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BGH Beschluss v. - I ZB 33/25

Leitsatz

1.    Ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Oberlandesgericht bereits ein Hauptsacheverfahren vor dem staatlichen Gericht anhängig ist. Das gilt auch dann, wenn im staatlichen Verfahren bereits die Einrede des Schiedsverfahrens erhoben worden ist (Vergleiche , WM 2019, 79 [juris Rn. 9] - Skatgericht; Beschluss vom - I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 13]).

2.    Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt in einem solchen Fall auch nicht allein deshalb, weil der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO erst längere Zeit - hier: rund zwei Jahre - nach Klageerhebung und Erhebung der Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO gestellt worden ist, soweit es im konkreten Einzelfall keine weiteren Umstände gibt, die für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen sprechen können.

3.    Gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann die Feststellung beantragt werden, dass ein bestimmter Rechtsstreit von der Schiedsvereinbarung (nicht) erfasst wird. Im Rahmen dieser Feststellung wird nicht abstrakt über die Reichweite der Schiedsvereinbarung, sondern darüber entschieden, ob der konkrete Streitgegenstand des (beabsichtigten) Rechtsstreits von der Schiedsvereinbarung erfasst wird.

Gesetze: § 1032 Abs 1 ZPO, § 1032 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 12 SchH 1/24

Gründe

1A. Die Antragstellerin mit Sitz in Augsburg lieferte aufgrund eines Kaufvertrags aus dem Jahr 2007 vier von ihr hergestellte Schiffsmotoren an die I.    Ltd. mit Sitz in Australien (im Folgenden: I.   ). Diese verbaute die Motoren in dem Schiff E.       , das 2013 in Betrieb genommen wurde.

2In Ziffer 3.1 des Kaufvertrags fand sich eine Bezugnahme auf die "Contractor's General Conditions of Sale for Goods" (im Folgenden: GCS), die in Ziffer 20 eine Rechtswahl- sowie eine Schiedsklausel enthielten. Danach unterlag der Kaufvertrag englischem Recht ohne Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom (im Folgenden: CISG). Streitigkeiten sollten nach den Regeln der International Chamber of Commerce (im Folgenden: ICC) in London durch einen oder mehrere Schiedsrichter beigelegt werden. Ziffer 3.8 des Kaufvertrags regelte Gewährleistungsansprüche (Warranty); im Übrigen sollten die GCS gelten.

3Im Zusammenhang mit der Veräußerung der E.         durch die I.    an die A.       Ltd. und deren Chartervertrag mit der M.         A/S (im Folgenden: M.        ) verlängerten die Kaufvertragsparteien die vertraglichen Gewährleistungsregelungen für die Motoren (Ziffer 3.8 des Kaufvertrags) in einem 3. Nachtrag vom , weil das Schiff nicht ohne Gewährleistung an M.        übergeben werden sollte. Die Antragstellerin stimmte am gegenüber der I.    der Übertragung der "Warranty" an M.         zu.

4M.         vereinbarte mit der Niederlassung der Antragstellerin in Dänemark laufende Service- und Wartungsverträge für die Motoren unter Geltung dänischen Rechts. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der dänischen Niederlassung (General Terms and Conditions, im Folgenden: GTC) enthielten in Ziffer 14.5 eine Schiedsklausel, nach der über alle Streitigkeiten "out of or in connection with the present Contract" ein Schiedsgericht am Schiedsort Kopenhagen gemäß der Schiedsordnung der ICC entscheiden sollte.

5Im Juni 2017 und Februar 2018 kam es an zwei der von der Antragstellerin hergestellten und von ihr in Dänemark gewarteten Motoren zum Bruch der Pleuelstange und dadurch zu Sachschäden an dem Schiff E.       , die von der Antragsgegnerin, einem Versicherer mit Sitz in Norwegen, zugunsten von M.         ausgeglichen wurden. M.        , die A.       Ltd. sowie ein Hypothekengläubiger (P.        AB) traten mit einer Vereinbarung vom Ansprüche gegen die Antragstellerin an die Antragsgegnerin ab.

