Leitsatz
1a. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung setzt nicht die Wirksamkeit des Beschlusses voraus (Klarstellung von , ZInsO 2011, 1598 Rn. 6).
1b. Für das Verfahren der Beschlussaufhebung gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.
2a. Die Kontrolle eines nach Insolvenzeröffnung getroffenen Beschlusses über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unterliegt den Bestimmungen der Insolvenzordnung (Bestätigung von , ZInsO 2018, 22 Rn. 12); dasselbe gilt für im Beschlusswege getroffene Regelungen über die Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters, die im Zuge seiner Bestellung getroffen werden.
2b. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten setzt die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss nicht voraus, dass die Anleihebedingungen eine Bestellung vorsehen.
2c. Zum gemeinsamen Vertreter kann auch eine ausländische juristische Person bestellt werden, wenn diese sachkundig ist.
2d. Beschlüsse über die Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters sind auch nach Insolvenzeröffnung als Annexentscheidungen zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters von den Befugnissen der Gläubigerversammlung gedeckt.
2e. Die angemessene Vergütung des gemeinsamen Vertreters ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu bestimmen; in Betracht kommt eine Zeitvergütung, eine Bestimmung anhand der Regelungen des RVG scheidet aus.
2f. Ein Beschluss der Gläubigerversammlung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters widerspricht dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger, wenn der gemeinsame Vertreter keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Amt im Interesse der Anleihegläubiger ausübt.
Gesetze: § 5 Abs 1 InsO, § 78 Abs 1 InsO, § 19 Abs 2 S 1 SchVG 2009
Instanzenzug: LG München I Az: 14 T 660/24 Beschlussvorgehend Az: 1509 IN 2357/23
Gründe
A.
1Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Beteiligter zu 1) ist Gläubiger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Er begehrt die Aufhebung eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffenen Beschlusses über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger sowie über dessen Vergütung und (beschränkte) Haftung.
2Die Schuldnerin war im Immobiliengeschäft tätig. Ihre Geschäftstätigkeit finanzierte sie über Inhaberschuldverschreibungen. Unter anderem begab sie am die "E. IV Anleihe 2020/2025" mit einem Emissionsvolumen von bis zu 75.000.000 €, einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Zinskupon von 5,5 % pro Jahr. Der Beteiligte zu 1 hält Teilschuldverschreibungen im Nennwert von 252.000 €.
3Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom gleichen Tage berief das Insolvenzgericht eine Versammlung der Anleihegläubiger ein. Die Tagesordnung sah eine Beschlussfassung "über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung" vor. Einzige Bewerberin für das Amt des gemeinsamen Vertreters war die weitere Beteiligte zu 3 (fortan: Beteiligte zu 3), eine Gesellschaft mit nach Schweizer Recht beschränkter Haftung und Sitz in Genf.
4In der Versammlung der Anleihegläubiger am waren Inhaber von Teilschuldverschreibungen im Nennwert von gut 26.000.000 € erschienen oder vertreten, darunter der Beteiligte zu 1. In der Versammlung bewarb sich auch ein Anleihegläubiger als gemeinsamer Vertreter. Mit einer Mehrheit von 82,15 % der abgegebenen Stimmen (absolut 19.090.000 €) beschloss die Versammlung zunächst, dass ein gemeinsamer Vertreter bestellt werden solle. Sodann wurde eine Bestellung des Anleihegläubigers zum gemeinsamen Vertreter mit einer Mehrheit von 76,83 % der abgegebenen Stimmen (absolut 19.100.000 €) abgelehnt. Schließlich bestellte die Versammlung mit einer Mehrheit von 75,51 % der abgegebenen Stimmen (absolut 19.100.000 €) die Beteiligte zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin. Zudem wurde die Vergütung der Beteiligten zu 3 in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt und ihre Haftung inhaltlich und der Höhe nach begrenzt. Noch in der Versammlung der Anleihegläubiger beantragte der Beteiligte zu 1 die Aufhebung des getroffenen Beschlusses.
5Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1 abgelehnt. Dessen sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Beteiligte zu 1 weiterhin die Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger sowie über deren Vergütung und (beschränkte) Haftung.
B.
6Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.
I.
7Das Beschwerdegericht hat gemeint, die zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 sei unbegründet.
8Die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 Abs. 1 InsO komme nur in Betracht, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche. Die Frage, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspreche, obliege der Beurteilung durch das Insolvenzgericht. Ein Beschluss, der für alle Gläubigergruppen ähnliche Chancen und Risiken enthalte, solle nicht mit Erfolg angegriffen werden können. Ein Widerspruch zum gemeinsamen Gläubigerinteresse liege aber immer dann vor, wenn der Beschluss einseitig dem Sonderinteresse eines Gläubigers oder einer Gläubigergruppe auf Kosten des Gesamtinteresses aller Gläubiger Rechnung trage.
9Voraussetzung für einen Antrag nach § 78 InsO sei ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung. Einen solchen habe das Insolvenzgericht zutreffend bejaht. Insbesondere könne ein gemeinsamer Vertreter in der Insolvenz des Schuldners gemäß § 19 Abs. 2 SchVG auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen bestellt werden. Auch führe die fehlende Vorabveröffentlichung des konkreten Beschlussvorschlags im Rahmen des Einberufungsbeschlusses nicht zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlussfassung. Die bekanntgemachte Tagesordnung habe den Gläubigern die Wahrnehmung ihrer Rechte und die Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung in hinreichendem Maße ermöglicht. Schließlich sei der in Rede stehende Tagesordnungspunkt auch nicht zu weitgehend. Eine Erweiterung um Fragen der Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters sei in höchstem Maße sinnvoll und prozessökonomisch.
10Der Beschwerde könne nicht darin gefolgt werden, die Beteiligte zu 3 sei für die Amtsführung schon deshalb ungeeignet, weil es sich bei dieser nicht um eine inländische juristische Person handele und das verwendete Verfahren der Quotenverteilung für die Anleihegläubiger nachteilig sei. Gleiches gelte für den Einwand, die Sachkunde der Beteiligten zu 3 sei nicht nachgewiesen worden. Zu den seitens der Beschwerde benannten angeblichen Beispielsfällen einer "ungeeigneten" Amtsführung der Beteiligten zu 3 in der Vergangenheit habe sich das Amtsgericht zutreffend positioniert. Dem sei nichts hinzuzufügen.
