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BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 934/19

Zum Verhältnis zwischen unional teildeterminiertem Antidiskriminierungsrecht und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht (Art 4 Abs 1, Abs 2 GG iVm Art 140 GG, 137 Abs 3 S 1 WRV) im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts - Konkretisierung der bisherigen Maßstäbe des religiösen Selbstbestimmungsrechts mit Auswirkung auf Auslegung der § 11 iVm §§ 1, 2, 7 und 9 AGG - hier: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch fachgerichtliche Zubilligung einer Entschädigung wegen Ungleichbehandlung bei einer Stellenbesetzung

Leitsatz

1. Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, durch dieses aber nicht vollständig determiniert ist. Die hier maßgeblichen Normen der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des religiösen Arbeitsrechts belassen den Mitgliedstaaten bei ihrer Durchführung Gestaltungsspielräume. Innerhalb des vom unionalen Fachrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Rahmens indizieren diese Gestaltungsspielräume Grundrechtspluralität. In der Folge kann es angesichts der unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Wertungen bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Bereich des religiösen Arbeitsrechts kommen.    

2. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch die Auswahl der Arbeitnehmer und den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge. 

3. a) Die bindenden Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union lassen sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen. Dies führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts.  

b) Die erste Stufe der Schrankenziehung erfährt insoweit eine Schärfung, als ausgehend vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft eine wirksame gerichtliche Kontrolle dahingehend erfolgt, inwieweit sich aus der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung - hier der Kirchenmitgliedschaft - und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Der Religionsgemeinschaft obliegt es, diesen Zusammenhang für die konkret betroffene Tätigkeit im Hinblick auf ihr religiöses Selbstverständnis plausibel darzulegen.  

c) Die auf der zweiten Stufe erfolgende Gesamtabwägung der betroffenen rechtlichen Belange erfährt eine Konturierung dahingehend, dass die in Rede stehende berufliche Anforderung im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses verhältnismäßig sein muss. Dies lässt es - im Einklang mit der Offenheit des Unionsrechts für die unterschiedlichen grundrechtlichen Wertungen der Mitgliedstaaten - weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein besonderes Gewicht beizumessen.  

d) Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung ist bei der Abwägung durch die Gerichte Rechnung zu tragen. 

4. Im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht. 

Im Einklang mit den einschlägigen Gewährleistungen der Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention unterscheiden Verfassungsrecht wie Unionsrecht grundsätzlich zwischen einer unzulässigen theologischen Bewertung des religiösen Ethos durch die staatlichen Gerichte einerseits und der rechtsstaatlichen Beschränkung der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des staatlichen (Gleichbehandlungs-)Rechts andererseits. 

Gesetze: Art 4 Abs 1 GG, Art 4 Abs 2 GG, Art 19 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 140 GG, Art 17 Abs 1 AEUV, Art 17 Abs 2 AEUV, Art 19 AEUV, § 1 AGG, § 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 9 Abs 1 Alt 1 AGG, § 9 Abs 1 Alt 2 AGG, § 11 AGG, § 15 Abs 2 AGG, Art 2 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 EGRL 78/2000, Art 4 Abs 2 UAbs 1 EGRL 78/2000, Art 8 EGRL 78/2000, Erwägungsgrund 24 EGRL 78/2000, Art 9 Buchst b EvKiGrdO, EvKiLoyRL, EvKiMARL, Art 9 MRK, Art 11 MRK, Art 137 Abs 3 WRV

Instanzenzug: Az: 8 AZR 501/14 Urteilvorgehend Az: C-414/16 Urteil

Gründe

A.

1Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein kirchlicher Arbeitgeber für eine konkret zu besetzende Stelle die Mitgliedschaft in der Kirche verlangen darf und inwieweit die staatlichen Gerichte dies im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) überprüfen können. Insoweit maßgeblich zu klären sind die unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Auslegung von § 9 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welcher in Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) einem kirchlichen Arbeitgeber eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion eines Stellenbewerbers bei der Beschäftigung ermöglicht, sofern eine bestimmte Religion "unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft (…) im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt".

I.

21. a) Die auf Art. 19 AEUV (vormals Art. 13 EGV) gestützte Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303 vom , S. 16) dient der Verhinderung von Diskriminierungen in Beschäftigungsverhältnissen. Sie hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

Artikel 1 Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2 Der Begriff "Diskriminierung"

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet "Gleichbehandlungsgrundsatz", dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(…)

Artikel 4 Berufliche Anforderungen

(…)

(2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund.

Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten.

Artikel 8 Mindestanforderungen

(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.

(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen benutzt werden.

3Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie wird durch den 24. Erwägungsgrund der Richtlinie ergänzt:

Die Europäische Union hat in ihrer der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften gilt. Die Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können.

4Die der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügte Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften, auf die der 24. Erwägungsgrund der Richtlinie Bezug nimmt, lautet:

11. Erklärung zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften

Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.

Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise.

5Die Erklärung hat in Form des Art. 17 AEUV mittlerweile nahezu wortgleich Eingang in das Primärrecht gefunden:

Artikel 17 AEUV

(1) Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht.

(2) Die Union achtet in gleicher Weise den Status, den weltanschauliche Gemeinschaften nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genießen.

(3) Die Union pflegt mit diesen Kirchen und Gemeinschaften in Anerkennung ihrer Identität und ihres besonderen Beitrags einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog.

6b) Der Bundesgesetzgeber setzte die Gleichbehandlungsrichtlinie - zusammen mit drei weiteren Richtlinien (2000/43/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG) - in den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom (BGBl I S. 1897) in deutsches Recht um (vgl. BTDrucks 16/1780). Das Gesetz trat am in Kraft.

7§ 9 AGG, der Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie umsetzt (vgl. BTDrucks 16/1780, S. 35 f.), hat folgenden Inhalt:

§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung

(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.

8In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hinsichtlich der Einführung von § 9 Abs. 1 AGG (vgl. BTDrucks 16/1780, S. 35):

"Grundsätzlich darf wegen der Religionszugehörigkeit nach den §§ 1 und 7 Abs. 1 keine unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten erfolgen. Die Richtlinie 2000/78/EG ermöglicht es aber den Mitgliedstaaten, bereits geltende Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten beizubehalten, wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung keine Benachteiligung darstellt, wenn die Religion oder Weltanschauung einer Person nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Von dieser Möglichkeit wird mit dieser Vorschrift Gebrauch gemacht. Nach deutschem Verfassungsrecht (Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 136 ff. der Weimarer Reichsverfassung (WRV)) steht den Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter, sondern auch den der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform das Recht zu, über Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbstständig zu entscheiden. Nach geltender Rechtsprechung steht der Kirche die Regelungs- und Verwaltungsbefugnis nach Artikel 137 Abs. 3 WRV nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter zu, sondern auch hinsichtlich ihrer "Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. (…) Dieses Recht umfasst grundsätzlich auch die Berechtigung, die Religion oder Weltanschauung als berufliche Anforderung für die bei ihnen Beschäftigten zu bestimmen. Auch der europäische Gesetzgeber hat insoweit im Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich klargestellt, dass die Europäische Union "den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften gilt". Der Erwägungsgrund lässt es deshalb zu, dass die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können. Entsprechend erlaubt § 9 Abs. 1 es Religionsgemeinschaften und den übrigen dort genannten Vereinigungen, bei der Beschäftigung wegen der Religion oder der Weltanschauung zu differenzieren, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt."

92. Das Spannungsverhältnis zwischen der korporativen Religionsfreiheit kirchlicher Arbeitgeber und daraus abgeleiteten Anforderungen an ihre Arbeitnehmer sowie der Befugnis privater und öffentlicher Arbeitgeber zur Durchsetzung des Verbots religiöser Zeichen im Sinne einer allgemeinen Neutralitätspolitik innerhalb eines Unternehmens beziehungsweise einer Behörde einerseits und dem Recht der betroffenen Arbeitnehmer auf Gleichbehandlung aus religiösen Gründen andererseits hat die Gerichte mehrmals beschäftigt. Besondere Relevanz für die vorliegend aufgeworfenen Fragestellungen haben Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (a), des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (b) sowie des Bundesverfassungsgerichts (c).

10a) Der Gerichtshof der Europäischen Union äußerte sich bereits mehrfach zu Inhalt und Bedeutung der Gleichbehandlungsrichtlinie in Fällen, in denen das Recht auf Religionsfreiheit (entweder auf Seiten des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers) betroffen war.

11aa) Am entschied er im Rahmen eines vom Bundesarbeitsgericht angestrengten Vorabentscheidungsverfahrens (BAG, EuGH-Vorlage vom - 2 AZR 746/14 <A> -; vgl. auch unten Rn. 22 f.) zur Kündigung eines katholischen Chefarztes (vgl. EuGH, IR, , C-68/17, EU:C:2018:696). Dieser hatte sich im Laufe eines Arbeitsverhältnisses mit einem in Trägerschaft der Caritas befindlichen Krankenhaus scheiden lassen und sodann erneut geheiratet.

12In seinem Urteil führte der Gerichtshof aus, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie genannten Kriterien Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein müsse. Bei Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne des religiösen Ethos stehe eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten in leitender Stellung je nach Konfession oder Konfessionslosigkeit nur dann mit der Richtlinie im Einklang, wenn die Religion im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung sei, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, was das nationale Gericht zu prüfen habe (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61).

13In Anwendung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sah das Bundesarbeitsgericht die Kündigung des Chefarztes mit Urteil vom - 2 AZR 746/14 - als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz an. Es fehle an einem kündigungsrelevanten Verstoß des Klägers gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht. Die Vereinbarungen im Dienstvertrag der Parteien, wonach einerseits bei Abteilungsärzten der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültigen Ehe einen Loyalitätsverstoß begründe, der grundsätzlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige, andererseits das Leben in kirchlich ungültiger Ehe einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstelle, seien wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie könnten nicht nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt werden (vgl. -, juris, Rn. 12). Die Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG müsse den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die demnach zu stellenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung des Gekündigten gegenüber den nicht der katholischen Konfession angehörenden Abteilungsärzten der kirchlichen Einrichtung seien im Streitfall nicht erfüllt (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 29).

14bb) Im Rahmen verschiedener Vorabentscheidungsverfahren entschied der Gerichtshof der Europäischen Union ferner zu der Frage, ob unternehmensinterne beziehungsweise behördeninterne Verbote, Kopftücher am Arbeitsplatz zu tragen, mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar sind.

15(1) Im Vorabentscheidungsverfahren C-157/15 (G4S Secure Solutions NV) entschied der Gerichtshof mit Urteil vom , dass eine interne Regel eines privaten Unternehmens, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbiete, mit Blick auf die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a Gleichbehandlungsrichtlinie zwar keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung im Sinne dieser Richtlinie, wohl aber eine mittelbare Diskriminierung darstelle, wenn sich erweise, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung tatsächlich dazu führe, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt würden, es sei denn, sie sei durch ein rechtmäßiges Ziel wie die Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität durch den Arbeitgeber im Verhältnis zu seinen Kunden sachlich gerechtfertigt (vgl. EuGH, G4S Secure Solutions NV, , C-157/15, EU:C:2017:203, Tenor und Rn. 30 ff., 33 ff.).