6Mit Klageschrift vom hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor dem Landgericht Augsburg auf Schadensersatz in Höhe von 8.606.406,34 € in Anspruch genommen. Die Antragstellerin hat in ihrer Klageerwiderung vom die Schiedseinrede erhoben. Das Landgericht hat das Verfahren ausgesetzt.

7Mit Schriftsatz vom hat die Antragstellerin zunächst vor dem Oberlandesgericht München, nach Abgabe vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht und nach Verweisung ( e, juris) zuletzt vor dem Kammergericht beantragt,

festzustellen, dass sämtliche Ansprüche, die die Antragsgegnerin in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Augsburg zum Az. 1 HK O 3017/21 als dortige Klägerin geltend macht, der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sind, da für die streitgegenständlichen Ansprüche wirksame Schiedsklauseln bestehen und insofern schiedsrichterliche Verfahren in dem vor dem Landgericht Augsburg anhängigen Rechtsstreit zulässig sind.

8Das Kammergericht hat dem Antrag unter Zurückweisung im Übrigen teilweise stattgegeben und festgestellt,

dass für Ansprüche, die die Antragsgegnerin aus abgetretenem Recht der Fa. M.         A/S, die diese aus eigenem oder abgetretenem Recht ihrer Rechtsvorgängerin I.    Ltd. vor dem Landgericht Augsburg (1 HK O 3017/21) geltend macht, ein Schiedsverfahren unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zulässig ist.

9Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt und ihren Antrag auf vollumfängliche Zurückweisung des Feststellungsantrags weiterverfolgt. Die Antragstellerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

10B. Das Kammergericht hat den Antrag für zulässig und teilweise begründet erachtet. Es hat dazu im Wesentlichen ausgeführt:

11Einem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO stehe nicht entgegen, dass sie bereits vor dem Landgericht Augsburg die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben habe.

12Der Antrag sei wegen möglicher Ansprüche der M.         auch begründet. Deren Ansprüche aus abgetretenem Recht der I.    unterlägen der Schiedsbindung aus dem Kaufvertrag mit der Antragstellerin in Verbindung mit den Bedingungen der GCS, die nach dem anzuwendenden englischen Recht wirksamer Bestandteil des Kaufvertrags geworden seien. Die Schiedsabrede umfasse die Geltendmachung sämtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag, auch deliktische und Produkthaftungsansprüche.

13Die Antragsgegnerin sei an diese Schiedsklausel als Rechtsnachfolgerin der M.         gebunden, soweit sie Rechte im Zusammenhang mit dem ehemaligen Vertragsverhältnis der I.    mit der Antragstellerin geltend mache. Die Auslegung der Abtretungsvereinbarung vom nach englischem Recht ergebe, dass sämtliche potentiellen Haftungsansprüche der I.    in der Gestalt, wie sie im Kaufvertrag von der Antragstellerin eingeräumt worden seien, von der Abtretung erfasst gewesen seien und der Schiedsbindung unterlägen.

14Die Antragsgegnerin sei als Rechtsnachfolgerin auch an die zwischen der M.         und der Antragstellerin in den GTC vereinbarte Schiedsklausel aus den Service- und Wartungsverträgen gebunden, soweit sie originäre Ansprüche der M.         gegen die Antragstellerin geltend mache. Die Bedingungen der GTC seien nach dänischem Recht wirksam in die Vertragsverhältnisse über Service- und Wartungsleistungen einbezogen worden. Die Schiedsvereinbarung gelte entgegen der Auffassung in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahme eines dänischen Rechtsanwalts auch für mögliche originäre Produkthaftungsansprüche der M.        .

15Der Antrag sei unbegründet, soweit die Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Landgericht Augsburg hilfsweise und höchst hilfsweise originäre Ansprüche der A.       Ltd. und der P.        AB verfolge.

16C. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO statthaft.

17Soweit sie sich mit ihrem auf (vollständige) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Antrag auch gegen die teilweise Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin wendet, ist die Rechtsbeschwerde mangels Beschwer unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2, § 575 ZPO).

18D. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Das Kammergericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO gegeben ist (dazu D I). Bei der Bestimmung des Prüfungsumfangs im Rahmen des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO hat es jedoch entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin übergangen (dazu D II). Überdies hat das Kammergericht bei der Ermittlung dänischen Rechts rechtsfehlerhaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen (dazu D III).