11Schließlich seien die getroffene Vergütungsregelung und die Haftungsbegrenzung auch inhaltlich zutreffend. Der Gesetzgeber schreibe in § 7 Abs. 6 SchVG lediglich vor, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters angemessen zu sein habe und überlasse es den Parteien, die Höhe des Anspruchs innerhalb dieser Grenzen zu konkretisieren. Dies könne nach dem Vorbild der Regelungen des RVG erfolgen. Dass die Gläubiger die Haftung des gemeinsamen Vertreters beschränken könnten, folge unmittelbar aus § 7 Abs. 3 SchVG. Ausweislich der Gesetzesmaterialien solle dies auch die Möglichkeit eines gänzlichen Haftungsausschlusses beinhalten.
II.
12Das hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
131. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 ist statthaft (§ 6 Abs. 1, § 78 Abs. 2 Satz 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 4 InsO, § 575 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Der Beteiligte zu 1 begehrt die Aufhebung eines Beschlusses der Anleihegläubiger, nachdem er dies in der Versammlung der Anleihegläubiger beantragt hat. Die gegen die Ablehnung dieses Antrags gerichtete sofortige Beschwerde ist statthaft, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschluss wirksam ist.
142. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
15a) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass sich die Kontrolle eines - wie hier - nach Insolvenzeröffnung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom (BGBl. I S. 2512; nachfolgend Schuldverschreibungsgesetz oder SchVG) getroffenen Beschlusses über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 78 InsO richtet (vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 12).
16Dasselbe gilt für im Beschlusswege getroffene Regelungen über die Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters, die im Zuge seiner Bestellung in der gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einberufenen Gläubigerversammlung getroffen werden. Ist über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so unterliegen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG Beschlüsse der Gläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung, soweit in den folgenden Absätzen des § 19 SchVG nichts anderes bestimmt ist. Dort finden sich keine abweichenden Bestimmungen für Beschlüsse über die Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters. Insbesondere fehlt es an einem Verweis auf § 20 SchVG. Deshalb gehen die Regelungen der Insolvenzordnung denen des Schuldverschreibungsgesetzes auch insoweit vor (vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 12). Die Anwendung des § 78 InsO stellt sicher, dass einem Rechtsbehelf gegen den Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht die aufschiebende Wirkung des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG zukommt ( aaO Rn. 13). Für die im Zuge der Bestellung des gemeinsamen Vertreters getroffenen Beschlüsse über dessen Vergütung und Haftung gilt nichts anderes.
17b) Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin sowie über deren Vergütung und (beschränkte) Haftung ist unabhängig davon zulässig, ob der Beschluss wirksam ist. Dem steht nicht entgegen, dass der , ZInsO 2011, 1598 Rn. 6) ausgesprochen hat, die Beschlussaufhebung nach § 78 InsO setze die Wirksamkeit des Beschlusses voraus. Die angesprochene Entscheidung betrifft die Frage, ob ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zulässig ist. Nicht entschieden ist damit, dass die Wirksamkeit des Beschlusses Sachentscheidungsvoraussetzung für die Aufhebung eines Beschlusses wegen eines Widerspruchs gegen das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger ist. Soweit der Beschluss vom (aaO) anders zu verstehen sein könnte, hält der Senat hieran nicht fest.
18Das Insolvenzgericht ist demnach nicht gehalten, die Wirksamkeit des Beschlusses zu prüfen, bevor es ihn wegen eines Widerspruchs gegen das gemeinsame Interesse aufhebt. Es ist zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, einen Beschluss trotz seiner Unwirksamkeit (dann mit deklaratorischer Wirkung) aufzuheben. Schutzwürdige Interessen stehen dem nicht entgegen. Stattdessen kommt es zu einer Entlastung der Gerichte. Ist über einen Antrag auf Beschlussaufhebung nach § 78 InsO zu befinden, können die Gerichte sich mit der Wirksamkeit des Beschlusses befassen, müssen dies aber nicht. Dies kann ausnahmsweise dann anders sein, wenn der Widerspruch zum gemeinsamen Interesse aus der Unwirksamkeit des Beschlusses folgt. Zwar sind nichtige Beschlüsse ipso iure unwirksam (vgl. , ZInsO 2011, 1598 Rn. 6) und können deshalb für sich genommen nicht dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widersprechen. Dies gilt aber nicht für die bei Ungewissheit oder Streit über die Wirksamkeit des Beschlusses vorliegende Rechtsunsicherheit. Sie kann dem gemeinsamen Interesse widersprechen, wenn der Beschluss die Rechte der betroffenen Gläubiger im Falle seiner Wirksamkeit in erheblichem Maße beeinflussen würde. In diesem Fall kann das gemeinsame Interesse der Gläubiger darauf gerichtet sein, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen.
19c) Das Gesetz schränkt den Prüfungsumfang des Gerichts bei einer Beschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 3 InsO gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung darauf, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht.
20aa) Für die Begründetheit eines Antrags nach § 78 Abs. 1 InsO kommt es grundsätzlich nicht entscheidend darauf an, ob der Beschluss der Gläubigerversammlung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist (vgl. , NZI 2010, 648 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Ahrens, 5. Aufl., § 78 Rn. 13). Maßgebend ist allein, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. Dies richtet sich im Grundsatz nach dem Inhalt des Beschlusses, nicht nach dessen Zustandekommen. Anders ist dies, wenn der Verfahrensverstoß zur Unwirksamkeit des Beschlusses führt und diese eine Rechtsunsicherheit nach sich zieht, die ihrerseits dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widerspricht (vgl. dazu oben Rn. 18).
21bb) Auch ein Verstoß des Beschlusses gegen materiell-rechtliche Vorgaben begründet nicht ohne weiteres einen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger. Der Verstoß kann einen Widerspruch begründen, muss dies aber nicht. Der Beschlusskontrolle nach § 78 Abs. 1 InsO liegt ein im Vergleich zum Beschlussmängelrecht außerhalb des Insolvenzverfahrens abweichendes Konzept zugrunde. Maßgeblich ist, ob ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse vorliegt.
22cc) Das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger ist im Regelfall auf die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gerichtet. Zur Feststellung dieses Widerspruchs ist die zur Verteilung stehende Insolvenzmasse, wie sie sich unter Berücksichtigung des angefochtenen Beschlusses der Gläubigerversammlung entwickeln wird, der Insolvenzmasse gegenüberzustellen, wie sie sich ohne den angefochtenen Beschluss darstellen wird (vgl. , ZIP 2017, 1377 Rn. 10). Dabei sind strenge Voraussetzungen an eine Aufhebung zu stellen. Die Befugnisse der Gläubigerversammlung zur Gestaltung des Verfahrensablaufs sind aus dem Grundsatz der Gläubigerautonomie abgeleitet. Diese würden ausgehöhlt werden, wenn dem Gericht zu weitgehende Eingriffsrechte gewährt würden. Daraus folgt, dass das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger an der bestmöglichen Befriedigung durch den Beschluss der Gläubigerversammlung deutlich und erheblich verletzt sein muss ( aaO Rn. 12).
23Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ist nicht der Informations- und Kenntnisstand der Gläubiger im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, sondern allein die objektive Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gläubigerversammlung. Nachträgliche Änderungen der Beurteilungsgrundlage bleiben unberücksichtigt (, ZIP 2017, 1377 Rn. 10).
24dd) Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend, wenn es - wie im Streitfall - um einen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffenen Beschluss der Anleihegläubiger über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sowie über dessen Vergütung und (beschränkte) Haftung geht. Die Beschlusskontrolle nach § 78 InsO muss jedoch berücksichtigen, dass der Beschluss durch die Anleihegläubiger getroffen wird und nicht durch die Insolvenzgläubiger.
25(1) Deshalb beschränkt sich die Antragsberechtigung nach § 78 Abs. 1 InsO auf die Gläubiger der betreffenden Schuldverschreibung. Diesen steht sowohl gegen die Aufhebung des Beschlusses als auch gegen die Ablehnung des Antrags auf Beschlussaufhebung gemäß § 78 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO die sofortige Beschwerde offen (, ZInsO 2018, 22 Rn. 13).
26(2) Auch beim Kontrollmaßstab für einen Beschluss der Anleihegläubiger findet § 78 InsO nur entsprechende Anwendung.
27(a) Das für die Begründetheit des Antrags in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 InsO maßgebliche gemeinsame Interesse ist nicht das der Insolvenzgläubiger (vgl. dazu oben Rn. 22). Da Verfahrensgegenstand ein Beschluss der Anleihegläubiger ist, kommt es entscheidend auf deren gemeinsames Interesse an, das sich mit dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger nicht decken muss oder diesem sogar zuwiderlaufen kann. Das gemeinsame Interesse der Anleihegläubiger besteht im Grundsatz in der bestmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung aus der betreffenden Schuldverschreibung. Diesem Interesse ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Grundsatz zuträglich. Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ist zwar mit Kosten verbunden, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulasten der auf den einzelnen Anleihegläubiger entfallenden Quote gehen können (vgl. , ZInsO 2022, 821 Rn. 13 ff). Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters birgt zudem das Risiko einer Schlechtleistung durch diesen, die mit einer Verringerung der Quotenerwartung einhergehen kann und nicht - jedenfalls nicht liquide - durch einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gedeckt sein muss. Kostenlast und Ausfallrisiko vermögen jedoch einen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger grundsätzlich nicht zu begründen. Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten ist zwar keine gesetzliche Pflicht (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG). Der Gesetzgeber bezeichnet die Bestellung jedoch ausdrücklich als in aller Regel wünschenswert (BT-Drucks. 16/12814, S. 25). Auch im Insolvenzverfahren ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters regelmäßig zweckmäßig, um die Teilhaberechte der Anleihegläubiger zu wahren. Ohne ihn könnten die Gläubiger kaum jemals mit einer Stimme sprechen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 18).
28(b) Auch hier gilt das vom Beschlussmängelrecht außerhalb der Insolvenz - insbesondere von § 20 SchVG - abweichende Konzept des § 78 InsO (vgl. dazu oben Rn. 20 f). Das ist Folge des § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG zu entnehmenden Verweises auf die Bestimmungen der Insolvenzordnung. Für die Begründetheit eines Antrags auf Aufhebung eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffenen Beschlusses der Anleihegläubiger kommt es deshalb grundsätzlich nicht entscheidend darauf an, ob der Beschluss verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Maßgebend ist allein, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger widerspricht. Auch ein Verstoß des Beschlusses gegen materiell-rechtliche Vorgaben begründet den erforderlichen Widerspruch nicht ohne weiteres.
29(c) Auch an die Aufhebung eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffenen Beschlusses der Anleihegläubiger sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. dazu oben Rn. 22). Ziel der Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen durch das Schuldverschreibungsgesetz war es, die Gläubigerversammlung in die Lage zu versetzen, auf informierter Grundlage möglichst rasch und ohne unnötigen organisatorischen Aufwand Entscheidungen von unter Umständen großer finanzieller Tragweite treffen zu können (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 14). Der Gesetzgeber hat gemeint, dass es keines übertriebenen Schutzes durch die gesetzliche Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse der Gläubigerversammlung bedürfe und die Gläubiger inhaltlich in ihrer Entscheidung weitgehend frei seien (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 14). Die entsprechend ausgestaltete Entscheidungsbefugnis darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass dem Gericht zu weitgehende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Die Beschlussaufhebung entsprechend § 78 InsO setzt daher eine deutliche und erhebliche Verletzung des gemeinsamen Interesses der Anleihegläubiger voraus. Damit ist zugleich dem vom Gesetzgeber zum Minderheitenschutz vorgesehenen individuellen Rechtsschutz (vgl. BT-Drucks. 16/12814 S. 14) bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreichend Rechnung getragen.
30(d) Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ist auch hier nicht der Informations- und Kenntnisstand der Gläubiger im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, sondern allein die objektive Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gläubigerversammlung. Nachträgliche Änderungen der Beurteilungsgrundlage bleiben unberücksichtigt (vgl. dazu oben Rn. 23).
31d) Nach diesen Maßstäben hätte das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 in einem entscheidenden Punkt nicht mit der gegebenen Begründung zurückweisen dürfen.
32aa) Im Ergebnis mit Recht hat das Beschwerdegericht allerdings entschieden, dass kein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger aus dem Zustandekommen des streitbefangenen Beschlusses folgt. Zwar genügte die Einberufung der Versammlung der Anleihegläubiger durch das Insolvenzgericht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dieser Verfahrensverstoß begründet jedoch keinen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger. Er führt insbesondere nicht zur Unwirksamkeit des gleichwohl gefassten Beschlusses. Der Verfahrensverstoß kann deshalb keine Rechtsunsicherheit begründet haben, die einen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse annehmen lassen könnte (vgl. dazu oben Rn. 18).
33(1) Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG hat die Einberufung der Versammlung der Anleihegläubiger nach den Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes zu erfolgen (vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 12; Hopt/Seibt/Knapp, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 19 SchVG Rn. 36; Reinhard/Schall/Hoffmann, SchVG, § 19 Rn. 12; Thole, ZIP 2014, 293, 296; aA Veranneman/Rattunde, SchVG, 2. Aufl., § 19 Rn. 52; Dreher/Kamke/Scherber in Preuße/Vogel, SchVG, 2. Aufl., § 19 Rn. 34). Zu diesen Vorschriften zählt § 13 SchVG (vgl. Hopt/Seibt/Knapp, aaO; Thole, aaO). Nach § 13 Abs. 1 SchVG hat der Einberufende in der Tagesordnung zu jedem Gegenstand, über den die Gläubigerversammlung beschließen soll, einen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen. Es bedarf einer konkreten Ausformulierung des Vorschlags im Sinne eines mit Ja oder Nein abstimmungsfähigen Beschlussantrags (vgl. Hopt/Seibt/Binder, aaO § 13 Rn. 4; Reinhard/Schall/Schulze De la Cruz, aaO § 13 Rn. 7; FK-SchVG/Schmidtbleicher, § 13 Rn. 2; Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 13 Rn. 3; Preuße/Vogel/Schindele, aaO § 13 Rn. 3).
