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BSG Urteil v. - B 7 AS 19/24 R

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Aufhebung einer nach § 41a SGB 2 wegen der ungewissen Höhe von Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit vorläufigen Leistungsbewilligung gemäß § 48 SGB 10 wegen der Erzielung von Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung)

Gesetze: § 41a Abs 1 S 1 SGB 2, § 41a Abs 3 S 1 SGB 2, § 41a Abs 5 S 1 SGB 2, § 41a Abs 5 S 2 Nr 2 SGB 2, § 67 Abs 4 S 2 SGB 2, § 45 Abs 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10

Instanzenzug: SG Freiburg (Breisgau) Az: S 16 AS 612/21 Urteilvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 3 AS 2081/23 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der vorläufigen Bewilligung von Alg II und Erstattung von 919,80 Euro für November 2020 sowie gegen die ab erklärte Aufrechnung dieser Forderung mit laufenden Leistungen.

2Der Kläger war selbständig tätig und bewohnte ein möbliertes Appartement, für das ab monatlich 677,10 Euro brutto (Miete einschließlich aller Nebenkosten) zu zahlen waren. Bereits vom 1.1. bis war wegen Einkommens aus selbständiger Tätigkeit Alg II nur vorläufig bewilligt worden. Das beklagte Jobcenter bewilligte sodann auch für die Zeit vom bis Leistungen nur vorläufig (Bescheid vom ), zuletzt für November 2020 iHv insgesamt 919,80 Euro (Regelbedarf 432 Euro; für angemessen erachtete Unterkunftskosten 487,80 Euro). Prognostiziertes Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wurde, wie im vorangegangenen Bewilligungszeitraum, iHv 100 Euro monatlich in die Berechnung eingestellt (bestandskräftiger Änderungsbescheid vom ).

3Am nahm der Kläger eine abhängige Beschäftigung auf; das Beschäftigungsverhältnis endete durch fristlose Arbeitgeberkündigung zum . Kenntnis von der Beschäftigungsaufnahme erhielt der Beklagte Anfang November 2020. Die fristlose Kündigung teilte der Kläger mit einem am beim Beklagten eingegangenen Schreiben mit. Am wurde auf dem Girokonto des Klägers das "Gehalt Oktober" iHv 1598,42 Euro gutgeschrieben.

4Der Beklagte hob daraufhin die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für November 2020, gestützt auf § 48 SGB X, vollständig auf und verlangte 919,80 Euro erstattet. Das Gesamteinkommen des Klägers aus abhängiger Beschäftigung (Bruttoeinkommen 1698,42 Euro abzüglich Werbungskosten iHv 126,39 Euro, Versicherungspauschale von 30 Euro und Freibetrag von 200 Euro) übersteige den Bedarf. Der Kläger sei deshalb nicht hilfebedürftig gewesen, die überzahlten Leistungen seien zu erstatten und würden ab mit den laufenden Leistungen iHv 10 vH aufgerechnet (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

5Die dagegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (; ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, auch eine vorläufige Leistungsbewilligung könne während des laufenden Bewilligungszeitraums nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, wenn sich die eintretende Änderung der Verhältnisse nicht auf die Höhe des prognostizierten Einkommens beziehe, das Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung gewesen sei. Daran sei der Beklagte auch nicht dadurch gehindert gewesen, dass nach § 67 Abs 4 Satz 2 SGB II die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichend von § 41a Abs 3 SGB II nur auf Antrag abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch zu entscheiden hatten. Die Aufhebung sei in der Sache berechtigt, denn der Kläger sei im November 2020 nicht hilfebedürftig gewesen. Selbst wenn im November 2020 als Bedarf die tatsächlichen Unterkunftskosten zugrunde gelegt würden und neben dem Erwerbseinkommen weitere Einkommenszuflüsse auf dem Konto unberücksichtigt blieben, habe das bereinigte Einkommen aus abhängiger Beschäftigung den Hilfebedarf des Klägers vollständig gedeckt.

6Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 41a, 67 Abs 4 SGB II und des § 48 SGB X. Eine vorläufige Entscheidung sei bereits nach der Gesetzessystematik des § 41a SGB II im laufenden Bewilligungszeitraum einer Aufhebung nach Maßgabe des § 48 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zugänglich.

7Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom und des Sozialgerichts Freiburg vom sowie den Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben.

8Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

9Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Aufhebung vorläufiger Bescheide gemäß § 41a SGB II nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten einer leistungsberechtigten Person ist ausgeschlossen. Sowohl den Fällen der anfänglichen Rechtswidrigkeit als auch nachteiligen Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die nicht Grund für die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung waren, ist bei der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch Rechnung zu tragen. Die auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bzw 3 SGB X gestützten Bescheide des Beklagten sind deshalb rechtswidrig und, ebenso wie die klageabweisenden Urteile des SG und LSG, aufzuheben.

111. Gegenstand des Verfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem der Beklagte zum einen die Bewilligung von Leistungen für November 2020, gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bzw Nr 3 SGB X (jeweils iVm § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 330 Abs 3 SGB III), in vollem Umfang aufgehoben hat. Zudem hat er auf Grundlage des § 50 SGB X die Erstattung von 919,80 Euro und die Aufrechnung der zu erstattenden Leistungen ab iHv monatlich 44,60 Euro, gestützt auf § 43 SGB II, verfügt. Anders als das LSG meint, ist diese Verfügung nicht deshalb gegenstandslos geworden und nicht mehr Verfahrensgegenstand, weil Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufschiebende Wirkung entfalten (§ 86a Abs 1 SGG; ein Fall des § 39 SGB II liegt nicht vor). Auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungs- und Aufrechnungsverfügungen kommt es angesichts der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung nicht an; gleiches gilt für die Frage der Erledigung der Aufrechnungsverfügung.

122. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zutreffend mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen.

133. Die Revision hat in der Sache Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bzw 3 SGB X (iVm § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 330 Abs 3 SGB III) gestützte Aufhebung des Bescheids vom für November 2020, die Erstattung von 919,80 Euro und die verfügte Aufrechnung im Zeitpunkt des Erlasses der vorliegend angefochtenen Bescheide vorgelegen haben. Da § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bis 4 SGB X auf vorläufige Leistungsbewilligungen nach Maßgabe des § 41a Abs 1 SGB II nicht anzuwenden ist, weil die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 41a Abs 3 SGB II als speziellere Regelung für den Ausgleich zu Unrecht erhaltenen Alg II insoweit vorrangig ist, ist die darauf gestützte Verfügung des Beklagten schon deshalb aufzuheben. Gleiches gilt für § 45 Abs 1 SGB X. Wäre der Bescheid vom bereits anfänglich rechtswidrig gewesen, wäre dem ebenfalls ausschließlich im Rahmen einer abschließenden Entscheidung Rechnung zu tragen gewesen. Auch ein im Grundsatz zulässiges "Auswechseln" der Rechtsgrundlagen im gerichtlichen Verfahren (dazu zuletzt - juris RdNr 25 mwN) änderte daher an der Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung nichts. Wegen deren Rechtswidrigkeit sind auch die Erstattungs- und Aufrechnungsverfügung ohne Rechtsgrund ergangen, sodass sie gleichermaßen aufzuheben sind.

