Besteuerung deutscher Rentner in Portugal - Status des „residente não habitual“ im DBA-Portugal
Leitsatz
1. Rentenzahlungen, die ein früherer Freiberufler aus einem berufsständischen Versorgungswerk erhält, fallen unter die Auffangklausel des Art. 22 DBA-Portugal und sind insbesondere nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 DBA-Portugal) anzusehen.
2. Die in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal enthaltene Rückfallklausel (Subject-to-tax-Klausel) ist dahingehend auszulegen, dass das Besteuerungsrecht für aus der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gezahlte Renten, das grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat (hier: Portugiesische Republik —Portugal—) liegt, an Deutschland zurückfällt, wenn es sich beim Steuerpflichtigen um eine neu nach Portugal zugezogene Person handelt, die dort aufgrund eines vor dem bei der portugiesischen Steuerverwaltung gestellten Antrags den Status eines „residente não habitual“ hat und mit ihren Renteneinkünften in den ersten zehn Jahren steuerfrei gestellt wird.
Gesetze: DBA Portugal Art. 3 Abs. 2; DBA Portugal Art. 14; DBA Portugal Art. 18; DBA Portugal Art. 22 Abs. 1 Satz 1, 2; EStG § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 7;
Instanzenzug: (EFG 2024, 286)
Gründe
I.
1 Der einzeln veranlagte Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt nach seinen Angaben seit Dezember 2018 in Portugal. Er bezog —neben anderen Einkünften— im Streitjahr 2019 von einem deutschen berufsständischen Versorgungswerk Rentenzahlungen von 193.941 € (davon Rentennachzahlungen 157.000 €) und von einer deutschen Lebensversicherungsgesellschaft (L) Rentenzahlungen von 254.506 € (davon Rentennachzahlungen 157.130 €). Zu den Rechtsgrundlagen der beiden Rentenzahlungen hat das Finanzgericht (FG) keine Feststellungen getroffen.
2 Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärung und setzte die Einkommensteuer auf 82.521 € fest. Er behandelte die vom Versorgungswerk geleisteten Zahlungen als Rente aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes (EStG) und unterwarf den gesetzlichen Besteuerungsanteil der Einkommensteuer. Die von L gezahlte Rente sah das FA als abgekürzte Leibrente an (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) und legte der Besteuerung einen Ertragsanteil von 7 % zugrunde. Ferner setzte das FA wegen Nichtabgabe der Steuererklärung einen Verspätungszuschlag von 1.309 € fest.
3 Im anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung nach. Außerdem übermittelte er eine Bescheinigung der portugiesischen Steuerbehörde über seine steuerliche Ansässigkeit in der Portugiesischen Republik —Portugal— („residência fiscal“) sowie die Zuerkennung des Status als „residente não habitual“ (RNH-Status) für den Zeitraum von 2019 bis 2028. Er machte geltend, das Besteuerungsrecht für die Renten liege nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom (BGBl II 1982, 129) —DBA-Portugal— beim Ansässigkeitsstaat Portugal.
4 Nach den Feststellungen des FG zum portugiesischen Recht bedeutete der RNH-Status nach damaliger Rechtslage, dass eine aus einem anderen Staat neu nach Portugal zugezogene Person zehn Jahre lang keine portugiesische Einkommensteuer auf Renten und bestimmte andere Einkünfte zahlen muss.
5 Die Einsprüche hatten nur insoweit Erfolg, als das FA die Einkommensteuer im Hinblick auf die Angaben des Klägers zu seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf 76.272 € herabsetzte. In Bezug auf die beiden Renten führte das FA aus, diese seien zu Recht in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) besteuert worden. Zwar liege das Besteuerungsrecht gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal grundsätzlich bei Portugal als dem Ansässigkeitsstaat. Weil Portugal die Renteneinkünfte aufgrund des RNH-Status des Klägers jedoch nicht besteuere, weise die Rückfallklausel des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal wieder Deutschland das Besteuerungsrecht zu.
6 Den Verspätungszuschlag minderte das FA angesichts der Herabsetzung der Einkommensteuer auf 1.184 € und wies auch diesen Einspruch im Übrigen zurück, da der Verspätungszuschlag rechtmäßig und ermessensgerecht sei.
7 Mit seinen —gegen die Festsetzungen sowohl der Einkommensteuer als auch des Verspätungszuschlags gerichteten und später vom FG verbundenen— Klagen machte der Kläger geltend, alle Rentenzahlungen fielen unter Art. 18 DBA-Portugal (Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen für frühere unselbständige Tätigkeit). In Bezug auf die vom Versorgungswerk gezahlte Rente sei hilfsweise Art. 14 DBA-Portugal anzuwenden (Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit), da die Rente ihre Grundlage in der früheren freiberuflichen Tätigkeit des Klägers habe. Das Versorgungswerk arbeite nach dem Kapitaldeckungsverfahren und erhalte keine staatlichen Zuschüsse.
