Instanzenzug: LG Würzburg Az: 1 Ks 801 Js 17727/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Totschlags und zwei Fällen des versuchten Totschlags jeweils tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die gegen den Freispruch gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wie auch die Revisionen der Nebenkläger haben Erfolg.
I.
2Die Revisionen der Nebenkläger, die sich jeweils auf die unausgeführte Sachrüge stützen, sind zulässig.
3Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss des Nebenklägers berechtigt. Aufgrund der beschränkten Anfechtungsbefugnis muss der Nebenkläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist das Ziel seines Rechtsmittels ausdrücklich und eindeutig angeben. Wird aus der Revision des Nebenklägers nicht ersichtlich, dass sie ein gemäß § 400 Abs. 1 i.V.m. § 395 StPO zulässiges Ziel verfolgt, ist sie unzulässig. Die Erhebung der allgemeinen Sachrüge reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, um eine zulässige Nebenklagerevision zu erheben (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 246/18 Rn. 2 und vom – 4 StR 489/17 Rn. 1; jeweils mwN). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings dann anzuerkennen, wenn aufgrund der Prozesslage die konkrete Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers zweifelsfrei feststeht, etwa wenn er Revision gegen den Freispruch eines Angeklagten vom Vorwurf eines zur Nebenklage berechtigenden Delikts einlegt (vgl. Rn. 3 mwN). So liegt es hier, denn dem Anklagevorwurf lagen ausschließlich (versuchte) Tötungsdelikte zugrunde, die nebenklagefähig sind.
II.
41. Die im Wesentlichen unverändert zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, in den frühen Morgenstunden des mittels mehrerer Messerstiche A. getötet und die Nebenkläger K. und A. verletzt zu haben.
5Gegen 5.00 Uhr sei es vor dem Club „S. " in W. zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und mehreren Personen gekommen. Der Angeklagte habe dort mehrere Frauen verbal belästigt, wovon andere Personen, darunter der spätere Geschädigte K. , ihn hätten abhalten wollen. Er habe sich dabei von Beginn an aggressiv und uneinsichtig gezeigt, was zu einer leichteren körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und einem Türsteher geführt habe. Dieser habe dem Angeklagten mehrere Ohrfeigen versetzt. Das Geschehen habe sich dann auf die andere Straßenseite in Richtung eines Parkhauses verlagert, wobei der Angeklagte immer wieder die Auseinandersetzung gesucht und Aufforderungen, sich zu entfernen, missachtet habe. Daraufhin habe sich eine Gruppe um den Angeklagten gebildet.
6Der bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbeteiligte Getötete sei dazugekommen und habe den Angeklagten aus der Gruppe geschoben, um ihn von den anderen Personen zu trennen und schlichtend auf das Geschehen einzuwirken. Er habe dabei geäußert „Bruder, bitte geh einfach. Bitte geh". Daraufhin seien der Angeklagte, der nicht habe gehen wollen, und der Getötete zunächst verbal und sodann mutmaßlich auch körperlich aneinandergeraten, wobei es zu wechselseitigen leichteren Körperverletzungshandlungen gekommen sei.
7Völlig unvermittelt habe der Angeklagte sodann ein schwarzes Klappmesser mit einer Gesamtlänge von 23 cm und einer Klingenlänge von etwa zehn Zentimetern gezogen und in die Richtung des Getöteten geäußert: „Was willst Du? Was willst Du von mir? Ich zeig Dir gleich". In der Folge habe er mit dem Messer wissentlich und willentlich ohne rechtfertigenden Grund mehrfach auf dessen Oberkörperbereich eingestochen und dabei tödliche Verletzungen jedenfalls billigend in Kauf genommen. Der Getötete habe mehrere Stichwunden erlitten, unter anderem im Brustbereich.