14Im Ausgangspunkt rechtmäßig hat der Beklagte für November 2020 nur vorläufig Alg II bewilligt. Nach Maßgabe der Übergangsregelungen in § 67 Abs 5 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 <Sozialschutz-Paket> vom , BGBl I 575) war für Leistungen nach dem SGB II, deren Bewilligungszeitraum in der Zeit vom bis vor dem endet, für deren Weiterbewilligung abweichend von § 37 SGB II kein erneuter Antrag erforderlich. Der zuletzt gestellte Antrag galt insoweit einmalig für den weiteren Bewilligungszeitraum fort (§ 67 Abs 5 Satz 2 SGB II). Erfolgte bereits die vorausgegangene Bewilligung nach § 41a SGB II vorläufig, hatte auch die Weiterbewilligungsentscheidung aus demselben Grund für sechs Monate vorläufig zu ergehen (§ 67 Abs 5 Satz 4 SGB II). Diese Situation war vorliegend gegeben. Der Beklagte hatte dem Kläger für den bis reichenden vorangegangenen Bewilligungszeitraum wegen prognostizierten Einkommens aus selbständiger Tätigkeit iHv 100 Euro monatlich nur vorläufig Leistungen bewilligt. Folglich war Alg II auch ab zurecht nur vorläufig unter Zugrundelegung eines prognostizierten monatlichen Einkommens in dieser Höhe für die Dauer von sechs Monaten zu bewilligen.

154. Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Oktober bzw der Zufluss des Einkommens im November, das nach den allgemeinen Regelungen der §§ 11 ff SGB II und bezogen allein auf den Monat November (sog Monatsprinzip; dazu und zu Abweichungen davon im Rahmen des § 41a SGB II vgl nur - SozR 4-4200 § 41a Nr 2 RdNr 29 ff) nach den zutreffenden Ausführungen des LSG den Leistungsanspruch für diesen Monat hat entfallen lassen, berechtigten den Beklagten jedoch weder zur Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit auf Grundlage des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 oder 3 SGB X noch hätte eine Rücknahme des Bescheids vom nach Maßgabe des § 45 Abs 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit rechtmäßig erfolgen können. Vielmehr wäre den für einen Leistungsanspruch nachteiligen Umständen erst im Rahmen der die vorläufige Bewilligung ersetzenden abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach Maßgabe des § 41a Abs 3 und 4 SGB II Rechnung zu tragen gewesen. Dies ergibt sich - bei offenem Wortlaut (dazu unter a) - aus der Entstehungsgeschichte der Norm unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck (dazu unter b) sowie der Binnensystematik der Regelung (dazu unter c). § 67 Abs 4 Satz 2 SGB II und § 67 Abs 5 SGB II stehen dem nicht entgegen (dazu unter d). Eine Umdeutung kommt nicht in Betracht (dazu unter e).

16a) Der Wortlaut des § 41a SGB II in der hier noch anwendbaren, vom bis geltenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom (Rechtsvereinfachungsgesetz, BGBl I 1824) verhält sich zur Anwendung der §§ 44 ff SGB X nur eingeschränkt. Die Norm schließt die Anwendung dieser Regelungen nicht vollständig aus, erfasst aber nur bestimmte Sachverhaltskonstellationen. Nach § 41a Abs 1 Satz 1 SGB II ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn 1. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder 2. ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Nach § 41a Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II ist der Grund der Vorläufigkeit anzugeben und die vorläufige Leistung ist so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; dabei kann der Absetzbetrag nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB II ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Soweit die vorläufige Entscheidung nach Absatz 1 rechtswidrig ist, ist sie nach Maßgabe des § 41a Abs 2 Satz 4 SGB II für die Zukunft zurückzunehmen. § 45 Abs 2 SGB X findet keine Anwendung (§ 41a Abs 2 Satz 5 SGB II).

17§ 41a Abs 2 Satz 4 SGB II verhält sich zur Aufhebung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts nur mit Wirkung für die Zukunft. Dem gegenüber regelt § 41a Abs 2 Satz 5 SGB II, dass die Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs 2 SGB X keine Anwendung findet, die bei Rücknahme bereits bei ihrem Erlass rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte anzuwenden ist. Die Regelung setzt als Rückausnahme zu § 45 Abs 2 SGB X dessen grundsätzliche Geltung auch im Bereich der Korrektur vorläufiger Verwaltungsakte zwar voraus (dazu AS 57/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 6 RdNr 23), sagt jedoch nichts über den möglichen zeitlichen Bezug (Zukunft/Vergangenheit) der Rücknahme aus. Weitere Regelungen der §§ 44 ff SGB X werden in § 41a SGB II weder erwähnt noch ausgeschlossen oder modifiziert.