8 Selbst wenn sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts an Portugal erst aus Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal ergeben sollte, wären jedenfalls die Voraussetzungen der Rückfallklausel nicht erfüllt. Die Renten seien in Portugal weiterhin sachlich steuerpflichtig und unterlägen zudem dem Progressionsvorbehalt. Es werde lediglich ein Nullsteuersatz angewendet. Dies gehe auch aus der vom Kläger in Portugal eingereichten Einkommensteuererklärung und aus seinem dortigen Einkommensteuerbescheid hervor. Die vorgelegte Bescheinigung der portugiesischen Steuerbehörde sei im Hinblick auf die Zuweisung des Besteuerungsrechts an Portugal bindend.
9 Das FG forderte den Kläger zur Vorlage seines portugiesischen Einkommensteuerbescheids für 2019 auf. Dem kam der Kläger nicht nach. Er legte nur seine portugiesische Einkommensteuererklärung vor. Angaben zu den beiden vom Kläger bezogenen Renten sind darin nicht enthalten.
10 Das FG wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2024, 286). Die Rentenzahlungen fielen weder unter Art. 18 noch unter Art. 14 DBA-Portugal. Sie seien nicht als nachträgliche Vergütungen für erbrachte Dienste anzusehen, sondern beruhten auf eigenständigen vertraglichen Ansprüchen. Damit sei Art. 22 Abs. 1 DBA-Portugal anwendbar. Da Portugal auf die Besteuerung von Alterseinkünften zehn Jahre lang gänzlich verzichte, falle das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei ebenfalls rechtmäßig.
11 Mit seiner Revision wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Klageverfahren.
12 Während des Revisionsverfahrens hat das FA am einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2019 erlassen, mit dem es Vorläufigkeitsvermerke aufgehoben hat. Die Beteiligten haben erklärt, dass dieser Bescheid den materiellen Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits nicht berührt.
13 Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es zur Einkommensteuer 2019 ergangen ist, und den Einkommensteuerbescheid 2019 vom dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens von 46.162 € festgesetzt wird.
14 Das FA beantragt,
die Revision in Bezug auf den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 2019 als unzulässig zu verwerfen und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.
15 Es schließt sich der Auffassung des FG an und weist darauf hin, dass es sich bei den vom Kläger während des Revisionsverfahrens vorgelegten Unterlagen —entgegen dessen Behauptung— nicht um den portugiesischen Einkommensteuerbescheid, sondern um die dortige Einkommensteuererklärung handele.
II.
16 Die Revision ist in Bezug auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 2019 unzulässig.
17 1. Dieser Verwaltungsakt ist Gegenstand des Revisionsverfahrens. Der Kläger hat im Betreff sowohl der Revisionseinlegungsschrift als auch der Revisionsbegründung neben der Einkommensteuer 2019 ausdrücklich auch den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 2019 bezeichnet, ohne erkennen zu lassen, dass er das vorinstanzliche Urteil nur teilweise angreifen möchte. Folglich bezieht sich die Revision auf sämtliche Verwaltungsakte, die Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen sind. Der Kläger hat sein Rechtsmittel im weiteren Verlauf des Revisionsverfahrens nicht auf einzelne dieser Verwaltungsakte beschränkt (ebenso zu einem vergleichbaren Fall , BFHE 207, 429, BStBl II 2005, 867, unter II.1.; ausführlich Senatsbeschluss vom - X B 128/15, BFH/NV 2016, 771, Rz 12 ff.). Zwar hat er im Rahmen der Revisionsbegründungsschrift einen Antrag nur für die Einkommensteuer 2019 formuliert, jedoch anders als in dem Sachverhalt, der etwa dem Senatsurteil vom - X R 4/11 (BFH/NV 2015, 853) zugrunde lag, auch in der Folgezeit im Betreff sämtlicher Schriftsätze den Verspätungszuschlag 2019 mitgeführt. Das reicht für eine Beschränkung des Begehrens auf die Einkommensteuer 2019 nicht aus.
18 2. Hinsichtlich des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 2019 fehlt es indes an der von § 120 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geforderten Revisionsbegründung, die auf jeden einzelnen Streitgegenstand bezogen sein muss (vgl. hierzu , BFHE 228, 509, BStBl II 2010, 622, Rz 26). Die im vorliegenden Verfahren eingereichte Revisionsbegründung befasst sich ausschließlich mit der Einkommensteuer 2019, enthält aber keine Ausführungen dazu, weshalb das angefochtene Urteil in Bezug auf den Verspätungszuschlag rechtsfehlerhaft sein soll.
III.
