Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV – Beschränkungen – Glücksspiele – Regionale Regelung – Mindestabstände zwischen unterschiedlichen Glücksspieleinrichtungen sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen und Bildungseinrichtungen – Zeitliche Begrenzung des Betriebs von Geldspielautomaten und anderen Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit – Moratorium in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Betriebsgenehmigungen – Rechtfertigung – Verhältnismäßigkeit
Leitsatz
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die Wirtschaftsteilnehmern des Glücksspielsektors erstens bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der Mindestabstände zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst, zweitens eine zeitliche Begrenzung des Betriebs von in Einrichtungen des Gastgewerbes aufgestellten Geldspielautomaten des sogenannten „Typs B“ oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit und drittens ein Moratorium in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für den Betrieb von Glücksspieleinrichtungen auferlegt, nicht entgegensteht, soweit das nationale Gericht zu dem Schluss gelangt, dass diese Beschränkungen als im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zugelassen werden oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können sowie geeignet sind, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen.
Gesetze: AEUV Art. 26, AEUV Art. 49, AEUV Art. 52, AEUV Art. 56, AEUV Art. 267
Gründe
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 26, 49 und 56 AEUV sowie der Grundsätze der Einheit des Marktes, der Gleichbehandlung, der einheitlichen Behandlung und der Nichtdiskriminierung.
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Klagen mehrerer Betreiber von Spielhallen, sogenannten Spielotheken, und Geldspielautomaten – nämlich der Asociación de Empresarios de Salones de Juego y Recreativos de la Comunidad Valenciana (Anesar-CV) (C‑718/23), der Salones Comatel SL, der Inversiones Comatel SL, der Recreativos del Este SL, der Asociación SOS Hostelería, der Unión de Trabajadores de Salones de Juego (Utsaju) und der Asociación Valenciana de Operadores de Máquinas Recreativas (Asvomar) (C‑719/23), der Asociación Española de Fabricantes de Máquinas Recreativas y de Juego (Asesfam), der Asociación de Empresarios de Máquinas Recreativas de la Comunidad Valenciana (Andemar-CV), der Asociación Provincial de Empresas Comercializadoras de Máquinas Recreativas y de Azar de Alicante (Apromar-Alicante) und der Federación Empresarial de Hostelería de Valencia (C‑720/23), der Apuestas Deportivas Valencianas S.A., der Codere Apuestas Valencia S.A., der Luckia Retail S.A., der Mediterránea de Apuestas S.A., der Orenes Apuestas CV S.A. und der Sportium Apuestas Levante S.A. (C‑721/23), sowie der Recreativos Giner Moltó SL, der Valazar 2014 SL und der Valazar 2000 SL (C‑60/24) – gegen die Conselleria d’Hisenda i Model Econòmic de la Generalitat Valenciana (Rat für Finanzen und Wirtschaftsmodell der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft, Spanien), unter Beteiligung der Organización Nacional de Ciegos Españoles (ONCE) (Nationaler Blindenverband, Spanien) auf Nichtigerklärung verschiedener Bestimmungen einer regionalen Regelung in Bezug auf das Glücksspiel und die Prävention von Spielsucht.
Rechtlicher Rahmen
Spanisches Recht
Gesetz 1/2020
3 Art. 8 („Beschränkung der Werbung, der Förderung, des Sponsorings und gewerblicher Informationen“) der Ley 1/2020 de la Generalitat, de regulación del juego y de prevención de la ludopatía en la Comunitat Valenciana (Gesetz 1/2020 der Valencianischen Gemeinschaft über die Regulierung des Glücksspiels und die Prävention von Spielsucht in der Valencianischen Gemeinschaft) vom (BOE Nr. 253 vom , S. 79980) (im Folgenden: Gesetz 1/2020) bestimmt:
„1. In Bezug auf Glücksspiele innerhalb der Valencianischen Gemeinschaft und im Hinblick auf die von der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft zugelassenen Glücksspielveranstalter ist jede Art von Werbung, Förderung und Sponsoring sowie jede Form kommerzieller Kommunikation, einschließlich derjenigen, die telematisch über soziale Kommunikationsnetzwerke erfolgt, in Bezug auf Glücksspieltätigkeiten und die Einrichtungen, in denen diese ausgeübt werden, eingeschränkt.
2. Die Werbung für Glücksspiele und die Förderung von Glücksspielen außerhalb von Glücksspielräumlichkeiten sowie die Plakatwerbung für Glücksspiele auf öffentlichen Straßen oder Verkehrsmitteln sind innerhalb der Valencianischen Gemeinschaft verboten.
3. Im Rahmen des Anwendungsbereichs gemäß Abs. 1 dieses Artikels ist die kostenlose oder werbliche Verteilung von Produkten, Waren, Dienstleistungen oder jede andere Tätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar, primär oder sekundär die Förderung der Glücksspieltätigkeit bezweckt oder bewirkt, regulatorisch eingeschränkt.
4. Die kostenlose oder unter dem Marktpreis liegende Abgabe von Jetons, Spielkarten, Spielscheinen oder anderen gegen Geld eintauschbaren Artikeln, die die Teilnahme am Glücksspiel ermöglichen, ist ebenfalls regulatorisch eingeschränkt.
5. In Glücksspieleinrichtungen müssen den Verbrauchern und Nutzern an sichtbarer und leicht zugänglicher Stelle Informationsblätter mit Informationen und Kontaktdaten von Einrichtungen, die sich mit der Behandlung und Rehabilitation von unter Spielsucht leidenden Personen befassen, zur Verfügung stehen. Das für die Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen zuständige Ministerium der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft legt das Format und den Inhalt dieser Informationsblätter fest.
6. Die öffentlichen Medien, deren Verbreitungsgebiet auf die gesamte Valencianische Gemeinschaft oder einen Teil davon begrenzt ist, dürfen weder für vor Ort noch für online stattfindende Glücksspiele Werbung verbreiten. Dieses Verbot gilt auch für Dienste der Informationsgesellschaft und für die Ausstrahlung von Sendungen und Bildern, in denen die Moderatoren, Mitwirkenden oder Gäste bei der Durchführung eines Glücksspiels gezeigt werden oder in denen Einrichtungen, Hallen oder Räumlichkeiten, die mit Glücksspielen in Verbindung stehen, direkt oder indirekt erwähnt oder gezeigt werden, außer in den Fällen, in denen das Ziel darin besteht, das pathologische Glücksspiel oder die Spielsucht zu verhindern oder dafür zu sensibilisieren. Das für Glücksspiele zuständige Ministerium der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft kann bei öffentlichen oder sich in staatlicher Hand befindlichen Glücksspielen Ausnahmen von dieser Beschränkung genehmigen.