18b) Käme aus anderen Umständen als denen, die Grund für die Vorläufigkeit waren, außerhalb vorläufiger Bewilligungen nach § 41a SGB II die Anwendung der § 45 Abs 1 SGB X bzw § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bis 4 SGB X (Aufhebung/Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten einer leistungsberechtigten Person) in Betracht, sprechen für ihren Ausschluss im Anwendungsbereich des § 41a SGB II aber neben den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 41a SGB II (darauf stellen ab Kemper in Luik/Harich SGB II, 6. Aufl 2024, § 41a RdNr 33; Kallert in BeckOGK, § 41a SGB II RdNr 132, Stand ; Klerks in LPK-SGB II, 8. Aufl 2023, § 41a RdNr 41; auf systematische Argumente verweist Grote-Seifert in jurisPK-SGB II, § 41a RdNr 43, Stand ; aA Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41a RdNr 275, Stand Juli 2023) insbesondere der mit der Regelung verfolgte Sinn und Zweck.

19§ 41a SGB II ist geschaffen worden, um den Widerstreit zwischen einer möglichst zügigen Entscheidung über existenzsichernde Sozialleistungen einerseits und der Notwendigkeit vollständiger Sachverhaltsermittlung andererseits zugunsten einer nur vorläufigen Leistungsbewilligung als "Zwischenregelung" aufzulösen (zu diesem Begriff Greiser/Luis, SGb 2023, 161; als "Zwischenlösung" bezeichnet in - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 22). Der Gesetzgeber sah sich mit Schwierigkeiten der Praxis konfrontiert, die Leistungsvoraussetzungen für Alg II und Sozialgeld im Bewilligungszeitraum endgültig festzustellen, insbesondere bei schwankendem Einkommen. Zugleich bestand Unsicherheit darüber, ob in diesen Fällen ein Vorschuss auf die Leistung zu erbringen oder eine vorläufige Entscheidung zu treffen sei. Zudem war und ist eine endgültige Entscheidung in Fällen, in denen nur die Möglichkeit einer Prognoseentscheidung insbesondere hinsichtlich der Einkommenssituation in Betracht kommt, als rechtswidrig erachtet worden (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung, BT-Drucks 18/8041 S 51 f; zu § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 SGB III - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17; - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 19 mwN; zur Notwendigkeit einer <nur> vorläufigen Leistungsbewilligung in diesen Fällen aus neuerer Zeit - SozR 4-1300 § 45 Nr 23 RdNr 22; - SozR 4-4200 § 41a Nr 3 RdNr 15, jeweils mwN).

20Dem vom Gesetzgeber gewählten Konzept einer vorläufigen Entscheidung als bloße "Zwischenlösung" folgend, sieht § 41a Abs 3 SGB II im Grundsatz deren Ersetzung durch eine abschließende Entscheidung nach Ablauf des Bewilligungszeitraums vor. Weder kommt der vorläufigen Entscheidung Bindungswirkung für die abschließende Entscheidung zu (so auch die Ausführungen in BT-Drucks 18/8041 S 53; zu § 328 SGB III vgl nur - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 23 mwN; aus jüngerer Zeit zum Verhältnis vorläufiger und abschließender Entscheidung AS 1/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 4 RdNr 26) noch kann der Leistungsempfänger auf ihren Inhalt vertrauen (vgl zuletzt und auch zur Anwendbarkeit der §§ 44 ff SGB X auf fiktive abschließende Entscheidungen - SozR 4-4200 § 41a Nr 10 RdNr 29).