16(2) In den verbundenen Verfahren WABE und Müller - eingeleitet auf Vorabentscheidungsersuchen deutscher Arbeitsgerichte - sowie im Verfahren der belgischen Gemeinde Ans betonte der Gerichtshof der Europäischen Union demgegenüber, dass die Gleichbehandlungsrichtlinie nur "einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" bilde (vgl. EuGH, WABE und Müller, , C-804/18 u.a., EU:C:2021:594, Rn. 44, 51, 85 f.; Commune d'Ans, , C-148/22, EU:C:2023:924, Rn. 34). Den Mitgliedstaaten verbleibe ein Wertungsspielraum, der es ihnen ermögliche, im Hinblick auf die Vielfalt der von ihnen verfolgten Ansätze in Bezug auf den Platz, den sie in ihrem Inneren der Religion oder weltanschaulichen Überzeugungen im öffentlichen Sektor einräumten, ihrem jeweiligen Kontext Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, WABE und Müller, , C-804/18 u.a., EU:C:2021:594, Rn. 86; Commune d'Ans, , C-148/22, EU:C:2023:924, Rn. 34).

17In den Rechtssachen WABE und Müller ging es jeweils um das Verbot eines privaten Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, am Arbeitsplatz ein sichtbares Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugung zu tragen. Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass daraus keine mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a Gleichbehandlungsrichtlinie unvereinbare unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung folge, sofern diese Regelung jeweils allgemein und unterschiedslos angewandt werde (vgl. EuGH, WABE und Müller, , C-804/18 u.a., EU:C:2021:594, Rn. 55). Eine mittelbar auf der Religion oder Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b Gleichbehandlungsrichtlinie liege vor, wenn die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung tatsächlich dazu führe, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise beeinträchtigt würden (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59). Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b Gleichbehandlungsrichtlinie sei dahingehend auszulegen, dass eine mittelbare Ungleichbehandlung, die sich aus einer entsprechenden internen Regel ergebe, unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden könne, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität gegenüber seinen Kunden oder Nutzern zu verfolgen, sofern diese Politik einem wirklichen Bedürfnis des betroffenen Unternehmens entspreche und insoweit unbedingt erforderlich sei (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 70). Indes könnten die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob eine mittelbare Ungleichbehandlung angemessen sei, nationale Vorschriften wie Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, die die Religionsfreiheit schützten, als für den Gleichbehandlungsgrundsatz günstigere Vorschriften gemäß Art. 8 Abs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie berücksichtigen. Dies entspreche dem den Mitgliedstaaten bei fehlendem Konsens auf Unionsebene in Religionsfragen insoweit einzuräumenden Wertungsspielraum, der dazu führen könne, dass strengere Anforderungen an die Zulässigkeit einer mittelbaren Diskriminierung gestellt würden (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 89).

18Im Verfahren Commune d'Ans entschied der Gerichtshof der Europäischen Union, dass Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b Gleichbehandlungsrichtlinie dahin auszulegen sei, dass eine interne Regel einer Gemeindeverwaltung, wonach Arbeitnehmern das Tragen von Kopftüchern generell verboten wird, damit gerechtfertigt werden könne, dass die Gemeindeverwaltung unter Berücksichtigung ihres spezifischen Kontextes ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld schaffen möchte, sofern diese Regel im Hinblick auf diesen Kontext - der Gerichtshof weist hier vor allem auf den Grundsatz der Neutralität des öffentlichen Dienstes in Belgien hin (vgl. EuGH, Commune d'Ans, , C-148/22, EU:C:2023:924, Rn. 32) - und unter Berücksichtigung der verschiedenen betroffenen Rechte und Belange geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 41). Die Berücksichtigung des spezifischen Kontextes führte in diesem Fall dazu, dass das Kopftuchverbot im Ergebnis gerechtfertigt werden konnte.

19b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird die korporative Religionsfreiheit durch Art. 9 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) geschützt. Beruft sich eine Religionsgemeinschaft oder eine ihr zugehörige Einrichtung im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers auf die korporative Religionsfreiheit, muss dieses Recht mit den in Konflikt stehenden konventionsrechtlich geschützten Rechtspositionen des Arbeitnehmers abgewogen werden. Fälle, in denen ein Arbeitgeber in kirchlicher Trägerschaft einem Arbeitnehmer gekündigt hatte, wurden vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits mehrfach entschieden (vgl. nur EGMR, Obst c. Allemagne, , 425/03; Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02; Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07; Travaš v. Croatia, , 75581/13). Hingegen gibt es bislang keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die sich mit der hier vorliegenden Frage einer Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen im Zuge eines Einstellungsverfahrens befasst.

20c) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind bislang zwei Entscheidungen maßgeblich für das kirchliche Arbeitsrecht als Ausprägung des religiösen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV:

21Im Jahr 1985 befand das Gericht über zwei Verfassungsbeschwerden, die Kündigungen betrafen, die kirchliche Einrichtungen gegen in ihren Diensten stehende Arbeitnehmer wegen der Verletzung sogenannter Loyalitätsobliegenheiten ausgesprochen hatten (BVerfGE 70, 138). Das Bundesverfassungsgericht betonte in der Entscheidung die hohe Bedeutung des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Zwar gelte, wenn sich die Religionsgemeinschaft zur Begründung von Arbeitsverhältnissen der Privatautonomie bediene, das staatliche Arbeitsrecht. Für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses bleibe dennoch die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts maßgeblich (vgl. BVerfGE 70, 138 <165>). Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein könnten, richte sich somit nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>).

22Die zweite Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht erging im Jahr 2014 (BVerfGE 137, 273; sog. "Chefarzt-Entscheidung"). Beschwerdeführerin war die kirchliche Trägerin eines katholischen Krankenhauses (vgl. BVerfGE 137, 273 <281 Rn. 13>), die einem bei ihr beschäftigten Chefarzt außerordentlich gekündigt hatte, weil dieser seine auch nach katholischem Recht geschlossene Ehe während des Dienstverhältnisses durch Scheidung beendet und wenige Jahre später erneut geheiratet hatte (vgl. BVerfGE 137, 273 <281 ff. Rn. 13 ff.>). Nach den damals geltenden Bestimmungen des Dienstvertrages stellte das Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft einen groben Verstoß gegen kirchliche Grundsätze dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigte (vgl. BVerfGE 137, 273 <282 f. Rn. 15>).

23Das Bundesarbeitsgericht hatte die Kündigung letztinstanzlich als unwirksam angesehen ( -, juris). Der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde gab das Bundesverfassungsgericht statt, weil das Bundesarbeitsgericht die Tragweite des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verankerten religiösen Selbstbestimmungsrechts verkannt habe (vgl. BVerfGE 137, 273 <329 Rn. 145>; Näheres zu den vom Senat angelegten Maßstäben in Rn. 203 ff.; zu dem durch das Bundesarbeitsgericht nach Zurückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren vgl. Rn. 11 ff.).

243. Das hier maßgebliche Arbeitsrecht der Evangelischen Kirche hat - auch infolge der Entwicklungen in der staatlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung - verschiedene Änderungen erfahren (a). Eine ähnliche Entwicklung fand in der katholischen Kirche statt (b).

25a) aa) Das Arbeitsrecht der Evangelischen Kirche beruht im Wesentlichen auf Art. 9 Buchstabe b der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom (ABl EKD 1948, S. 233), in der Fassung der Bekanntmachung vom (ABl EKD 2020, S. 2, ber. S. 25):

Artikel 9

Die Evangelische Kirche in Deutschland kann Richtlinien aufstellen, insbesondere

(…)

b) für die Rechtsverhältnisse und für die wirtschaftliche Versorgung der Pfarrer und Pfarrerinnen sowie der übrigen kirchlichen Amtsträger und Amtsträgerinnen;

(…)

26bb) Auf der Grundlage dieser Vorschrift erließ der Rat der EKD am die Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AnfRL-2005 <ABl EKD 2005, S. 413>). Die Richtlinie befasst sich insbesondere mit den Anforderungen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Die vorliegend einschlägigen Bestimmungen hatten in der ursprünglichen Fassung, die das Bundesarbeitsgericht der hier angegriffenen Entscheidung zugrunde legte, folgenden Inhalt:

§ 2 Grundlagen des kirchlichen Dienstes

(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(2) Es ist Aufgabe der kirchlichen und diakonischen Anstellungsträger, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den christlichen Grundsätzen ihrer Arbeit vertraut zu machen. Sie fördern die Fort- und Weiterbildung zu Themen des Glaubens und des christlichen Menschenbildes.

§ 3 Berufliche Anforderung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Die berufliche Mitarbeit in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie setzt grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Kirche voraus, mit der die Evangelische Kirche in Deutschland in Kirchengemeinschaft verbunden ist.

(2) Für Aufgaben, die nicht der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung zuzuordnen sind, kann von Absatz 1 abgewichen werden, wenn andere geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind. In diesem Fall können auch Personen eingestellt werden, die einer anderen Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen angehören sollen. Die Einstellung von Personen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllen, muss im Einzelfall unter Beachtung der Größe der Dienststelle oder Einrichtung und ihrer sonstigen Mitarbeiterschaft sowie der wahrzunehmenden Aufgaben und des jeweiligen Umfeldes geprüft werden. § 2 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(…)

27Nachdem die Richtlinie am bereits wesentliche Änderungen erfahren hatte (vgl. ABl EKD 2017, S. 11), fasste der Rat der EKD die Richtlinie am neu. Der Titel der geänderten Richtlinie lautet nunmehr "Richtlinie des Rates über Anforderungen an die berufliche Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie vom (Mitarbeitsrichtlinie)" (MitarbeitsRL <ABl EKD 2024, S. 28>). Die §§ 2 und 3 der neuen EKD-MitarbeitsRL lauten nun:

§ 2 Grundlagen des kirchlichen Dienstes

Die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbindet Anstellungsträger und Mitarbeitende zu einer Dienstgemeinschaft und verpflichtet sie zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Alle, die in Anstellungsverhältnissen in der Kirche und ihrer Diakonie sowie in den zugeordneten Einrichtungen tätig sind, tragen zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags bei. Dieser Auftrag bildet die Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeitenden. Er bestimmt unter den jeweiligen Rahmenbedingungen das Profil der Dienststellen und Einrichtungen.

§ 3 Anforderungen an die Anstellungsträger

Die Anstellungsträger der Kirche und ihrer Diakonie sowie aller weiteren zugeordneten Einrichtungen haben die Aufgabe, ihre Dienststellen und Einrichtungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen und örtlichen Herausforderungen dem kirchlichen Auftrag gemäß zu gestalten. Sie vermitteln ihren Mitarbeitenden die christlichen Grundsätze ihrer Arbeit und fördern die Auseinandersetzung mit Themen des christlichen Glaubens.

28Die bisher in § 3 AnfRL enthaltene Regelung findet sich nunmehr in neu gefasster Form in § 4 der MitarbeitsRL:

§ 4 Anforderungen an Mitarbeitende bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Die Auswahl der beruflich in der Kirche und ihrer Diakonie sowie in den weiteren zugeordneten Einrichtungen tätigen Mitarbeitenden richtet sich nach der Erfüllung des kirchlichen Auftrags in seiner konkreten Ausgestaltung. Das Erfordernis der Mitgliedschaft von Mitarbeitenden in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen bestimmt sich nach der Art der Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung.