19 In Bezug auf die Einkommensteuer 2019 ist die Revision zwar gemessen an den Vorgaben des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO noch zulässig. Sie ist aber mit der Maßgabe unbegründet, dass das angefochtene Urteil wegen des im Revisionsverfahren ergangenen Änderungsbescheids aufzuheben und die Klage erneut abzuweisen ist, und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen (dazu unten 1.). Der Kläger ist mit den Einkünften aus den beiden Renten in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (dazu unten 2.). Zwar liegt das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal —die vom Kläger angeführten spezielleren Zuweisungsregeln der Art. 14 und 18 DBA-Portugal sind vorliegend nicht einschlägig— grundsätzlich nur bei Portugal (unten 3.). Weil die Renteneinkünfte des Klägers in Portugal jedoch nicht der Einkommensteuer unterliegen, können sie nach der Rückfallklausel des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal in Deutschland besteuert werden (unten 4.).
20 1. Das angefochtene Urteil ist in Bezug auf die Einkommensteuer 2019 aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der nach Ergehen dieses Urteils erlassene Änderungsbescheid an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Bescheids getreten ist. Weil dem FG-Urteil daher ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand mehr haben. Einer Zurückverweisung bedarf es nicht, weil die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die Änderung des angefochtenen Bescheids unberührt geblieben sind und das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet (zum Ganzen vgl. , BFHE 265, 56, BStBl II 2022, 266, Rz 11).
21 2. Da der Kläger nach den Ausführungen des FG, denen die Beteiligten nicht widersprochen haben, im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist er in Deutschland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sondern unterliegt lediglich mit seinen inländischen Einkünften (§ 49 EStG) der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG.
22 a) Zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften gehören gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG unter anderem sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, die von den inländischen Rentenversicherungsträgern, der inländischen landwirtschaftlichen Alterskasse, den inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen, den inländischen Versicherungsunternehmen oder sonstigen inländischen Zahlstellen gewährt werden.
23 b) Auch wenn das FG keine näheren Feststellungen zu den Grundlagen der beiden vom Kläger bezogenen Renten getroffen hat, fällt jedenfalls die vom berufsständischen Versorgungswerk gezahlte Rente ohne Weiteres unter § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
24 In Bezug auf die von L —einem inländischen Versicherungsunternehmen— gezahlte Rente gehen die Beteiligten und das FG ersichtlich übereinstimmend davon aus, dass diese ebenfalls von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG —und damit von § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG— erfasst wird. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das Fehlen von Tatsachenfeststellungen des FG zu den beiden Renten zu beanstanden.
25 3. Für die von der L gezahlte Rente ist zwischen den Beteiligten mittlerweile —zu Recht— unstreitig, dass diese unter Art. 22 Abs. 1 DBA-Portugal fällt, weil hierfür keine andere Bestimmung des DBA-Portugal einschlägig ist. Aber auch in Bezug auf die vom Versorgungswerk gezahlte Rente hat das FG jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden, dass insoweit weder Art. 18 DBA-Portugal (dazu unten a) noch Art. 14 DBA-Portugal (unten b), sondern die Auffangvorschrift des Art. 22 Abs. 1 DBA-Portugal anzuwenden ist (unten c).
26 a) Nach Art. 18 DBA-Portugal können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
27 aa) Dass diese Bestimmung im Streitfall nicht einschlägig ist, folgt —ohne dass es noch auf die vom FG hierzu angestellten Erwägungen ankäme— bereits aus der von der Vorinstanz und den Beteiligten nicht berücksichtigten Auslegungsregel des Art. 3 Abs. 2 DBA-Portugal. Danach hat bei der Anwendung des DBA-Portugal durch einen Vertragsstaat jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert. Wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Abgrenzung der Einkunftsarten nicht regelt, ist diese Abgrenzung bei der Rechtsanwendung durch deutsche Behörden und Gerichte daher nach deutschem Einkommensteuerrecht vorzunehmen (ebenso zum —mit Art. 3 Abs. 2 DBA-Portugal weitestgehend gleichlautenden— Art. II Abs. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970 , BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 25; zu den Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 3 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweden und Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz , BFHE 262, 354, BStBl II 2023, 430, Rz 13, m.w.N. zur älteren BFH-Rechtsprechung).
28 bb) Die in Art. 18 DBA-Portugal verwendeten Begriffe „Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen“ sowie „frühere unselbständige Arbeit“ sind im DBA-Portugal nicht definiert. Auch der Zusammenhang der Abkommensbestimmungen erfordert keine abkommensautonome Auslegung (zu derartigen Konstellationen vgl. , BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444, unter II.B.2.b, und vom - I R 112/94, BFHE 179, 48, BStBl II 1996, 563, unter II.1.). Die Rechtslage ist insoweit anders als beim DBA-Schweiz, wo der BFH aus dem Umstand, dass der Begriff „Ruhegehälter“ sowohl in Art. 18 als auch in Art. 19 Abs. 7 DBA-Schweiz verwendet wird und in letzterer Bestimmung zudem noch in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Begriff der „Leibrenten“ gestellt ist, gefolgert hat, dass eine abkommensautonome Auslegung vorzunehmen ist (, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488, Rz 12 f.).