7. Es werden Hilfetelefone, Subventionen und/oder Steueranreize für Sportvereine, Verbände oder Medien (insbesondere Online-Medien) gefördert, die Kampagnen zur Prävention und Bekämpfung der Spielsucht durchführen.“
4 Art. 45 Abs. 3 Buchst. b, c und e des Gesetzes 1/2020 bezieht sich auf Bingohallen, Spielhallen bzw. Wettbüros.
5 Art. 45 Abs. 5 und 6 dieses Gesetzes bestimmt:
„5. Einrichtungen, die unter die in Abs. 3 Buchst. c und e dieses Artikels genannten Kategorien fallen, dürfen sich nicht in einem Abstand von weniger als 850 m zu einer von dem für Bildung zuständigen Ministerium der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft für die Durchführung der Sekundarstufe I, der Sekundarstufe II, der Berufsgrundausbildung und der Berufsausbildung in künstlerischen Bereichen zugelassenen Bildungseinrichtung befinden. Diese Abstandsregelung gilt nicht für Glücksspieleinrichtungen außerhalb von Wohngebieten.
6. Einrichtungen, die unter die in Abs. 3 Buchst. b, c und e dieses Artikels genannten Kategorien fallen, dürfen sich nicht in einem Abstand von weniger als 500 m zu einer anderen Einrichtung befinden, die unter eine der in Abs. 3 Buchst. b, c und e dieses Artikels genannten Kategorien fällt.“
6 Die zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 lautete in der zu den Zeitpunkten der Vorlage der Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof geltenden Fassung wie folgt:
„Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte Genehmigungen bleiben für den Zeitraum, für den sie erteilt wurden, gültig. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ist die etwaige Erneuerung oder Verlängerung der Genehmigungen von der Erfüllung der in diesem Gesetz und den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen abhängig; allerdings findet das in Art. 45 Abs. 6 dieses Gesetzes festgelegte Erfordernis des Abstands zwischen Glücksspieleinrichtungen insoweit keine Anwendung.“
7 Die zehnte Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 in der zu den Zeitpunkten der Vorlage der Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof geltenden Fassung bestimmte:
„Die Erteilung neuer Genehmigungen für Glücksspieleinrichtungen sowie neuer Genehmigungen für den Betrieb von Spielautomaten des Typs B oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die zur Aufstellung in Einrichtungen des Gastgewerbes bestimmt sind, wird ab Inkrafttreten dieses Gesetzes für bis zu fünf Jahre ausgesetzt.
Erfüllt im Fall der Bearbeitung eines Antrags auf Erneuerung einer Genehmigung für eine Glücksspieleinrichtung deren aktueller Standort nicht das in Art. 45 Abs. 5 dieses Gesetzes festgelegte Abstandserfordernis, findet die im vorstehenden Absatz genannte Aussetzung bei der Bearbeitung einer neuen Genehmigung für einen anderen Standort keine Anwendung.
Während dieses Zeitraums muss das für Glücksspiele zuständige Ministerium der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft eine Studie über die sozialen Auswirkungen und die die öffentliche Gesundheit betreffenden Auswirkungen der bestehenden Glücksspielvorrichtungen (Glücksspielräumlichkeiten und Spielautomaten in Einrichtungen des Gastgewerbes) erstellen lassen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie muss das für Glücksspiele zuständige Ministerium der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft Beschränkungen im Gebiet der Valencianischen Gemeinschaft in Bezug auf die zulässige Anzahl und Verteilung von Glücksspielräumlichkeiten und Spielautomaten des Typs B oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit für Einrichtungen des Gastgewerbes vorschlagen, wobei Kriterien der öffentlichen Gesundheit, bevölkerungsbezogene, sozioökonomische und territoriale Kriterien zu berücksichtigen sind.“
Dekret 97/2021
8 Art. 4 („Anträge auf Genehmigung für die Errichtung neuer Glücksspieleinrichtungen und für die Eröffnung neuer Wettbüros“) des Decreto 97/2021 del Consell, de medidas urgentes para la aplicación de la Ley 1/2020, de 11 de junio, de la Generalitat, de regulación del juego y de prevención de la ludopatía en la Comunitat Valenciana (Dekret 97/2021 der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft über dringende Maßnahmen zur Anwendung des Gesetzes 1/2020 der Valencianischen Gemeinschaft vom über die Regulierung des Glücksspiels und die Prävention von Spielsucht in der Valencianischen Gemeinschaft) vom (Diari Oficial de la Generalitat Valenciana, Nr. 9143 vom ) (im Folgenden: Dekret 97/2021) bestimmt:
„Innerhalb der sich aus Abs. 1 der zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 ergebenden Frist werden Anträge auf neue Genehmigungen für neue Glücksspieleinrichtungen gemäß den grundlegenden Bestimmungen der [Ley 39/2015 del procedimiento administrativo común de las administraciones públicas (Gesetz 39/2015 über das gemeinsame Verwaltungsverfahren der öffentlichen Verwaltungen) vom ] als offensichtlich unbegründet abgelehnt.“
9 Art. 5 („Genehmigungen für die Erneuerung von Lizenzen für Glücksspieleinrichtungen, die das Abstandserfordernis nicht erfüllen“) dieses Dekrets sieht vor:
„1. Zur Erneuerung der Lizenzen für Glücksspieleinrichtungen, die das in Art. 45 Abs. 5 des Gesetzes 1/2020 festgelegte Abstandserfordernis nicht erfüllen, auf das sich Abs. 2 der zehnten Übergangsbestimmung dieses Gesetzes bezieht, reichen die Inhaber bei der Territorialdirektion des für das Glücksspiel in der betreffenden Provinz zuständigen Ministeriums der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft die für die Bearbeitung der Genehmigung am neuen Standort relevanten Unterlagen ein.