34Diesen Anforderungen genügt die durch das Insolvenzgericht bekanntgemachte Tagesordnung nicht. Sie informiert nur schlagwortartig über die vorgesehene Beschlussfassung. Ein konkret ausformulierter Vorschlag im Sinne eines mit Ja oder Nein abstimmungsfähigen Beschlussantrags fehlt.
35(2) Dies führt nicht zur Unwirksamkeit des gleichwohl gefassten Beschlusses. Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG richtet sich nur die Einberufung der Gläubigerversammlung nach den Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes, im Übrigen unterliegen Beschlüsse der Anleihegläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 InsO; vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 12). Dies gilt nicht nur für die Beschlusskontrolle nach § 78 InsO (vgl. aaO), sondern auch für die Frage, ob ein Einberufungsmangel ipso iure die Unwirksamkeit des gleichwohl getroffenen Beschlusses begründet. Nach Maßgabe des Insolvenzrechts setzt die Unwirksamkeit des Beschlusses voraus, dass der entsprechende Tagesordnungspunkt noch nicht einmal schlagwortartig bezeichnet war (vgl. , ZInsO 2011, 1598 Rn. 7; vgl. auch , NZI 2008, 430 Rn. 2 f). Das war hier nicht der Fall, die Tagesordnung informierte schlagwortartig über die vorgesehene Beschlussfassung.
36bb) Einen Verstoß gegen materiell-rechtliche Vorgaben, der eine Aufhebung des Beschlusses der Anleihegläubiger rechtfertigen könnte, hat das Beschwerdegericht im Ergebnis mit Recht verneint.
37(1) Die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur gemeinsamen Vertreterin verstößt nicht deshalb gegen rechtliche Vorgaben, weil die Anleihebedingungen keine Regelung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters enthalten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen zulässig.
38Für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Zusammenhang mit der Fassung eines Opt-in-Beschlusses nach § 24 Abs. 2 SchVG ist dies bereits durch den Bundesgerichtshof entschieden (vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 23; dazu Thole, ZIP 2017, 2315, 2317; vgl. auch Veranneman/Rattunde, SchVG, 2. Aufl., § 19 Rn. 49). Für die hier vorliegende, von vornherein dem SchVG unterstehende Anleihe gilt nichts anderes (vgl. Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 5 SchVG Rn. 14; FK-SchVG/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 20; Veranneman, aaO § 5 Rn. 15; wohl auch Reinhard/Schall/Hoffmann, SchVG, § 19 Rn. 7; Borowski, SchVG, 2019, § 5 Rn. 4 und § 19 Rn. 13; aA Reinhard/Schall/Birke, SchVG, § 5 Rn. 7; vgl. auch LG Hamburg, ZIP 2017, 2418, 2421; AG Hamburg, ZIP 2016, 2030, 2032 ff; AG Neuruppin, ZIP 2017, 627).
39§ 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG regelt eine Beschlussbefugnis der Anleihegläubiger, die ohne entsprechende Ermächtigung in den Anleihebedingungen besteht. Das lässt sich schon aus der Regelung selbst schließen. Die Einräumung einer (gesonderten) Beschlussbefugnis in § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine entsprechende Ermächtigung in den Anleihebedingungen voraussetzte. Dann hätte es der Gesetzgeber bei einem klarstellenden Hinweis auf eine Fortgeltung der aus den Anleihebedingungen (iVm § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG) folgenden Beschlussbefugnisse oder - soweit gewollt (vgl. , ZInsO 2018, 22 Rn. 21) - bei einem Hinweis auf eine Beschränkung der Befugnisse im Blick auf eine Änderung der Anleihebedingungen bewenden lassen können. Das ist nicht erfolgt. Vielmehr enthalten die Gesetzesmaterialien den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass § 19 SchVG "Sondervorschriften zu §§ 5 dieses Gesetzes" enthalte (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 25). Eine solche Sondervorschrift ist § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG. Der Gesetzgeber hielt es für in aller Regel wünschenswert, dass ein gemeinsamer Vertreter bestellt wird (vgl. BT-Drucks. 16/12814, aaO). Zu diesem Zweck hat er an die bisher geltenden Regelungen (§ 18 Abs. 3 und 4 SchVG 1899) angeknüpft und § 19 SchVG so ausgestaltet, dass die Vorschrift den bisher geltenden Regelungen im Wesentlichen entspricht (vgl. BT-Drucks. 16/12814, aaO). Nach § 18 Abs. 3 und 4 SchVG 1899 war aber die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unabhängig von einer Ermächtigung in den Anleihebedingungen möglich (vgl. Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 5 SchVG Rn. 14).
40(2) Die Bestellung der Beteiligten zu 3 als gemeinsame Vertreterin verstößt nicht deshalb gegen die Vorgaben des § 19 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 SchVG, weil es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung schweizerischen Rechts mit Sitz in der Schweiz handelt.
41(a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG kann zum gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger jede geschäftsfähige Person oder eine sachkundige juristische Person bestellt werden. Diese rudimentären (vgl. Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 8 SchVG Rn. 2) Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters bringen zum Ausdruck, dass die Anleihegläubiger bei der Auswahl der Person des gemeinsamen Vertreters keinen (weitergehenden) Beschränkungen unterliegen sollen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 19).
42(b) Als Gesellschaft mit nach Schweizer Recht beschränkter Haftung ist die Beteiligte zu 3 eine juristische Person im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG. Auch ihr Sitz in Genf in der Schweiz begründet keinen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Materialien lässt sich - ebenso wenig wie für natürliche Personen - entnehmen, dass nur eine inländische (juristische) Person zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden kann. Soweit im Schrifttum vertreten wird, § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG meine nur inländische juristische Personen, entbehrt dies einer hinreichenden Grundlage. Es kann insbesondere nicht daraus geschlossen werden, dass es sich um ein deutsches Gesetz handelt (vgl. Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 7 SchVG Rn. 7).
43(c) Nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachstand fehlte der Beteiligten zu 3 nicht die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG erforderliche Sachkunde. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist hier ohne Bedeutung, ob die Sachkunde der Beteiligten zu 3 in der Gläubigerversammlung hinreichend nachgewiesen worden ist.