29 cc) Daher sind die in Art. 18 DBA-Portugal verwendeten Begriffe für Zwecke der Anwendung dieser Abkommensbestimmung durch Deutschland so auszulegen, wie das deutsche Einkommensteuerrecht es vorsieht. Nach der Einkünfteabgrenzung des Einkommensteuergesetzes ist die auf der Leistung eigener Beiträge beruhende Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk indes nicht als Ruhegeld aus früheren (nichtselbständigen) Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), sondern als Leibrente aus der Basisversorgung eines berufsständischen Versorgungswerks (so ausdrücklich § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG) anzusehen.
30 Für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, die Erwähnung von Renten aus Versorgungswerken sei in Art. 18 DBA-Portugal nur versehentlich unterblieben, sind Anhaltspunkte weder vom Kläger vorgetragen noch sonst erkennbar.
31 dd) Ohnehin erfasst Art. 18 DBA-Portugal nur Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen für eine „frühere unselbständige Arbeit“. Die betreffenden Einkünfte müssen also „Ausfluss eines beendeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses“ sein (Wassermeyer/Raber, DBA-Portugal Art. 18 Rz 5). Dass der Kläger früher unselbständig tätig gewesen wäre beziehungsweise in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gestanden hätte, hat er weder vorgetragen noch hat das FG dies festgestellt. Im Gegenteil hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, der Kläger habe als Rechtsanwalt keine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bezogen.
32 ee) Soweit der Kläger auf die englische Sprachfassung des Art. 18 DBA-Portugal verweist, ist ihm im Ausgangspunkt zuzugestehen, dass nach der Schlussformel des DBA-Portugal bei unterschiedlicher Auslegung des deutschen und des portugiesischen Wortlauts der englische Wortlaut maßgebend ist. Allerdings hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, ob der deutsche und der portugiesische Wortlaut des Art. 18 DBA-Portugal in Bezug auf das Erfordernis von Vergütungen für frühere unselbständige Arbeit überhaupt unterschiedlich auszulegen sind. Vor allem aber lässt sich aus der englischen Sprachfassung („Pensions and other similar remuneration paid to a resident of a Contracting State in consideration of past employment shall be taxable only in that State“) nicht ableiten, dass dort auf das Erfordernis einer früheren unselbständigen Arbeit („past employment“) verzichtet würde.
33 b) Die Rente aus dem Versorgungswerk fällt auch nicht unter Art. 14 DBA-Portugal.
34 aa) Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn die in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal bezeichneten Ausnahmen nicht gegeben sind. Dabei umfasst der Ausdruck „freier Beruf“ insbesondere die selbständige Tätigkeit der Rechtsanwälte (Art. 14 Abs. 2 DBA-Portugal).
35 Da das DBA-Portugal sonach eine Definition des Begriffs „freier Beruf“ enthält, ist insoweit Art. 3 Abs. 2 DBA-Portugal mit seinem Verweis auf die Begriffsbestimmungen des nationalen Steuerrechts nicht einschlägig. Vielmehr ist eine abkommensautonome Auslegung der Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DBA-Portugal hinsichtlich der Frage vorzunehmen, ob die Rentenzahlungen des Versorgungswerks noch als „Einkünfte aus einem freien Beruf“ (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal) —hier als Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts (Art. 14 Abs. 2 DBA-Portugal)— angesehen werden können.
36 bb) Nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom —WÜRV— (BGBl II 1985, 927; Zustimmungsgesetz vom , BGBl II 1985, 926), das auf Verträge zwischen Staaten Anwendung findet (Art. 1 WÜRV), ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Maßgeblich sind danach insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art. 31 Abs. 2 WÜRV) und die gewöhnliche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke. Dementsprechend sind abkommensrechtliche Begriffe nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens und sodann nach dem Sinn und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens auszulegen. Auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist hingegen grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene zurückzugreifen (BFH-Entscheidungen vom - I R 63/17, BFHE 274, 18, BStBl II 2022, 250, Rz 16, und vom - I R 42/20, BFHE 283, 94, Rz 36, beide m.w.N.).
37 cc) Angesichts der zentralen Bedeutung, die nach Art. 31 WÜRV dem Abkommenswortlaut für die Auslegung eines DBA zukommt, ist im Streitfall zunächst danach zu fragen, ob Rentenzahlungen eines Versorgungswerks noch als Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts angesehen werden können. Diese Frage ist mit dem FG zu verneinen. Auch wenn der Kläger einen Teil der Einkünfte aus einer früheren selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt dazu verwendet haben mag, Beiträge an das Versorgungswerk zwecks Erlangung einer Rentenanwartschaft zu leisten, und auch wenn er rechtlich zu gewissen, von der Höhe des Gewinns aus seiner anwaltlichen Tätigkeit abhängigen Mindestbeitragszahlungen verpflichtet gewesen sein mag, handelt es sich bei den Beitragszahlungen gleichwohl um eine Verwendung von Teilen der seinerzeit bereits erzielten Einkünfte aus selbständiger Rechtsanwaltstätigkeit. Die rechtlichen Beziehungen, die zwischen dem Kläger und dem Versorgungswerk bestehen, sind im Verhältnis zu den früheren Mandatsbeziehungen, die Grundlage für die damals erzielten Einkünfte aus der selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit waren, eigenständig und unabhängig. Daher resultieren die Rentenzahlungen nicht mehr „aus“ der selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit, sondern aus einem eigenständigen Rechtsverhältnis.