2. Die im vorstehenden Absatz genannten Glücksspieleinrichtungen, deren Genehmigung zwischen dem Datum des Inkrafttretens des neuen Glücksspielgesetzes und dem abläuft, dürfen vorübergehend geöffnet bleiben und ihre Tätigkeit an ihrem Standort fortführen. Zu diesem Zweck müssen sie vor Ablauf dieser Frist eine eidesstattliche Erklärung vorlegen, in der sie bestätigen, dass sie sich in dieser vorübergehenden Situation befinden sowie beabsichtigen, ihre Tätigkeit am neuen Standort fortzuführen und die Glücksspieltätigkeit an ihrem derzeitigen Standort einzustellen, wobei diese nicht länger als neun Monate ab dem Datum der Übermittlung dieser Erklärung fortgeführt werden darf. Innerhalb eines Monats nach Erhalt der Erneuerung der Genehmigung, wobei die Grenze von neun Monaten in keinem Fall überschritten werden darf, muss der Betreiber die alten Räumlichkeiten endgültig schließen und dies der Unterdirektion für Glücksspiel mitteilen, die diese Räumlichkeiten aus dem entsprechenden Register löscht. Werden die alten Räumlichkeiten nicht freiwillig endgültig geschlossen, wird die Einrichtung unbeschadet der Verhängung etwaiger Sanktionen geschlossen.“
10 Art. 6 („Verfahren zur Erneuerung von Lizenzen für Spielhallen, die das Abstandserfordernis nicht erfüllen“) Abs. 11 dieses Dekrets lautet:
„Nach Erteilung der Betriebsgenehmigung führt die Eröffnung neuer zugelassener Bildungseinrichtungen im Sinne von Art. 45 Abs. 5 des Gesetzes 1/2020 nicht zur Schließung der von der Abstandsregelung nachträglich betroffenen Spielhallen. Die Erneuerung der Genehmigung unterliegt jedoch weiterhin den Bestimmungen dieses Gesetzes.“
11 Art. 9 („Genehmigungsverfahren für die Aufstellung und den Austausch von Spielautomaten“) Abs. 1 dieses Dekrets bestimmt:
„Die Aufstellung von Spielautomaten des Typs B oder von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Einrichtungen des Gastgewerbes kann nur genehmigt werden, wenn die entsprechende Betriebsgenehmigung vor Inkrafttreten des Gesetzes erteilt oder beantragt wurde.“
12 Art. 18 („Gewerbliche Informationen an der Außenseite von Glücksspieleinrichtungen“) des Dekrets 97/2021 sieht vor:
„1. An Fassaden, Fenstern oder Glasfronten und Türen von Glücksspieleinrichtungen darf keinerlei Werbung angebracht werden.
2. An Fassaden, Fenstern oder Glasfronten und Türen von Glücksspieleinrichtungen werden folgende gewerbliche Informationen über diese Einrichtungen angebracht:
Art der Glücksspieleinrichtung gemäß der Aufzählung in Art. 45 Abs. 3 des Gesetzes 1/2020;
Handelsname oder Firmenbezeichnung der Einrichtung, sofern diese Glücksspiele nicht verharmlosen, Glücksspiele nicht lobend erwähnen, nicht mittelbar oder unmittelbar zur Ausübung des Glücksspiels auffordern und keine Anspielungen auf Schicksal, Glück, Glückseligkeit oder ähnliche Begriffe, Ausdrücke, Akronyme oder Abkürzungen enthalten;
Logo oder Anagramm, mit denselben Einschränkungen für die Darstellung von Figuren, Gegenständen oder Ähnlichem wie unter Buchst. b, wobei jede Darstellung verboten ist, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Glücksspiel in Verbindung stehende Elemente wie Glücksräder, Spielkarten, Spielscheine, Spielautomaten und Ähnliches wiedergibt;
alle nach geltendem Recht erforderlichen Informationen, wie z.B. die Öffnungszeiten der Einrichtung für die Öffentlichkeit oder andere Pflichtangaben.
3. Glücksspieleinrichtungen mit Schildern, Emblemen oder ähnlichen Elementen, die nicht den vorstehenden Bestimmungen entsprechen, ist eine Frist von drei Monaten ab dem Datum des Inkrafttretens dieses Dekrets eingeräumt, um diese anzupassen oder zu entfernen.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
13 Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren erhoben beim Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Obergericht der Valencianischen Gemeinschaft, Spanien), dem vorlegenden Gericht, Klagen auf Nichtigerklärung mehrerer von der Comunidad Valenciana (Valencianische Gemeinschaft, Spanien) erlassener Bestimmungen zur Regulierung des Glücksspiels und zur Prävention von Spielsucht wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht.
14 Sie beziehen sich insbesondere auf die Artikel des Dekrets 97/2021 zur Umsetzung von Art. 8, Art. 45 Abs. 5 und 6 sowie der zweiten und zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020. Art. 8 dieses Gesetzes sieht Beschränkungen in Bezug auf Werbung und gewerbliche Informationen vor. Art. 45 Abs. 5 und 6 des Gesetzes enthält Niederlassungsbeschränkungen in Bezug auf den zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits einzuhaltenden Mindestabstand, nämlich 850 m, sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst, nämlich 500 m. Die zweite und die zehnte Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 sehen vor, dass die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilten Betriebsgenehmigungen weiterhin gelten und dass etwaige Erneuerungen oder Verlängerungen dieser Genehmigungen den neuen gesetzlichen oder regulatorischen Anforderungen, mit Ausnahme der Anforderung des Mindestabstands zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen, unterliegen. Ferner schreibt diese zehnte Übergangsbestimmung ein Moratorium von höchstens fünf Jahren für die Erteilung neuer Betriebsgenehmigungen vor.
15 Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren vertreten die Auffassung, dass diese Bestimmungen, die weder erforderlich noch verhältnismäßig seien, eine ungerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten.
16 Der Beklagte der Ausgangsverfahren, der Rat für Finanzen und Wirtschaftsmodell der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft, macht dagegen geltend, dass die fraglichen Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar seien, da sie durch das Ziel des Schutzes von Verbrauchern und Minderjährigen gerechtfertigt seien und dem sowohl im nationalen Recht als auch in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Kriterium der Verhältnismäßigkeit (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) genügten.
