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BAG Urteil v. - 3 AZR 158/24

Arbeitgeberzuschuss - Entgeltumwandlung - Erfüllung

Leitsatz

Bei einer Geldschuld, die in eine Direktversicherung des Arbeitnehmers zu leisten ist, wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarungen bewirkt, wenn der Arbeitgeber den Geldbetrag, den der Arbeitnehmer beanspruchen kann, in die Direktversicherung überweist. Die Erfüllung des Anspruchs tritt dann als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Dies gilt auch für einen Arbeitgeberzuschuss nach §Â 1a Abs. 1a BetrAVG.

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 10 Ca 5955/22 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 808/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf den Arbeitgeberzuschuss gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG.

2Die 1977 geborene Klägerin ist seit September 2007 bei der Beklagten und ihrer Rechtvorgängerin in Teilzeit beschäftigt. Sie bezog eine monatliche Vergütung iHv. 3.473,89 Euro brutto. Im Dezember 2007 vereinbarten die Parteien die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung aufgrund Entgeltumwandlung in Form einer beitragsorientierten Leistungszusage im Wege der Direktversicherung mit einer monatlichen Einzahlung iHv. 110,00 Euro. Darin eingeschlossen waren von der Arbeitgeberin aufgrund Haustarifvertrags gewährte vermögenswirksame Leistungen iHv. 40,00 Euro monatlich. Dieser Haustarifvertrag - der zu Mitte 2018 gekündigt worden war - hatte auszugsweise folgenden Inhalt:

3Im November 2016 senkten die Parteien die Entgeltumwandlung auf 50,00 Euro und die vermögenswirksamen Leistungen der Beklagten auf 20,51 Euro ab.

4Mit Wirkung zum schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung „Option“ (BV Option). Darin heißt es:

5Nach der Anlage zur BV Option kommt die Verwendung der zusätzlichen Arbeitgeberleistung als Kinderbetreuungszuschuss, Fahrtkostenzuschuss, Arbeitnehmer-Entgeltumwandlung bei Mitgliedschaft im Beamtenversicherungsverein (BVV), Fortführung eines bereits bestehenden Sparvertrags über vermögenswirksame Leistungen sowie als Zahlung eines Brutto-Geldbetrags in Betracht. Auf Wunsch der Klägerin zahlte die Beklagte 40,00 Euro der sog. „100-Euro-Option“ ab dem als zusätzliche Leistung in die betriebliche Altersversorgung der Klägerin ein. Die restlichen 60,00 Euro erhielt die Klägerin zunächst als Kinderbetreuungszuschuss, ab Juni 2022 als Geldbetrag von der Beklagten. Der in die Direktversicherung eingezahlte Gesamtbetrag betrug 90,00 Euro monatlich.

6Unter dem füllte die Klägerin ein Formular der Versicherung unter Angabe ihrer Versicherungsscheinnummer aus. Danach sollte die Entgeltumwandlung wieder auf den Ursprungsbetrag iHv. 110,00 Euro angehoben werden. Außerdem war eine weitere Erhöhung um 15 % auf einen neuen Gesamtbeitrag inklusive Arbeitgeberzuschuss iHv. 126,50 Euro vorgesehen. Hintergrund war die zum für Altverträge in Kraft tretende Regelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG. Die Klägerin leitete den Antrag zur Unterschrift an die Beklagte weiter und bat um Rücksendung bis zum . Die Beklagte antwortete der Klägerin am ua. wie folgt:

7Im März 2023 - nach der Rechtshängigkeit dieses Rechtsstreits - unterzeichneten die Parteien ein Formular der Versicherung mit dem Titel „Änderungsmitteilung Direktversicherung“, wonach rückwirkend zum der Gesamtbeitrag der monatlichen Einzahlungen auf den Versicherungsvertrag von 90,00 Euro auf 110,00 Euro erhöht wurde. Weiter heißt es darin, dass ein „Anteil am Gesamtbetrag“ iHv. 70,00 Euro auf Entgeltumwandlung und ein Anteil von 40,00 Euro auf einen „Arbeitgeberzuschuss 36,4%“ entfalle. Hinter der Angabe „vermögenswirksame Leistungen“ ist „0“ Euro eingetragen.

8Die Klägerin hat zunächst die Ansicht vertreten, sie könne auf die in die Versicherung geleisteten 110,00 Euro einen Zuschuss iHv. 16,50 Euro von der Beklagten aufgrund von § 1a Abs. 1a BetrAVG verlangen. Auf jeden Fall stehe ihr aber ein Zuschuss iHv. 10,50 Euro auf die von ihr umgewandelten 70,00 Euro zu. Die Optionszahlung der Beklagten sei kein anrechenbarer Zuschuss, sondern eine zusätzliche Entgeltleistung. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte den freiwilligen Zuschuss auch wegen der ersparten Sozialversicherungsbeiträge gewähre. Bei der Zahlung des Zuschusses gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG einerseits und der Zahlung iHv. monatlich 40,00 Euro auf der Grundlage der BV Option andererseits handle es sich um zwei unterschiedliche Ansprüche, die nebeneinander bestünden.

9Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage auf künftige Leistung iHv. 10,50 Euro monatlich ab dem stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten überwiegend zurückgewiesen, die Beklagte zur Zahlung von 283,50 Euro in die Direktversicherung der Klägerin für die Zeit vom bis zum verurteilt und - nach einer entsprechenden Auslegung des Klageantrags - eine künftige Leistungspflicht der Beklagten zur Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses iHv. 10,50 Euro monatlich ab dem festgestellt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht - überwiegend - zurückgewiesen. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Klägerin hat für die Zeit vom bis zum keinen Anspruch mehr gegen die Beklagte aus § 1a Abs. 1a BetrAVG auf einen Arbeitgeberzuschuss. Der Antrag bezogen auf die Zeit ab dem ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

13I. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin aus § 1a Abs. 1a BetrAVG für die Zeit vom bis zum erfüllt.

141. Die Klägerin hatte im Streitzeitraum einen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss aus § 1a Abs. 1a BetrAVG gegen die Beklagte iHv. monatlich 10,50 Euro, da sie Entgelt iHv. 70,00 Euro umgewandelt und die Beklagte insoweit Sozialversicherungsbeiträge gespart hatte. Eine iSv. § 19 Abs. 1 BetrAVG davon abweichende tarifvertragliche Regelung bestand unabhängig davon nicht, ob hierfür der gekündigte Haustarifvertrag noch in Betracht kam. Dieser sieht in § 17 lediglich vor, dass die Beschäftigten durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geldliche Tarifansprüche in Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung umwandeln können, und verweist für geldliche Ansprüche bis zur in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG genannten Grenze auf den „Anspruch auf Entgeltumwandlung gemäß § 1a BetrAVG“. Daraus ergibt sich kein gegenüber § 1a BetrAVG eigenständiger Regelungsgehalt zur Entgeltumwandlung. Es wird vielmehr allein die nach § 20 Abs. 1 BetrAVG für tarifvertragliche Entgeltansprüche erforderliche Bestimmung getroffen, dass diese umgewandelt werden können, und im Übrigen auf das Gesetz verwiesen.

152. Der Anspruch ist gemäß § 362 Abs. 1, Abs. 2 BGB durch Zahlung von 40,00 Euro monatlich als „Arbeitgeberzuschuss 36,4 %“ in die Direktversicherung der Klägerin erloschen.

16a) Bei einer Geldschuld, die in eine Direktversicherung des Arbeitnehmers zu leisten ist, wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarungen bewirkt, wenn der Arbeitgeber den Geldbetrag, den der Arbeitnehmer beanspruchen kann, in die Direktversicherung überweist (vgl.  - Rn. 31, BAGE 155, 202). Die Erfüllung des Anspruchs tritt dann als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein. Einer entsprechenden Vereinbarung bedarf es nicht (vgl.  – Rn. 15). Aus § 1a Abs. 1a BetrAVG ergibt sich nichts anderes. Die Norm verpflichtet den Arbeitgeber lediglich zur „Weiterleitung“ des ersparten Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungsbeiträgen an die durchführende Versorgungseinrichtung (BT-Drs. 18/12612 S. 28).

17b) Der Eignung der von der Beklagten überwiesenen Beträge zur Erfüllung des Anspruchs der Klägerin aus § 1a Abs. 1a BetrAVG steht nicht entgegen, dass sie zur Erfüllung eines anderen Anspruchs der Klägerin erbracht worden wären. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen anderweitige Leistungen des Arbeitgebers auf den Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG „angerechnet“ werden können (vgl. hierzu Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs 8. Aufl. BetrAVG § 1a Rn. 80; Bepler RdA 2019, 12, 16; Höfer DB 2017, 2481, 2483 f.; ErfK/Steinmeyer 25. Aufl. BetrAVG § 1a Rn. 16).

18aa) Die Parteien haben die von der Beklagten an die Versicherung zu leistenden 40,00 Euro monatlich in der von ihnen unterzeichneten Änderungsmitteilung an die Versicherung von März 2023 ausdrücklich als Arbeitgeberzuschuss bezeichnet. Dies erfolgte vor dem Hintergrund der vorangegangenen Erörterungen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung aus der zum für Altverträge in Kraft getretenen Regelung des § 1a Abs. 1a BetrAVG nachzukommen habe. Es kann dahinstehen, ob der Änderungsmitteilung mit der gewählten Bezeichnung als „Arbeitgeberzuschuss“ ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zukommt. Jedenfalls lässt sich ihr für die 70,00 Euro monatlich übersteigenden Zahlungen in die Direktversicherung keine andere Leistungsbestimmung entnehmen als die Zahlung als Arbeitgeberzuschuss. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien übereinstimmend eigentlich einen anderen Leistungszweck gemeint haben, gibt es nicht.

