Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs ab
Leitsatz
1. NV: Berufsausübungsgesellschaften nach § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 des Steuerberatungsgesetzes, die in das Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, sind gemäß § 52d Satz 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verpflichtet, seit dem das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen.
2. NV: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO setzt auch bei einer Klagefristversäumnis infolge unterbliebener Klageerhebung mittels beSt voraus, dass die regelgerechte Klageerhebung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird.
Gesetze: FGO § 52d S 1, FGO § 52d S 2, FGO § 56, StBerG § 3 S 1 Nr 2, StBerG § 49
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer nach dem per Post erhobenen Klage.
2 Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), eine Steuerberatungs-GmbH (nachfolgend: Z-GmbH), erhob mit beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg per Post am eingegangenem Schreiben vom Klage gegen die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) am zur Post gegebene Einspruchsentscheidung. Die Klageschrift enthielt folgenden Zusatz: „Da der Klägervertreter noch nicht über ein [besonderes] elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) verfügt, wird die Klage ausnahmsweise in Papierform eingereicht.“
3 Das FG hat mit Schreiben vom folgenden Hinweis erteilt: „Auf die seit gem. § 52d Satz 1 FGO bestehende Pflicht, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen an das Finanzgericht als elektronisches Dokument zu übermitteln, wird hingewiesen. Hierzu wird ergänzend um kurzfristige Mitteilung und Nachweis der Beantragung der Teilnahme am sog. 'Fast Lane'-Verfahren gebeten.“ Darauf teilte Z-GmbH mit Schreiben vom mit, dass das Registrierungsschreiben „heute eingegangen“ sei. Die Registrierung erfolge „schnellstmöglich“. Am teilte ein Mitarbeiter der Z-GmbH telefonisch mit, er habe sich vor Klageeinreichung bei „der Geschäftsstelle des Finanzgerichts telefonisch erkundigt“, ob eine Klageeinreichung in Papierform möglich sei, da „er die Registrierungsunterlagen für das beSt noch nicht erhalten“ habe. Ihm sei die Auskunft erteilt worden, „dass dies möglich wäre, er solle in der Klageschrift auf diesen Umstand hinweisen“. Dies sei in der Klageschrift vom erfolgt. Vorsorglich beantragte der Kläger mit Schreiben vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Schreiben vom hat der Berichterstatter den Kläger nochmals im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des (BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763) sowie im Hinblick darauf, dass entgegen der gerichtlichen Aufforderungen keine Ausführungen zur Teilnahme am „Fast-Lane"-Verfahren erfolgt seien, zur Stellungnahme bis aufgefordert. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
4 Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 1695 veröffentlichtem Gerichtsbescheid als unzulässig ab. Die Klage sei nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemäß § 52d i.V.m. § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben worden. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht gegeben.
5 Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der seine Klage für zulässig hält. Seine damalige Bevollmächtigte habe ohne gesetzliche Grundlage keine Obliegenheit getroffen, einen Antrag im „Fast-Lane"-Verfahren zu stellen. Vielmehr sei auf den Zeitpunkt der Versendung „des letzten Registrierungsbriefe[s]“ im Rahmen des erstmaligen „System-Roll-outs“ zuzüglich einer angemessenen Frist zur unverzüglichen technischen Einrichtung des beSt abzustellen. Erst mit Abschluss des erstmaligen „System-Roll-outs“ habe der sichere Übertragungsweg zur Verfügung gestanden.
6 Der Kläger beantragt sinngemäß,
den aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverweisen.
7 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II.
8 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
9 1. Der Kläger hat die Klage innerhalb der Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht in der seit dem vorgeschriebenen Form erhoben.
10 a) Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage beim Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Davon abweichend sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
11 Steuerberatern steht seit dem mit dem aufgrund § 86d des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) errichteten beSt ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne von § 52d Satz 2 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung. Das gilt auch für Berufsausübungsgesellschaften nach § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 StBerG, die —wie Z-GmbH— in das Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind. Dementsprechend hat der BFH bereits mehrfach entschieden, dass für Steuerberater seit diesem Zeitpunkt die grundsätzliche Pflicht besteht, vorbereitende Schriftsätze, zu denen auch die Klageschrift gehört (statt vieler Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 5, m.w.N.), als elektronisches Dokument über das beSt an das Gericht zu übermitteln (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom - XI B 101/22, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rz 13 ff.; vom - VI B 74/22, Rz 8 ff.; vom - IV B 77/22, Rz 4 ff.; vom - IV B 46/23, Rz 5). Diese Pflicht hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom - 1 BvR 1718/24 nicht in Frage gestellt.
12 Eine Nichtbeachtung der Formvorgabe in § 52d Satz 1 und 2 FGO führt grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Klageerhebung (vgl. u.a. , Rz 6, m.w.N.).
13 b) Diesen Vorgaben entsprach die durch Z-GmbH für den Kläger am per Post übermittelte Klageschrift nicht. Eine wirksame Ersatzeinreichung in Papierform nach § 52d Satz 3 FGO lag nicht vor. Die Vorschrift ist —abweichend zum Streitfall— nur bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt anwendbar (vgl. BFH-Beschlüsse vom - VIII R 16/23, Rz 28, und vom - VI B 74/22, Rz 24, m.w.N.).
14 2. Das FG hat dem Kläger zutreffend keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
15 a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Dabei sind alle für die Handlung erforderlichen Formalien einzuhalten.
16 b) Ungeachtet der Frage, ob der Kläger die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO eingehalten hat, liegen die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat. Die Klageschrift ist nicht in der gebotenen Form eingegangen.
17 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.071025.IXR19.23.0
Fundstelle(n):
EAAAK-04419