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BGH Urteil v. - VIa ZR 1235/22

Instanzenzug: OLG Braunschweig Az: 10 U 12/22vorgehend LG Braunschweig Az: 11 O 3006/19

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im Juni 2010 von einem Dritten einen neuen VW Multivan T5, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

2Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs sowie gegen Zahlung einer Entschädigung für Nutzungen des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung der teilweisen Erledigung (Berufungsantrag zu 2) und des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 3) sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 4) begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.

Gründe

3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch nach § 826 BGB bestehe nicht. Auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt werden könne, dass ein "Thermofenster“ eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, fehle ein arglistiges Verhalten der Beklagten. Die Steuerung der Abgasrückführung unterscheide nicht zwischen Prüfstand und Realbetrieb. Für ein Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, fehlten hinreichende Anhaltspunkte.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keineEinwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in der Fassung vom (aF) Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32; Urteil vom - VIa ZR 374/22, NJW-RR 2024, 577 Rn. 9 ff.).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es der Klägerin Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

C. Fischer                            Möhring                            Messing

                     F. Schmidt                            Pastohr

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:191125UVIAZR1235.22.0

Fundstelle(n):
RAAAK-05174