Instanzenzug: Az: 9 KLs 3070 Js 2505/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen (Fälle II. 1. bis II. 3., II. 8. der Urteilsgründe), davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 8. der Urteilsgründe), wegen Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 7. der Urteilsgründe), wegen Besitzverschaffung jugendpornographischer Inhalte in drei Fällen (Fälle II. 4. bis II. 6. der Urteilsgründe) und wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 9. der Urteilsgründe) „unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Sinzig vom […] und unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom […] in Verbindung mit dem […] sowie dem […] und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren [… sowie darüber] hinaus […] zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt“. Der Angeklagte wendet sich mit der nicht ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen übersandte der Angeklagte in drei Fällen je eine kinderpornographische Bild- oder Videodatei an Chatpartner im Internet (Fälle II. 1. bis II. 3. der Urteilsgründe). Im Folgenden erhielt er selbst in drei Fällen von Unbekannten jeweils eine Videodatei mit jugendpornographischem Inhalt (Fälle II. 4. bis II. 6. der Urteilsgründe). Sodann übersandte ein Chatpartner dem Angeklagten eine weitere kinderpornographische Videodatei (Fall II. 7. der Urteilsgründe). Kurz darauf erhielt er von einem Unbekannten eine kinderpornographische Videodatei im Austausch gegen Überlassung einer entsprechenden Videosequenz an diesen (Fall II. 8. der Urteilsgründe). Knapp ein halbes Jahr später wurden anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung auf einem Mobiltelefon des Angeklagten weitere 64 Bild- und 27 Videodateien mit kinderpornographischen Inhalten sichergestellt (Fall II. 9. der Urteilsgründe). Die in den Fällen II. 1. bis II. 3., II. 8. der Urteilsgründe vom Angeklagten verschickten sowie die in den Fällen II. 4. bis II. 8. der Urteilsgründe von ihm empfangenen Dateien waren fortdauernd auf demselben Speichermedium abgelegt.
32. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs. Der ausgeurteilte Besitz kinderpornographischer Inhalte im Fall II. 9. der Urteilsgründe steht nicht materiellrechtlich selbständig (§ 53 StGB) neben den Delikten der Drittbesitz- und der Eigenbesitzverschaffung solcher Inhalte (Fälle II. 1. bis II. 3., II. 7. und II. 8. der Urteilsgründe), sondern trifft hiermit tateinheitlich (§ 52 StGB) zusammen; diese Verschaffungsdelikte stehen im Verhältnis zueinander trotz des den gesamten Tatzeitraum überdauernden Besitzes kinderpornographischen Materials in Tatmehrheit (nachfolgend a]). Der Besitz kinderpornographischer Inhalte ist allerdings in der Lage, die drei ebenfalls im Verhältnis zu ihm idealkonkurrierenden Taten der Besitzverschaffung jugendpornographischer Inhalte (Fälle II. 4. bis II. 6. der Urteilsgründe) mit den Verschaffungsdelikten betreffend kinderpornographische Inhalte jeweils zur Tateinheit zu verklammern (unten b]).
4a) Wie dargelegt, waren die in den Fällen II. 1. bis II. 3., II. 8. der Urteilsgründe vom Angeklagten verschickten kinderpornographischen Dateien auf seinem am sichergestellten Mobiltelefon neben dem zusätzlichen verbotenen Bild- und Videomaterial weiterhin gespeichert. Ebenso verhält es sich mit den in den Fällen II. 7. und II. 8. der Urteilsgründe vom Angeklagten empfangenen kinderpornographischen Dateien. All diesen Verschaffensakten gegenüber ist daher der mit der Speicherung verbundene Besitz des weiteren kinderpornographischen Materials im Fall II. 9. der Urteilsgründe materiellrechtlich unselbständig. Denn der zeitgleiche Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten oder selbst bezogenen kinderpornographischen Inhalten einerseits und weiteren entsprechenden Inhalten andererseits verknüpft beide Delikte zu einer einheitlichen Tat. Im Einzelnen:
5aa) Im Hinblick auf die Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte gilt, dass die prinzipiell strenger bestrafte Begehungsweise nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zwar grundsätzlich diejenige des Besitzes solcher Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 3 StGB als subsidiären Auffangtatbestand verdrängt. Dies betrifft jedoch ausschließlich die zugänglich gemachten Inhalte und insoweit auch nur für den Zeitraum ihrer Zugänglichmachung. Geht hingegen der Besitz in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über das dafür erforderliche Maß hinaus, tritt das Dauerdelikt tateinheitlich neben das jeweilige Drittverschaffungsdelikt. Dabei liegt dem Besitz mehrerer inkriminierter Inhalte ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 Variante 3 StGB zugrunde. Bei gleichzeitigem Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten kinderpornographischen Dateien und weiterem, darüber hinausgehend gespeichertem verbotenen Material – hier in den Fällen II. 1. bis II. 3., II. 8. und II. 9. der Urteilsgründe – ist danach für eine tatmehrheitliche Verurteilung kein Raum. Der der Drittverschaffung nachfolgende Besitz ist nicht als eigenständige materiellrechtliche Tat zu beurteilen; denn für die Fortsetzung der Speicherung bedurfte es keines neuen Tatentschlusses, aufgrund dessen eine tatmehrheitliche Tatbegehung anzunehmen wäre (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 334/24, juris Rn. 3; vom – 2 StR 321/19, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 3 Rn. 19).