8Aufgrund eines Aufschreis der Zeugin L. seien die später Geschädigten A. und K. herbeigeeilt. Der Zeuge K. habe versucht, den Angeklagten von weiteren Angriffen auf den Getöteten abzuhalten. Der Zeuge A. habe den Angeklagten in derselben Motivation von hinten umklammert. Im Zuge des dynamischen Geschehens habe der Angeklagte nun – weiterhin ohne rechtfertigenden Grund – wissentlich und willentlich auf die Geschädigten A. und K. eingestochen und auch insoweit tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen. Der Geschädigte K. habe eine Stichverletzung am linken Schulterblatt und eine Schnittverletzung an der linken Handinnenseite, der Geschädigte A. eine Stichverletzung im Bereich des rechten Thorax erlitten. Das Ausbleiben tödlicher Verletzungen sei allein vom Zufall abhängig gewesen.
9Die Staatsanwaltschaft hat das Handeln des Angeklagten als Totschlag in Tatmehrheit mit zwei Fällen des versuchten Totschlags jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 212, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, §§ 22, 23, 52, 53 StGB gewertet.
102. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich das Geschehen wie angeklagt ereignet hat, und den Angeklagten freigesprochen.
11Es hat für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte einige Minuten vor der tödlichen Auseinandersetzung von verschiedenen Personen geschubst, gestoßen und erheblich geschlagen wurde, wobei er auch einen Trommelfellriss erlitt. Wenige Sekunden vor dem ersten Stich sei er erneut wenigstens einmal wuchtig nach hinten gestoßen und ein weiteres Mal geschlagen oder gestoßen worden, woraufhin der später Getötete in die Auseinandersetzung eingegriffen habe. Von dem den Messerstichen unmittelbar vorangegangenen Geschehen hat sich das Landgericht – trotz umfangreicher Beweisaufnahme – keine Überzeugung zu bilden vermocht. In Anwendung des Zweifelssatzes hat es die für den Angeklagten günstigste der denkbaren Sachverhaltsvarianten unterstellt und angenommen, sein Handeln gegenüber dem Getöteten und dem Geschädigten K. sei jeweils durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Soweit er dem Geschädigten A. Verletzungen zufügte, habe er sich nicht ausschließbar in einem unvermeidbaren, vorsatzschuldausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum über das Vorliegen des Rechtfertigungsgrunds der Notwehr befunden, der eine Bestrafung ausschließe.
III.
12Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sind begründet. Die den Freispruch tragende Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
131. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich eine Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatgericht getroffene Feststellung „lebensfremd erscheinen“ mag (vgl. Rn. 7 und vom – 3 StR 288/19 Rn. 19). Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa ; Beschluss vom – 3 StR 86/16 Rn. 11). Dabei ist zu beachten, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist. Denn es genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur , BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5 Rn. 10, vom – 1 StR 360/16 Rn. 10; vom – 4 StR 554/16 Rn. 6 und vom – 1 StR 535/16 Rn. 7; jeweils mwN). Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. Rn. 37; vom – 2 StR 146/17 Rn. 6; vom – 2 StR 326/19 Rn. 8; vom – 5 StR 127/21 Rn. 11 und vom - 5 StR 282/21 Rn. 10). Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Rn. 11 und vom – 3 StR 288/19 Rn. 19). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, BGHR StPO, § 261 Beweiswürdigung 2, 11, Beweiswürdigung, unzureichende 1).
142. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
15a) Zunächst fehlt es an einer, bei der hier gegebenen Beweislage unerlässlichen, näheren und in sich geschlossenen Darlegung der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung. Seine diesbezüglichen Angaben sind in den Urteilsgründen zwar wiedergegeben, werden in dem umfangreichen Urteil jedoch so bruchstückhaft und verstreut mitgeteilt, dass keine revisionsgerichtliche Überprüfung erfolgen kann (vgl. Rn. 9; vom – 5 StR 26/11 Rn. 14 und vom - 5 StR 55/15 Rn. 18).
16b) Die Beweiswürdigung ist ferner lückenhaft und inkonsistent, soweit sich das Landgericht mit den Angaben der Belastungszeugin L. auseinandersetzt, die – als einzige Zeugin – den ersten Stich des Angeklagten wahrgenommen hat.