44Maßgeblich ist, ob im vorliegenden Verfahren entsprechend § 78 InsO festgestellt werden kann, dass es nach der objektiven Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Gläubigerversammlung an der erforderlichen Sachkunde der Beteiligten zu 3 fehlte. Für das durch einen entsprechenden Antrag ausgelöste Verfahren nach § 78 InsO gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO (HK-InsO/Sternal, 11. Aufl., § 5 Rn. 4 f; Uhlenbruck/Pape, InsO, 16. Aufl., § 5 Rn. 7; Schmidt/Stephan, InsO, 20. Aufl., § 5 Rn. 3). Die Ermittlungspflicht von Amts wegen setzt jedoch nur dann ein, wenn der Verfahrensstand Anlass für Ermittlungen bietet. Bei der Frage, wann Ermittlungen erforderlich sind, hat das Gericht einen gewissen Beurteilungsspielraum. Das Gericht ist nicht verpflichtet, ohne jeden konkreten Anhaltspunkt "ins Blaue hinein" Ermittlungen anzustellen, sondern nur dann, wenn es aufgrund gerichtsbekannter Umstände oder aufgrund der Angaben der Verfahrensbeteiligten, insbesondere des Antragstellers, hierzu veranlasst wird (, ZInsO 2012, 143 Rn. 11). Besteht keine Veranlassung, Ermittlungen anzustellen, oder ergeben die durchgeführten Ermittlungen keinen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, ist der Antrag unbegründet. Die Feststellungslast trägt also der Antragsteller. All das gilt auch für das hier vorliegende Verfahren entsprechend § 78 InsO.
45Diesen Grundsätzen genügt die angefochtene Entscheidung. Die Sachkunde im Sinne von § 7 Abs. 1 SchVG ist ein Element des übergeordneten Rechtsbegriffs der Eignung. Die Eignung setzt zusätzlich insbesondere voraus, dass die Person über eine zur Erfüllung der Aufgaben hinreichende personelle und sachliche Ausstattung verfügt. Außerdem muss die Person Gewähr dafür bieten, dass sie Sachkunde und Ausstattung im Sinne der Anleihegläubiger einsetzt. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der Verfahrensstand Anlass zu (weiteren) Ermittlungen im Blick auf die Sachkunde bot. Ihre Einwände (irreführende Werbung eines mit der Beteiligten zu 3 verbundenen Unternehmens, ungeeignete Amtsführung in der Vergangenheit und ungeeignetes Verfahren zur Weiterleitung von Quotenzahlungen) betreffen nicht die Sachkunde an sich, sondern die Geeignetheit im Übrigen, die von den Anforderungen des § 7 Abs. 1 SchVG nicht erfasst ist.
46(3) Ein zur (teilweisen) Aufhebung des Beschlusses führender Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger folgt nicht schon daraus, dass der Beschluss auch Regelungen zur Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters enthält.
47(a) Allerdings ermächtigt § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG die Anleihegläubiger seinem Wortlaut nach nur dazu, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Im Schrifttum wird unterschiedlich beantwortet, ob der Wortlaut abschließend ist. Diskutiert wird die Frage insbesondere im Blick auf Weisungen an den gemeinsamen Vertreter. Die Möglichkeit von Weisungsbeschlüssen wird überwiegend bejaht, damit der gemeinsame Vertreter seine Tätigkeit (weisungsgemäß) unmittelbar nach seiner Bestellung ausüben kann (vgl. Hopt/Seibt/Knapp, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 19 SchVG Rn. 43; Reinhard/Schall/Hoffmann, SchVG, § 19 Rn. 26; Horn, BKR 2014, 449, 451; aA Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., § 19 SchVG Rn. 4; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397; wohl auch Thole, ZIP 2014, 293, 295).
48(b) Der Bundesgerichtshof hat bislang nicht abschließend entschieden, wie weit die Beschlussbefugnisse der Anleihegläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten gehen, insbesondere in der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG anberaumten Gläubigerversammlung. Mit Urteil vom (IX ZR 260/15, ZInsO 2018, 22 Rn. 20 ff) hat er für die Zeit nach Verfahrenseröffnung eine Beschlussfassung nach § 24 Abs. 2 SchVG für zulässig gehalten. Offengelassen hat er, ob die Gläubiger zu einer (weitergehenden) Änderung der Anleihebedingungen befugt sind. Mit Urteil vom (IX ZR 178/20, ZRI 2022, 331 Rn. 19) hat der Bundesgerichtshof erwogen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchVG, die eine Zustimmung der Gläubiger zur Verringerung der Hauptforderung durch Mehrheitsbeschluss erlaubt, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unmittelbar nicht mehr anwendbar sein könnte, weil die Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch befugt seien, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger zu bestellen.
49(c) Auch im Streitfall müssen die Beschlussbefugnisse der Anleihegläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls sind Beschlüsse über die Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters von den Befugnissen der Versammlung gedeckt. Sie stehen als Annexentscheidungen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem von § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG vorgesehenen Beschlussgegenstand und sind als solche zulässig.
50Der Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters stellt keine Änderung der Anleihebedingungen dar (vgl. auch , ZInsO 2018, 22 Rn. 18, 27; Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 7 SchVG Rn. 21). Dies ergibt sich schon aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG, der zwischen der Änderung der Bedingungen einerseits und der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters andererseits unterscheidet. Der Begriff der Anleihebedingungen ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 SchVG legaldefiniert. Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters fällt nicht unter diese Definition. Für die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bestellung getroffenen Beschlüsse, etwa in Bezug auf Weisungen (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG) oder über die Beschränkung der Haftung des gemeinsamen Vertreters (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 SchVG) gilt nichts anderes. Dies zeigt, dass es keiner gesonderten Ermächtigung für Annexentscheidungen (oder für die Abberufung nach § 7 Abs. 4 SchVG als Gegenakt zur Bestellung) bedarf. Denn an einer Ermächtigung fehlte es auch für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG können die Anleihebedingungen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vorsehen, nicht aber eine Ermächtigung zu Mehrheitsbeschlüssen über die Annexentscheidungen. Einer solchen Ermächtigung bedarf es weder vor noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ausreichend ist, dass die Anleihegläubiger in der Lage sind, die Grundentscheidung, nämlich die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, durch Mehrheitsbeschluss zu treffen. Diese Befugnis ergibt sich für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG (vgl. oben Rn. 37 ff).