6Im Hinblick auf die (Eigen-)Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte gilt, dass der Besitz konkurrenzrechtlich hinter dem Sichverschaffen des Besitzes an nämlichen Inhalten nach § 184b Abs. 3 Variante 2 StGB ohne zeitliche Begrenzung als subsidiär zurücktritt (s. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 48/21, StV 2022, 240 Rn. 6; vom – 3 StR 180/18, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2 Rn. 15). Indes stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer solcher Inhalte nur eine Tat dar, selbst wenn sie sich auf verschiedenen Datenträgern befinden. Dies hat zur Konsequenz, dass bei gleichzeitigem Besitz von sich verschafften und weiteren, darüber hinausgehend gespeicherten kinderpornographischen Dateien – hier in den Fällen II. 7., (gleichfalls) II. 8. sowie II. 9. der Urteilsgründe – ebenso wenig Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte ist. Vielmehr tritt der weitergehende Besitz auch in diesem Fall jeweils tateinheitlich zu den Verschaffungstaten hinzu (s. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 101/24, NStZ 2024, 669 Rn. 6; vom – 3 StR 215/08, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 1 Rn. 4 ff.; entsprechend zu Herstellensakten BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 53/25, juris Rn. 8 f.; vom – 3 StR 301/23, NStZ-RR 2024, 76 f.).
7Demzufolge steht der Besitz kinderpornographischer Inhalte des Angeklagten in Idealkonkurrenz mit den von ihm vorgenommenen jeweiligen Dritt- und Eigenbesitzverschaffungen solcher Inhalte.
8bb) Der überdauernde Besitz kinderpornographischer Inhalte ist nach den Grundsätzen der Klammerwirkung allerdings regelmäßig nicht dazu in der Lage, mehrere Taten der Drittbesitzverschaffung hieran zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zu verbinden. Denn der strafrechtliche Unwert des Tatbestands des Besitzes, wie ihn die Strafandrohung des § 184b Abs. 3 StGB zum Ausdruck bringt, bleibt hinter demjenigen der nach § 184b Abs. 1 Satz 1 StGB prinzipiell strenger bestraften Begehungsweisen zurück (st. Rspr.; s. , juris Rn. 18 f. mwN). Ebenso liegt es im Ergebnis bei der Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte. Der Besitz hat – trotz desselben Strafrahmens – als minder gefährdungsintensives Auffangdelikt nicht die Kraft, erfolgreiche Verschaffensakte zu einer Tat zu verklammern (s. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 101/24, NStZ 2024, 669 Rn. 6; vom – 3 StR 215/08, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 1 Rn. 4 ff.).
9b) Anders verhält es sich bezüglich der deutlich weniger schwer wiegenden Eigenbesitzverschaffungen jugendpornographischer Inhalte in den Fällen II. 4. bis II. 6. der Urteilsgründe. Wenngleich der „überdauernde“ Besitz der jugendpornographischen Videoaufnahmen – analog zur Kinderpornographie (s. oben a]) – durch die gefährdungsintensivere Tathandlungsvariante des Sichverschaffens als subsidiär verdrängt wird, bleibt er für die weitere konkurrenzrechtliche Bewertung relevant. Denn er überschnitt sich bis zum Tag der Sicherstellung des Mobiltelefons mit dem Besitz an sämtlichen kinderpornographischen Dateien, die der Angeklagte auf dem Gerät gespeichert hatte. Wegen dieser Teilidentität der Ausführungshandlungen ist der Besitz kinderpornographischer Inhalte nicht sachlichrechtlich selbständig zu den Sichverschaffensakten betreffend die jugendpornographischen Inhalte (s. , juris Rn. 7 mwN).