17aa) So folgt das Landgericht den Angaben der Zeugin sowohl zum Tatvorgeschehen in der Gaststätte „M. “ als auch zum unmittelbaren Vortatgeschehen. Von einer Vielzahl an Zeugen war die Zeugin L. die einzige, die den durch ein Handyvideo objektivierbar belegten, ersten Stoß des Zeugen Le. gegen den Angeklagten bekundete. Ihren Angaben folgt das Landgericht auch hinsichtlich ihrer daran anschließenden Schilderung. Danach habe der hinzugetretene Geschädigte den Angeklagten im Anschluss an der Brust nach hinten in den Kreisverkehr geschoben. Die Zeugin sei zu der sich dann entwickelnden Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten hinzugetreten. Sie habe diese unter Verwendung ihrer jeweiligen Vornamen angeschrien und nach Erkennen des gezogenen Messers, sowie nach der ersten Stichbewegung des Angeklagten in Richtung des Brustkorbs des Geschädigten lauthals geschrien. Währenddessen habe der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten R. vor der ersten Stichsetzung geäußert „Was willst du von mir? Ich zeig dir gleich!". Auch, dass es nach dem ersten Stich zu einem weiteren Kampfgeschehen zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten gekommen sei und infolge der Schreie der Zeugin L. weitere Personen hinzukamen, darunter insbesondere die Nebenkläger K. und A. , stützt das Landgericht auf ihre – teilweise durch weitere Zeugen bekräftige – Angaben. Als nicht belastbar hat das Landgericht demgegenüber ihre den Angeklagten belastenden Angaben gewertet. Danach sei das Eingreifen des Geschädigten K. nach den Schubsern ein Schlichtungsversuch zum Schutz des Angeklagten gewesen. Um diesen zu schützen, habe der Geschädigte den Angeklagten weggeschoben und zum Gehen aufgefordert, worauf dieser das Messer gezogen und eingesetzt habe. Es sei niemand sonst dabei gewesen und es habe keine Gefahr für den Angeklagten bestanden. Die fehlende Glaubhaftigkeit dieser Angaben hat das Landgericht zum einen mit der Voreingenommenheit der Zeugin begründet, die den Geschädigten etwa als „Held" und „Engel“ bezeichnet habe. Den ihr nur oberflächlich bekannten Angeklagten habe sie hingegen zuvor in der Gaststätte „M. “ „als reizbar, genervt und ihr gegenüber ablehnend empfunden“ (UA S. 91). Dies können im Sinne einer kognitiven Dissonanz naheliegend zu einer nicht unerheblich beeinträchtigten Wahrnehmung des Geschehens geführt haben. Verstärkend sei ihre Erinnerung an das Geschehen der Beeinflussung durch den Vater des Getöteten, dem Nebenkläger R. , unterlegen. Dieser habe die Zeugin am Folgetag der Tat in deren Wohnung aufgesucht und intensiv, zum Teil massiv suggestiv, befragt. Davon habe sich das Landgericht anhand des davon angefertigten und in Augenschein genommenen Audiomitschnitts ein eindrückliches Bild verschaffen können. Darin habe der Nebenkläger R. insbesondere mehrfach seine massive Ablehnung gegenüber dem Angeklagten, den er unter anderem als Schwerverbrecher und Mörder bezeichnet habe, zum Ausdruck gebracht. Er habe ferner deutlich gemacht, „dass er Aussagen brauche, die zusammenpassen, um den Angeklagten ins Gefängnis zu bringen“ (UA S. 91). Auch sonst habe die Zeugin einen hohen Belastungseifer an den Tag gelegt und möglicherweise bei ihren Angaben konfabuliert.