38 dd) Zwar ist eine Leibrente, die für die Veräußerung des Patents eines freiberuflichen Erfinders gezahlt wurde, unter den auch für die Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit geltenden Art. 4 des damaligen DBA-Schweiz 1931/1959 gefasst worden (, BFHE 141, 244, BStBl II 1984, 664, unter III.2.; ebenso zu dem für Einkünfte aus freien Berufen geltenden Art. 7 DBA-Italien , BFHE 159, 314, BStBl II 1990, 377, unter II.2.b). Dabei handelte es sich aber um Zahlungen, die jeweils unmittelbar aus der freiberuflichen Tätigkeit resultierten. Sie stellten das unmittelbare und lediglich in Rentenform zu erbringende Leistungsentgelt für diese Tätigkeit dar. Auf Renten, die nur insoweit eine lose Verbindung zu früheren freiberuflichen Einkünften aufweisen, als sie aus Ansprüchen resultieren, zu deren Begründung Einkommen aus einer früheren freiberuflichen Tätigkeit verwendet wurde, lässt sich diese Rechtsprechung nicht übertragen (ebenso jedenfalls für solche Versorgungswerks-Renten, die —wie hier— auf Versicherungsbeiträgen beruhen, Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-Musterabkommen Rz 24; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-Musterabkommen 2017 Rz 27; Wassermeyer/Raber, DBA-Portugal Art. 14 Rz 7).
39 ee) Soweit der Kläger sich auf die Kommentierung von Hemmelrath (in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 14 OECD-Musterabkommen Rz 16) beruft, konnte das dortige Zitat eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom Senat nicht nachvollzogen werden. Ungeachtet dessen ist es aber jedenfalls mit dem Inhalt, den das zitierte BMF-Schreiben haben dürfte, für den Streitfall nicht einschlägig.
40 (1) Die genannte Kommentarstelle beruft sich auf „ zum DBA-Schweiz 1931 in Meyer-Marsilius/Hangarter Art. 18 Tz. 7.2.“. In der genannten Sammlung von Meyer-Marsilius/Hangarter (Art. 18 Nr. 7.2, Stand 22. Ergänzungslieferung Dezember 1986) ist jedoch nicht von einem BMF-Schreiben, sondern von einem „ (IV A/1 - S 1302 - Schweiz - 16/61 - i.S.L.)“ die Rede. Die Angabe, dass es sich um ein BFH-Urteil handele, dürfte angesichts des Aktenzeichens, das dem Aufbau der Aktenzeichen von BMF-Schreiben entspricht, einen Irrtum darstellen. Auch passt das angegebene Datum () nicht zum Aktenzeichenbestandteil „16/61“. Der Senat hat sich im Wege der Amtshilfe an das BMF, das Bundeszentralamt für Steuern und das Bundesarchiv gewandt, um den Inhalt des genannten BMF-Schreibens in Erfahrung zu bringen. Trotz eines von den genannten Stellen sowie der Dokumentationsstelle des BFH betriebenen erheblichen Aufwands ist die Suche nach einem solchen BMF-Schreiben aber erfolglos geblieben. Der Senat kann daher nur davon ausgehen, dass es ein solches BMF-Schreiben entweder nie gegeben hat oder es heute jedenfalls nicht mehr von Bedeutung ist.
41 (2) Im Übrigen wäre ein BMF-Schreiben, das den in der Sammlung von Meyer-Marsilius/Hangarter (Art. 18 Nr. 7.2.) und der Kommentierung von Hemmelrath mitgeteilten Inhalt hätte, für den Streitfall auch nicht einschlägig. In den genannten Sekundärquellen wird der Inhalt des BMF-Schreibens dahingehend wiedergegeben, dass Ruhegelder, die ein im Ausland ansässiger, früher in Deutschland praktizierender Arzt nach der Aufgabe seiner Praxis von der kassenärztlichen Vereinigung beziehe, nachträgliche Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit im Sinne des DBA-Schweiz 1931/1959 seien.
