Anfechtbarkeit eines WEG-Gestattungsbeschlusses zu baulichen Maßnahmen in einem Kellerraum
Leitsatz
Wird einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet, die die Möglichkeit eröffnet, Räumlichkeiten entgegen einer vereinbarten Zweckbestimmung (hier: Keller) zu nutzen, führt dies jedenfalls dann nicht zur Anfechtbarkeit des Gestattungsbeschlusses, wenn auch eine nach der Vereinbarung zulässige Nutzung weiterhin möglich ist.
Gesetze: § 10 Abs 1 S 2 WoEigG, § 14 Abs 1 Nr 1 WoEigG, § 19 Abs 1 WoEigG, § 20 Abs 1 WoEigG, § 1004 Abs 1 BGB
Instanzenzug: LG München I Az: 1 S 2535/24 WEG Urteilvorgehend Az: 1293 C 350/23 WEG
Tatbestand
1Der Kläger und die Streithelfer sind die Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus drei Einheiten. Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die Wohnung Nr. 2 gehört den beiden Streithelfern zu Miteigentum, und die Wohnung Nr. 3 steht im Eigentum des Streithelfers zu 1. Nach der im Jahr 1980 geänderten Teilungserklärung sind unter anderem den Wohnungen Nr. 2 und 3 Sondernutzungsrechte an mehreren jeweils als „Kellerraum“ bezeichneten Räumen zugewiesen. Nachdem die Streithelfer im Bereich dieser Räume bauliche Veränderungen vorgenommen hatten, wurden in der Eigentümerversammlung vom - soweit von Interesse - der Einbau einer Toilette mit Tür mit Anschluss an die Frischwasser- und Abwasserleitung durch den Streithelfer zu 1 in dem seiner Einheit Nr. 3 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.2), die Anbringung eines Leerrohres für ein TV-Kabel an der Ostfassade des Hauses durch beide Streithelfer (TOP 5.3) sowie der Einbau einer gefliesten Nasszelle mit Tür, Dusche, WC, Waschbecken und eines Spülbeckens jeweils mit Anschluss an die Kalt- und Warmwasser- und Abwasserleitung, einer Gartenwasserhahn-Zuleitung, eines TV-Kabelanschlusses sowie von drei selbstversorgten Heizkörpern durch beide Streithelfer in dem der Einheit Nr. 2 zugewiesenen Kellerraum (TOP 5.6) nachträglich gestattet.
2Das Amtsgericht hat die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Auf dessen Berufung hat das Landgericht die Beschlüsse für ungültig erklärt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Gründe
I.
3Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in ZWE 2025, 134 veröffentlicht ist, sind die Beschlüsse für ungültig zu erklären. Zwar widersprächen sie nicht § 20 Abs. 4 WEG, weil die baulichen Veränderungen weder zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führten noch einzelne Eigentümer unbillig benachteiligten. Erfolg habe die Klage aber deshalb, weil die Gestattung einer baulichen Veränderung, welche der durch Vereinbarung (§ 19 Abs. 1 WEG) geregelten Zweckbestimmung widerspreche, jedenfalls auf eine - wie hier - fristgerecht erhobene Anfechtungsklage für ungültig zu erklären sei. Aus dem Zusammenspiel von § 20 WEG und § 19 WEG folge, dass jede Beschlussfassung, die einer Vereinbarung widerspreche, gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoße. Hier ergebe die Auslegung der Gemeinschaftsordnung, dass die vereinbarte Zweckbestimmung als Keller den Gebrauch der Räume beschränke. Die Räume dürften nur in dem Maß und Umfang genutzt werden, mit dem keine stärkere Störung als mit der Nutzung als Lager- oder Abstellraum verbunden sei. Eine Nutzung als Wohnung, also eine Nutzung zu Wohn- oder Schlafzwecken, die nicht nur gelegentlich stattfinde, sei damit ausgeschlossen, während die Nutzung etwa zu Hobbyzwecken, soweit sie nicht mehr störe als eine Nutzung als Lager- und Abstellraum, zulässig sei. Die hier zu beurteilenden Beschlüsse über die Genehmigung des Einbaus einer Dusche und von Toiletten sowie der Anschlüsse für den TV-Kabelanschluss und der zusätzlichen Heizkörper machten die Räume zum möglichen Mittelpunkt der Lebensführung und stünden zu deren Zweckbestimmung als Keller in Widerspruch.
II.
4Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Beschlüsse nicht zu beanstanden.