19bb) Die Beklagte schuldete die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses nicht aufgrund der BV Option. Das Landesarbeitsgericht hat zwar ohne nähere Begründung angenommen, die Leistung sei auf Grundlage des § 3 BV Option erfolgt. Aus der BV Option folgt indes kein solcher Anspruch. Nach § 3 Abs. 1 BV Option stellt die Arbeitgeberin dem vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter einen zusätzlichen Betrag iHv. 100,00 Euro brutto zur Verfügung, den er für die in der Anlage aufgeführten Zwecke verwenden kann. Nach § 3 Abs. 2 BV Option kann und muss der Mitarbeiter aus den in der Anlage genannten Verwendungszwecken maximal zwei unterschiedliche Verwendungszwecke auswählen. Eine Verwendung als Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung ist nach der Anlage zur BV Option nicht vorgesehen. Die Zahlung in eine Direktversicherung ist danach auch im Übrigen keine Wahlmöglichkeit, sofern nicht ein bereits bestehender Sparvertrag über vermögenswirksame Leistungen fortgeführt wird. Nach der auch von der Klägerin unterzeichneten Änderungsmitteilung von März 2023 entfielen auf den in die Direktversicherung ab dem zu zahlenden Gesamtbeitrag indes keine vermögenswirksamen Leistungen mehr. Es kann daher dahinstehen, ob der Arbeitgeber mit vermögenswirksamen Leistungen seine Zuschusspflicht nach § 1a Abs. 1a BetrAVG erfüllen könnte (zur Abgrenzung Höfer BetrAVG/Höfer Stand Februar 2025 Kap. 2 Rn. 78 ff.; Kisters-Kölkes/Berenz/Huber/Betz-Rehm/Borgers BetrAVG 10. Aufl. § 1a Rn. 17).

20c) Unerheblich ist, dass die Beklagte einen höheren Arbeitgeberzuschuss in die Direktversicherung der Klägerin zahlte als nach § 1a Abs. 1a BetrAVG geschuldet. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, zusätzliche Zuschüsse zu erbringen. Es kann auch dahinstehen, ob die Beklagte meinte, aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung mit der Klägerin zur Leistung eines Arbeitgeberzuschusses in dieser Höhe verpflichtet zu sein. In diesem Fall hätte sie mit der Klägerin eine für diese gegenüber § 1a Abs. 1a BetrAVG günstigere einzelvertragliche Regelung getroffen.

21d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht einer Erfüllung des Anspruchs der Klägerin aus § 1a Abs. 1a BetrAVG nicht entgegen, dass damit ein nach § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG unzulässiger Verzicht der Klägerin auf Rechte aus der BV Option verbunden wäre. Weder der Zahlung durch die Beklagte noch der Änderungsmitteilung von März 2023 lässt sich entnehmen, die Klägerin verzichte insoweit auf mögliche Rechte aus der BV Option. Rechtsfolge wäre im Übrigen allenfalls, dass mögliche Rechte aus der BV Option fortbestünden. Diese sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Klägerin hat allein einen Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG geltend gemacht. Es kann daher auch dahinstehen, ob die BV Option mit Blick auf § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und den vormals bei der Beklagten geltenden Haustarifvertrag wirksam Rechte der Arbeitnehmer begründen konnte und welche nach der Anlage zur BV Option möglichen Verwendungszwecke für die Optionszahlung die Klägerin in einer § 3 Abs. 3 BV Option entsprechenden Weise gegenüber der Beklagten gewählt hat.

22II. Soweit das Berufungsgericht nach Auslegung des Klageantrags angenommen hat, die Klägerin begehre neben der Zahlung des Arbeitgeberzuschusses für die Zeit vom bis die Feststellung, dass die Beklagte auch ab dem verpflichtet ist, zusätzlich zu den zu zahlenden 40,00 Euro monatlich zugunsten der Klägerin einen Arbeitgeberzuschuss iHv. 10,50 Euro netto monatlich an die Direktversicherung zu zahlen, ist dem Senat dieser Antrag nicht zur Entscheidung angefallen. Er war im wohlverstandenen Interesse der Klägerin dahin auszulegen, dass er nur für den Fall des Obsiegens mit dem Zahlungsantrag gestellt werden sollte. Die Klägerin ist mit diesem indes unterlegen.

23III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:240625.U.3AZR158.24.0

Fundstelle(n):
EAAAK-03246