10Dieser Besitz kinderpornographischer Inhalte verklammert die Besitzverschaffungen jugendpornographischer Inhalte mit den Verschaffungstaten betreffend kinderpornographisches Material zur Tateinheit. Denn der rechtsfehlerfrei vom Landgericht zur Anwendung gebrachte (§ 2 Abs. 3 StGB) Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB in der seit dem geltenden Fassung (drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) übersteigt denjenigen des § 184c Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe) erheblich (entsprechend zur Tatvariante der Drittbesitzverschaffung s. , juris Rn. 20 f.; anders zur Tatvariante des Herstellens, aber auf das geringere Gewicht des Umgangs mit jugendpornographischen Inhalten nicht eingehend , juris Rn. 8).
11c) Der Angeklagte ist deshalb nur fünf materiellrechtlicher Taten schuldig, nämlich der Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in vier Fällen (Fälle II. 1. bis II. 3., II. 8. der Urteilsgründe), davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 8. der Urteilsgründe), und der Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte (Fall II. 7. der Urteilsgründe), wobei jedes dieser Delikte in Tateinheit steht mit Besitz kinderpornographischer Inhalte (unselbständiger Fall II. 9. der Urteilsgründe) sowie mit Besitzverschaffung jugendpornographischer Inhalte in drei tateinheitlichen Fällen (verklammerte Fälle II. 4. bis II. 6. der Urteilsgründe).
12Der Schuldspruch ist entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
133. Die Korrektur des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
14a) Aufgrund der Schuldspruchänderung sind fünf neue Einzelstrafen festzusetzen. Es ist nicht geboten, die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. bis II. 3., II. 7. und II. 8. der Urteilsgründe aufrechtzuerhalten; denn bei zutreffender Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses weisen die Taten einen erhöhten Unrechtsgehalt auf, weil jeweils weitere Delikte tateinheitlich hinzutreten (näher unten 4. a]).
15b) Die Neubewertung der Konkurrenzen hat darüber hinaus zur Folge, dass keine zwei Gesamtstrafen zu bilden sind. Dem Strafbefehl des Amtsgerichts Sinzig vom kommt keine Zäsurwirkung zu; die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB liegen nicht vor. Denn da der jeweils tateinheitliche Besitz des Angeklagten an den gegenständlichen kinderpornographischen Dateien bis zur Sicherstellung des Speichermediums am andauerte, trat die materielle Beendigung der im anhängigen Verfahren zu ahndenden Taten insgesamt erst an diesem Tag und damit nach der für eine etwaige Zäsur relevanten Vorverurteilung ein (vgl. , juris Rn. 8 mwN).
16c) Auf den Umstand, dass der Tenor des angefochtenen Urteils fehlerhaft nicht erkennen lässt, für welche Taten der Angeklagte zu welcher Gesamtstrafe verurteilt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 555/21, juris Rn. 2; vom – 2 StR 13/08, juris; jeweils mwN), kommt es nicht mehr an.
17d) Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen sind von den Wertungsfehlern nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
184. Für den neuen Strafausspruch weist der Senat auf Folgendes hin:
19a) Bei der Festsetzung der Einzelstrafen darf die Höhe jeder der bisherigen überschritten werden. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO) steht dem nicht entgegen. Vom Landgericht als selbständig erachtete Taten (Tatmehrheit) sind als solche mit den zugehörigen Einzelstrafen entfallen; sie sind jetzt mit anderen Taten zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser nunmehr zur Tateinheit zusammengefassten Taten ist damit erhöht. Das Verschlechterungsverbot, das grundsätzlich auch für Einzelstrafen gilt, gebietet bei dieser Sachlage deshalb nur, dass die Summe der jeweils betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der jeweils festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 620/17, wistra 2019, 22 Rn. 24; vom – 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2 Rn. 14; Urteil vom – 1 StR 453/02, juris Rn. 94).
20b) Nach dem Vorgesagten ist aus den neu festzusetzenden Einzelstrafen nunmehr (lediglich) eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Diese darf wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nur so hoch bemessen werden, dass sie zusammen mit der im Urteil des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren sowie von drei Jahren und sechs Monaten – mithin des Gesamtstrafübels von sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe – nicht übersteigt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276; vom – 2 StR 513/90, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 4).
Schäfer Erbguth Kreicker
Voigt Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:021025B3STR303.25.0
Fundstelle(n):
LAAAK-03595