18bb) Schon diese differenzierende Bewertung der Glaubhaftigkeit einzelner Aussageteile hätte einer näheren Begründung bedurft, die das Urteil vermissen lässt. Glaubt das Gericht einen Teil der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihm in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 96/03 Rn. 6; vom - 1 StR 206/13 Rn. 19 und vom – 2 StR 466/18 Rn. 9). Daher wäre das Landgericht gehalten gewesen, auch die Angaben der Zeugin in ihren vorangegangenen Vernehmungen in ihrem wesentlichen Inhalt mitzuteilen und auf dieser Grundlage nachvollziehbar darzutun, aus welchen Erwägungen es ein (teilweise) widersprüchliches Aussageverhalten annimmt. Ein weiterer Erörterungsmangel liegt darin, dass das Landgericht den vollständigen Inhalt des Audiomitschnittes der durch den Nebenkläger R. vorgenommenen Befragung nicht mitgeteilt hat. Eine suggestive Beeinflussung der Zeugin durch dieses Interview ist zwar denkbar und kann dazu führen, dass ihre Wahrnehmungen nicht mehr als erlebnisbasiert gewertet werden können. Ohne nähere Darstellung der Einflussnahme auf die Zeugin ist dem Senat jedoch insoweit die Nachprüfung der richterlichen Überzeugungsbildung verwehrt.
19c) Das Landgericht hat ferner die Anforderungen überspannt, die an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind. Es hat zwar umfänglich die den Angeklagten belastenden Indizien dargestellt, welche die Hauptverhandlung erbracht hat. Bei der anschließenden Würdigung hat es dann jedoch – soweit rechtserheblich – die dem Angeklagten günstigste Sachverhaltsvariante unterstellt, obwohl tatsächliche Anhaltspunkte dafür nicht vorlagen. So liegt es beispielhaft hinsichtlich des nach der Tat erfolgten Ausrufes „Was habt ihr erwartet, Digger?“, durch den Angeklagten oder dessen Nachtatverhalten (Entsorgen des Messers). Dies lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft auf eine einzelne Indiztatsache angewendet hat.
20d) Schließlich erweist sich das angefochtene Urteil stellenweise als spekulativ und – worauf es nicht mehr entscheidend ankommt – tendenziös. So liegt es etwa hinsichtlich der Annahme, der Getötete habe in seiner dunklen Kleidung mit Camouflage-Weste und der Vielzahl an Tätowierungen – auch im Gesicht – auf den Angeklagten „durchaus bedrohlich, jedenfalls nicht optisch deeskalierend“ gewirkt. Der Getötete habe „aus der Zeit seiner Obdachlosigkeit über Kampferfahrung im Rahmen von Schlägereien, Messerstechereien und Cage-Fights“ verfügt (UA S. 108). Hierbei handelt es sich um lediglich theoretische Erklärungsansätze für ein Bedrohungsempfinden des Angeklagten, das nicht einmal dieser selbst behauptet hat. Ähnlich verhält es sich, soweit das Landgericht das Verhalten des Getöteten im Tatzeitpunkt in eine Beziehung zu seiner Borderline-Erkrankung und sein – nicht strafrechtliches – Vorleben gesetzt hat. So stellt das Landgericht die Persönlichkeit des Getöteten und seine Sozialisation ersichtlich negativ dar (etwa Obdachlosigkeit, Neigung zu emotionalen Ausbrüchen, Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten), obschon dies in der Vielzahl der Indizien zum unmittelbaren Tatgeschehen keine Stütze findet.
21e) Allein fehl geht das Revisionsvorbringen, ein Widerspruch ergebe sich – auch – aus dem Vorspann der Urteilsgründe. Der Vorspann eines Urteils dient dem alleinigen Zweck, dem Leser einen gedrängten und zusammenfassenden Überblick über die verfahrensgegenständliche Sach- und Rechtslage zu verschaffen. Überspannte Anforderungen dürfen daran nicht gestellt werden. Denn der Vorspann wäre nicht geeignet, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wenn er nur um wenige Seiten kürzer ist, als die nachfolgende Darstellung der zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen (vgl. Rn. 13). In diesem Sinne kann ein Zeitraum von 43 Sekunden im Rahmen einer gedrängten Schilderung rechtsbedenkenfrei als „wenige Sekunden“ beschrieben werden.
223. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von einem rechtswidrigen und schuldhaften Handeln des Angeklagten gewonnen hätte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130825U1STR9.25.0
Fundstelle(n):
BAAAK-03179