(2) Für Tätigkeiten in der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung oder in besonderer Verantwortlichkeit für das evangelische Profil wird die Mitgliedschaft in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorausgesetzt. Dies gilt für die evangelische Kirche, ihre Diakonie sowie für deren weiteren zugeordneten Einrichtungen. Der Mitgliedschaft in einer EKD-Gliedkirche gleichgesetzt ist die Mitgliedschaft in einer Kirche in Kirchengemeinschaft mit der EKD.

(3) In weiteren Fällen kann aufgrund der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung die Mitgliedschaft in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen erforderlich sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Tätigkeit mit einer Verantwortung für die evangelische oder christliche Profilierung der Dienststelle oder Einrichtung oder einer glaubwürdigen Vertretung nach Außen verbunden ist oder die Umstände ihrer Ausübung dies unter Beachtung der Größe der Dienststelle oder Einrichtung und ihrer sonstigen Mitarbeiterschaft sowie des jeweiligen Umfeldes erforderlich machen. Der Anstellungsträger legt diese Erfordernisse entsprechend fest.

29Die Erwägungen, die der Neufassung der Mitarbeitsrichtlinie zugrundeliegen, ergeben sich aus der nichtamtlichen Begründung (vgl. https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/56160/search/mitarbeitsrichtlinie%2520begr%25C3%25BCndung#top):

"Die zunehmend multireligiös und säkularer werdende Gesellschaft stellt Kirche und ihre Diakonie vor mehrfache Herausforderungen:

(…)

- In der Öffentlichkeit wie auch in der Mitarbeiterschaft von Kirche und ihrer Diakonie ist ein Plausibilitätsverlust hinsichtlich des kirchlichen Arbeitsrechts wahrzunehmen. Dass es sich hier nicht um ein unzeitgemäßes, in einem weltanschaulich neutralen Staat unangemessenes "Privileg" der Kirche handelt, ist durch schlüssige Argumentation und vor allem durch möglichst konsequente Umsetzung von Profilierungsmaßnahmen in der öffentlichen und internen Kommunikation darzustellen."

30Weiter heißt es zu § 4 der MitarbeitsRL:

"(…) In Aufnahme des grundsätzlichen Rechtsgedankens aus § 9 AGG ist vorgesehen, dass sich das Erfordernis der Mitgliedschaft in der evangelischen oder in einer anderen christlichen Kirche nach der Art der Tätigkeit und der Umstände ihrer Ausübung bestimmt. Dies stimmt insoweit auch mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 EG überein.

(…)

Um die Entwicklung des evangelischen Profils einer Dienststelle oder Einrichtung effektiv betreiben zu können, bleibt es ein Ziel, viele Christinnen und Christen zu beschäftigen, weil diese mit ihrer Kirchenmitgliedschaft eine Ansprechbarkeit auf christliche Traditionen und Glaubensinhalte, eine innere Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft und die Bereitschaft zur Unterstützung der Kirche signalisieren, woraus sich Anknüpfungspunkte für Maßnahmen der Profilentwicklung ergeben, die nicht bei allen Mitarbeitenden erwartet werden können. Wenn aber zugleich die Rechtsprechung des BAG zu beachten ist, müssen die Anstellungsträger zwangsläufig die Relevanz der Kirchenmitgliedschaft für die jeweilige Tätigkeit und die Umstände ihrer Ausübung in Arbeitsplatzbeschreibungen konkret formulieren und in den Kontext einer Profilkonzeption stellen."

31Durch die Neufassung der Mitarbeitsrichtlinie hat die EKD davon Abstand genommen, die Mitgliedschaft in einer Gliedkirche der EKD oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen pauschal zum Einstellungskriterium zu erheben. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 MitarbeitsRL richtet sich dieses Erfordernis nunmehr nach der Art der Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung. Diese Formulierung nimmt die Vorgaben in § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG und Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie auf.

32b) Ähnliche Entwicklungen vollzogen sich in der katholischen Kirche. Auch diese hat als Folge von Rechtsänderungen davon Abstand genommen, die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche ausnahmslos und zentral als Einstellungsvoraussetzung zu fordern. Die Kirchenmitgliedschaft wird allein im Rahmen solcher Tätigkeiten vorausgesetzt, die durch einen Seelsorge-, Verkündigungs- oder Bildungsauftrag geprägt sind oder in anderer Weise das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, verantworten und nach außen repräsentieren.

33Wesentlich ist insoweit Art. 6 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes in der geänderten Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom (vgl. https://www.dbk.de/ueber-uns/verband-der-dioezesen-deutschlands-vdd/dokumente):

Artikel 6 Anforderungen bei der Begründung des Dienstverhältnisses

(1) Der Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass Bewerberinnen und Bewerber fachlich befähigt und persönlich geeignet sind, um die vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Im Bewerbungsverfahren sind die Bewerberinnen und Bewerber mit den christlichen Zielen und Werten der Einrichtung vertraut zu machen, damit sie ihr Handeln am katholischen Selbstverständnis ausrichten und den übertragenen Aufgaben gerecht werden können. Im Bewerbungsverfahren ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung zu wahren. Mit der Vertragsunterzeichnung bringen die Bewerberinnen und Bewerber zum Ausdruck, dass sie die Ziele und Werte der kirchlichen Einrichtung anerkennen.

(2) Von allen Mitarbeitenden wird im Rahmen ihrer Tätigkeit die Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Einrichtung erwartet.

(3) Pastorale und katechetische Tätigkeiten können nur Personen übertragen werden, die der katholischen Kirche angehören.

(4) Personen, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren, kommt eine besondere Verantwortung für die katholische Identität der Einrichtung zu. Sie müssen daher katholisch sein.

(…)

II.

341. Der Beschwerdeführer ist das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE), ein im Jahr 2012 in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins gegründetes Evangelisches Werk, das durch den Zusammenschluss des Diakonischen Werkes der EKD e.V. und des Evangelischen Entwicklungsdienstes e.V. entstanden ist.

35Die Mehrheit der Mitglieder sind religiöse - mehrheitlich evangelische - und nicht religiöse Wohltätigkeitsvereinigungen und Missionswerke. Insbesondere gehören dem Beschwerdeführer die EKD und deren Gliedkirchen mit ihren 17 Diakonischen Werken an. Einige kirchliche Mitglieder des Beschwerdeführers haben sich der EKD zwar nicht angeschlossen, arbeiten jedoch mit dieser in der ökumenisch ausgerichteten ACK zusammen.

36Grundlage der Tätigkeit des Beschwerdeführers ist die Satzung des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung (SEWDE) vom (ABl EKD 2013, S. 376), die zuletzt am geändert worden ist. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SEWDE in der Fassung vom - diese Fassung legt das Bundesarbeitsgericht dem hier angegriffenen Urteil zugrunde - nimmt das "Werk 'Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband' (…) die Aufgaben des Vereins als anerkannter 'Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege' wahr". Näher präzisiert werden die Aufgaben des Beschwerdeführers in § 5 Abs. 3 SEWDE in der Fassung vom , wonach er diakonische und volksmissionarische Aufgaben im Sinne der Grundordnung der EKD sowie Aufgaben des Entwicklungsdienstes und der humanitären Hilfe wahrnimmt.

372. Am schrieb der Beschwerdeführer folgende Stelle aus:

"Wir suchen zum im Projekt "Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention" im Zentrum "Migration und Soziales" des EWDE in Berlin eine/n Referenten/in (60 %) befristet auf 2 Jahre.

Es soll ein unabhängiger Bericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland erstellt werden, der den Vereinten Nationen als zusätzliche Grundlage für ihre Abschließenden Bemerkungen zum deutschen Staatenbericht dienen kann. Der Bericht wird in Beratung mit Menschenrechtsorganisationen und weiteren Interessenträgern erstellt und soll Politik, Verwaltung und Organisationen menschenrechtlich begründete Handlungsoptionen aufzeigen.

Das Aufgabengebiet umfasst:

- Begleitung des Prozesses zur Staatenberichterstattung 2012-2014

- Erarbeitung des Parallelberichts zum deutschen Staatenbericht sowie von Stellungnahmen und Fachbeiträgen

- Projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen sowie Mitarbeit in Gremien

- Information und Koordination des Meinungsbildungsprozesses im Verbandsbereich

- Organisation, Verwaltung und Sachberichterstattung zum Arbeitsbereich

Sie erfüllen folgende Voraussetzungen:

- abgeschlossenes Hochschulstudium der Rechtswissenschaften oder vergleichbare Qualifikation

- fundierte Kenntnisse im Völkerrecht und der Antirassismusarbeit

- gute Kenntnisse und Erfahrungen in der Bewirtschaftung von Projektmitteln

- sehr gute Englischkenntnisse

- Analysefähigkeit, Lernbereitschaft, Initiative, Belastbarkeit

- Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung

- Kommunikations- und Teamfähigkeit

- Bereitschaft zu häufigen Dienstreisen

Wir freuen uns über Bewerbungen von Menschen ungeachtet ihrer Herkunft oder Hautfarbe, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder ihrer sexuellen Identität.

Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.

Die Vergütung erfolgt in Anlehnung an den TVöD, Entgeltgruppe 13, nach der Dienstvertragsordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (DVO.EKD) (...)."

383. Die konfessionslose Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle, ohne sich über ihre Religionszugehörigkeit zu äußern. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Stelle erhielt ein Bewerber, der sich in seiner Bewerbung als "in der Berliner Landeskirche sozialisierter evangelischer Christ" bezeichnet hatte.

394. Die Klägerin erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht Berlin und verlangte vom Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung von mindestens 9.788,65 Euro, weil sie aus religiösen Gründen weniger günstig behandelt worden sei als vergleichbare Bewerber. Mit Urteil vom - 54 Ca 6322/13 - sprach das Arbeitsgericht Berlin der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.957,73 Euro zu. Auf die Berufung des Beschwerdeführers wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom - 4 Sa 157/14, 4 Sa 238/14 - die Klage auf Entschädigung ab. Ein Anspruch bestehe nicht, weil die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion jedenfalls nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG gerechtfertigt sei.

405. a) Im Rahmen des von der Klägerin angestrengten Revisionsverfahrens entschied das (A) -, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten.

41aa) Das Bundesarbeitsgericht legte dem Gerichtshof folgende Fragen vor:

1. Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, wie der Beklagte des vorliegenden Falles, - beziehungsweise die Kirche für ihn - verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt?

2. Sofern die erste Frage verneint wird:

Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts - wie hier § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG -, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, in einem Rechtsstreit wie hier unangewendet bleiben?

3. Sofern die erste Frage verneint wird, zudem:

Welche Anforderungen sind an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu stellen?

42Das Bundesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung mit der Notwendigkeit, die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, auch unter Berücksichtigung von Art. 17 AEUV, klären zu lassen. Der Bedeutungsgehalt dieser Bestimmungen sei ausschlaggebend für die Auslegung von § 9 Abs. 1 AGG.