19I. Der Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens ist statthaft und zulässig.

201. Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

21Der Umstand, dass im Streitfall zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Kammergericht bereits das Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Augsburg anhängig war, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Vielmehr ist ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO auch noch nach Rechtshängigkeit der Klage in der Hauptsache zulässig. Dafür fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Oberlandesgericht - hier: das Kammergericht - nach der gesetzgeberischen Wertung das zur Entscheidung über die Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens berufene Gericht ist. Das gilt auch dann, wenn im staatlichen Verfahren bereits die Einrede des Schiedsverfahrens gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben worden ist. Die frühzeitige Befassung des Oberlandesgerichts gewährleistet, dass Fragen der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens vor diesem Gericht nicht erst in einem späteren Verfahren auf Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs behandelt werden, und dient damit der Prozessökonomie. Eine unerwünschte Doppelbefassung staatlicher Gerichte wie auch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen kann - wie im Streitfall - durch Aussetzung des staatlichen Klageverfahrens nach § 148 ZPO vermieden werden (vgl. , WM 2019, 79 [juris Rn. 9] - Skatgericht; Beschluss vom - I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 13]).

222. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt im Streitfall auch nicht deshalb, weil die Antragstellerin den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO erst rund zwei Jahre nach Klageerhebung und Erhebung der Schiedseinrede (§ 1032 Abs. 1 ZPO) vor dem Landgericht Augsburg gestellt hat.

23Dieser Zeitablauf allein reicht für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung nicht aus. Soweit es im konkreten Einzelfall keine weiteren Umstände gibt, die für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen sprechen können, bleibt es auch nach längerem Zeitablauf grundsätzlich dabei, dass die Befassung des Oberlandesgerichts im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO gewährleistet, dass das nach der gesetzgeberischen Wertung zur Entscheidung über die Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens berufene Gericht entscheidet (vgl. BGH, WM 2019, 79 [juris Rn. 9] - Skatgericht). Die Rechtsbeschwerde beruft sich ausschließlich auf die späte Antragstellung. Sie macht insbesondere nicht geltend, das Kammergericht habe Vortrag der Antragsgegnerin zu weiteren, ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Antragstellerin nahelegenden Umständen übergangen.

24II. Bei der Bestimmung des Prüfungsumfangs für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO hat das Kammergericht entscheidungserheblichen Vortrag der Antragsgegnerin nicht hinreichend berücksichtigt.

251. Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt. Eine danach zulässige, gezielte Zulässigkeitsprüfung auch im Hinblick auf den Streitgegenstand folgt aus dem einheitlichen Prüfungsumfang von § 1032 Abs. 2 und § 1032 Abs. 1 ZPO und entspricht der Prozessökonomie, weil sie der frühzeitigen Klärung der Zuständigkeitsfrage dient (BGH, [juris Rn. 11] mwN). Gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann danach - wie im Streitfall - auch die Feststellung beantragt werden, dass ein bestimmter Rechtsstreit von der Schiedsvereinbarung (nicht) erfasst wird (vgl. BeckOK.ZPO/Wolf/Eslami, 58. Edition [Stand ], § 1032 Rn. 27; MünchKomm.ZPO/Münch, 6. Aufl., § 1032 Rn. 35). Im Rahmen dieser Feststellung wird nicht abstrakt über die Reichweite der Schiedsvereinbarung, sondern darüber entschieden, ob der konkrete Streitgegenstand - nicht die materiell-rechtlichen Ansprüche (vgl. Münch, LMK 2019, 424142 [unter 2 a]) - des (beabsichtigten) Rechtsstreits vor dem Schiedsgericht beziehungsweise dem staatlichen Gericht von der Schiedsvereinbarung erfasst wird.

262. Von diesen Maßstäben ist das Kammergericht ausgegangen, auch wenn es ausgeführt hat, es habe lediglich abstrakt über die Reichweite der Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Seiner Prüfung hat es zutreffend den vor dem Landgericht Augsburg streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch zugrunde legen wollen. Bei der Bestimmung des Streitgegenstands dieses Verfahrens, um dessen Schiedsbindung es bei dem Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO geht, hat es jedoch Vortrag der Antragsgegnerin übergangen.