42 Derartige Ruhegelder stellten jedoch unmittelbare Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an im Ruhestand befindliche Ärzte und ihre Hinterbliebenen dar, die als „erweiterte Honorarverteilung“ bezeichnet wurden (vgl. das , BFHE 151, 186, BStBl II 1988, 4 und den dort wiedergegebenen Text der früheren Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen; vgl. auch das , BFH/NV 1997, 821, wo diese besondere Form der Honorarverteilung steuerrechtlich gerade nicht als „Rente aus Rentenversicherung“ eingeordnet wurde; beide Entscheidungen sind zum Bewertungsrecht ergangen). Die Ruhestandszahlungen waren damit unmittelbarer Ausfluss der früheren freiberuflichen Tätigkeit, nicht aber —wie im Streitfall— Ergebnis eines davon unabhängigen Rechtsverhältnisses. Auch im deutschen Ertragsteuerrecht werden (Versorgungs-)Bezüge aus der „erweiterten Honorarverteilung“ den Einkünften aus selbständiger Arbeit zugeordnet (, BFHE 120, 197, BStBl II 1977, 29; aus neuerer Zeit nochmals , EFG 2014, 1191, Revision als unzulässig verworfen durch , nicht veröffentlicht; gleicher Ansicht: Brandis/Heuermann/Valta, § 18 EStG Rz 271; Pfirrmann in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 18 Rz 40).
43 c) Da eine andere Abkommensbestimmung, die das Besteuerungsrecht für die Rentenzahlungen des Versorgungswerks regeln könnte, nicht ersichtlich ist, kommt im Streitfall die Auffangregelung des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal zur Anwendung (so für Leibrenten, deren Beiträge aus Einkünften aus früherer nichtselbständiger Arbeit stammten, auch Wassermeyer/Raber, DBA-Portugal Art. 18 Rz 6; für Sozialversicherungsrenten Rathenau, Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht —IWRZ— 2018, 88, 90; allgemein für Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-Musterabkommen 2017 Rz 17). Danach können Einkünfte einer im einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden.
44 4. Trotz dieser grundsätzlichen Zuweisung des Besteuerungsrechts an Portugal ermöglicht im Streitfall die Rückfallklausel (Subject-to-tax-Klausel) des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal die Aufrechterhaltung des deutschen Besteuerungsrechts. Nach dieser Regelung können Einkünfte, die von der Auffangvorschrift des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal erfasst —also nicht in anderen Artikeln des DBA-Portugal behandelt— werden und für die daher grundsätzlich nur der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat, im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie im Ansässigkeitsstaat nicht der Steuer unterliegen (zu einer ähnlichen Klausel , BFH/NV 2020, 201, Rz 40). Dies ist hier der Fall, da die Einkünfte des Klägers aus den Rentenzahlungen des Versorgungswerks und der L aufgrund des RNH-Status in Portugal nicht der Einkommensteuer unterliegen.
45 a) Der RNH-Status beruht —nach der für das Streitjahr 2019 in Portugal geltenden Rechtslage— auf Art. 23 bis 25 des Anexo (Anhangs) zum Decreto-Lei (Gesetzesdekret) No. 249/2009 des Ministério das Finanças e da Administração Pública vom (Diário da República, 1.a série, No. 185 vom ). Nach Art. 25 Abs. 3 des Anhangs zu dem genannten Gesetzesdekret wurde die internationale Doppelbesteuerung für Personen mit RNH-Status, die Einkünfte der Kategorie H im Ausland erzielen, die aus Beiträgen stammen, die in Portugal nicht zu einem Steuerabzug geführt haben, durch Anwendung der Befreiungsmethode beseitigt, sofern sie alternativ (Buchst. a) entweder im anderen Vertragsstaat eines DBA besteuert werden oder (Buchst. b) gemäß den in Art. 18 Abs. 1 des portugiesischen Einkommensteuergesetzes festgelegten Kriterien als nicht auf portugiesischem Hoheitsgebiet erworben betrachtet werden können. Zu den Einkünften der Kategorie H gehören nach Art. 11 des Código do imposto sobre o rendimento das pessoas singulares (CIRS), des portugiesischen Einkommensteuergesetzes (Quelle: https://info.portaldasfinancas.gov.pt/pt/informacao_fiscal/codigos_tributarios/cirs_rep/Pages/codigo-do-irs-indice.aspx), unter anderem Renten. Die Steuerfreiheit der aus portugiesischer Sicht ausländischen Renteneinkünfte steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit (vgl. ausführlich hierzu die —vom FG zitierten und damit in Bezug genommenen— Darstellungen von Rathenau, IWRZ 2018, 88 und Bader/da Palma Borges, NWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht —IWB— 2018, 698).
46 Für Zeiträume nach dem Streitjahr ist allerdings vorsorglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass an die Stelle der vollständigen Steuerbefreiung mittlerweile eine Besteuerung von 10 % getreten ist und die vollständige Steuerbefreiung nur noch möglich ist, wenn der RNH-Status bis zum beantragt wurde (vgl. die Änderung von Artigo 72 CIRS, dort Nr. 12, durch Artigo 326 des Orçamento do Estado para 2020, einschließlich der Übergangsregelung in Artigo 329 Abs. 2, Quelle: https://diariodarepublica.pt/dr/detalhe/lei/2-2020-130893436).