43(1) Hinsichtlich der ersten Vorlagefrage führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG nach seinem Wortlaut eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion erlaube, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstelle. Es spreche viel dafür, dass danach ein kirchlicher Arbeitgeber aufgrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verbindlich selbst bestimmen könne, ob eine bestimmte Religionszugehörigkeit eines Bewerbers - ungeachtet der Art der Tätigkeit - eine gerechtfertigte berufliche Anforderung sei. Dies hätte zur Folge, dass sich die gerichtliche Kontrolle auf eine Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses zu beschränken hätte. Ungeklärt sei jedoch, ob ein solches Verständnis von § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG dem Gebot unionsrechtskonformer Auslegung gerecht werde.

44(2) Für den Fall, dass sich nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie durch den Gerichtshof ergebe, dass § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht zugänglich sei, stelle sich als zweites die Frage, ob § 9 Abs. 1 AGG gegebenenfalls teilweise unangewendet bleiben müsse.

45(3) Sowohl für den Fall der Nichtanwendung als auch für den Fall der unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG müsse drittens geklärt werden, welche Anforderungen an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zu stellen seien und ob den staatlichen Gerichten eine umfassende Kontrolle obliege.

46bb) Der Generalanwalt legte in seinen Schlussanträgen besonderes Augenmerk auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie unter Beachtung der anerkannten Auslegungsmethoden und die Bedeutung von Art. 17 AEUV (vgl. Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom , Egenberger, C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 76-100). Er nahm zudem Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle in Fällen, in denen das durch die Art. 9 und 11 EMRK geschützte Recht der Religionsgemeinschaften auf Autonomie in Widerstreit zu anderen in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechten steht. Seines Erachtens stütze weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch das Unionsrecht eine Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung in dem vom Bundesarbeitsgericht in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Umfang.

47cc) Mit Urteil vom erkannte der Gerichtshof der Europäischen Union wie folgt für Recht (EuGH, Egenberger, C-414/16, EU:C:2017:851):

1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist in Verbindung mit deren Art. 9 und 10 sowie mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.

2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine Anforderung handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.

3. Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige, nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den Art. 21 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt.

48Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung wie folgt:

49(1) Die Kontrolle der Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie festgelegten Kriterien liefe völlig ins Leere, wenn sie in Zweifelsfällen keiner unabhängigen Stelle wie einem staatlichen Gericht obläge.

50Die Richtlinie konkretisiere in ihrem Anwendungsbereich das in Art. 21 GRCh niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot. Um die Beachtung dieses allgemeinen Verbots zu gewährleisten, verpflichte Art. 9 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, Verfahren vorzusehen, mit denen die Ansprüche aus der Richtlinie gerichtlich geltend gemacht werden könnten. Bekräftigt werde dieses Ergebnis durch Art. 47 GRCh (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf).

51Die Richtlinie trage in Art. 4 Abs. 2 aber auch dem in Art. 17 AEUV anerkannten Recht auf Autonomie der Kirchen Rechnung. Insgesamt bezwecke Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie die Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits dem Recht der Kirchen und sonstigen Organisationen mit einem religiösen oder weltanschaulichen Ethos auf Autonomie und andererseits dem Recht der Arbeitnehmer, insbesondere bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden. Im Hinblick darauf nenne diese Bestimmung die Kriterien, die im Rahmen der zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den möglicherweise widerstreitenden Rechten vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen seien. Die Kriterien dürften einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle nicht entzogen werden. Diese Schlussfolgerung werde durch Art. 17 AEUV nicht infrage gestellt.

52(2) Bei der Auslegung des Begriffs "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung" in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie müssten die Gerichte einerseits beachten, dass die Legitimität des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation - abgesehen von außergewöhnlichen Fällen - nicht beurteilt werden dürfe, andererseits, dass das Recht der Arbeitnehmer, wegen der Religion keine Diskriminierung zu erfahren, nicht verletzt werde.

53Der nach Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie erforderliche (und objektiv überprüfbare) direkte Zusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit könne sich aus der Art der Tätigkeit ergeben (z.B. wenn sie einen Beitrag zum kirchlichen Verkündigungsauftrag leiste) oder aus den Umständen ihrer Ausübung (z.B. der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche nach außen zu sorgen).

54Eine berufliche Anforderung sei "wesentlich", wenn die Zugehörigkeit zu der Religion aufgrund der Bedeutung der betreffenden beruflichen Tätigkeit für das Bekunden des Ethos der Kirche oder die Ausübung des Rechts auf Autonomie notwendig erscheine.

55Mit dem Ausdruck "rechtmäßig" habe der Unionsgesetzgeber sicherstellen wollen, dass die die Zugehörigkeit zur Religion betreffende Anforderung nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu dem Ethos oder zur Ausübung des Rechts der Kirche auf Autonomie diene.

56Der Ausdruck "gerechtfertigt" impliziere nicht nur, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien durch ein innerstaatliches Gericht überprüfbar sein müsse, sondern auch, dass es der Kirche, die diese Anforderungen aufgestellt habe, obliege, im Lichte der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzutun, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich sei, sodass sich eine solche Anforderung als notwendig erweise.

57Schließlich müsse die berufliche Anforderung der Religionszugehörigkeit angemessen sein. Dies sei zwar in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen, ergebe sich aber aus dem Verweis der Norm auf die "allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts", zu denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehöre.

58(3) Es obliege den nationalen Gerichten zu entscheiden, ob und inwieweit eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9 Abs. 1 AGG im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ausgelegt werden könne oder unangewendet bleiben müsse.

59Bei der Beantwortung dieser Frage müssten die nationalen Gerichte berücksichtigen, dass das Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter habe. Hierauf könne sich der Einzelne in einem Rechtsstreit gemäß Art. 21 GRCh unmittelbar berufen. Gleiches gelte für das in Art. 47 GRCh niedergelegte Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz. Infolgedessen müsse das nationale Gericht jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lassen, die der vollen Wirksamkeit dieser Bestimmungen entgegenliefe. Dies gelte auch in einem Rechtsstreit unter Privatpersonen.

60b) Mit hier angegriffenem Urteil vom - 8 AZR 501/14 - verurteilte das Bundesarbeitsgericht den Beschwerdeführer, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.915,46 Euro zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung mit der Untauglichkeit der Begründung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich einer Rechtfertigung des Beschwerdeführers für die ungünstigere Behandlung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG (aa) und dem wegen einer auch nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bestehenden Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach den Bestimmungen des AGG (bb).

61aa) Das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen der Religion nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG gerechtfertigt sei. Denn § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG müsse vorliegend wegen seiner Unvereinbarkeit mit Unionsrecht unangewendet bleiben.

62§ 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG sei dahin auszulegen, dass es für die Rechtfertigung der Benachteiligung wegen der Religion weder auf die Art der Tätigkeit noch die Umstände ihrer Ausübung ankomme. Dafür spreche der Wortlaut, der - anders als derjenige in § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG - gerade nicht an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung, sondern ausschließlich an das kirchliche Selbstbestimmungsrecht anknüpfe. Auch die Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte zeigten, dass für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG allein das kirchliche Selbstbestimmungsrecht maßgeblich sei.

63In dieser Auslegung sei § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie sehe die Möglichkeit der Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen der Religion oder Weltanschauung allein durch Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche oder Organisation nicht vor, sondern verlange eine gerichtlich überprüfbare Abwägung, ob die Ungleichbehandlung wegen der Religion nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstelle.

64bb) Die Klägerin habe gegen den Beschwerdeführer einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AGG. Es bestehe die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Religion (1), die nicht gerechtfertigt werden könne (2) und vom Beschwerdeführer nicht widerlegt worden sei (3).

65(1) Vorliegend bestehe die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Religion.

66(a) Für die Annahme eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG) müsse ein Kausalzusammenhang zwischen dem in § 1 AGG genannten Grund und der Benachteiligung bestehen. Soweit es - wie hier - um eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG gehe, sei ein Kausalzusammenhang bereits dann anzunehmen, wenn die Benachteiligung an einen Grund im Sinne von § 1 AGG anknüpfe. § 22 AGG sehe für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweise, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten ließen, trage die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen habe. Die Vermutung der Benachteiligung eines erfolglosen Bewerbers im Stellenbesetzungsverfahren könne daraus resultieren, dass ein Arbeitgeber eine Stelle entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben habe.

67(b) Aufgrund der Stellenausschreibung des Beschwerdeführers bestehe die Vermutung einer Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion. Die Stellenausschreibung des Beschwerdeführers setze für eine erfolgreiche Bewerbung die "Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche" zwingend voraus. Hierdurch benachteilige der Beschwerdeführer sowohl Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften als auch konfessionslose Personen im Sinne von § 1 AGG wegen der "Religion".

68(2) Die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion sei nicht nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG gerechtfertigt. Nach unionsrechtskonformer Auslegung von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des betreffenden Selbstverständnisses nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstelle. Zwar bestehe vorliegend ein direkter Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung und der ausgeschriebenen Tätigkeit als Referent (a). Zweifelhaft sei jedoch die Wesentlichkeit der Anforderung (b); jedenfalls sei sie nicht gerechtfertigt im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG und Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie (c).

69(a) Der direkte Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und der ausgeschriebenen Tätigkeit ergebe sich aus den Umständen der Ausübung der Tätigkeit, weil der Stelleninhaber für eine glaubwürdige Vertretung des Beschwerdeführers habe Sorge tragen müssen.

70Bei dem in der Stellenausschreibung genannten Parallelbericht zum deutschen Staatenbericht, dessen Ausarbeitung der Stelleninhaber habe übernehmen sollen, habe es sich um einen Bericht gehandelt, in dem eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen neben dem Beschwerdeführer über den Umsetzungsprozess des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom (UN-Antirassismuskonvention) in der Bundesrepublik Deutschland aus ihrer Sicht berichtet hätte. Mit der ausgeschriebenen Stelle sei daher die Vertretung des Beschwerdeführers nach außen, namentlich gegenüber den Vereinten Nationen, der Politik, der Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen verbunden gewesen.

71Die spezifisch christliche Sichtweise des Beschwerdeführers habe der Stelleninhaber glaubwürdig und authentisch darlegen müssen. Insoweit wirke sich aus, dass sich das christliche Verständnis der Menschenrechte von dem säkularen Ansatz, den viele der anderen an der Berichterstattung beteiligten Nichtregierungsorganisationen verträten, unterscheide, was maßgeblichen Einfluss auf die Positionen der Kirche zu Antirassismusfragen habe.

72(b) Es bestünden allerdings Zweifel, ob die vom Beschwerdeführer gestellte berufliche Anforderung der Kirchenmitgliedschaft "wesentlich" im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG und Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, das heißt im Hinblick auf die Bedeutung der Tätigkeit für die Bekundung des Ethos des Beschwerdeführers notwendig gewesen sei.