17 In diesem Zusammenhang und in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die dem Ermessensspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Ziele und Maßnahmen ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele eingeräumt ist, Grenzen gesetzt hat, wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob die in den Ausgangsverfahren beanstandeten Bestimmungen mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar sind. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte die Einführung von Erfordernissen in Bezug auf Mindestabstände mit dem Unionsrecht unvereinbar sein, da andere bereits bestehende Maßnahmen wie das Verbot des Zugangs zu und der Teilnahme an Glücksspielen für Minderjährige und andere gefährdete Personen sowie das Werbeverbot ausreichten, um die verfolgten Ziele zu erreichen. Gleiches müsste für regionale Vorschriften gelten, die die Einhaltung eines dieser Erfordernisse für die Erneuerung zuvor erteilter Betriebsgenehmigungen oder ein Moratorium für die Erteilung neuer Genehmigungen für Glücksspieleinrichtungen und den Betrieb bestimmter Glücksspiele in Einrichtungen des Gastgewerbes vorschrieben.
18 Das vorlegende Gericht fragt sich auch, ob die auferlegten Beschränkungen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Kohärenz beachten, da sie nur für private Wirtschaftsteilnehmer, nicht aber für öffentliche Einrichtungen gelten.
19 Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Obergericht der Valencianischen Gemeinschaft) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV, in denen die Grundsätze der unternehmerischen Freiheit, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs niedergelegt sind, dahin auszulegen, dass damit eine nationale Regelung wie Art. 5 des Dekrets 97/2021 zur Durchführung von Art. 45 Abs. 5 und 6 des Gesetzes 1/2020 vereinbar ist, die einen Mindestabstand von 500 m zwischen Glücksspieleinrichtungen und von 850 m zwischen Glücksspiel- und Bildungseinrichtungen vorschreibt, wenn diese Regelung bereits andere Maßnahmen vorsieht, die weniger restriktiv sind, aber im Hinblick auf den Schutz der Verbraucher, auf das Allgemeininteresse und insbesondere auf Minderjährige als ebenso wirksam angesehen werden können, wie etwa a) das Verbot des Zugangs und der Teilnahme für Minderjährige, Personen, die durch rechtskräftiges Urteil für nicht geschäftsfähig erklärt wurden, Leiter von Sportunternehmen und Schiedsrichter für Aktivitäten, die Gegenstand von Wetten sind, Führungskräfte und Aktionäre von Wettunternehmen, Personen, die Waffen tragen, berauscht sind oder unter dem Einfluss psychotroper Substanzen stehen, die den Ablauf der Spiele stören, Personen, die im Register der vom Zugang zum Glücksspiel ausgeschlossenen Personen eingetragen sind, und b) das Verbot der Werbung, der Förderung oder des Sponsorings und jeder Art kommerzieller Förderung, darunter auch telematische Werbung über soziale Kommunikationsnetzwerke, sowie der Förderung des Glücksspiels außerhalb der Räumlichkeiten, Plakatwerbung auf öffentlichen Straßen und Verkehrsmitteln und Werbung mit Grafiken oder Bildern auf jedwedem Medium?
Unabhängig von der Antwort auf die vorstehende Frage: Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in der zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 vorgesehenen Regelung entgegenstehen, soweit diese vorsieht, dass das Erfordernis eines Abstands von 850 m zwischen Glücksspiel- und Bildungseinrichtungen rückwirkend auch für Glücksspieleinrichtungen, die ohne ein solches Abstandserfordernis errichtet wurden, gilt, wenn für diese nach Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 die Erneuerung der Lizenz oder Genehmigung beantragt wird, da ein solches Erfordernis mit den bereits erwähnten Grundsätzen der unternehmerischen Freiheit, der Niederlassungsfreiheit und der freien Berufsausübung unvereinbar ist?
Unabhängig von der Antwort auf die vorstehenden Fragen: Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in der zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 vorgesehenen entgegenstehen, soweit diese vorsieht, dass ab Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 für die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für Glücksspieleinrichtungen ein Moratorium von fünf Jahren gilt, da eine solche Aussetzung der Erteilung von Erlaubnissen für bis zu fünf Jahre mit den oben genannten Grundsätzen der unternehmerischen Freiheit und der Niederlassungsfreiheit sowie der freien Berufsausübung unvereinbar ist?
Unabhängig von der Antwort auf die vorstehenden Fragen: Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Art. 45 Abs. 5 und 6 des Gesetzes 1/2020 vorgesehenen entgegenstehen, soweit diese Regelung nur private Spielhallen verpflichtet, nicht aber öffentliche Einrichtungen, die auch von den Beschränkungen betreffend Werbung und Zugangskontrollen, denen die erstgenannten unterliegen, ausgenommen und somit von der Erfüllung der folgenden Pflichten befreit sind: a) Einhaltung eines Mindestabstands von 500 m zwischen Glücksspieleinrichtungen und von 850 m zwischen Glücksspiel- und Bildungseinrichtungen; b) rückwirkende Einhaltung eines Mindestabstands von 850 m zwischen Glücksspiel- und Bildungseinrichtungen im Fall von Glücksspieleinrichtungen, die ohne Einhaltung eines solchen Abstands errichtet wurden, wenn für sie nach Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 die Erneuerung ihrer Lizenz oder Genehmigung beantragt wird; c) Anwendung eines Moratoriums für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für Glücksspiel- und Wetteinrichtungen und den Betrieb von Geldspielautomaten?
Stehen die Grundsätze der Einheit des Marktes, der Gleichbehandlung, der einheitlichen Behandlung und der Nichtdiskriminierung betreffend die Marktteilnehmer des Glücksspielsektors diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen?
Stellt die beschriebene Situation einen Vorteil dar, der den Wettbewerb im betreffenden Sektor beeinträchtigt und verfälscht?
20 Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Obergericht der Valencianischen Gemeinschaft) hat auch in der Rechtssache C‑720/23 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Art. 9 des Dekrets 97/2021 vorgesehenen – soweit diese eine Erneuerung von Genehmigungen für den Betrieb von Automaten des Typs B, die vor Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 erteilt wurden, nach deren Inkrafttreten unmöglich macht – und der in der zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 vorgesehenen – soweit diese ein Moratorium von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 für die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für Glücksspieleinrichtungen und für die Erteilung von Genehmigungen für den Betrieb von Automaten des Typs B vorsieht – entgegenstehen, da diese Beschränkungen mit den bereits erwähnten Grundsätzen der unternehmerischen Freiheit und der Niederlassungsfreiheit sowie der freien Berufsausübung und des freien Marktzugangs unvereinbar sind?