47 b) Danach wurden die genannten Renteneinkünfte in Portugal durch Anwendung der Befreiungsmethode steuerfrei gestellt. Sie „unterliegen“ daher in Portugal —als dem gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal grundsätzlich das Besteuerungsrecht innehabenden Ansässigkeitsstaat des Klägers— im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal nicht der Einkommensteuer, so dass sie in Deutschland besteuert werden können. Dies entspricht auch der Auffassung der Literatur, soweit sich zu dieser Frage Stellungnahmen finden (vgl. —jeweils zu Sozialversicherungsrenten— Rathenau, IWRZ 2018, 88, 91 und Bader/da Palma Borges, IWB 2018, 698, 704). Da der Kläger die beiden Renten in seiner portugiesischen Einkommensteuererklärung nach den Feststellungen des FG nicht angegeben hat, ist auch er ersichtlich davon ausgegangen, dass sie nicht der dortigen Steuer unterliegen.
48 c) Die vom Kläger hiergegen angeführten Argumente können dieses Auslegungsergebnis nicht erschüttern.
49 aa) Der Kläger behauptet zunächst, „nach dem Zertifikat“ (gemeint ist die Ansässigkeitsbescheinigung der portugiesischen Steuerverwaltung) falle die Besteuerung der Renten nur Portugal zu; hieran sei Deutschland gebunden. Indes beschränkt sich die in der —vom Kläger vorgelegten— Ansässigkeitsbescheinigung getroffene Aussage darauf, dass der Kläger nach Art. 4 DBA-Portugal als in Portugal ansässig gelte. Zur Auslegung und Anwendung des Art. 22 DBA-Portugal äußert sich diese Bescheinigung hingegen nicht. Selbst wenn sie einen solchen Inhalt hätte, gäbe es keine rechtliche Grundlage dafür, dass eine derartige Aussage einer ausländischen Behörde Bindungswirkung für deutsche Finanzbehörden und -gerichte entfalten könnte.
50 bb) Darüber hinaus behauptet der Kläger, Art. 25 Abs. 3 des Gesetzesdekrets No. 249/2009 enthalte keine Steuerbefreiung, sondern —ebenso wie § 12 Abs. 3 des deutschen Umsatzsteuergesetzes— lediglich einen Nullsteuersatz, der die sachliche Steuerpflicht nicht aufhebe. Dieses Vorbringen ist nicht nachvollziehbar. In der genannten Regelung ist nicht einmal andeutungsweise von einem Nullsteuersatz die Rede. Vielmehr wird der Begriff „método da isenção“ (Freistellungsmethode) verwendet, bei dem es sich erkennbar um einen terminus technicus für die DBA-rechtliche Steuerfreistellung von Einkünften handelt.
51 cc) Soweit der Kläger vorbringt, die freigestellten Renteneinkünfte unterlägen in Portugal dem Progressionsvorbehalt, dürfte dies —auch wenn das FG hierzu nichts festgestellt hat— zwar zutreffen (vgl. Art. 25 Abs. 4 des Gesetzesdekrets No. 249/2009). Die Steuerbefreiung der Renteneinkünfte wird dadurch aber nicht in Frage gestellt. Denn Art. 25 Abs. 4 des Gesetzesdekrets No. 249/2009 verwendet in Bezug auf die Renten weiterhin ausdrücklich den Begriff „rendimentos isentos“ (steuerfreie Einkünfte). Es ist lediglich die Rede davon, dass die steuerfreien Einkünfte bei der Bestimmung des Steuersatzes für „restantes rendimentos“ (andere Einkünfte/verbleibende Einkünfte) einzubeziehen sind. Damit bleibt es aber bei der Steuerfreiheit der Renten.
52 Vergleichbar hierzu hat auch der I. Senat des BFH bereits mehrfach entschieden, dass es bei Anwendung einer Rückfallklausel nicht als Besteuerung eines Veräußerungsgewinns durch den ausländischen Staat anzusehen ist, wenn ein solcher Veräußerungsgewinn steuerfrei ist, allerdings aus Anlass von dessen Erzielung frühere Abschreibungen nachversteuert werden (so zu Art. XVIII Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 und der britischen Claw-back-Besteuerung , BFHE 232, 145, BStBl II 2011, 482, Rz 32 ff., und vom - I R 55/15, BFHE 260, 289, BStBl II 2018, 287, Rz 23 ff.). Dies zeigt, dass nicht schon jede anderweitige mittelbare steuerliche Auswirkung eines für sich genommen steuerfreien Einkommensbestandteils dazu führt, die Voraussetzung der Rückfallklausel, wonach die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat nicht der Steuer „unterliegen“ dürfen, zu verneinen.
53 dd) Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat geäußerten Vermutungen, Portugal könne die Vorteilsgewährung nach dem RNH-Status vorzeitig beenden oder seine steuerrechtlichen Vorschriften in anderer Weise ändern, sind nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung für das Streitjahr 2019 ohne Belang. Auch der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die von ihm bezogenen Renten in Portugal im Streitjahr 2019 aufgrund gesetzlicher Änderungen doch der Einkommensteuer unterlegen hätten.
