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BSG Beschluss v. - B 5 R 11/24 C

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - ausnahmsweise Mitwirkung abgelehnter Richter bei offensichtlich unzulässigem Ablehnungsgesuch - Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs

Gesetze: § 60 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 178a Abs 2 S 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 45 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: S 31 R 2502/14 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 3 R 108/21 Beschlussvorgehend Az: B 5 R 46/23 BH Beschluss

Gründe

1I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Vormerkung von Kindererziehungszeiten. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (; ). Der Senat hat den Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, mit Beschluss vom abgelehnt. Es könne offenbleiben, ob der Kläger die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH erfüllt. Jedenfalls fehle es an der erforderlichen Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Ein Revisionszulassungsgrund sei nicht festzustellen.

2Gegen den ihm am zugestellten Beschluss hat der Kläger am Anhörungsrüge erhoben und die Richterin am BSG D abgelehnt. Mit Beschluss vom hat der Senat das Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen. Mit Schreiben vom hat der Kläger sämtliche am Beschluss vom beteiligte Richter sowie erneut die Richterin am BSG D abgelehnt. Dem Kläger wurde antragsgemäß Akteneinsicht vor dem SG gewährt, ohne dass er hiervon Gebrauch gemacht hat. Zudem wurden dem Kläger mit Schreiben vom antragsgemäß diverse näher bezeichnete Beschlüsse und Urteile des BSG und die senatsinternen Geschäftsverteilungspläne für 2024 und 2025 übersandt sowie Auskunft zu den Arbeitskraftanteilen der einzelnen Senatsmitglieder gegeben.

3II. 1. Der Senat kann in der aus dem Rubrum ersichtlichen geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung entscheiden, obwohl der Kläger sein Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am BSG C aufrechterhalten und nunmehr auch Ablehnungsgesuche gegen die am Beschluss vom beteiligten Richterinnen am BSG B und C sowie den Richter am BSG E erhoben hat. Die Ablehnungsgesuche sind offensichtlich unzulässig und damit unbeachtlich.

4Der Senat entscheidet darüber abweichend von § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung unter Mitwirkung der Richterinnen B und D. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden dürfen, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl  B 10 ÜG 21/17 C - juris RdNr 5 mwN). Um ein solches offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung des gesamten Spruchkörpers (vgl zB  - juris RdNr 3 mwN). Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch ua auch dann, wenn es sich gegen nicht zur Entscheidung berufene Richter richtet (vgl  - BVerfGE 142, 1 - juris RdNr 12 mwN) oder wenn die vorgebrachten Ablehnungsgründe bereits in einem anderen schon entschiedenen Verfahren gewürdigt worden sind (vgl  - BVerfGE 159, 147 - juris RdNr 2 mwN). So liegt es hier. Der Kläger hat zum einen alle Richter des Senats abgelehnt, die an dem Beschluss vom mitgewirkt haben, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung geeignet wären, eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers zu begründen. Zum anderen sind die Richterin C und der Richter E nach der geschäftsplanmäßigen Besetzung nicht an der jetzigen Entscheidung beteiligt. Das erneute Ablehnungsgesuch gegen die Richterin D ist von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der Senat hat sämtliche vorgebrachten Ablehnungsgründe bereits mit Beschluss vom gewürdigt.

5Bei offensichtlicher Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahmen des abgelehnten Richters und der abgelehnten Richterinnen (vgl  - BVerfGE 159, 147 - juris RdNr 4 mwN).

62. Die vom Kläger erhobene Anhörungsrüge ist unzulässig und daher nach § 178a Abs 4 Satz 11 SGG zu verwerfen. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben könnte.

7Gemäß § 178a Abs 1 Satz 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr 2). Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG). Das Vorliegen der in § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG genannten Voraussetzungen ist mit der Rüge bis zum Ablauf der Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge darzulegen (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG). Eine solche Darlegung erfordert einen substantiierten Vortrag, aus dem sich ableiten lässt, in welcher Weise das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist; zumindest sind im Wege einer eigenständigen Auseinandersetzung schlüssig die Umstände aufzuzeigen, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt. Für den anwaltlich nicht vertretenen Kläger sind diese Maßstäbe weniger streng zu handhaben. Indes legt der Kläger auch nach diesem abgesenkten Maßstab weder eine Überraschungsentscheidung noch eine unzureichende Berücksichtigung seines früheren Beschwerdevorbringens dar (vgl  B 10 ÜG 17/17 C - juris RdNr 5).

8Er stützt sich im Wesentlichen auf die Rüge, der Senat habe sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht oder nicht ausreichend in Erwägung gezogen und nicht zutreffend gewürdigt. Dies genügt zur Darlegung eines Gehörsverstoßes nicht. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (stRspr; zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 633/16 - juris RdNr 23). Das Gericht ist insbesondere nicht gehalten, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen, sich in den Gründen der Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 2139/21 - juris RdNr 15). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist (BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 2139/21 - juris RdNr 14;  - juris RdNr 5;  - juris RdNr 4). Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht aufgezeigt. Er setzt sich in seiner Begründung vielmehr mit den einzelnen Ausführungen des Senats im Beschluss vom für jede Randnummer gesondert auseinander, widerspricht den Ausführungen bzw der Auslegung des Senats und (wiederholt) seine Auffassung zu den einzelnen Punkten. Das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gewährleistet jedoch nicht, dass das Vorbringen eines Beteiligten in dessen Sinne vom Gericht zustimmend zur Kenntnis genommen wird (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1890/15 - SozR 4-1100 Art 103 Nr 4 RdNr 14 mwN). Die Gerichte sind aufgrund von Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 2 BvR 1673/19 - juris RdNr 6 mwN). Die inhaltliche Bewertung der Entscheidung ist keine taugliche Begründung einer Anhörungsrüge (vgl  AR - juris RdNr 4).

9Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Senat habe die Bewilligung von PKH aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt, obwohl er diese Voraussetzungen vollständig belegt und alle erforderlichen Unterlagen eingereicht habe, trägt er nicht vor, dass die angegriffene Entscheidung hierauf beruht. Er nimmt nicht dazu Stellung, dass der Senat ausdrücklich offengelassen hat, ob der Kläger die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH erfüllt und die Ablehnung des PKH-Antrags allein auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt hat.

10Soweit der Kläger die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 19 Abs 4 Satz 1 iVm Art 6 Europäische Menschrechtskonvention (EMRK) und des Rechts auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 2 und 3 GG iVm Art 14 EMRK geltend macht, ist dies nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG aufzuzeigen. Es handelt sich nicht um Fragen des rechtlichen Gehörs. Soweit man das Vorbringen als Gegenvorstellung und diese neben der Anhörungsrüge überhaupt noch als zulässig ansehen wollte, hätte diese ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Einwendungen des Klägers lassen nicht erkennen, inwiefern der Beschluss des Senats vom auf den geltend gemachten Grundrechtsverstößen beruhen, jeder gesetzlichen Grundlage entbehren oder grobes prozessuales Unrecht enthalten könnte (vgl  AR - juris RdNr 6 mwN).

11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 178a Abs 4 Satz 4 SGG).

123. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

134. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).

145. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass vergleichbare Eingaben in diesem Verfahren künftig nicht mehr beschieden werden. Macht ein Beteiligter wiederholt mit im Kern gleichen Begründungen Eingaben, bedarf es keiner weiteren Bescheidung (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 2552/18 ua - juris RdNr 7 f;  - juris RdNr 11 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:090525BB5R1124C0

Fundstelle(n):
HAAAK-04188