Unabhängig von der Antwort auf die vorstehende Frage: Sind die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Art. 9 des Dekrets 97/2021 und der in der zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 vorgesehenen entgegenstehen, soweit diese nur den privaten Sektor (Einrichtungen des Gastgewerbes, in denen solche Automaten des Typs B aufgestellt werden, und indirekt die Hersteller solcher Automaten) beeinträchtigen und diesem Beschränkungen hinsichtlich des Betriebs von Automaten dieses Typs auferlegen, die nicht für öffentliche Spiel- und Wetteinrichtungen gelten, weil diese aufgrund der Art der von ihnen veranstalteten Wetten und Spiele davon ausgenommen sind?
Stehen die Grundsätze der Einheit des Marktes, der Gleichbehandlung, der einheitlichen Behandlung und der Nichtdiskriminierung betreffend die Marktteilnehmer des Glücksspielsektors diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen?
Stellt die beschriebene Situation einen Vorteil dar, der den Wettbewerb im betreffenden Sektor beeinträchtigt und verfälscht?
21 Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom sind die Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑720/23 und C‑721/23 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.
22 Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom sind diese Rechtssachen und die Rechtssache C‑60/24 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
23 ONCE, die spanische und die italienische Regierung sowie die Europäische Kommission machen geltend, dass die Vorabentscheidungsersuchen unzulässig seien, weil die Merkmale der Ausgangsrechtsstreitigkeiten sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats, im vorliegenden Fall des Königreichs Spanien, hinauswiesen. In Bezug auf die vierte Frage in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 sowie die zweite Frage in der Rechtssache C‑720/23 macht ONCE ferner geltend, diese Fragen stünden nicht mit dem Gegenstand der Ausgangsverfahren in Zusammenhang. Darüber hinaus machen ONCE und die spanische Regierung geltend, dass diese beiden Fragen jedenfalls nach Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs für unzulässig zu erklären seien.
24 Als Erstes ist zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen insgesamt darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47).
25 Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass dann, wenn das vorlegende Gericht ihn im Rahmen eines Verfahrens zur Nichtigerklärung von Bestimmungen anruft, die nicht nur für Inländer, sondern auch für die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Geltung haben, die Entscheidung, die das vorlegende Gericht im Anschluss an das Vorabentscheidungsurteil des Gerichtshofs treffen wird, auch in Bezug auf die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten wird, was es rechtfertigt, dass der Gerichtshof die ihm im Zusammenhang mit den die Grundfreiheiten betreffenden Vorschriften des AEU-Vertrags gestellten Fragen trotz des Umstands beantwortet, dass die Merkmale des Ausgangsrechtsstreits sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (Urteile vom , Cilevičs u.a., C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom , Prestige and Limousine, C‑50/21, EU:C:2023:448, Rn. 49).
26 Insoweit geht aus den Vorabentscheidungsersuchen und der Antwort des vorlegenden Gerichts vom auf ein Ersuchen des Gerichtshofs um Klarstellung nach Art. 101 der Verfahrensordnung hervor, dass die Ausgangsrechtsstreitigkeiten die Anfechtung eines regionalen Gesetzes und einer regionalen Verordnung betreffen, die als allgemeine Bestimmungen nicht nur für Inländer gelten, sondern auch für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in der Valencianischen Gemeinschaft niederlassen wollen, so dass die vorliegenden Ausgangsverfahren über die nationale Ebene hinausgehen. Insoweit ist folglich die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung der Grundfreiheiten für die Entscheidung dieser Rechtsstreitigkeiten erforderlich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Cilevičs u.a., C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 34).
27 Was als Zweites die Zulässigkeit der vierten Frage in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 sowie der zweiten Frage in der Rechtssache C‑720/23 betrifft, die mit der Begründung bestritten wird, dass zum einen die Antwort auf diese Fragen für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht zweckdienlich wäre und zum anderen das vorlegende Gericht keine näheren Angaben zu den Bestimmungen des nationalen Rechts, die für auf nationaler Ebene veranstaltete Lotterien und Wetten gelten, und zu den für „öffentliche Glücksspieleinrichtungen“ geltenden Rechtsvorschriften mache, so ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das durch Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten die Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (Urteil vom , Ente Cambiano società cooperativa per azioni, C‑660/22, EU:C:2024:152, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Da das Vorabentscheidungsersuchen als Grundlage dieses Verfahrens dient, hat das nationale Gericht in diesem Ersuchen selbst den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits darzulegen und die erforderlichen Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Vorschriften des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang zu geben, den es zwischen diesen Vorschriften und der auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Regelung herstellt (Urteil vom , Presidenza del Consiglio dei ministri u.a., [Vergütung von ehrenamtlichen Richtern und Staatsanwälten], C‑548/22, EU:C:2024:730, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Insoweit ist hervorzuheben, dass die Informationen in den Vorabentscheidungsersuchen zum einen dazu dienen, den Gerichtshof in die Lage zu versetzen, zweckdienliche Antworten auf die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen zu geben, und zum anderen dazu, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Ausübung des ihnen durch Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union verliehenen Rechts zur Abgabe von Erklärungen zu ermöglichen. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass dieses Recht gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (Urteil vom , Ente Cambiano società cooperativa per azioni, C‑660/22, EU:C:2024:152, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Diese kumulativen Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens sind ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung aufgeführt, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben sollte und den es sorgfältig zu beachten hat. Auf diese Anforderungen wird auch in den Nrn. 13, 15 und 16 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) hingewiesen (Urteil vom , Ente Cambiano società cooperativa per azioni, C‑660/22, EU:C:2024:152, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Mit der vierten Frage in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 sowie mit der zweiten Frage in der Rechtssache C‑720/23 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die nur die privaten Glücksspieleinrichtungen, nicht aber die öffentlichen Glücksspieleinrichtungen bestimmten Verpflichtungen im Bereich des Glücksspiels und der Prävention von Spielsucht unterwirft.
32 Allerdings definiert das vorlegende Gericht den von ihm verwendeten Begriff „öffentliche Glücksspieleinrichtungen“ nicht, gibt nicht den auf diese Einrichtungen anwendbaren nationalen Rechtsrahmen an und legt nicht dar, welche Beschränkungen für diese Einrichtungen möglicherweise gelten.