54 ee) Die im DBA-Portugal enthaltene Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen der Alterseinkünfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
55 (1) Unzutreffend ist zunächst die vom Kläger geäußerte Auffassung, das DBA-Portugal enthalte eine Ungleichbehandlung zwischen Sozialversicherungsrentnern —für die der Kläger auf die hohen Zuschüsse aus deutschen Steuermitteln hinweist— und den Beziehern von Renteneinkünften aus berufsständischen Versorgungswerken. Tatsächlich fallen beide Rentenarten unter Art. 22 DBA-Portugal, da dieses Abkommen —im Gegensatz zu vielen anderen DBA— keine andere Bestimmung über die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Sozialversicherungsrenten enthält (so auch Rathenau, IWRZ 2018, 88, 91 und Bader/da Palma Borges, IWB 2018, 698, 704).
56 (2) Lediglich in Bezug auf Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, enthält Art. 18 DBA-Portugal eine Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat ohne Rückfallklausel, während Art. 22 Abs. 1 DBA-Portugal für Renteneinkünfte die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat mit einer Rückfallklausel verbindet.
57 Ob es den Verhandlern eines DBA gelingt, mit dem anderen Staat für bestimmte Einkünfte eine Rückfallklausel zu vereinbaren oder nicht, hängt in erster Linie von den beiderseitigen Verhandlungspositionen und der Kompromissfindung im internationalen diplomatischen Verkehr ab (von „vielfältigen Opportunitätserwägungen“ spricht auch Valta in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2023, Rz 6.152, in Bezug auf die Abgrenzung des Katalogs der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte). Insoweit hält der Senat den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab —der ohnehin ein stufenloses, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiertes Kontinuum bildet, das von einem bloßen Willkürverbot bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reicht (, BVerfGE 160, 41, Rz 51 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen)— für eingeschränkt.
58 Dementsprechend hat auch das BVerfG —soweit ersichtlich— bisher in keinem einzigen Fall ein deutsches Zustimmungsgesetz zu einem DBA beanstandet. Der I. Senat des BFH hat ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich befugt sind, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit untereinander festzulegen, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Aus diesen Festlegungen resultierende Differenzierungen sind gerechtfertigt (zu einer an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden unterschiedlichen Behandlung , BFHE 278, 292, BStBl II 2023, 554, Rz 32). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
59 Auch die Treaty-override-Regelungen des Einkommensteuergesetzes, die ebenso wie abkommensrechtliche Rückfallklauseln der Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung dienen, differenzieren zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 50d Abs. 8 EStG), zu denen auch Ruhegehälter gehören, und anderen Einkünften (§ 50d Abs. 9 EStG, der grundsätzlich auch für Renteneinkünfte gelten würde). Verfassungsrechtlich in Zweifel gezogen wurde diese Differenzierung, soweit ersichtlich, bisher nicht.
60 Im Streitfall ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des Umstands, dass nur der für andere Einkünfte (unter anderem Renten) geltende Artikel des DBA-Portugal, nicht aber der für Ruhegehälter geltende Artikel eine Rückfallklausel enthält, entscheidend zu berücksichtigen, dass der leistungsfähige Kläger —gerade entgegen dem systemtragenden Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit— eine doppelte Nichtbesteuerung begehrt. Hierauf lässt sich indes aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen kein Anspruch ableiten.
61 Im Übrigen wird im Bereich des Internationalen Steuerrechts das Leistungsfähigkeitsprinzip ohnehin durch das Prinzip der zwischenstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit (Quellen- oder Territorialitätsprinzip), das der Aufteilung von Steuersubstrat auf mehrere Staaten dient, eingeschränkt ( (I R 49/19, I R 17/16), BFHE 280, 213, BStBl II 2023, 974, Rz 34).
62 ff) Aus den genannten Gründen hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass Unionsrecht der in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal enthaltenen Rückfallklausel nicht entgegensteht. Der Kläger hat seine Auffassung, die Klausel sei mit Unionsrecht nicht vereinbar, nicht näher begründet und auch nicht erklärt, welchen unionsrechtlichen Rechtssatz er für verletzt hält, so dass auch der Senat von einer weiteren Begründung absieht.
63 d) Der im Revisionsverfahren gestellte Antrag des Klägers, den vom Senat zitierten Autor Rathenau als Zeugen zu dem Inhalt eines Beratungsgesprächs zu vernehmen, ist unzulässig. Eine Beweisaufnahme kommt im Revisionsverfahren —soweit es nicht um Sachentscheidungsvoraussetzungen geht— grundsätzlich nicht in Betracht. Im Übrigen wäre der Inhalt eines vom Kläger in Anspruch genommenen Beratungsgesprächs für die Auslegung des DBA-Portugal durch den Senat auch unerheblich.
64 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.030925.XR1.24.0
Fundstelle(n):
UAAAK-03887