27a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands. Der Kläger muss die gebotene Bestimmung des Streitgegenstands vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremdem Recht handelt es sich auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass zur Vermeidung einer unzulässigen alternativen Klagehäufung eindeutig zum Ausdruck gebracht werden muss, ob und in welcher Prüfungsreihenfolge eigene oder fremde Ansprüche geltend gemacht werden (vgl. , NJW 2025, 2465 [juris Rn. 12 f.]).

28b) Das Kammergericht hat angenommen, die Antragsgegnerin mache als Rechtsnachfolgerin nicht nur eigene Rechte der M.         aus den mit der Antragstellerin geschlossenen Service- und Wartungsverträgen für die Motoren, sondern auch Rechte der M.         aus abgetretenem Recht im Zusammenhang mit dem zwischen der I.    und der Antragstellerin geschlossenen Kaufvertrag über die Motoren geltend. Bei dieser Würdigung hat das Kammergericht mit Blick auf die erforderliche Differenzierung zwischen Ansprüchen aus eigenem und solchen aus fremdem Recht Vortrag der Antragsgegnerin nicht hinreichend in Erwägung gezogen.

29aa) Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Klage vor dem Landgericht Augsburg auf Ansprüche aus übergegangenem Recht der M.         berufen und in ihrer Replik vom darauf hingewiesen, dass die M.         ursprüngliche Anspruchsinhaberin gewesen sei. Ansprüche der M.         aus abgetretenem Recht der I.    werden dagegen - soweit aus den im Verfahren vor dem Kammergericht als Anlage vorgelegten Schriftsätzen ersichtlich - ebenso wenig thematisiert wie eine mögliche Prüfungsreihenfolge, die allein für die hilfsweise und höchst hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus abgetretenem Recht der A.       Ltd. und der P.        AB aufgestellt wird.

30In Übereinstimmung damit hat die Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Kammergericht wiederholt darauf hingewiesen, dass sie vor dem Landgericht Augsburg als Rechtsnachfolgerin allein originäre Ansprüche der M.         aus deliktischer und gesetzlicher Produkthaftung, nicht aber im Wege der Abtretung von der I.    auf die M.         übertragene vertragliche Gewährleistungsansprüche gegen die Antragstellerin geltend mache (vgl. zum Beispiel Schriftsatz vom Rn. 41; Schriftsatz vom Rn. 31 f., 34, 58 und 64; Schriftsatz vom , S. 3 bis 5 und 9 f.).

31bb) Diesen Vortrag hat das Kammergericht nicht hinreichend berücksichtigt. Es hat zwar ausgeführt, auch wenn die Antragsgegnerin im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO verdeutlicht habe, sie verfolge keine von der I.    abgeleiteten Ansprüche, müsse sie sich an ihren Ausführungen im Klageverfahren vor dem Landgericht Augsburg festhalten lassen, in denen der Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag ausdrücklich zur Grundlage des Vorbringens gemacht werde. Da es sich bei Ansprüchen aus eigenem und Ansprüchen aus fremdem Recht um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, hätte das Kammergericht unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsgegnerin weitere Feststellungen zum Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Augsburg treffen müssen. Nur dieser konkrete Streitgegenstand ist im Streitfall nach § 1032 Abs. 2 ZPO auf eine mögliche Schiedsbindung zu untersuchen.

323. Diese Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich. Macht die Antragsgegnerin vor dem Landgericht Augsburg allein auf sie übergegangene Ansprüche der M.         aus eigenem Recht geltend, unterliegen auf die Antragsgegnerin übergegangene mögliche Ansprüche der M.         aus abgetretenem Recht der I.    nicht der Prüfung auf eine Schiedsbindung im Rahmen des streitgegenständlichen Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO.

33III. Soweit das Kammergericht angenommen hat, die Schiedsklausel in den in die Service- und Wartungsverträge einbezogenen GTC der dänischen Niederlassung der Antragstellerin umfasse auch Produkthaftungsansprüche, hat es unter Verstoß gegen § 293 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum dänischen Recht abgesehen.