33 Zudem richtet sich die Anwendbarkeit der den Vorlagefragen zugrunde liegenden Beschränkungen, die nach den Angaben in den Vorlageentscheidungen Spielkasinos, Bingohallen, Spielhallen, Spielotheken, Wettbüros und sonstige für die Aufstellung von Spielautomaten zugelassene Räumlichkeiten betreffen, nicht danach, ob die Einrichtungen, in denen die betreffenden Spiele veranstaltet oder solche Automaten aufgestellt werden, öffentlich oder privat sind. Hierzu ist festzustellen, dass nach den Angaben der spanischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen die Zuständigkeit für die Regelung des Glücksspiels in Spanien zwischen dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften geteilt ist. Die spanische Regierung führt aus, die jeweiligen Zuständigkeiten beruhten nicht auf einer Unterscheidung zwischen „öffentlichen Glücksspieleinrichtungen“ und „privaten Glücksspieleinrichtungen“, sondern auf dem räumlichen Geltungsbereich der Regelung, der von Fall zu Fall je nach Art des betreffenden Spiels unterschiedlich sei. So sei die Zuständigkeit für die Regelung von staatlichen Lotterien und Online-Glücksspielen auf nationaler Ebene dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, während die Autonomen Gemeinschaften diese Zuständigkeit für die anderen Arten von Glücksspielen in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ausüben könnten, ohne dass es darauf ankomme, ob die Einrichtungen öffentlich oder privat seien.
34 In diesem Zusammenhang erläutert das vorlegende Gericht nicht die Gründe, die es zu der Annahme veranlasst haben, dass es einen einheitlichen Markt für die verschiedenen Arten von Glücksspielen gibt, so dass eine unterschiedliche Regelung der verschiedenen Arten von Glücksspielen den Wettbewerb beeinträchtigen würde.
35 Nach alledem ist festzustellen, dass die vierte Frage in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 und die zweite Frage in der Rechtssache C‑720/23 nicht den Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung genügen und daher für unzulässig zu erklären sind.
Zur Beantwortung der Fragen
Vorbemerkungen
36 Mit seinen ersten drei Fragen in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 sowie mit der ersten Frage in der Rechtssache C‑720/23, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 26, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmern des Glücksspielsektors erstens bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst einzuhaltenden Mindestabstände, zweitens eine zeitliche Begrenzung des Betriebs von in Einrichtungen des Gastgewerbes aufgestellten Geldspielautomaten des sogenannten „Typs B“ oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit und drittens ein Moratorium in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für den Betrieb von Glücksspieleinrichtungen auferlegt.
37 In Bezug auf Art. 56 AEUV ist darauf hinzuweisen, dass in Fällen, in denen eine nationale Maßnahme gleichzeitig mit mehreren Grundfreiheiten im Zusammenhang steht, der Gerichtshof sie grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser Freiheiten prüft, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen des Einzelfalls die anderen Freiheiten dieser ersten gegenüber völlig zweitrangig sind und ihr zugeordnet werden können (Urteil vom , Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Da die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Voraussetzungen festlegt, denen die Betreiber bestimmter Arten von Glücksspielen unterliegen, wenn sie sich niederlassen und die für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlichen Genehmigungen erhalten möchten, kann diese Regelung vor allem eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, während etwaige Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit nur eine Folge etwaiger Beschränkungen der ersten dieser Freiheiten sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Van der Weegen u.a., C‑580/15, EU:C:2017:429, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Zu Art. 26 AEUV ist festzustellen, dass ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akten die Ausgangsrechtsstreitigkeiten nicht die Zuständigkeit der Europäischen Union oder ihrer Organe für den Erlass der in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen betrifft.
40 Somit hat sich der Gerichtshof nicht zu den Art. 26 und 56 AEUV zu äußern.
Zu den Beschränkungen der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit
41 Als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (Urteil vom , Edil Work 2 und S.T., C‑276/22, EU:C:2024:348, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Wie sich oben aus Rn. 14 ergibt, sehen die beanstandeten Maßnahmen der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung, die Gegenstand der Vorlagefragen und oben in Rn. 36 angeführt sind, Folgendes vor: erstens ein Abstandserfordernis von 850 m zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros und bestimmten Bildungseinrichtungen, zweitens ein Abstandserfordernis von 500 m zwischen Spielhallen, Bingohallen und Wettbüros selbst, drittens die Auflage für bestehende Spielhallen und Wettbüros, dem ersten dieser Erfordernisse zu genügen, um die Erneuerung ihrer Genehmigung oder Lizenz zu erhalten, viertens das Verbot, die Genehmigungen zum Betrieb von in Einrichtungen des Gastgewerbes nach dem Inkrafttreten des Gesetzes 1/2020 aufgestellten Geldspielautomaten des Typs B oder von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit zu erneuern und fünftens ein Moratorium von höchstens fünf Jahren für die Erteilung neuer Genehmigungen und Lizenzen für Glücksspieleinrichtungen und den Betrieb von Geldspielautomaten des Typs B oder von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit (im Folgenden zusammen: in Rede stehende Maßnahmen).
43 Diese durch Art. 45 Abs. 5 und 6 sowie die zweite und die zehnte Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 in Verbindung mit den Art. 4 bis 6 und 9 des Dekrets 97/2021 eingeführten und den Wirtschaftsteilnehmern des Glücksspielsektors auf regionaler Ebene auferlegten Maßnahmen sind fraglos geeignet, die Ausübung der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit weniger attraktiv oder gar unmöglich zu machen, da sie die Möglichkeit der Unternehmen, bestimmte Glücksspieldienstleistungen als wirtschaftliche Tätigkeit in der betreffenden Region zu erbringen, beschränken oder die Wirtschaftsteilnehmer, die bereits solche Dienstleistungen erbringen, daran hindern, ihre Investitionen rentabel zu gestalten.
44 Darüber hinaus hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine mitgliedstaatliche Regelung, die die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit vom Erhalt einer Konzession abhängig macht und mehrere Gründe für den Widerruf der Konzession vorsieht, eine Beschränkung u.a. dieser Freiheit darstellt (Urteil vom , Stanley International Betting und Stanleybet Malta, C‑375/17, EU:C:2018:1026, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Die in Rede stehenden Maßnahmen stellen somit Beschränkungen der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit dar.
Zur Rechtfertigung der Beschränkungen der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit
46 Es ist zu beurteilen, inwieweit die durch die in Rede stehenden Maßnahmen aufgestellten Beschränkungen als im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehene Ausnahmeregelungen zugelassen werden oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , OL [Verlängerung italienischer Konzessionen], C‑517/20, EU:C:2023:219, Rn. 49).