51. Zu Recht beurteilt das Berufungsgericht die Genehmigungsbeschlüsse nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes in der Fassung des zum in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) und insbesondere nach § 20 WEG. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die genehmigten Maßnahmen vor oder nach dem Inkrafttreten des WEMoG durchgeführt worden sind, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Dies wäre nur dann maßgeblich, wenn Gegenstand des Rechtsstreits ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB wäre (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 1/24, NJW-RR 2025, 586 Rn. 8, 33; Urteil vom - V ZR 29/24, ZWE 2025, 367 Rn. 10). Hier geht es jedoch um eine Anfechtungsklage gegen eine nachträgliche Genehmigung bestimmter Maßnahmen durch Beschluss. Für dessen Rechtmäßigkeit kommt es - mangels abweichender Übergangsvorschriften - auf das zur Zeit der Beschlussfassung geltende (neue) Recht an (vgl. allgemein Senat, Urteil vom - V ZR 195/23, NJW-RR 2024, 1270 Rn. 7). Das entspricht dem Ziel der Reform, das Recht der baulichen Maßnahmen erheblich zu vereinfachen (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 226/23, NJW-RR 2024, 1333 Rn. 21).
62. Den Feststellungen des Berufungsgerichts zufolge handelt es sich bei den genehmigten Maßnahmen jeweils um bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums, die von den Wohnungseigentümern durch einen Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG (nachträglich) gestattet werden sollten; die Kellerräume stehen im gemeinschaftlichen Eigentum, und es bestehen Sondernutzungsrechte zugunsten der Einheiten der Streithelfer. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beschlüsse nicht gegen § 20 Abs. 4 WEG verstoßen, wonach bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet werden können, wird von beiden Parteien hingenommen.
73. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beschlüsse stünden im Widerspruch zu der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Zweckbestimmung der Räumlichkeiten als Keller und seien deshalb zumindest anfechtbar.
8a) In welchem Verhältnis die in § 20 Abs. 1 WEG vorgesehene Gestattung einer baulichen Veränderung zu einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Nutzungsvereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 1 WEG steht, ist nicht abschließend geklärt. Entschieden hat der Senat allerdings, dass die Beschlusskompetenz für die Gestattung einer baulichen Veränderung auch dann besteht und der Beschluss bestandskräftig werden kann, wenn er dazu führt, dass die in einer Vereinbarung vorgesehene Nutzung des Gemeinschaftseigentums faktisch nicht mehr möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 226/23, NJW-RR 2024, 1333 Rn. 17 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen solche Beschlüsse anfechtbar sind, hat der Senat offengelassen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 226/23, aaO, Rn. 24; Urteil vom - V ZR 22/24, NJW-RR 2025, 13 Rn. 7.). Ein vergleichbares, ebenfalls ungeklärtes Problem kann sich stellen, wenn eine gestattete bauliche Veränderung im räumlichen Bereich des Sondereigentums bzw. - wie hier - eines Sondernutzungsrechts zwangsläufig dazu führt, dass faktisch nur noch eine nach der vereinbarten Zweckbestimmung ausgeschlossene Nutzung erfolgen kann. Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich hier aber nicht.
9b) Wird einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet, die die Möglichkeit eröffnet, Räumlichkeiten entgegen einer vereinbarten Zweckbestimmung zu nutzen, führt dies jedenfalls dann nicht zur Anfechtbarkeit des Gestattungsbeschlusses, wenn auch eine nach der Vereinbarung zulässige Nutzung weiterhin möglich ist. So verhält es sich hier.
10aa) Im Ausgangspunkt ist die Auslegung des Berufungsgerichts, die vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 199/19, NJW-RR 2020, 959 Rn. 6 mwN), allerdings nicht zu beanstanden. Werden die einem Wohnungseigentümer als Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht zugewiesenen Räume in der Gemeinschaftsordnung als Keller oder Kellerräume bezeichnet, stellt dies eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar. Derartige Wohnnebenräume dienen nur untergeordneten Zwecken, etwa als Lager- oder Abstellraum (vgl. Senat; Urteil vom - V ZR 134/22, NJW 2023, 2484 Rn. 22 zu der Nutzung eines Spitzbodens; Beschluss vom - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645 Rn. 10).
11bb) Richtig ist auch, dass eine Nutzung der Kellerräume zu Wohnzwecken unzulässig wäre. Zwar kann sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei aber, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 203/18, NJW 2020, 1354 Rn. 10 mwN). Deshalb ist die Nutzung eines Kellerraums als Hobbyraum zulässig, soweit sie nicht mehr stört als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum (vgl. BayObLG, ZMR 1993, 29, 30; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 907; BeckOK WEG/Müller [], § 14 Rn. 50 l.1 mwN; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 18 Rn. 144 k mwN). Demgegenüber ist eine Nutzung von Kellerräumen zu Wohnzwecken ausgeschlossen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645 Rn. 10; Urteil vom - V ZR 134/22, NJW 2023, 2484 Rn. 22 zu der Nutzung eines Spitzbodens). Entsprechendes gilt für die Wohnnutzung eines als Teileigentum und Hobbyraum ausgewiesenen Raumes (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZA 1/11, ZWE 2011, 396 Rn. 6).
12cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Beschlüsse aber nicht schon deshalb zu beanstanden, weil die gestatteten Maßnahmen (auch) eine Wohnnutzung der Kellerräume ermöglichen könnten.
13(1) Die baulichen Veränderungen widersprechen als solche nicht der vereinbarten Zweckbestimmung, weil die Nutzung der veränderten Räume bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht zwangsläufig zu einer größeren Störung als eine Nutzung als Lager- oder Abstellraum führt. Wie die Revision zu Recht geltend macht, sind der Einbau einer Toilette oder einer Dusche und die Anbringung eines Leerrohrs für ein TV-Kabel bzw. der Einbau weiterer Heizkörper für sich genommen mit einer Nutzung der Räumlichkeiten als Hobbyraum, die auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich zulässig sein soll, nicht unvereinbar. Befindet sich beispielsweise in einem Hobbyraum ein Fitnessgerät, wird der Raum nicht deshalb zu einer Wohnung, weil sich in oder neben dem Raum eine Dusche befindet. Entsprechendes gilt, wenn der Raum zum Fernsehen genutzt und beheizt werden kann. Die Nutzung der solchermaßen ausgestatteten Räume in einem zulässigen untergeordneten Rahmen (vgl. oben Rn. 11) bleibt ohne weiteres möglich.
14(2) Dass die Maßnahmen (auch) eine zweckbestimmungswidrige Wohnnutzung ermöglichen und deren Vorbereitung dienen könnten, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Gegen eine Wohnnutzung, die bei typisierender Betrachtungsweise generell mehr stört als die Nutzung als Lager- oder Abstellraum, steht der GdWE ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bzw. § 1004 Abs. 1 BGB zu (vgl. allgemein Senat, Urteil vom - V ZR 284/19, ZWE 2021, 451 Rn. 19 f.; siehe auch Senat, Urteil vom - V ZR 226/23, NJW-RR 2024, 1333 Rn. 12). Ebenso wenig schließt die zulässige Nutzung als Hobbyraum Unterlassungsansprüche gemäß § 1004 Abs. 1 BGB wegen einzelner störender Handlungsweisen des Eigentümers, beispielsweise wegen einer nicht mehr hinnehmbaren Lärmbelästigung, aus (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 203/18, NJW 2020, 1354 Rn. 33).
15(3) Hiernach ist zwischen der Zulässigkeit der baulichen Maßnahme einerseits und der späteren Nutzung anderseits zu differenzieren. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zu der Frage, ob eine bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer wegen der mit der späteren Nutzung verbundenen Immissionen gegenüber anderen im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG unbillig benachteiligt; auch insoweit ist zwischen der baulichen Veränderung und ihrer späteren Nutzung zu unterscheiden (vgl. zu der Gestattung von Klimaanlagen Senat, Urteil vom - V ZR 105/24, NJW 2025, 1569 Rn. 11; Urteil vom - V ZR 128/24, NJW-RR 2025, 1041 Rn. 11 f.).
16dd) Ob die gestatteten baulichen Maßnahmen aus sonstigen Gründen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen könnten, etwa weil sie nicht fachgerecht ausgeführt wurden, die eingebauten Sanitäranlagen zu Feuchtigkeit führen oder gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoßen könnten, bedarf keiner Prüfung, weil die Klage nicht auf Anfechtungsgründe dieser Art gestützt ist.
III.
171. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts insgesamt zurückweisen.
182. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO (Berufungsverfahren) und aus § 91 Abs. 1 ZPO (Revisionsverfahren). Eines Kostenausspruchs hinsichtlich der Streithelfer der Beklagten bedarf es nicht. Zwar hat der Kläger auch deren etwaige Kosten dem Grunde nach zu tragen. Dies ergibt sich aber schon daraus, dass die Kosten der - hier nach § 69 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 3 WEG gegebenen - streitgenössischen Nebenintervention als Kosten des Hauptprozesses behandelt werden (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 33/23, NJW 2024, 1419 Rn. 27 mwN). Demgegenüber ist § 101 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht anwendbar (vgl. § 101 Abs. 2 ZPO und , NJW-RR 2007, 1577 Rn. 7 f.). Ob die Nebenintervention i.S.d. § 44 Abs. 4 WEG geboten war und deshalb hierdurch etwaig entstandene Kosten als notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen sind, ist erst in dem Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen.
Brückner Göbel Hamdorf
Malik Grau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:101025UVZR192.24.0
Fundstelle(n):
VAAAK-03518