341. Im Rahmen von § 293 ZPO kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden, das Tatgericht habe das ausländische Recht unter Verletzung der Maßstäbe des § 293 ZPO unzureichend oder fehlerhaft ermittelt. Die Vorschrift gilt auch im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO (vgl. , SchiedsVZ 2020, 196 [juris Rn. 44] mit Verweis auf OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2007, 217 [juris Rn. 12]). Zu ermitteln und anzuwenden ist dabei nicht nur das ausländische Gesetzesrecht, sondern das Recht, wie es die Gerichte des betreffenden Lands auslegen und anwenden. In welcher Weise das Tatgericht sich die notwendigen Erkenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Die Anforderungen sind umso größer, je detaillierter und kontroverser die Parteien eine ausländische Rechtspraxis vortragen. Vom Rechtsbeschwerdegericht überprüft werden darf lediglich, ob das Tatgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (vgl. , BGHZ 118, 151 [juris Rn. 25 bis 29]; Urteil vom - XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 [juris Rn. 17]; Beschluss vom - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 [juris Rn. 39], jeweils mwN; vgl. auch , NJW-RR 2025, 675 [juris Rn. 51] - Fernbus in Belgien).

352. Das Kammergericht hat angenommen, die Reichweite der Schiedsbindung sei nach dänischem Recht zu beurteilen. Nach dem Wortlaut sowie ihrer Bezugnahme auf die Regelungen der ICC-Schiedsordnung sei die Schiedsabrede in den GTC weit auszulegen. Sie erfasse alle Ansprüche der M.         gegen die Antragstellerin, auch deliktische und sonstige außervertragliche Ansprüche ebenso wie Produkthaftungsansprüche. Das dänische Recht gehe nach dem Wortlaut in Section 7 des Arbitration Acts ebenfalls davon aus, dass Schiedsvereinbarungen für außervertragliche Ansprüche gelten könnten. Der dänische Oberste Gerichtshof habe in einer Entscheidung vom ausdrücklich die weite Auslegung einer Schiedsklausel befürwortet und diese auf deliktische Ansprüche für anwendbar erachtet. Soweit die von der Antragsgegnerin vorgelegte Stellungnahme eines dänischen Rechtsanwalts zu einem anderen Ergebnis komme, könne dem nicht gefolgt werden.

363. Bei dieser Beurteilung hat das Kammergericht, worauf die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend hinweist, ermessensfehlerhaft die sich anbietenden Erkenntnisquellen zur Ermittlung ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO nicht ausgeschöpft. Soweit es der Auffassung des dänischen Rechtsanwalts zur Auslegung der Schiedsklausel widersprochen hat, fehlt es an Darlegungen zur eigenen Sachkenntnis betreffend diese Frage des dänischen Rechts (vgl. Thole in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 293 Rn. 32). Der Hinweis des Kammergerichts, die Würdigung in der Stellungnahme des dänischen Rechtsanwalts beachte die internationale Bedeutung der ICC-Schiedsklausel nicht hinreichend und nehme die vorgetragenen Tatsachen aus der andauernden Vertragsbeziehung der Antragstellerin zur M.         nicht ausreichend in den Blick, gibt keinen Aufschluss darüber, dass und weshalb diese Gesichtspunkte im dänischen Recht für die Auslegung einer Schiedsklausel maßgeblich sind. Gerade unter Berücksichtigung des detaillierten und kontroversen Vortrags der Parteien zur ausländischen Rechtspraxis hätte das Kammergericht zur Reichweite der Schiedsklausel nach dänischem Recht ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

37IV. Von einer weitergehenden Begründung der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde wird abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 Satz 1 ZPO). Der Senat hat die weiteren von der Antragsgegnerin erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Im Übrigen wäre eine Begründung nicht geeignet, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

38E. Danach ist der angefochtene Beschluss unter Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt worden ist, und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Kammergericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zu Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

39Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

40I. Das Kammergericht wird im wiedereröffneten Verfahren weitere Feststellungen zum Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Augsburg treffen müssen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die Antragsgegnerin dort auch auf sie übergegangene Ansprüche der M.         aus abgetretenem Recht der I.    geltend macht, muss die Schiedsbindung dieses Streitgegenstands erneut geprüft werden. Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass das Kammergericht bei der Ermittlung des maßgeblichen englischen Rechts zur Frage der wirksamen Einbeziehung der in den GCS enthaltenen Schiedsklausel in den Kaufvertrag zwischen der Antragstellerin und der I.    den Vortrag der Antragsgegnerin bislang nicht hinreichend berücksichtigt hat.