73Der Parallelbericht zum deutschen Staatenbericht habe nicht ausschließlich die spezifische Sicht des Beschwerdeführers zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland wiedergegeben. Auch wenn der Beschwerdeführer ein Interesse gehabt habe, seine spezifisch christliche Position zur Geltung zu bringen, habe die Aufgabe des Referenten nicht darin bestanden, durch Bekundung des christlichen Selbstverständnisses auf die anderen Organisationen einzuwirken, sondern eine gegebenenfalls aufgrund spezifisch christlicher Grundüberzeugung abweichende Position zum Thema Antirassismus zu kommunizieren und im späteren Bericht niederzulegen. Zwar sei zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer durch die bevorzugte Einstellung von Christen mit dem Vorwurf mittelbarer Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft (als die die Differenzierung nach der Religionszugehörigkeit zugleich verstanden werde) konfrontiert werde und sich verteidigen müsse. Es spreche allerdings alles dafür, dass diese Aufgabe auch von einer entsprechend über die insoweit maßgeblichen Fakten sowie verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Grundlagen kirchlicher Einstellungspraxis unterrichteten Person hätte wahrgenommen werden können, ohne dass diese Mitglied einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche hätte sein müssen. Dies finde seine Bestätigung in der Stellungnahme, die der vom Beschwerdeführer letztlich eingestellte Bewerber im Parallelbericht zum 19.-22. Bericht der Bundesrepublik Deutschland abgegeben habe. Wie aus der Fußnote 156 dieses Berichts hervorgehe, sei der spätere Stelleninhaber lediglich den rechtlichen Wertungen der anderen Beteiligten entgegengetreten und habe einen eventuell enthaltenen Diskriminierungsvorwurf zurückgewiesen.

74(c) Jedenfalls sei die in der Stellenausschreibung formulierte berufliche Anforderung der Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche nicht gerechtfertigt im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie.

75Das Recht des Beschwerdeführers auf Autonomie sei nicht betroffen, weil es nicht zu den Aufgaben des Referenten gehört habe, für die evangelische Kirche beziehungsweise den Beschwerdeführer das Selbstbestimmungsrecht auszuüben.

76Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass die Einstellung eines konfessionslosen Bewerbers die wahrscheinliche und erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung seines Ethos begründet hätte. Die ausdrückliche Bekundung des christlichen Selbstverständnisses von der Gottesebenbildlichkeit und der christlichen Nächstenliebe durch den Stelleninhaber sei von vornherein nur eingeschränkt notwendig gewesen, nämlich nur dort, wo die anderen am Parallelbericht beteiligten Organisationen eine divergierende Auffassung vertreten hätten.

77Auch eine Gefahr für das Selbstverständnis als christliche Dienstgemeinschaft bei Einstellung eines konfessionslosen Bewerbers sei nicht dargetan. Bei der Erstellung des Beitrags zum Parallelbericht sei es nicht notwendig gewesen, dieses Selbstverständnis nach außen zu bekunden.

78Im Übrigen wirke sich entscheidend aus, dass der jeweilige Stelleninhaber - wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich sei - fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beschwerdeführer eingebunden gewesen sei und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beschwerdeführers betroffen hätten, nicht unabhängig hätte handeln können. Vor diesem Hintergrund habe keine wahrscheinliche oder erhebliche Gefahr bestanden, dass das Ethos des Beschwerdeführers durch unabgestimmte Positionierungen des Referenten beeinträchtigt werde.

79(3) Der Beschwerdeführer habe die durch die Stellenausschreibung begründete Vermutung, dass die Klägerin wegen ihrer Religion benachteiligt worden sei, nicht widerlegt.

III.

80Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom wendet sich der Beschwerdeführer gegen das . Als mittelbaren Beschwerdegegenstand benennt er darüber hinaus das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom . Er macht geltend, in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (inzidente Ultra-vires-Rüge), in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 2 und Art. 79 Abs. 3 GG (prinzipale Ultra-vires-Rüge) sowie in Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 79 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 GG (Identitätsrüge) verletzt zu sein.

811. a) Der Beschwerdeführer könne sich auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht sowie die korporative Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen.

82aa) Er sei Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts, weil er mit der EKD und deren Gliedkirchen institutionell eng verknüpft und ihnen religionsverfassungsrechtlich zugeordnet sei. Er nehme als Werk der Evangelischen Kirche die Aufgabe der "inneren Mission" wahr und stehe damit für einen Schwerpunkt im Wirken der christlichen Kirchen.

83bb) Das religiöse Selbstbestimmungsrecht umfasse die Befugnis der Kirchen und ihrer Einrichtungen, Gesetze im Bereich des Arbeits- und Dienstrechts ("kirchliches Arbeitsrecht") zu erlassen.

84cc) Im evangelischen Kirchenrecht finde das religiöse Selbstbestimmungsrecht Ausdruck im Begriff der "Dienstgemeinschaft", der die Besonderheit des kirchlichen Dienstes nach dem religiösen Selbstverständnis beschreibe und das gesamte kirchliche Arbeitsrecht durchziehe. Nach dem Selbstverständnis der EKD und ihrer Gliedkirchen erfasse die Dienstgemeinschaft alle in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen Tätigen, unabhängig davon, ob deren Tätigkeit verkündigungsnah oder -fern sei, denn Aufgabe sämtlichen kirchlichen Dienstes sei, "das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen". Dies bedeute, dass jegliche Tätigkeit als kirchliches Handeln verstanden werde.

85dd) Die inhaltliche Ausgestaltung der Dienstgemeinschaft obliege dem religiösen Verständnis der Kirchen und ihrer Einrichtungen. Die hieraus abgeleiteten Einstellungs- und Loyalitätsanforderungen würden von den staatlichen Gerichten aufgrund von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV und der verfassungsrechtlich gebotenen religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates nur auf ihre Plausibilität hinsichtlich des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft untersucht (erste Prüfungsstufe). Auf der zweiten Prüfungsstufe nähmen die staatlichen Gerichte eine Güterabwägung zwischen dem religiösen Selbstbestimmungsrecht und dem betroffenen Grundrecht der Bewerber oder Arbeitnehmer vor.

86b) Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die das Einstellungskriterium der Kirchenmitgliedschaft einer weitreichenden Kontrolle, insbesondere einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, unterstelle, sei mit dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV und den hierzu vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen.

87aa) Die bisherige aus dem weiten Verständnis der Dienstgemeinschaft folgende Praxis, grundsätzlich pauschal für alle kirchlichen Mitarbeiter die Kirchenmitgliedschaft zu fordern, ohne nach der Art der Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung zu differenzieren, werde der EKD, den Gliedkirchen und dem Beschwerdeführer nicht mehr möglich sein. Stattdessen müsse eine Einzelbewertung der konkreten Tätigkeit vorgenommen werden, bei der nur "verkündigungsnahe" Tätigkeiten in verhältnismäßiger Weise als konfessionsgebunden kategorisiert werden dürften.

88bb) Diese prinzipielle Abkehr von der Konfessionszugehörigkeit der Beschäftigten sei ein struktureller Eingriff in das Selbstverständnis des Beschwerdeführers, für den die Kirchenmitgliedschaft als Statusverhältnis von existentieller Bedeutung sei. Die Kirchenmitgliedschaft sei ein Bekenntnis zu Gott, der Kirche, der Gemeinschaft der Gläubigen und den christlichen Werten und offenbare besser als jedes andere Kriterium die Grundhaltung eines Bewerbers und dessen Partizipationsbereitschaft in der Dienstgemeinschaft.

89c) Die sich an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union anschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts weiche in verfassungswidriger Weise von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates ab. Das Bundesarbeitsgericht habe hier erstmalig eine eigene - von der Auffassung der Kirche abweichende - Beurteilung dahingehend vorgenommen, ob die Tätigkeit eines Beschäftigten für die Bekundung des Selbstverständnisses als Dienstgemeinschaft von solcher Bedeutung sei, dass die Kirchenmitgliedschaft zur Einstellungsvoraussetzung werden dürfe. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelte und vom Bundesarbeitsgericht angewendete Prüfungskatalog führe zu einer erheblichen Erweiterung der Prüfungspflicht der nationalen Gerichte, die weit über die bisherige Plausibilitätskontrolle hinausgehe.

902. Die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in dessen Urteil vom hätten durch das Bundesarbeitsgericht nicht umgesetzt werden dürfen. Der Gerichtshof habe ultra vires gehandelt.

91a) Maßnahmen von Organen der Europäischen Union, die ultra vires ergingen, verletzten das im deutschen Zustimmungsgesetz zu den europäischen Verträgen gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegte Integrationsprogramm. Die dem Bundesverfassungsgericht obliegende Kontrolle diene zum einen dem Demokratieprinzip, weil dem Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssten. Zum anderen sichere die Kontrolle das Rechtsstaatsprinzip, denn Akte der Europäischen Union, die die Kompetenzzuweisung überschritten, beruhten nicht auf einer gültigen Ermächtigungsgrundlage und griffen in nicht gerechtfertigter Weise in die Rechtssphäre des Bürgers ein. Aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen könne die Ultra-vires-Rüge - als prinzipale Rüge - auf Art. 38 Abs. 1 GG und - als inzidente Rüge - auf das für den jeweiligen Beschwerdeführer einschlägige Freiheitsgrundrecht in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gestützt werden.

92b) Die Voraussetzungen für die Annahme eines Ultra-vires-Akts seien erfüllt. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union offensichtlich begangene Kompetenzverletzung (aa) führe zu einer strukturellen Verschiebung zulasten der mitgliedstaatlichen Kompetenzen (bb). Das Bundesarbeitsgericht habe sich das Urteil des Gerichtshofs dennoch vollständig zu eigen gemacht (cc).

93aa) (1) Der Union komme keine Kompetenz für das Religionsverfassungsrecht zu.

94Das unionale Primärrecht bestätige in Art. 17 AEUV ausdrücklich die mitgliedstaatliche Kompetenz im Bereich des Religionsverfassungsrechts. Das in Art. 17 AEUV verankerte Gebot an die Union, den Status der Kirchen in den Mitgliedstaaten zu achten, nehme indirekt Bezug auf die Identitätsklausel des Art. 4 Abs. 2 EUV, wonach die Union die jeweilige nationale Identität der Mitgliedstaaten achte, wie sie in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck komme. Der Status der Kirchen und ihr Verhältnis zum Staat sei Ausdruck der deutschen Verfassungsidentität und könne daher nicht von unionsrechtlichen Regelungen überlagert werden.

95Eine Kompetenz der Union folge auch nicht aus Art. 19 AEUV. Zwar ermächtige Art. 19 AEUV die Union zum Erlass von diskriminierungsbezogenen Regelungen in Bezug auf bestimmte persönliche Merkmale, zu denen auch die Religion gehöre. Dennoch handele es sich nicht um eine unmittelbare religionsverfassungsrechtliche Kompetenz. Art. 19 AEUV ermächtige die Union zur Regelung religionsbezogener Sachverhalte zum Zwecke des Schutzes vor Diskriminierung, soweit sie nicht entgegen Art. 17 AEUV den Status der Kirchen, wie sie ihn nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht innehätten, beeinträchtige.