21Auf diesem konzeptionellen Verständnis aufbauend ist § 41a Abs 2 Satz 4 SGB II so zu verstehen, dass allen Änderungen in den Verhältnissen, also denjenigen, die Grund für die Vorläufigkeit waren, als auch sonstigen Änderungen nur mit Wirkung für die Zukunft nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X Rechnung zu tragen ist. Ändern sich die Verhältnisse zugunsten oder zulasten des Leistungsberechtigten, ist eine neue Prognoseentscheidung auf Grundlage der geänderten Verhältnisse mit Wirkung für die Zukunft zu treffen (§ 45 Abs 1, § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X jeweils iVm § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II). Es bleibt insoweit bei einer nur vorläufigen Entscheidung (auf dann aktueller Prognosegrundlage) und ihrer Ersetzung durch eine abschließende Entscheidung nach Ablauf des Bewilligungszeitraums, die die vorläufige Entscheidung erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X).

22Dies bestätigt die Gesetzesbegründung. Unabhängig von der dogmatisch richtigen Einordnung (vgl dazu kritisch Greiser/Luis, SGb 2023, 161 ff, 163) ist insoweit ausgeführt: "Eine Anwendung der §§ 45, 48 SGB X zu Ungunsten der leistungsberechtigten Person ist mit Wirkung für die Vergangenheit systematisch nicht angezeigt, da die vorläufige Entscheidung sich nicht im Wege der Aufhebung, sondern der abschließenden Entscheidung erledigt. Eine Aufhebung zugunsten der leistungsberechtigten Person mit Wirkung für die Vergangenheit während des Bewilligungszeitraums zur Sicherstellung der Bedarfsdeckung bleibt weiterhin möglich" (BT-Drucks 18/8041 S 53 zu Abs 2).

23Bei Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die während des laufenden Bewilligungszeitraums einen anfänglich rechtmäßigen vorläufigen Bescheid deshalb rechtswidrig machen, weil sie zum vollständigen Wegfall der Anspruchsberechtigung für den gesamten noch laufenden Bewilligungszeitraum führen (zB wegen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 oder 5 SGB II), gilt für die Nicht-Anwendbarkeit der §§ 44 ff SGB X nichts anderes. § 41a Abs 3 Satz 1 SGB II ermächtigt das Jobcenter in diesen Fällen zur - sofortigen - abschließenden Entscheidung. Dies bestätigt § 41a Abs 4 SGB II (in der seit maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom ), wonach die abschließende Entscheidung zwar - erst - nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erfolgen soll. Die Formulierung lässt in atypischen Ausnahmefällen jedoch einen anderen Zeitpunkt zu (vgl dazu auch BT-Drucks 19/26542 S 18). Schließlich ist auch in der Situation, in der eine vorläufige Bewilligung von Anfang an in vollem Umfang rechtswidrig war (zB wegen zu berücksichtigenden Vermögens), unter Ausschluss der Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs 2 SGB X (§ 41a Abs 2 Satz 5 SGB II) eine abschließende Entscheidung zu treffen, wonach ein Anspruch auf Leistungen nicht bestanden hat (zu § 41a Abs 5, insbesondere Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II vgl unter c> <3>).

24c) Die Binnensystematik des § 41a SGB II bestätigt den Vorrang der abschließenden Entscheidung vor den §§ 44 ff SGB X in den genannten Fallkonstellationen.

25(1) Dies zeigten konzeptionell bereits Wortlaut und Binnensystematik der im vorliegenden Fall noch anwendbaren Fassung des § 41a Abs 4 SGB II. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs war nach § 41a Abs 4 Satz 1 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, soweit keine Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs 4 Satz 2 SGB II vorlagen. Als monatliches Durchschnittseinkommen war nach § 41a Abs 4 Satz 3 SGB II für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt.