411. Das Kammergericht hat angenommen, nach Section 6 Absatz 2 des englischen Arbitration Act könne eine Schiedsvereinbarung durch Bezugnahme auf ein anderes Dokument - wie hier in Ziffer 3.1 des Kaufvertrags mit Verweis auf die GCS - wirksam vereinbart werden. Es komme auch nach englischem Recht jedenfalls im Verkehr zwischen Unternehmen nicht darauf an, ob die Schiedsklausel von der I.    positiv wahrgenommen worden sei; bereits die Möglichkeit der Kenntnisnahme genüge. Zudem hätten beide Kaufvertragsparteien im 3. Nachtrag zum Kaufvertrag noch einmal ausdrücklich auf die GCS der Antragstellerin Bezug genommen. Schließlich ergebe sich die wirksame Einbeziehung der Schiedsklausel aus dem zugunsten der Antragstellerin anwendbaren Meistbegünstigungsgrundsatz.

422. Bei dieser Würdigung hat das Kammergericht den Vortrag der Antragsgegnerin übergangen, wonach die englische Rechtsprechung für die wirksame Einbeziehung einer Schiedsklausel fordere, dass diese ausdrücklich in der Einbeziehungsklausel des Vertrags genannt und die Schiedsklausel andernfalls von der Bezugnahme auf das einzubeziehende Regelwerk nicht erfasst werde (vgl. Schriftsatz vom Rn. 20 bis 25; Schriftsatz vom Rn. 9 f.).

433. Dieser Vortrag der Antragsgegnerin ist entscheidungserheblich.

44a) Die Bezugnahme im Kaufvertrag erschöpft sich in einem pauschalen Verweis auf die GCS; die darin enthaltene Schiedsklausel wird nicht ausdrücklich erwähnt.

45b) Der Hinweis auf den 3. Nachtrag zum Kaufvertrag geht ins Leere, weil dort entgegen der Annahme des Kammergerichts die GCS der Antragstellerin überhaupt nicht erwähnt werden.

46c) Mit der vom Kammergericht gegebenen Begründung kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine wirksame Einbeziehung der Schiedsklausel jedenfalls aus dem zugunsten der Antragstellerin im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO anwendbaren Meistbegünstigungsgrundsatz gemäß Art. VII Abs. 1 des Übereinkommens vom über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (im Folgenden: UNÜ) ergibt.

47aa) Das Kammergericht hat angenommen, nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz, der auch im Verfahren gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO zu beachten sei, werde eine Schiedsklausel im Inland bereits dann als formwirksam behandelt, wenn sie den Anforderungen des § 1031 ZPO genüge. Es genüge daher gemäß § 1031 Abs. 3 ZPO für die Wirksamkeit der Schiedsklausel, wenn die in einem anderen Dokument enthaltene Schiedsklausel zum Bestandteil des Vertrags werde. Diese Beurteilung wird von den Feststellungen des Kammergerichts nicht getragen.

48bb) Das Kammergericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz auch im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist (zu § 1032 Abs. 1 ZPO vgl. , SchiedsVZ 2021, 97 [juris Rn. 25]; zum einheitlichen Prüfungsumfang von § 1032 Abs. 2 und § 1032 Abs. 1 ZPO vgl. BGH, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 11]). Die Rechtsbeschwerde weist aber mit Recht darauf hin, dass das Kammergericht es bei einem bloßen Verweis auf § 1031 Abs. 3 ZPO belassen hat, ohne die Voraussetzungen dieser Vorschrift zu prüfen.

49cc) Unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung zur Anwendung des CISG auf Schiedsvereinbarungen kann nicht ohne weitere Feststellungen davon ausgegangen werden, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz im Streitfall zu einer wirksamen Einbeziehung der Schiedsklausel führt (vgl. BGH, SchiedsVZ 2021, 97 [juris Rn. 30 bis 51]).