96(2) Die Kompetenzverletzung durch den Gerichtshof der Europäischen Union sei offensichtlich. Dies zeige sich insbesondere darin, dass der Gerichtshof Art. 17 AEUV und die entscheidende Formulierung der Tatbestandstrias in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 Gleichbehandlungsrichtlinie unverbunden nebeneinanderstelle. Dabei behaupte er, Art. 17 AEUV führe nicht dazu, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie einer wirksamen Kontrolle entzogen werde, ohne jedoch diese Aussage näher zu begründen. Der in Art. 17 AEUV und auch in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie angelegte Ausgleichswille des Unionsgesetzgebers, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten zu achten, werde vom Gerichtshof offensichtlich nicht beachtet. Es handele sich vielmehr um einen "Alles-oder-Nichts-Ansatz", der das im deutschen Verfassungsrecht implementierte religiöse Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsrecht leerlaufen lasse. Im Ergebnis verliere Art. 17 AEUV seinen Zweck.

97Dass der Gerichtshof der Europäischen Union hier offensichtlich kompetenzwidrig gehandelt habe, zeige schließlich der Widerspruch zwischen der Handlungsform der Richtlinie, die die mitgliedstaatliche politische Gestaltung möglichst schonen solle (Art. 288 AEUV), und der unitarisierenden Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie. Die Richtlinie selbst nehme mehrfach auf die Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten im religionsverfassungsrechtlichen Bereich Bezug, was unterstreiche, dass der Unionsgesetzgeber die Partikularität gesehen habe und nicht habe homogenisieren wollen. Die Auslegung des Gerichtshofs gebe demgegenüber funktional wie eine Verordnung ein Untermaß vor.

98bb) Die offensichtliche Kompetenzverletzung führe zu einer strukturellen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen.

99(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union und das Bundesarbeitsgericht brächen mit den im Grundgesetz verankerten Schutzinstrumenten religiöser Freiheit und staatlicher Säkularität, indem sie die Frage, was für das religiöse Ethos "erforderlich", "wesentlich" oder "notwendig" sei, einer minutiösen staatlichen Kontrolle unterzögen. Das gerichtliche Fremdverständnis verdränge die kirchliche Auffassung vollständig. Es bestehe somit die Gefahr einer "aufkommenden Staatsreligion in Form von Richtertheologie". Dies sei mit den Wertungen des Grundgesetzes, welches sich zu religionsrechtlicher Säkularität bekenne, unvereinbar. Ausdruck der Säkularität des Staates sei die "religiös-weltanschauliche Neutralität", die unter anderem gebiete, dass der Staat im Grundsatz keine religiösen Aufgaben wahrnehme und originär theologische Fragen den Religionsgemeinschaften überlasse.

100(2) Eine weitere strukturelle Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen erfolge durch die Grundrechtsdogmatik in der beanstandeten Entscheidung. Der Gerichtshof der Europäischen Union wende Art. 21 GRCh im horizontalen Verhältnis zwischen Privaten an und erweitere damit den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta, die gemäß Art. 51 Abs. 1 GRCh grundsätzlich nur die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten verpflichte. Nur ausnahmsweise könne sich eine Drittwirkung zwischen Privaten für einzelne Grundrechte ergeben, deren Schutzgüter primär durch Privatpersonen gefährdet würden. Der Gerichtshof ordne Art. 21 GRCh nun ebenfalls in diese Sonderkonstellation ein, ohne diese Auffassung ausreichend zu begründen.

101cc) Das Bundesarbeitsgericht habe sich das kompetenzwidrig ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vollständig zu eigen gemacht. Seine Ausführungen seien jedoch auch aus anderen Gründen verfassungsrechtlich problematisch. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts weise insbesondere ein zu enges Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des christlichen Selbstverständnisses und der christlichen Dienstgemeinschaft nach außen auf. Das Bundesarbeitsgericht stelle selbst fest, dass die beim Beschwerdeführer ausgeschriebene Stelle die Aufgabe zum Gegenstand gehabt habe, aus spezifisch christlicher Sicht Defizite bei der Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention aufzuzeigen und diese zu kommunizieren. Es liege laut Bundesarbeitsgericht "auf der Hand", dass "diese Aufgabe authentisch wahrzunehmen und (…) glaubwürdig zu vertreten" gewesen sei. Im Widerspruch dazu habe es die Kirchenmitgliedschaft nicht als zulässige berufliche Anforderung angesehen, weil "fundierte Kenntnisse des kirchlichen Arbeitsrechts" für die Ausübung der Stelle genügten. Dabei verkenne das Bundesarbeitsgericht, dass eine glaubwürdige Vertretung nach außen nicht allein besondere Sachkunde voraussetze, sondern eine innere Haltung und Identifikation mit der Konfession.

1023. Die Voraussetzungen der Identitätsrüge seien erfüllt, weil das religiöse Selbstbestimmungsrecht zum integrationsfesten Inhalt des Grundgesetzes gehöre (a) und das Urteil des Bundesarbeitsgerichts - determiniert durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - dieses Recht derart beeinträchtige, dass es durch den Beschwerdeführer nicht mehr wahrgenommen werden könne (b).

103a) Die Zugehörigkeit der grundlegenden Entscheidungen zum Verhältnis von Staat und Religion zur Verfassungsidentität werde in der Literatur ausdrücklich anerkannt, wobei überwiegend auch das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als Element genannt werde. Der in das Grundgesetz inkorporierte Art. 137 Abs. 3 WRV sei Ausdruck der Offenheit des Staates gegenüber den Religionen und Weltanschauungen seiner Bürger. Da der Staat keine theologische Kompetenz habe, sei das religiöse Selbstbestimmungsrecht die Kehrseite der staatlichen Säkularität.

104b) Der Gerichtshof der Europäischen Union und das Bundesarbeitsgericht führten einen objektivierenden Ansatz in das deutsche Religionsverfassungsrecht ein, indem künftig Arbeitsgerichte darüber befinden sollen, welche Aspekte tatsächlich dem religiösen Ethos entsprächen und für dessen Verwirklichung erforderlich seien. Die Kompetenz zur Bestimmung der eigenen Angelegenheiten werde aus den Händen der Religionsgemeinschaften in die des Staates gelegt. Damit würden die beiden wesentlichen Elemente des deutschen Staatskirchenrechts infrage gestellt: das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und die Säkularität des Staates.

IV.

1051. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin, dem Deutschen Bundestag, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Klägerin des Ausgangsverfahrens zugestellt. Darüber hinaus wurde dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. und ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft die Möglichkeit gegeben, als sachkundige Dritte zu dem Verfahren Stellung zu nehmen.

106a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt im Namen der Bundesregierung aus, die Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität gebiete, dass der Staat die Entscheidung kirchlicher Arbeitgeber, was das Selbstverständnis der Kirche erfordere und was spezifisch kirchliche Aufgaben seien, grundsätzlich akzeptiere. Dementsprechend habe die Bundesregierung im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie kraft deutschen Verfassungsrechts so auszulegen sei, dass grundsätzlich die Religionsgemeinschaften selbst festlegten, was zu den beruflichen Anforderungen im konkreten Fall gehöre.

107Dennoch müssten Entscheidungen eines kirchlichen Arbeitgebers der gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Die Bundesregierung teile insoweit die Einschätzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der die Funktion des gerichtlichen Rechtsschutzes im Einzelfall betone, und sehe jedenfalls im Ergebnis - im Geiste der Europafreundlichkeit - keinen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

108b) Nach Auffassung der Klägerin des Ausgangsverfahrens führe die angegriffene Rechtsprechung nicht dazu, dass die Kirchen ihr Organisationsethos nicht sichern dürften − der Gerichtshof der Europäischen Union gestehe den Kirchen dieses Interesse durchaus zu. Er stutze nur einige "völlig überschießende Momente des kirchlichen Arbeitsrechts" zurück, mit der Folge, dass die Kirchen nicht mehr pauschal von ihren Arbeitnehmern die Kirchenzugehörigkeit verlangen könnten.

109Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat ein Rechtsgutachten vorlegen lassen, dessen Inhalt sie sich zu eigen macht. Das Gutachten geht von der Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerde aus. Diese Auffassung wird von einem weiteren, von ihr vorgelegten europa- und staatskirchenrechtlichen Gutachten geteilt. Nach diesem Gutachten sind die prinzipale Ultra-vires-Rüge und die Identitätsrüge mangels Beschwerdeberechtigung unzulässig. Die inzidente Ultra-vires-Rüge sei in der Sache erfolglos, weil es an einem offensichtlichen Kompetenzverstoß durch den Gerichtshof der Europäischen Union fehle. Die Argumentation des Beschwerdeführers mit der hohen Bedeutung des religiösen Selbstbestimmungsrechts sei an dieser Stelle verfehlt, weil es allein auf die Offensichtlichkeit des Verstoßes und nicht auf dessen Schwere ankomme. Auch die Identitätsrüge sei jedenfalls unbegründet, weil das religiöse Selbstbestimmungsrecht in seiner konkreten Ausprägung im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts kein Bestandteil der Verfassungsidentität sei. Es werde weder im Grundgesetz noch in der Europäischen Menschenrechtskonvention schrankenlos gewährleistet, sodass eine Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern stattfinde, wobei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt werden müsse, welche Nähe die kirchliche Maßnahme zur Verfolgung unmittelbar religiöser Zwecke aufweise. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner neueren Rechtsprechung die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in kirchenarbeitsrechtlichen Fällen umgesetzt und die Bedeutung einer interessengerechten Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht betont. Sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union als auch das Bundesverfassungsgericht begründeten die Notwendigkeit einer umfassenden Abwägung mit dem Justizgewährungsanspruch. Im Ergebnis seien das Urteil des Gerichtshofs und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts somit weniger voneinander entfernt, als der Beschwerdeführer glauben machen wolle.

110c) Die EKD und das Kommissariat der deutschen Bischöfe haben jeweils Stellungnahmen vorgelegt, die eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung und einen Verstoß gegen die Verfassungsidentität annehmen und die Verfassungsbeschwerde für zulässig und begründet halten. Des Weiteren haben sich der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie ver.di geäußert.

111d) Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin hat durch Vorlage eines Gutachtens Stellung genommen. Die zuständige Senatorin hat ferner unter Berufung auf § 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG ihren Beitritt zum Verfahren erklärt und um Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gebeten.

1122. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit zur weiteren Äußerung nach Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen Gebrauch gemacht. Er hat zur Beschwerdeberechtigung und -befugnis vorgetragen sowie seine Auffassungen bekräftigt.

1133. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin des Ausgangsverfahrens ein Ablehnungsgesuch gegen die damaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts Huber und Müller wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt.

1144. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat vorgelegen.

B.

I.

115Der Beitritt der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin ist unzulässig. Nach § 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG können nur die in den Absätzen 1, 2 und 4 genannten Verfassungsorgane dem Verfahren beitreten.

1161. Eine Beitrittsberechtigung der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin scheidet aus. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist weder ihre eigene Handlung oder Unterlassung noch die Handlung oder Unterlassung einer Behörde in ihrem Zuständigkeitsbereich. Vielmehr richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen das . Die Dienstaufsicht führt insoweit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (§ 40 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Die dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vorangegangenen Entscheidungen des Arbeitsgerichts Berlin und des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg - beide unterliegen der Dienstaufsicht durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin - sind nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Unerheblich ist, dass das Bundesverfassungsgericht der Senatorin Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, denn der Kreis der Beitrittsberechtigten wird durch das Gesetz vorgegeben und kann durch das Bundesverfassungsgericht nicht erweitert werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <321>).