47 Art. 52 Abs. 1 AEUV lässt Beschränkungen zu, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses herausgestellt wie die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen, die ebenfalls Beschränkungen rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Sjöberg und Gerdin, C‑447/08 und C‑448/08, EU:C:2010:415, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
48 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung dieses Bereichs durch die Union verfügen die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des ihnen am geeignetsten erscheinenden Niveaus des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung über ein weites Ermessen (Urteil vom , Admiral Gaming Network u.a., C‑475/20 bis C‑482/20, EU:C:2022:714, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Es steht den Mitgliedstaaten daher frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (Urteil vom , Landespolizeidirektion Steiermark [Glücksspielautomaten], C‑231/20, EU:C:2021:845, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Im vorliegenden Fall geht aus der Präambel des Gesetzes 1/2020 hervor, dass das Ziel der in Rede stehenden Maßnahmen darin besteht, erstens den Kontakt von Minderjährigen mit Glücksspielangeboten auf ihrem täglichen Weg zu Bildungseinrichtungen zu verringern, da ein solcher Kontakt zu einer Normalisierung der Glücksspieleinrichtungen als Orte der Freizeitgestaltung in deren Gruppenfreizeitmodell führe, zweitens das Risiko für die Entwicklung von Spielsucht insbesondere von Minderjährigen in Anbetracht der psychischen Anfälligkeit von Personen in diesem Lebensabschnitt zu verringern, drittens die erhebliche Zunahme der Anzahl von Spielhallen und Wettbüros im Stadtgefüge der Autonomen Gemeinschaft Valencia zu bekämpfen, viertens die Gesundheit sozial besonders gefährdeter Personen zu schützen sowie die mit Glücksspielen verbundenen sozialen und gesundheitlichen Risiken zu minimieren, fünftens die räumliche Konzentration von Glücksspieleinrichtungen in städtischen Enklaven zu verringern, um die Gefahr des übermäßigen Kontakts der Bevölkerung mit diesen Spielen in ihrem täglichen Umfeld zu verringern und eine ausgewogene, nachhaltige und gesunde Entwicklung des städtischen Umfelds und der sozioökonomischen Aktivitäten zu fördern, sowie sechstens sicherzustellen, dass Minderjährige keinen Zugang zu Geldspielautomaten des Typs B oder zu Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Einrichtungen des Gastgewerbes haben.
51 Der Rat für Finanzen und Wirtschaftsmodell der Regierung der Valencianischen Gemeinschaft und die spanische Regierung sind ganz allgemein der Ansicht, dass die in Rede stehenden Maßnahmen auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit, insbesondere die Prävention von Spielsucht, den Schutz gefährdeter Personengruppen und die Abschwächung der sozialen Auswirkungen von Glücksspielen und Wetten abzielten.
52 Aus der oben in Rn. 47 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass angesichts der Besonderheit der Lage im Zusammenhang mit Glücksspielen solche Ziele mit der angefochtenen nationalen Regelung verfolgt werden und zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, die geeignet sind, Beschränkungen von Grundfreiheiten wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beschränkungen zu rechtfertigen, sofern sie mit den in Rede stehenden Maßnahmen tatsächlich verfolgt werden, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Daraus folgt, dass die Beschränkungen der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit durch die in Rede stehenden Maßnahmen im Hinblick auf die oben in den Rn. 50 und 51 genannten Ziele gerechtfertigt erscheinen.
Zur Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen der durch Art. 49 AEUV garantierten Freiheit
54 Im Einklang mit der oben in Rn. 49 angeführten Rechtsprechung ist die Verhältnismäßigkeit der mit den in Rede stehenden Maßnahmen eingeführten Beschränkungen zu prüfen und somit festzustellen, ob diese Beschränkungen geeignet sind, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen, wobei insbesondere sicherzustellen ist, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom , Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56 Im vorliegenden Fall geht in Bezug auf die ersten drei in Rede stehenden Maßnahmen, die sich auf die Mindestabstände zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst beziehen, aus der Präambel des Gesetzes 1/2020 hervor, dass die Regierung der Valencianischen Gemeinschaft diese Maßnahmen auf der Grundlage von Studien getroffen hat, die die negativen Auswirkungen des übermäßigen Kontakts von Minderjährigen mit Glücksspielen zeigen, sowie auf der Grundlage von Statistiken, aus denen hervorgeht, dass sich in den Jahren vor dem Erlass dieses Gesetzes in der Valencianischen Gemeinschaft die Zahl der Glücksspieleinrichtungen mehr als verdoppelt und die Zahl der Wettbüros vervierfacht hatte. Es zeigt sich somit, dass diese Maßnahmen nicht willkürlich erlassen wurden, sondern auf spezifischen Daten beruhen.
57 Was die Frage betrifft, ob die in Rede stehenden Maßnahmen über das hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist, kann allein aus der Existenz anderer Maßnahmen wie des Verbots des Zugangs zu Glücksspieleinrichtungen für Minderjährige und des Werbeverbots für solche Einrichtungen, auf die das vorlegende Gericht hingewiesen hat, nicht geschlossen werden, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nicht erforderlich wären, um diese Ziele zu erreichen.
58 Überdies ist das allgemeine Ziel der Maßnahmen, die bereits vor den in Rede stehenden Maßnahmen bestanden, zwar ebenfalls der Schutz der öffentlichen Gesundheit, allerdings wirken sie sich auf andere Aspekte des Kontakts mit Glücksspielen aus. Während die Maßnahmen, die Minderjährigen den Zugang zu Glücksspieleinrichtungen verbieten, verhindern sollen, dass sich Minderjährige dem Glücksspiel hingeben, soll die Auflage von Mindestabständen zwischen solchen Einrichtungen sowie zwischen Glücksspieleinrichtungen und bestimmten Bildungseinrichtungen verhindern, dass Minderjährige und andere gefährdete Gruppen der Bevölkerung übermäßig mit Glücksspielen in Kontakt kommen und diese zur Normalität in ihrem täglichen Leben werden. Ferner soll das Werbeverbot die Förderung von Glücksspielen verhindern, während der Mindestabstand zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen darauf abzielt, die räumliche Konzentration dieser Einrichtungen zu verringern.
59 Was den Umstand betrifft, dass bereits im Betrieb befindliche Spielhallen, Wettbüros und Bingohallen neue Abstandsauflagen einhalten müssen, damit ihre Genehmigung oder Lizenz erneuert werden kann, was zu einer Einstellung der Tätigkeit führen kann, wenn der erforderliche Abstand nicht eingehalten wird, so bedeutet dieser Umstand nicht zwangsläufig, dass eine solche Maßnahme als über das Erforderliche hinausgehend angesehen werden muss.