51Auch Regelungen über die Vergütung eines gemeinsamen Vertreters stellen eine Annexentscheidung im vorstehenden Sinne dar. Daran ändert nichts, dass es eines solchen Beschlusses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig nicht bedarf, weil der aus § 7 Abs. 6 SchVG folgende Anspruch gegen den Emittenten zu dieser Zeit noch gedeckt ist. Die im Streitfall getroffenen Regelungen über die Vergütung verstoßen auch nicht gegen § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG. Die Anleihegläubiger haben beschlossen, dass die Beteiligte zu 3 berechtigt sein soll, die ihr "zustehende Vergütung und Auslagenerstattungsansprüche aus Beträgen einzubehalten, die von einem etwaigen Insolvenzverwalter oder sonstigen Dritten zum Zwecke der Auszahlung an die Anleihegläubiger an den gemeinsamen Vertreter geleistet werden". Damit ist keine nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG unzulässige Nachschuss- oder Leistungspflicht verbunden. Vielmehr entspricht das Recht des gemeinsamen Vertreters, die ihm zustehende angemessene Vergütung nebst Auslagen der auf den einzelnen Anleihegläubiger entfallenden Quote zu entnehmen, der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. , ZRI 2022, 331 Rn. 13 ff).
52(4) Die durch den streitbefangenen Beschluss getroffenen Regelungen über die Vergütung der Beteiligten zu 3 führen auch ihrem Inhalt nach nicht zu seiner Aufhebung.
53(a) Der Beschluss sieht vor, dass die Beteiligte zu 3 "eine Vergütung in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)" erhält "mit der Maßgabe, dass die Streitwertgrenze des § 22 Abs. 2 RVG nicht zur Anwendung kommt. Die Höhe der angemessenen Vergütung ist jedoch auf maximal 0,85 % der gegenständlichen Schuldverschreibung zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer beschränkt (klarstellend: Gegenstandswert ist der Nominalbetrag der ausstehenden Schuldverschreibung des betroffenen Anleihegläubigers)." Daneben ist geregelt, dass die Beteiligte zu 3 Ersatz der ihr "entstehenden Kosten und Aufwendungen einschließlich der Kosten für eine eventuelle aus Sicht des gemeinsamen Vertreters zur Wahrnehmung seiner Aufgaben sinnvoll gebotene Beauftragung externer Berater, insbesondere Rechtsanwälte sowie der Kosten für einen angemessenen Versicherungsschutz" erhält.
54(b) Diese Regelungen halten einer Kontrolle entsprechend § 78 InsO stand.
55(aa) Dies gilt zunächst für die Regelungen über die Vergütung selbst. Maßgeblich dafür ist, dass die Vergütung der Beteiligten zu 3 nach dem getroffenen Beschluss im Ausgangspunkt angemessen zu sein hat. Das entspricht der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 6 SchVG. Die weiteren getroffenen Regelungen über die Vergütung dienen nur der Konkretisierung der Angemessenheit. Sie sind - mit Ausnahme der gegebenenfalls zugunsten der Anleihegläubiger wirkenden absoluten Beschränkung der Höhe der Vergütung - ihrerseits unkonkret und sehen insbesondere weder eine Mindestvergütung der Beteiligten zu 3 noch eine Festlegung vor, welche gegenüber dem einzelnen Anleihegläubiger zu dessen Lasten bindend wäre.
56Welche Vergütung des gemeinsamen Vertreters angemessen ist, richtet sich nach ersichtlich einhelliger Ansicht im Schrifttum nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (vgl. Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 7 SchVG Rn. 70; Reinhard/Schall/Hoffmann, SchVG, § 7 Rn. 40; BeckOGK-SchVG/Vogel, 2025, § 7 Rn. 101; Borowski, SchVG, 2019, § 7 Rn. 25 f; Brenner, NZI 2014, 789, 791; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2400). Maßgebliche Umstände sollen Art, Umfang und Komplexität der konkreten Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters sein (vgl. Hopt/Seibt/Thole, aaO; Reinhard/Schall/Hoffmann, aaO; BeckOGK-SchVG/Vogel, aaO; Gloeckner/Bankel, aaO). Teilweise werden auch die individuellen Fähigkeiten oder die Qualifikation der Person des gemeinsamen Vertreters für bedeutsam gehalten (Reinhard/Schall/Hoffmann, aaO; BeckOGK-SchVG/Vogel, aaO; Borowski, aaO Rn. 26). Auch die mit der Vertretung übernommene Haftungsgefahr wird genannt (Borowski, aaO). Einige Autoren verweisen auf die Möglichkeit, die angemessene Vergütung anhand der Regelungen des RVG zu bestimmen (so insbesondere Brenner, aaO; Gloeckner/Bankel, aaO). Bei einer Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz liege eine Bewertung der Angemessenheit anhand der Nr. 3313 ff VV RVG und gegebenenfalls der Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG nahe (Gloeckner/Blankel, aaO). Auch die Mehrvertretungsgebühr der Nr. 1008 VV RVG wird genannt (Brenner, aaO).
57Zutreffend ist, dass die angemessene Vergütung anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu bestimmen ist. In Betracht kommt insbesondere eine Zeitvergütung. Art und Komplexität der konkreten Tätigkeit lassen sich dabei über die Höhe des Vergütungssatzes abbilden. Der Umfang der Tätigkeit fließt über die geleistete Zeit in die Berechnung der Vergütung ein. Besondere Haftungsrisiken können ebenfalls über die Höhe des Vergütungssatzes abgebildet werden. Sie können aber auch durch einen Beschluss über die Beschränkung der Haftung des gemeinsamen Vertreters (§ 7 Abs. 3 Satz 2 SchVG) herabgemindert werden. Die individuellen Fähigkeiten des gemeinsamen Vertreters sind für die Bestimmung der angemessenen Vergütung in aller Regel ohne Bedeutung. Es handelt sich um einen objektiven Maßstab, der sich an der konkreten Tätigkeit orientiert.
58Eine Bestimmung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren anhand der Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes scheidet aus. Das dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Grundsatz zugrundliegende System einer Vergütung, die sich nach dem Wert der Tätigkeit berechnet (vgl. § 2 Abs. 1 RVG) passt bereits nicht auf die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters. Eine Berechnung der Vergütung nach dem Wert der Tätigkeit ist unabhängig vom konkreten Aufwand (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 55. Aufl., § 2 RVG Rn. 2). Der Wert einer Tätigkeit sagt nichts über den Arbeitsaufwand aus (vgl. BeckOK-RVG/v. Seltmann, 2025, § 2 Rn. 1 f). Die Berechnung einer Vergütung nach dem Wert geht typisierend vor und sichert daher nicht in jedem Einzelfall, dass die Gebühr genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht. Sie kann im konkreten Fall hinter dem Aufwand zurückbleiben oder ihn übersteigen. Bestimmend ist insofern das gesetzgeberische Ziel, den Anwälten für ihre Tätigkeit insgesamt eine angemessene Vergütung zu ermöglichen. Der Rechtsanwalt kann demnach eine so genannte Mischkalkulation vornehmen und dabei die Vorteile eines umfassenden und geschlossenen Regelungssystems nutzen (vgl. BVerfGE 118, 1, 17 mwN).