26Schon nach seinem Wortlaut bezog § 41a Abs 4 SGB II mithin alle Monate des Bewilligungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein und erfasste alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum (vgl - SozR 4-4200 § 41a Nr 2 RdNr 18 ff), gleichgültig, ob das erzielte Einkommen Grund für die Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung war (vgl § 41a Abs 2 Satz 1 SGB II aF) oder nicht. Auf diesem systematischen Ansatz aufbauend waren auch die Ausnahmetatbestände des § 41a Abs 4 Satz 2 Nr 1 bis 3 SGB II zu verstehen. Erfasst waren Fallkonstellationen, in denen der Bildung eines Durchschnittseinkommens entgegen stand, dass nicht alle Monate des Bewilligungszeitraums in die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs einbezogen werden konnten. Rechtsfolge insoweit war allerdings nur das Entfallen der Durchschnittseinkommensbildung, nicht aber die abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs für alle Monate des Bewilligungszeitraums, wie insbesondere der Ausnahmetatbestand des § 41a Abs 4 Satz 2 Nr 3 SGB II deutlich machte (dazu im Einzelnen AS 9/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 5 RdNr 21 ff). Mit diesem spezifischen Regelungskonzept wäre es nicht vereinbar, wäre zugleich beim Entfallen des Leistungsanspruchs für einzelne Monate der Weg einer - rückwirkenden - Korrektur über die §§ 44 ff SGB X eröffnet.

27(2) Dieses Verständnis eines im Grundsatz zwischen vorläufiger Bewilligung und abschließender Entscheidung abgeschlossenen Binnensystems - mit Ausnahme der Fälle der Fiktion in § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II -, das bei der abschließenden Entscheidung alle Monate des Bewilligungszeitraums umfasst, bringen weiterhin (dh auch nach Wegfall der Durchschnittseinkommensbildung und der Änderung des § 41a Abs 4 SGB II zum durch das Gesetz vom ) die in § 41a Abs 6 SGB II spezialgesetzlich geregelten Anrechnungs- und Erstattungsregelungen zum Ausdruck, die von den allgemeinen Regelungen des § 50 SGB X bzw § 43 SGB II abweichen (so auch Grote-Seifert in jurisPK-SGB II, § 41a RdNr 43, Stand ). Nach § 41a Abs 6 Satz 1 SGB II sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären (Satz 2). Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten (Satz 3).

28§§ 48, 50 SGB X verlangen im Anwendungsbereich des SGB II, auch bei ggf notwendigen Korrekturen abschließender Entscheidungen nach § 41a SGB II, eine monatsweise Betrachtung. Sie stehen einer Saldierung monatlicher Leistungsansprüche über den gesamten Bewilligungszeitraum entgegen (dazu und zur bescheidmäßigen Umsetzung vgl nur - SozR 4-4200 § 41a Nr 8 RdNr 17 ff). Dem gegenüber verlangt das Konzept der abschließenden Feststellung eines Leistungsanspruchs zunächst eine Saldierung der monatsweise berechneten Leistungsansprüche, dem erst dann ein auf jeden Monat bezogenes Erstattungsverlangen folgt (so auch Kallert in BeckOKG SGB II, § 41a RdNr 225, Stand ). Auf der ersten Stufe (§ 41a Abs 6 Satz 1 SGB II) erfolgt diese bei monatsweiser Betrachtung im Verhältnis vorläufig bewilligter und tatsächlich zustehender Leistung. Ergibt sich daraus, dass im Ergebnis in einem Kalendermonat vorläufig zu hohe Leistungen gezahlt worden sind, ist diese Überzahlung - bezogen auf den abgelaufenen Bewilligungszeitraum und insoweit abweichend von § 43 SGB II - auf eventuelle Nachzahlungsansprüche aus demselben Bewilligungszeitraum anzurechnen. Nur dann, wenn sich nach diesem zweistufigen Verfahren noch Überzahlungen ergeben, sind diese zu erstatten (§ 41a Abs 6 Satz 3 SGB II).

29(3) Schließlich bestätigt auch § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II das dargestellte Regelungskonzept. Nach § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung nach Abs 3 erfolgt. § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II normiert vom Eintritt der Fiktionswirkung nach Satz 1 eine Ausnahme dann, wenn der Leistungsanspruch aus einem anderen als dem nach Abs 2 Satz 1 anzugebenden Grund nicht oder nur in geringerer Höhe als die vorläufigen Leistungen besteht und der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Leistungsanspruch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis von diesen Tatsachen, spätestens aber nach Ablauf von zehn Jahren nach Bekanntgabe der vorläufigen Entscheidung abschließend entscheidet.