1172. Da die Senatorin nicht zu einem Beitritt berechtigt ist, ist das Bundesverfassungsgericht durch ihre Bitte, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, in seiner Freiheit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht beschränkt (vgl. BVerfGE 42, 312 <321>). Von einer mündlichen Verhandlung ist eine weitere Förderung des Verfahrens nicht zu erwarten; der Senat entscheidet deshalb ohne mündliche Verhandlung.

II.

118Die gegen die ehemaligen Richter Müller und Huber gerichteten Ablehnungsgesuche bedürfen keiner Entscheidung. Sie sind mit dem Ausscheiden der genannten Richter gegenstandslos geworden (vgl. BVerfGE 131, 239 <252>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2258/21 -, Rn. 5).

C.

119Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer rügt in zulässiger Weise eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Anwendung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union im angegriffenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (inzidente Ultra-vires-Rüge) (I.). Hinsichtlich der prinzipalen Ultra-vires-Rüge und der Identitätsrüge fehlt ihm jeweils die Beschwerdefähigkeit (II.).

I.

120Der Beschwerdeführer macht in zulässiger Weise eine Verletzung seines religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geltend, indem er vorträgt, das Bundesarbeitsgericht habe im angegriffenen Urteil die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in dessen Urteil vom trotz deren offensichtlicher Kompetenzwidrigkeit und der durch sie bewirkten strukturellen Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten übernommen und so das Recht auf religiöse Selbstbestimmung ohne tragfähige Rechtsgrundlage verkürzt.

1211. a) Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

122b) Die Verfassungsbeschwerde beruft sich außerdem auf die Fehlerhaftigkeit des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom . Zwar sind Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, sodass sie mit der Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar angreifbar sind (vgl. BVerfGE 142, 123 <179 f. Rn. 97>; 163, 363 <424 Rn. 116> - EPA). Sie können jedoch als Vorfrage Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung sein, soweit sie Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 134, 366 <382 Rn. 23>; 142, 123 <180 Rn. 99>).

123In diesem Sinne ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu verstehen. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist als Vorabentscheidung auf Ersuchen des Bundesarbeitsgerichts ergangen und enthält Vorgaben für die Auslegung und Anwendung des im Ausgangsverfahren streitentscheidenden Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und dessen Umsetzung im deutschen Recht in § 9 Abs. 1 AGG. Diese Vorgaben hat das Bundesarbeitsgericht unter Verweis auf den Vorrang des Unionsrechts zur Grundlage seines hier angegriffenen Urteils gemacht. Insoweit rügt der Beschwerdeführer, dass das Urteil des Gerichtshofs einen Ultra-vires-Akt darstelle und dessen Auswirkungen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührten.

1242. Der Beschwerdeführer ist beschwerdefähig im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, soweit er eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Übernahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im (inzidente Ultra-vires-Rüge) geltend macht. Als privatrechtlicher Verein, der Aufgaben der EKD wahrnimmt, ist er Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV.

1253. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er legt eine mögliche Verletzung seines religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hinreichend substantiiert dar.

126a) Die Verfassungsbeschwerde geht zunächst auf Inhalt und Bedeutung des religiösen Selbstbestimmungsrechts ein und setzt sich hinreichend mit den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV entwickelten Maßstäben auseinander. Sie beleuchtet die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für das kirchliche Arbeitsrecht und führt die hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an.

127Im Wesentlichen beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass das Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit der verfassungsrechtlichen Tradition breche, die Einschätzung, ob eine Tätigkeit im kirchlichen Dienst die Kirchenmitgliedschaft erfordere, dem Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts zu überlassen, weil dem Staat - namentlich den staatlichen Gerichten - aufgrund seiner Pflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität eine solche Prüfung verwehrt sei. Er legt zudem dar, warum die vorliegend ausgeschriebene Stelle eines Referenten für die Erstellung eines Parallelberichts zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland nach dem Selbstverständnis der EKD zwingend die in der Ausschreibung vorausgesetzte Kirchenmitgliedschaft erfordert habe. Er begründet dies einerseits abstrakt mit dem im evangelischen Kirchenrecht verankerten und vom Bundesverfassungsgericht rezipierten Prinzip der Dienstgemeinschaft, wonach jede Form des kirchlichen Dienstes die Aufgabe beinhalte, "das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen". Andererseits verweist er auf das Profil der konkret ausgeschriebenen Stelle, welches eine glaubwürdige Vertretung des christlichen Selbstverständnisses nach außen verlange.

128b) Auch zur Frage eines möglichen (inzidenten) Ultra-vires-Verstoßes genügt der Vortrag den Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG, die aufgrund des Ausnahmecharakters nationaler Kontrollvorbehalte gegenüber Rechtsakten der Union und deren Umsetzung in nationales Recht streng zu handhaben sind (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 557/19 -, Rn. 60). Der Beschwerdeführer trägt hinreichend substantiiert vor, weshalb die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom einen ausbrechenden Rechtsakt darstellen könnte und infolgedessen vom Bundesarbeitsgericht nicht zur Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hätte herangezogen werden dürfen.

129aa) Der Beschwerdeführer beschäftigt sich eingehend mit den rechtlichen Grundlagen und der Entwicklung der Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht und zeigt deren Voraussetzungen auf. Er legt substantiiert dar, weshalb der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom offensichtlich kompetenzwidrig gehandelt habe und warum dies zu einer strukturellen Verschiebung der Kompetenzen zulasten der Mitgliedstaaten führe.

130bb) Der offensichtliche Kompetenzverstoß liege in der fehlenden Zuständigkeit der Union für die Regelung religionsverfassungsrechtlicher Sachverhalte. Der Beschwerdeführer setzt sich insoweit vertieft mit allen einschlägigen Bestimmungen auseinander, die eine solche Kompetenz vorsehen beziehungsweise ausschließen könnten (insb. Art. 17 und 19 AEUV, Art. 10 und 21 GRCh). Anhand der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden - insbesondere der Entstehungsgeschichte von Art. 17 AEUV - und unter Bezugnahme auf die einschlägige Fachliteratur argumentiert er, dass es den Mitgliedstaaten gerade darauf angekommen sei, ihre mitunter sehr unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Systeme vor Übergriffen durch die Europäische Union zu schützen. Dieses Anliegen habe eine derart hohe Bedeutung, dass man in Art. 17 AEUV eine religionsverfassungsrechtliche Kompetenz der Union ausdrücklich ausgeschlossen habe. Hieran anknüpfend setzt sich der Beschwerdeführer im Einzelnen mit dem Inhalt des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom auseinander und legt dar, inwieweit dort seiner Ansicht nach in der Sache religionsverfassungsrechtliche Fragestellungen geregelt würden.

131cc) Darüber hinaus trägt der Beschwerdeführer auch hinreichend zur Frage der strukturellen Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten vor, indem er darlegt, welche weitreichenden Auswirkungen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf die verfassungsrechtlichen Garantien des Rechts auf religiöse Selbstbestimmung und der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates habe, unter anderem mit der Folge, dass die allenfalls bestehende mittelbare Kompetenz der Europäischen Union zu einer unmittelbaren Kompetenz in Religionsfragen werde.

II.

132Hinsichtlich der prinzipalen Ultra-vires-Rüge und der Identitätsrüge fehlt dem Beschwerdeführer die Beschwerdefähigkeit.

1331. Gemäß Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG in Verbindung mit § 90 Abs. 1 BVerfGG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, Art. 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. Beschwerdefähig ist demnach, wer Träger eines als verletzt gerügten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts sein kann (vgl. BVerfGE 125, 39 <73>; 129, 78 <91>). Grundrechtsträger sind nach Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen, soweit Grundrechte betroffen sind, die ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (vgl. BVerfGE 129, 78 <91>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1766/15 u.a. -, Rn. 6).

1342. Für die vom Beschwerdeführer als "prinzipal" bezeichnete Ultra-vires-Rüge führt er das Recht aus Art. 38 Abs. 1 GG an. Auf dieses Recht kann er sich als juristische Person jedoch nicht berufen.

135a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantiert Art. 38 Abs. 1 GG den wahlberechtigten Deutschen das subjektive Recht, an der Wahl des Deutschen Bundestages teilzunehmen und dadurch an der Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk auf Bundesebene mitzuwirken und auf ihre Ausübung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171 f.>; 123, 267 <330 ff.>; 129, 124 <167 ff.>; 134, 366 <380 Rn. 17>).

136Das Wahlrecht hat persönlichen Charakter; aufgrund seiner hohen Bedeutung für das Demokratieprinzip gilt es als "das vornehmste Recht" der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Staat (vgl. BVerfGE 151, 1 <46 Rn. 106> − Wahlrechtsausschluss Bundestagswahl). Seinem Wesen nach ist Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich nicht auf juristische Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG). Ausnahmen gelten lediglich für die meist als nichtrechtsfähige Vereine organisierten Parteien und die Wählervereinigungen (vgl. BVerfGE 5, 77 <82>; 46, 196 <199>) als Proponenten von Listen (vgl. BVerfGE 1, 208 <242>; 4, 27 <30>; 6, 84 <91>; 51, 222 <233>; 60, 162 <167>; 82, 322 <336>; 95, 408 <417>).

137b) Als privatrechtlicher Verein im religiösen Bereich kann sich der Beschwerdeführer folglich nicht auf Art. 38 Abs. 1 GG berufen. Er ist weder wählbar noch wahlberechtigt; in seiner Tätigkeit weist er auch keinen sonstigen erkennbaren Bezug zu Wahlen auf.

1383. Auch soweit der Beschwerdeführer unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 79 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 GG einen Verstoß gegen die Verfassungsidentität rügt, ist er nicht beschwerdefähig.

139a) Im Rahmen der Identitätskontrolle ist zu prüfen, ob die durch Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze durch eine Maßnahme der Europäischen Union berührt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <344, 353 f.>; 126, 286 <302>; 129, 78 <100>; 134, 366 <384 f. Rn. 27>; 140, 317 <337 Rn. 43>). Der Einzelne kann unter strengen Voraussetzungen im Wege der Verfassungsbeschwerde einen Identitätsverstoß geltend machen (vgl. BVerfGE 123, 267 <354 f.>; 140, 317 <337 Rn. 43, 50>). Dafür muss er im konkreten Fall eine subjektive Rechtsverletzung eines von der Ewigkeitsklausel geschützten Rechts aufzeigen.

140Zu den Schutzgütern der in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Verfassungsidentität gehören die Grundsätze des Art. 1 GG, das heißt die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) (vgl. BVerfGE 140, 317 <341 Rn. 48>). Zudem ist es dem Einzelnen möglich, eine Verletzung des demokratischen Kerngehalts von Art. 38 Abs. 1 GG geltend zu machen. Das Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 GG) gewährleistet als grundrechtsgleiches Recht die Selbstbestimmung der Bürger und garantiert die freie und gleiche Teilhabe an der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt. Sein Gewährleistungsgehalt umfasst die Grundsätze des Demokratiegebots im Sinne von Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, die Art. 79 Abs. 3 GG als Identität der Verfassung auch vor dem Zugriff durch den verfassungsändernden Gesetzgeber schützt (vgl. BVerfGE 123, 267 <340 f.>; 132, 195 <238 Rn. 104>; 135, 317 <386 Rn. 125>).