50II. Kommt das Kammergericht im wiedereröffneten Verfahren abermals zu dem Ergebnis, die Schiedsklausel sei wirksam in den Kaufvertrag zwischen der Antragstellerin und der I.    einbezogen worden, wird es auch seine Annahme, die Antragsgegnerin sei an diese Schiedsabrede gebunden, einer erneuten Prüfung zu unterziehen haben. Insoweit macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass Vortrag und Beweisangebote der Antragsgegnerin bislang unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen worden sind.

511. Das Kammergericht hat angenommen, die Antragsgegnerin sei als Rechtsnachfolgerin der M.         an die Schiedsklausel aus dem Kaufvertrag gebunden. Die nach englischem Recht vorzunehmende Auslegung der Abtretungsvereinbarung vom ergebe, dass sämtliche potentiellen Haftungsansprüche der I.   , wie sie im Kaufvertrag eingeräumt seien, von der Abtretung erfasst seien und der Schiedsbindung unterlägen. Für M.         sowie nachfolgend die Antragsgegnerin seien daher die Vereinbarungen der Kaufvertragsparteien maßgeblich, insbesondere die Ziffern 12.6 und 15.2 der GCS. Danach unterlägen Ansprüche aus Delikt- und Produkthaftung einer Haftungsbeschränkung. Hätte die I.    sich gegenüber der Antragstellerin auf einen unzulässigen Haftungsausschluss berufen und außervertragliche Ansprüche verfolgt, wären ihre Ansprüche jedenfalls vor einem Schiedsgericht in London auszutragen gewesen. Die materiell-rechtlichen Haftungsvoraussetzungen seien insofern von der verfahrensrechtlichen Frage der Reichweite der Schiedsbindung zu trennen. Die Schiedsbindung gelte auch für nach den vertraglichen Regelungen gegebenenfalls ausgeschlossene Ansprüche.

52Ziffer 3.8 des Kaufvertrags habe die "Warranty" nur unter der Einschränkung in Ziffer 12.6 der GCS geregelt, so dass die Erklärung zur Übertragung der "Warranty" unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts der Antragstellerin nur als die allgemeine Abtretung von Haftungsansprüchen habe verstanden werden können, die insgesamt der Schiedsbindung unterlägen. Die M.         sei angesichts des Wortlauts der Abtretung an die im Zusammenhang mit der "Warranty" übertragenen Rechte gebunden. Der Begriff "Warranty" sei nicht lediglich als Garantie zu verstehen, sondern erfasse sämtliche Gewährleistungsansprüche aus einem Vertrag und damit die insoweit geregelten Haftungsbedingungen. Soweit das von der Antragsgegnerin vorgelegte Privatgutachten zum englischen Recht der Abtretung nur eine eingeschränkte Wirkung beimesse, komme es darauf im Ergebnis nicht an.

532. Bei dieser Beurteilung hat das Kammergericht den unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellten Vortrag der Antragsgegnerin übergangen, nach englischem Recht seien allein die vertraglichen Garantieansprüche übertragen worden. Auch mit dem Privatgutachten des King's Counsel hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, der Wortlaut der Abtretung sei nach englischem Recht nicht geeignet, eine Abtretung von deliktischen Rechten der I.    gegenüber der Antragstellerin zu erfassen.

543. Diese Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen ist, dass ein Sachverständigengutachten zur Auslegung der Abtretung der "Warranty" nach englischem Recht zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Abtretungsvereinbarung nicht auf sämtliche im Vertrag geregelten Haftungsansprüche bezieht.

55III. Im Rahmen der Kostenentscheidung wird das Kammergericht die Regelung des § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen haben, die im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO entsprechend anwendbar ist (vgl.  Ib ARZ 243/63, NJW 1964, 247; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rn. 2; Thole in Stein/Jonas aaO § 281 Rn. 3).

Koch                         Schwonke                         Feddersen

               Schmaltz                             Wille

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:061125BIZB33.25.0

Fundstelle(n):
DAAAK-05170