30Mit dieser Ausnahme vom Eintritt der Fiktionswirkung sollen Fälle erfasst werden, in denen Leistungsberechtigte den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende pflichtwidrig über leistungserhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen haben. Sie sollen keinen rechtlichen Vorteil aus der Endgültigkeitsfiktion ziehen können (BT-Drucks 18/8041 S 54). Nach dem Wortlaut der Regelung sowie ihrem Sinn und Zweck erfasst § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II neben Fällen der anfänglichen Rechtswidrigkeit auch sich zum Nachteil der leistungsberechtigten Person ändernde tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse, die nicht Grund für die Vorläufigkeit waren (aA Kemper in Luik/Harich SGB II, 6. Aufl 2023, § 41a RdNr 79; Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41a RdNr 452 ff unter Verweis auf die Gesetzesbegründung und Hinweis auf offenen Wortlaut). Denn weder bei anfänglicher Rechtswidrigkeit noch bei sich zum Nachteil der Leistungsbezieher ändernden Verhältnissen besteht ein rechtfertigender Grund dafür, dass durch den Eintritt der Fiktionswirkung Vorteile entstehen, die über diejenigen hinausgehen, die mit dem Fiktionseintritt zwangsläufig verbunden sein können. Solche zwangsläufigen Folgen betreffen insbesondere Änderungen in den der Vorläufigkeit zugrunde gelegten Einkommensverhältnissen zum Nachteil des Leistungsbeziehers. Durch den Fiktionseintritt können diese nicht durch eine abschließende Entscheidung, sondern nur durch die Anwendung der §§ 44 ff SGB X in Bezug auf die abschließende Entscheidung "korrigiert" werden ( - SozR 4-4200 § 41a Nr 10 RdNr 29 mwN). Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die in § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II enthaltene Voraussetzung, dass nur andere Gründe (als die des § 41a Abs 2 Satz 1 SGB II) dem Eintritt der Fiktionswirkung entgegenstehen können.

31Die Gesetzesbegründung rechtfertigt keinen gegenteiligen Schluss. Denn der Gesetzgeber hat lediglich beispielhaft für die von ihm angedachten Fallkonstellationen die fehlende Hilfebedürftigkeit wegen zu berücksichtigenden Vermögens angeführt, also eine Situation anfänglicher Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Bewilligung von Alg II. Allein daraus und dem Umstand, dass die in § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II aufgenommenen Fristen an § 45 SGB X orientiert sind, kann unter Berücksichtigung des Normzwecks und des offenen Wortlauts ein einengendes Verständnis, das Fälle sich ändernder Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bis 4 SGB X ausschließt, nicht gestützt werden.

32Diese Sonderregelung für die Fälle fiktiver abschließender Entscheidungen macht zugleich deutlich, dass der Gesetzgeber für den (Regel-)Fall der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs von einer Korrekturmöglichkeit im System der abschließenden Entscheidung ausgeht. Ansonsten wäre die Schaffung einer Ausnahme nur für § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II nicht nachvollziehbar. Er mag dabei ggf nicht bedacht haben, dass auch fiktive abschließende Entscheidungen einer Korrektur über die §§ 44 ff SGB X zugänglich sind und die Überprüfung ihrer inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf beschränkt ist, ob die Voraussetzungen für eine Fiktion der abschließenden Entscheidung vorliegen ( - SozR 4-4200 § 41a Nr 10 RdNr 29 mwN). Dies ändert jedoch nichts an seinem Grundverständnis, das er in § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II zum Ausdruck gebracht hat.

