeschäft ist hinreichend konkretisiert, weil anhand der Jungpflanzen der erwartete und damit später zu veräußernde Ertrag, wie vom Landgericht festgestellt, bestimmt werden kann.
13cc) Auf der Grundlage der hier getroffenen Feststellungen bedarf es keiner Entscheidung, ob auch in der Fallkonstellation, dass bei Übernahme der Cannabissetzlinge die Plantage noch nicht eingerichtet ist, ein Handeltreiben mit Cannabis vorliegt. Die im Anfragebeschluss angeführten Argumente könnten allerdings die Bejahung dieser Frage als folgerichtig erscheinen lassen.
14b) Da das Landgericht die verhängte Freiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) entnommen hat, ist die neue Rechtslage in jedem Fall für den Angeklagten günstiger im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und somit der rechtlichen Würdigung zugrunde zu legen (zum gebotenen konkreten Vergleich im Einzelfall s. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 5; vom – 3 StR 159/24, NStZ-RR 2024, 282, 283 f.); denn nach dem Konsumcannabisgesetz kommt allenfalls eine Mindeststrafe von drei Monaten und eine Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe in Betracht (§ 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG).
15c) Infolgedessen ist der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu ändern (zur Tenorierung s. etwa , juris Rn. 3; Urteil vom – 3 StR 213/24, juris Rn. 14). Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf des Handeltreibens mit Cannabis nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Eine Erstreckung auf den Mitangeklagten nach § 357 StPO ist nicht anzuordnen, weil die Vorschrift bei Urteilsaufhebungen – nebst Schuldspruchänderungen (vgl. MüKoStPO/Knauer/Kudlich, 2. Aufl., § 357 Rn. 11 mwN) – nur wegen Gesetzesverletzungen, nicht dagegen bei nachträglichen Rechtsänderungen Anwendung findet (s. , BGHSt 20, 77, 79 ff.; Beschluss vom – 4 StR 313/24, juris Rn. 4 mwN).
162. Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes auf eine mildere Strafe erkannt hätte (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Bei der verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren handelt es sich um die Höchststrafe nach neuem Recht.
17Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen; sie haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Ihre Ergänzung um weitere Feststellungen, die ihnen nicht widersprechen, ist möglich.
Schäfer Berg Erbguth
Kreicker Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:151025B3STR25.24.0
Fundstelle(n):
GAAAK-05182