60 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wenn die Abstandsauflagen nur für neue Betreiber gelten würden, dies den bestehenden Einrichtungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde, der dazu führen würde, dass der Zugang dieser neuen Betreiber zum Markt umso mehr behindert würde (vgl. entsprechend Urteil vom , Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 58).
61 Zum anderen wurde die besondere Situation der bereits vor dem Inkrafttreten der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung betriebenen Glücksspieleinrichtungen im Rahmen dieser Regelung berücksichtigt. Nach der zweiten und der zehnten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2020 sowie Art. 5 des Dekrets 97/2021 ist die Erneuerung der Betriebsgenehmigungen dieser Einrichtungen nämlich erstens nicht von der Einhaltung des Abstandserfordernisses zu anderen Glücksspieleinrichtungen abhängig und zweitens trotz des Moratoriums für die Erteilung neuer Genehmigungen möglich, wenn der Sitz einer solchen Einrichtung verlegt wird, um dem Abstandserfordernis zu einer unter diese Regelung fallenden Bildungseinrichtung zu genügen, wobei im Übrigen eine Frist für die Verlegung von Glücksspieleinrichtungen, deren Erlaubnis vor dem ablief, gewährt wurde.
62 Die vierte in Rede stehende Maßnahme, die verhindert, dass Genehmigungen zum Betrieb von in Einrichtungen des Gastgewerbes aufgestellten Geldspielautomaten des Typs B oder von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit erneuert werden, erscheint vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, ohne über das hierfür Erforderliche hinauszugehen. Diese Maßnahme, die wie die ersten drei in Rede stehenden Maßnahmen auf der Grundlage von in der Präambel des Gesetzes 1/2020 erwähnten Studien erlassen wurde, soll nämlich verhindern, dass Minderjährige an Orten, an denen Zugangskontrollen unmöglich sind, Zugang zu solchen Automaten haben.
63 Soweit schließlich die fünfte in Rede stehende Maßnahme ein Moratorium von höchstens fünf Jahren für die Erteilung neuer Genehmigungen und Lizenzen für Glücksspieleinrichtungen und den Betrieb von Geldspielautomaten des Typs B oder von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit vorsieht, fügt sie sich in das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit ein und zielt darauf ab, die Konzentration der Glücksspieleinrichtungen nach ihrem starkem Zuwachs in der Autonomen Gemeinschaft Valencia zu verringern, der in den Jahren vor dem Erlass des Gesetzes 1/2020 besonders spürbar gewesen war und mit einer Zunahme der Zahl der unter Spielsucht leidenden Personen und zunehmenden sozialen Problemen im Zusammenhang mit der Verbreitung von Glücksspieleinrichtungen einherging.
64 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Beurteilung der Frage, ob es erforderlich ist, Glücksspieltätigkeiten nicht nur zu beschränken, sondern sogar zu verbieten, Sache der Mitgliedstaaten ist, sofern diese Beschränkungen nicht diskriminierend sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Zenatti, C‑67/98, EU:C:1999:514, Rn. 15 und 16). So hat der Gerichtshof entschieden, dass Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein können, jedoch in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen (Urteil vom , Placanica u.a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 53); diese Voraussetzung zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
65 Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch in diesem Zusammenhang, ob der bloße Umstand, dass Glücksspieleinrichtungen und Geldspielautomaten des Typs B oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht vollständig verboten sind, belegen kann, dass das Moratorium von fünf Jahren nicht darauf abzielt, das verfolgte Ziel zu erreichen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Umstand, dass bestimmte Glücksspiele nicht vollständig verboten sind, nicht für den Nachweis genügt, dass die nationale Regelung die Ziele, die in ihr aufgeführt werden und die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind, nicht wirklich zu erreichen sucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Zenatti, C‑67/98, EU:C:1999:514, Rn. 35).
66 Vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen erscheint die fünfte in Rede stehende Maßnahme daher nicht unverhältnismäßig, wobei dahinstehen kann, ob eine Studie über die sozialen Auswirkungen und die die öffentliche Gesundheit betreffenden Auswirkungen der bestehenden Glücksspielvorrichtungen durchgeführt werden sollte. Einem Mitgliedstaat wird nämlich nicht die Möglichkeit genommen, zu belegen, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen genügt, nur weil er keine Untersuchungen vorlegen kann, die dem Erlass der fraglichen Regelung zugrunde lagen (Urteil vom , Stoß u.a., C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, EU:C:2010:504, Rn. 72).
67 Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen in den Rechtssachen C‑718/23, C‑719/23, C‑721/23 und C‑60/24 sowie auf die erste Frage in der Rechtssache C‑720/23 zu antworten, dass Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, die Wirtschaftsteilnehmern des Glücksspielsektors erstens bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der Mindestabstände zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst, zweitens eine zeitliche Begrenzung des Betriebs von in Einrichtungen des Gastgewerbes aufgestellten Geldspielautomaten des sogenannten „Typs B“ oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit und drittens ein Moratorium in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für den Betrieb von Glücksspieleinrichtungen auferlegt, nicht entgegensteht, soweit das nationale Gericht zu dem Schluss gelangt, dass diese Beschränkungen als im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehene Ausnahmeregelungen zugelassen werden oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können sowie geeignet sind, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen.
Kosten
68 Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die Wirtschaftsteilnehmern des Glücksspielsektors erstens bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der Mindestabstände zwischen Spielhallen bzw. Wettbüros einerseits und bestimmten Bildungseinrichtungen andererseits sowie zwischen bestimmten Glücksspieleinrichtungen selbst, zweitens eine zeitliche Begrenzung des Betriebs von in Einrichtungen des Gastgewerbes aufgestellten Geldspielautomaten des sogenannten „Typs B“ oder Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit und drittens ein Moratorium in Bezug auf die Erteilung neuer Lizenzen oder Genehmigungen für den Betrieb von Glücksspieleinrichtungen auferlegt, nicht entgegensteht, soweit das nationale Gericht zu dem Schluss gelangt, dass diese Beschränkungen als im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zugelassen werden oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können sowie geeignet sind, die Erreichung der verfolgten Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:797
Fundstelle(n):
DAAAK-03991