33d) § 67 Abs 4 Satz 2 SGB II (in der ab geltenden Normfassung des Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 <Sozialschutz-Paket> vom , BGBl I 575; ab in der Fassung des Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie <Sozialschutz-Paket III> vom , BGBl I 335) führt nicht zur Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Bescheide während ihrer Geltungsdauer. Danach war für den hier maßgeblichen, bis laufenden Bewilligungszeitraum über den monatlichen Leistungsanspruch nur auf Antrag der leistungsberechtigten Person zu entscheiden. An einem solchen Antrag des Klägers fehlt es. Anders als die Beteiligten dies annehmen, wäre der Beklagte aber nicht an einer abschließenden Entscheidung unter Einschluss des Monats November 2020 gehindert und deshalb auf eine Korrekturmöglichkeit durch die §§ 44 ff SGB X angewiesen gewesen. Denn auf Rechtsfolgenebene erfolgt keine Modifikation durch § 67 Abs 4 Satz 2 SGB II. Fehlt es an einem Antrag auf abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs, gelten nach dem allgemeinen Rechtsfolgenkonzept des § 41a SGB II im Grundsatz die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt (§ 41a Abs 5 Satz 1, Satz 2 Nr 1 SGB II), es sei denn, dem Eintritt der Fiktionswirkung steht § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen. Vor dem Hintergrund des zu § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II gefundenen Verständnisses hätte damit dem Beklagten der Weg zu einer abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung der dort genannten Fristen auch ohne Antrag des Klägers offengestanden.

34Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte des § 67 Abs 4 Satz 2 SGB II bestätigen dies. Verfolgt wurde damit eine Entlastung von Jobcenter bzw Leistungsberechtigten hinsichtlich der nach Ablauf des Bewilligungszeitraums durchzuführenden Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse (BT-Drucks 19/18107 S 26). Zwar hat der Gesetzgeber auch die Fälle als erfasst angesehen, in denen sich die Einkommensverhältnisse besser als prognostiziert entwickelt haben. Insoweit sollten die Leistungsberechtigten Sicherheit haben, für sechs Monate eine verlässliche Hilfe zum Lebensunterhalt zu erhalten. Dieses Verständnis nimmt aber von vornherein Bezug nur auf die Einkommensverhältnisse, die den Grund für die Vorläufigkeit bilden und nicht auf Gesichtspunkte (wie hier: Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung), die zum teilweisen Entfallen der Hilfebedürftigkeit im Bewilligungszeitraum aus anderen Gründen führen.

35Aus § 67 Abs 5 Satz 5 SGB II (in der ab geltenden Normfassung) ist ein anderes Ergebnis nicht ableitbar, sodass offenbleiben kann, ob die Regelung hier überhaupt zur Anwendung kommen könnte (dazu Burkizcak, NJW 2020, 1180, 1182; Groth, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 67 RdNr 39.1, 1. Überarbeitung, Stand ). Danach bleiben ua die §§ 45, 48 und 50 SGB X unberührt. Die Gesetzesbegründung verhält sich zu dem mit der Regelung verfolgten Zweck zwar nicht (vgl BT-Drucks 19/18107, S 26). Satz 5 nimmt aber erkennbar auf § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II Bezug, wonach Leistungen unter Annahme unveränderter Verhältnisse weiter zu bewilligen waren. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen nach Maßgabe der §§ 45, 48 SGB X sollte mit Satz 5 offenbar klargestellt werden, ohne dass sich die Regelung zum Anwendungsbereich der Normen im Rahmen des § 41a SGB II im Übrigen verhält (vgl dazu nur Groth in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 67 RdNr 46, 1. Überarbeitung, Stand ).

36e) Eine Umdeutung (§ 43 SGB X) des rechtswidrigen Aufhebungsbescheids in eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch für November 2020 nach Maßgabe des § 41a Abs 5 Satz 2 Nr 2 SGB II scheidet, unabhängig von der Frage der einzuhaltenden Fristen, aus Sachgründen aus (dazu bereits - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 30).

375. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:160725UB7AS1924R0

Fundstelle(n):
YAAAK-03141