59Darum geht es hier nicht. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG bemisst sich die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach diesem Gesetz. Die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters ist keine anwaltliche Tätigkeit, insbesondere ist sie nicht etwa Rechtsanwälten vorbehalten. Es muss dem gemeinsamen Vertreter deshalb nicht ermöglicht werden, eine Mischkalkulation vorzunehmen und dabei die Vorteile eines umfassenden und geschlossenen Regelungssystems zu nutzen. Seine Vergütung richtet sich vielmehr nach der im jeweiligen Einzelfall konkret entfalteten Tätigkeit.
60Dem widersprechen die im streitbefangenen Beschluss getroffenen Regelungen über die Vergütung der Beteiligten zu 3, soweit dort an die Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes angeknüpft wird. Darin liegt aber keine deutliche und erhebliche Verletzung des gemeinsamen Interesses der Anleihegläubiger. Die im Beschluss vorgesehene "Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)" ist unklar und gegenüber den einzelnen Anleihegläubigern nicht bindend. Geschuldet ist nur eine angemessene Vergütung, welche die Beschlussfassung zugunsten der einzelnen Anleihegläubiger der Höhe nach begrenzt; nur diese ist geschuldet, soweit sie nicht oberhalb der beschlossenen Höchstvergütung von maximal 0,85 % der gegenständlichen Schuldverschreibung liegt.
61(bb) Auch die Regelungen über den Ersatz von Kosten und Aufwendungen begründen keinen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger. Es fehlt bereits an einem Verstoß gegen rechtliche Vorgaben. Es entspricht § 19 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 6 SchVG, dass der gemeinsame Vertreter Ersatz seiner Kosten und Aufwendungen erhält. Der Gesetzgeber verweist hierzu auf § 670 BGB (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 20). Die Ersatzfähigkeit von Kosten und Aufwendungen setzt daher voraus, dass der gemeinsame Vertreter diese den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Davon weicht der streitbefangene Beschluss nicht ab.
62(5) Schließlich führen auch die durch den streitbefangenen Beschluss getroffenen Regelungen über die Haftung der Beteiligten zu 3 ihrem Inhalt nach weder ganz noch teilweise zu seiner Aufhebung.
63(a) Der Beschluss sieht vor, dass der gemeinsame Vertreter den Anleihegläubigern als Gesamtgläubiger für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben haftet. Hierzu bestimmt der Beschluss: "Bei seiner Tätigkeit hat er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der gemeinsame Vertreter bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Den gemeinsamen Vertreter trifft keine Beweislastumkehr analog § 92 Abs. 2 Satz 2 Aktiengesetz [gemeint: § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG]. Die Haftung des gemeinsamen Vertreters ist summenmäßig auf EUR 1.000.000,00 (in Worten: eine Million Euro) begrenzt, es sei denn, er hat vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen entscheiden die Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss. Der gemeinsame Vertreter ist verpflichtet, für einen ausreichenden Versicherungsschutz durch Abschluss einer angemessenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zu sorgen."
64(b) Die getroffenen Regelungen über die Haftung der Beteiligten zu 3 entsprechen weitgehend den rechtlichen Vorgaben, die im Blick auf eine Beschränkung der Haftung Gestaltungsmöglichkeiten vorsehen. Soweit der streitbefangene Beschluss Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, fehlt es an einem Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger.
65Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchVG hat der gemeinsame Vertreter bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Die Gesetzesmaterialien verweisen hierzu auf § 93 Abs. 1 AktG. Dieser besondere Sorgfaltsmaßstab erscheine angemessen, obwohl der gemeinsame Vertreter nicht die Aufgaben eines Geschäftsleiters habe (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 20). Der Gesetzgeber hat hier nicht nur § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG im Blick gehabt, sondern auch die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, welche die Materialien ausdrücklich erwähnen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, aaO). Zu Fragen der Beweislast - insbesondere zu einer Anwendbarkeit von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG - äußern sich die Materialien nicht klar. Ausgeführt wird lediglich, der gemeinsame Vertreter könne sich unter Hinweis auf § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG exkulpieren (vgl. BT-Drucks. 16/12814, aaO). Vor diesem Hintergrund finden sich im Schrifttum Überlegungen zur Anwendbarkeit der Business Judgement Rule (vgl. BeckOGK-SchVG/Vogel, 2025, § 7 Rn. 81 ff; Hopt/Seibt/Thole, Schuldverschreibungsrecht, 2. Aufl., § 7 SchVG Rn. 49 f) und zur Beweislast (vgl. Hopt/Seibt/Thole, aaO Rn. 48).
66Der Senat kann offenlassen, ob die Business Judgement Rule als solche zur Anwendung gelangt und ob die Beweislast sich (auch) nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG richtet. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchVG und den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass für den gemeinsamen Vertreter ein Haftungsmaßstab gelten soll, der die Lage berücksichtigt, in welcher der gemeinsame Vertreter tätig wird. Das bildet der streitbefangene Beschluss ab. Dass er dabei auf einen Kaufmann abstellt und nicht wie § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchVG auf einen Geschäftsleiter, ist unschädlich. Der gemeinsame Vertreter ist weder Geschäftsleiter noch Kaufmann. Ihm kommt eine eigenständige Stellung zu. Soweit ihm diese Stellung eigenverantwortliche unternehmerähnliche Entscheidungen abverlangt, haftet er nicht strenger als die Normadressaten des § 93 Abs. 1 AktG. Darüber geht der streitbefangene Beschluss nicht hinaus.
67§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchVG regelt, dass der gemeinsame Vertreter bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden hat. Die Vorschrift ist daher auf den Haftungsmaßstab beschränkt; sie regelt gerade nicht, dass der gemeinsame Vertreter insgesamt haftet wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter. Eine Anwendung der Beweislastregel des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auf den gemeinsamen Vertreter erscheint daher nach der Gesetzeslage eher zweifelhaft. Soweit die Gesetzesmaterialien auf die Möglichkeit zur Exkulpation verweisen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 20), kann der Gesetzgeber auch die allgemeine Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB im Blick gehabt haben. Gegebenenfalls enthielte der streitbefangene Beschluss im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG nur eine Klarstellung und keine Abweichung von rechtlichen Vorgaben. Geht man von einer Anwendbarkeit der Beweislastregel auf den gemeinsamen Vertreter aus, ist die Regelung in dem angefochtenen Beschluss zu ihrer Nichtanwendbarkeit ebenso wie die summenmäßige Begrenzung der Haftung Teil einer nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SchVG in jeder Hinsicht möglichen Haftungsbeschränkung.
68Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SchVG kann die Haftung des gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss beschränkt oder sogar gänzlich ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 20). Eine Haftungsbeschränkung liegt nah, wenn sich anderenfalls keine geeignete Person bereit erklärt, die Aufgabe des gemeinsamen Vertreters zu übernehmen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, aaO). Das bedeutet aber nicht, dass ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger anzunehmen ist, wenn sich eine weitere geeignete Person bereit erklärt hatte. Eine Haftungsbeschränkung kann Auswirkungen auf den Vergütungssatz des gemeinsamen Vertreters haben (vgl. oben Rn. 57), sie senkt zudem das zu versichernde Risiko und damit die Kosten der notwendigen Versicherung. Die Entscheidung für oder gegen eine Haftungsbeschränkung ist demnach das Ergebnis einer Abwägung von Chancen und Risiken, die der Gesetzgeber der Mehrheit der Anleihegläubiger zuweist. Ein Eingriff in diese Entscheidungsfreiheit durch das Insolvenzgericht im Verfahren entsprechend § 78 InsO kommt nur in Betracht, wenn das Ergebnis der Abwägung dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger deutlich und in erheblicher Weise zuwiderläuft. Dies ist möglich, wenn die Gläubigermehrheit maßgebliche Umstände unberücksichtigt lässt und das Haftungsrisiko infolgedessen in krasser Weise unterbewertet. Derartiges ist hier nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachstand nicht der Fall.
69cc) Ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger kommt auch in Betracht, wenn der angefochtene Beschluss den materiell-rechtlichen Vorgaben genügt. Insoweit hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtlicher Prüfung nicht stand.
70(1) Jenseits materiell-rechtlicher Vorgaben kann ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen des Beschlusses anzunehmen sein, aber auch wegen einer Gefährdung der von dem Beschluss erfassten Rechte der Anleihegläubiger. Das gilt insbesondere, wenn diese Rechte durch die materiell-rechtlichen Vorgaben nur unzureichend geschützt werden. Dass dies im Sinne der Gläubigerautonomie erfolgt, bedeutet unter dem Gesichtspunkt einer Überprüfung entsprechend § 78 InsO nicht, dass einzelne Gläubiger eine ungerechtfertigte Gefährdung ihrer Rechte durch Mehrheitsbeschluss hinzunehmen haben. Eine ungerechtfertigte Gefährdung der Rechte der Anleihegläubiger kann sich aus einer fehlenden Eignung des gemeinsamen Vertreters ergeben. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der gemeinsame Vertreter keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Amt im Interesse der Anleihegläubiger ausübt und nicht etwa im Eigeninteresse.
71Vor einer derartigen Gefährdung ihrer Rechte sind die Anleihegläubiger durch materiell-rechtliche Vorgaben nur unzureichend geschützt. § 19 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 SchVG stellt insoweit keine hinreichenden Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters. Der gemeinsame Vertreter hat die Vermögensinteressen der Anleihegläubiger zu wahren und muss hierzu geeignet sein. Die Eignung einer juristischen Person folgt nicht allein daraus, dass sie sachkundig ist. Die Person muss (auch) Gewähr dafür bieten, dass sie ihre Sachkunde im Sinne der Anleihegläubiger einsetzt (vgl. oben Rn. 45). Unzureichenden Schutz bietet § 7 Abs. 1 SchVG erst recht im Blick auf natürliche Personen, die noch nicht einmal sachkundig, sondern nur geschäftsfähig sein müssen.
72(2) Der Beteiligte zu 1 hat die Eignung der Beteiligten zu 3 für das Amt der gemeinsamen Vertreterin in verschiedener Hinsicht in Abrede gestellt. Er hat geltend gemacht, die Beteiligte zu 3 biete keine Gewähr dafür, dass sie ihr Amt im Interesse der Anleihegläubiger ausüben werde. Hierzu hat er Beispiele ungeeigneter Amtsführung in der Vergangenheit benannt und auf eine entsprechende Presseberichterstattung verwiesen. Das Insolvenzgericht hat gemeint, die erhobenen Vorwürfe seien im vorliegenden Verfahren ohne die rechtskräftige Verurteilung aufgrund etwaiger Straftaten nicht berücksichtigungsfähig. Das Beschwerdegericht hat keinen Anlass gesehen, dem etwas hinzuzufügen.
73Das genügt den rechtlichen Anforderungen nicht. Zum einen lässt die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht erkennen, dass es sich der im Verfahren entsprechend § 78 InsO geltenden Amtsermittlungspflicht bewusst war (vgl. oben Rn. 44). Zum anderen bedarf es keiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des gemeinsamen Vertreters oder der hinter ihm stehenden Personen, um einen Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger auf eine ungerechtfertigte Gefährdung von deren Rechten zu stützen. Zwar ist auch im Verfahren entsprechend § 78 InsO im Grundsatz die volle Überzeugung von den Tatsachen erforderlich, die den Widerspruch zum gemeinsamen Interesse begründen. Ausnahmsweise kann jedoch bereits das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für die Verletzung von wichtigen Pflichten eines gemeinsamen Vertreters genügen, wenn der Verdacht im Rahmen zumutbarer Amtsermittlung nicht ausgeräumt und nur auf diese Weise die Gefahr größerer Schäden für die Anleihegläubiger abgewendet werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof für die Entlassung des Insolvenz- und Gesamtvollstreckungsverwalters aus wichtigem Grund ausgesprochen (vgl. , ZIP 2006, 247 Rn. 11; vom - IX ZB 192/10, ZIP 2011, 671 Rn. 12). Für die Beurteilung der Eignung eines gemeinsamen Vertreters im Verfahren entsprechend § 78 InsO gilt Entsprechendes.
III.
74Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 572 Abs. 3 ZPO analog; vgl. , NZI 2019, 457 Rn. 24 mwN). Dieses wird erneut zu prüfen haben, ob sich ein Widerspruch zum gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger daraus ergibt, dass die Beteiligte zu 3 für das Amt des gemeinsamen Vertreters ungeeignet ist. Dabei werden im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch die weiteren, gegen die Eignung der Beteiligten zu 3 vorgebrachten Umstände (insbesondere irreführende Werbung eines mit der Beteiligten zu 3 verbundenen Unternehmens und ungeeignetes Verfahren zur Weiterleitung von Quotenzahlungen) zu berücksichtigen sein.
Schoppmeyer Röhl Schultz
Weinland Kunnes
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:161025BIXZB10.24.0
Fundstelle(n):
QAAAK-04292