141b) aa) Wie bereits gezeigt, kommt der Beschwerdeführer als Träger des Rechts aus Art. 38 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Im Rahmen der ausdrücklich als solche bezeichneten Identitätsrüge führt er Art. 38 Abs. 1 GG nicht an.

142bb) Ebenso wenig kann er sich als juristische Person auf den von ihm geltend gemachten Art. 1 Abs. 1 GG berufen. Menschenwürde kommt jedem Menschen zu, ohne Rücksicht auf den sozialen Status, die Eigenschaften oder Leistungen des einzelnen Individuums (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 1 Rn. 3 <Juni 2025>). Juristische Personen können als solche keine Würde besitzen; die "Menschenwürde"-Garantie ist ihrem Wesen nach nur auf natürliche Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 95, 220 <242>; 149, 160 <190 Rn. 92>). Auch eine Berufung auf den Menschenwürdegehalt sonstiger Grundrechte ist damit ausgeschlossen.

D.

143Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das ist an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen (I.). Gehalt und Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts, dessen Schutzbereich hier eröffnet ist, sind unter Berücksichtigung des Unionsrechts zu bestimmen (II.). Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (III.). Denn sie verkennt den Gestaltungsspielraum, den die Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung belässt; in der Folge räumt es dem Recht auf religiöse Selbstbestimmung nicht die ihm verfassungsrechtlich zustehende Bedeutung bei der Auslegung und Anwendung von § 9 Abs. 1 AGG ein.

I.

144Beurteilungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde sind nach den Maßstäben für Fallgestaltungen bei der Durchführung des Unionsrechts (1.) die Grundrechte des Grundgesetzes (2.). Dies gilt unabhängig davon, dass das Bundesarbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung rechtliche Regelungen zu berücksichtigen hatte, die der Durchführung von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh dienen.

1451. a) Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, dabei aber durch dieses nicht vollständig determiniert ist. Das ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 und Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG. Die Bindung an die Grundrechte folgt danach aus der politischen Entscheidungsverantwortung, entspricht also der jeweiligen legislativen und exekutiven Verantwortung. Die deutschen Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht haben die Beachtung der Grundrechte bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42> − Recht auf Vergessen I).

146Dass daneben im Einzelfall auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Anwendung findet, ist dadurch nicht ausgeschlossen. Dies kommt freilich nur in Betracht, wenn es um die "Durchführung des Rechts der Union" nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh geht (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 43>). Innerstaatliche Regelungen können sich auch dann als Durchführung des Unionsrechts im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh darstellen, wenn den Mitgliedstaaten für deren Gestaltung Spielräume verbleiben, das Unionsrecht dieser Gestaltung aber einen hinreichend gehaltvollen Rahmen setzt, der erkennbar auch unter Beachtung der Unionsgrundrechte ausgefüllt werden soll. Die Unionsgrundrechte treten dann zu den Grundrechtsgewährleistungen des Grundgesetzes hinzu. Die Bindungskraft des Grundgesetzes stellt das grundsätzlich nicht infrage (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 f. Rn. 44>).

147Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes im Bereich der Durchführung des Unionsrechts stützt sich darauf, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, und auf die Vermutung, dass dort ein auf Vielfalt gerichtetes grundrechtliches Schutzniveau des Unionsrechts durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfGE 152, 152 <171 Rn. 49>). Belässt der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten für die Umsetzung des Unionsrechts Gestaltungsspielräume, ist davon auszugehen, dass dies auch für den Grundrechtsschutz gilt. Es kann hier regelmäßig angenommen werden, dass das europäische Grundrechtsschutzniveau innerhalb eines äußeren unionsrechtlichen Rahmens Grundrechtsvielfalt zulässt (BVerfGE 152, 152 <172 Rn. 50>).

148Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes bedeutet indes nicht, dass insoweit die Grundrechtecharta keine Berücksichtigung findet. Das Grundgesetz und die Charta sind in gemeinsame europäische Grundrechtsüberlieferungen eingebettet. Dem entspricht es, dass auch die Grundrechte des Grundgesetzes im Lichte der Charta auszulegen sind (vgl. BVerfGE 152, 152 <177 Rn. 60>). Ebenso wie die Charta aus den verschiedenen Grundrechtstraditionen der Mitgliedstaaten - darunter auch der deutschen - entstanden und im Einklang mit diesen auszulegen ist (vgl. Art. 52 Abs. 4 GRCh), ist die Charta als Auslegungshilfe auch für das Verständnis der grundgesetzlichen Garantien zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 152, 152 <177 Rn. 61>).

149Die alleinige Heranziehung der Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab für innerstaatliches Recht, das der Durchführung gestaltungsoffenen Unionsrechts dient, gilt nicht ausnahmslos. Eine Prüfung allein am Maßstab der deutschen Grundrechte ist dann nicht ausreichend, wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass hierdurch das grundrechtliche Schutzniveau des Unionsrechts ausnahmsweise nicht gewährleistet ist. Insoweit ist dann eine Prüfung innerstaatlichen Rechts, das der Durchführung des Unionsrechts dient, auch unmittelbar an den Grundrechten der Charta geboten (BVerfGE 152, 152 <179 Rn. 63>).

150b) Für die Frage, ob ein Rechtsstreit unionsrechtlicher Volldeterminierung unterliegt oder ob es sich um die Durchführung von gestaltungsoffenem Unionsrecht handelt, kommt es maßgeblich darauf an, ob das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumen möchte oder eine Vereinheitlichung der Rechtslage innerhalb der Union anstrebt (vgl. BVerfGE 152, 216 <247 f. Rn. 80> - Recht auf Vergessen II). Die Frage der Gestaltungsoffenheit ist dabei jeweils in Bezug auf die konkret auf den Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext zu beurteilen, nicht aber aufgrund einer allgemeinen Betrachtung des Regelungsbereichs (vgl. BVerfGE 152, 216 <246 f. Rn. 78>; 158, 1 <26 Rn. 42> − Ökotox-Daten).

151Aus der gewählten Handlungsform (Art. 288 AEUV) allein lassen sich dabei keine abschließenden Konsequenzen ableiten: Auch Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) können durch Öffnungsklauseln Gestaltungsfreiräume für Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten begründen, ebenso wie Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV) zwingende und abschließende Vorgaben machen können (vgl. BVerfGE 152, 216 <247 Rn. 79>; 158, 1 <26 Rn. 43>).

152Die Frage, ob ein Rechtsverhältnis unionsrechtlich vollständig determiniert ist oder ob Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten bestehen, ist vielmehr auf der Grundlage einer methodengerechten Auslegung des unionalen Fachrechts zu entscheiden. Hierbei kommt es darauf an, ob die einschlägigen Normen des Unionsrechts auf die Ermöglichung von Vielfalt und die Geltendmachung unterschiedlicher Wertungen angelegt sind oder ob eingeräumte Spielräume nur dazu dienen, besonderen Sachgebieten hinreichend flexibel Rechnung zu tragen, und es dem unionalen Fachrecht letztlich auf eine einheitliche Rechtsanwendung ankommt (vgl. BVerfGE 152, 216 <247 f. Rn. 80>; 158, 1 <27 Rn. 44>; EuGH, Funke Medien NRW, , C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 40 m.w.N.). Im Falle einer Richtlinie stellt der Gerichtshof der Europäischen Union für die Abgrenzung, ob diese auf eine Mindestharmonisierung beschränkt ist oder eine umfassende Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften anstrebt, maßgeblich auf das Regelungsziel und die Erwägungsgründe der Richtlinie ab. Sind die Vorschriften inhaltlich unbedingt, abschließend und erschöpfend und dürfen die Mitgliedstaaten die Anforderungen der Richtlinie weder unter- noch überschreiten, ist von einer Vollharmonisierung auszugehen (vgl. BVerfGE 152, 216 <231 f. Rn. 39>; vgl. auch EuGH, Österreichischer Rundfunk u.a., , C-465/00 u.a., EU:C:2003:294, Rn. 100; Lindqvist, , C-101/01, EU:C:2003:596, Rn. 95 ff.; Breyer, , C-582/14, EU:C:2016:779, Rn. 57).

1532. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die vorliegende Verfassungsbeschwerde primär nach den Grundrechten des Grundgesetzes zu beurteilen. Der Rechtsstreit richtet sich nach den § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und § 9 Abs. 1 AGG. Diese Bestimmungen liegen zwar im Anwendungsbereich des Unionsrechts (a). Sie sind jedoch nicht vollständig durch das Unionsrecht determiniert, denn die hier einschlägigen Vorgaben der Gleichbehandlungsrichtlinie, um deren Durchführung es geht, belassen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume für die Ausgestaltung des Arbeitsrechts innerhalb kirchlicher beziehungsweise religiöser Einrichtungen (b). Innerhalb des vom unionalen Fachrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Rahmens indiziert der fachrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum auch Grundrechtspluralität (c). Dass durch die Anwendung der deutschen Grundrechte das durch das Unionsrecht geforderte grundrechtliche Schutzniveau unterschritten würde, ist nicht ersichtlich (d).

154a) Bei den entscheidenden Regelungen des dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreits handelt es sich um Rechtsnormen, die der Durchführung von Unionsrecht dienen. Die von der Arbeitsgerichtsbarkeit zu entscheidende Frage, ob der Klägerin gegen den Beschwerdeführer wegen einer Benachteiligung aus Gründen der Religion ein Entschädigungsanspruch zusteht, richtet sich nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die der Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie dienen. Die im vorliegenden arbeitsgerichtlichen Verfahren zentrale Norm des § 9 Abs. 1 AGG geht auf Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie zurück (vgl. dazu näher Rn. 6 f.).

155b) Die unionsrechtlichen Bestimmungen lassen eine vollständige Determinierung der streitentscheidenden Regelungen in § 9 Abs. 1 AGG nicht erkennen. Die konkrete Ausgestaltung und der Kontext der dem nationalen Recht zugrundeliegenden Normen der Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 Gleichbehandlungsrichtlinie räumen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume ein, die angesichts der unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten zum Verhältnis von Staat und Religion auf die Ermöglichung von Grundrechtsvielfalt im Bereich des kirchlichen beziehungsweise religiösen Arbeitsrechts gerichtet sind.

156aa) Die Gleichbehandlungsrichtlinie nimmt an verschiedenen Stellen auf die einzelstaatlichen Gepflogenheiten Bezug (vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 14), so auch der Wortlaut des hier maßgeblichen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1. Die Vorschrift stellt es den Mitgliedstaaten frei, Regelungen zu erlassen oder beizubehalten, die den Kirchen und anderen öffentlichen und privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen beruht, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung wegen der Religion gestatten. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat, hiervon Gebrauch zu machen, gewährt ihm die Richtlinie bei der Ausgestaltung der Regelung ebenfalls Spielräume, indem sie dessen bestehende Gepflogenheiten und Rechtstraditionen berücksichtigt. Zwar muss die Ausnahme vom Diskriminierungsverbot auf das notwendige Maß begrenzt bleiben, damit die Ziele der Richtlinie nicht unterlaufen werden. Die Maßgaben für diese notwendige Beschränkung einer nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie zulässigen Ungleichbehandlung liegen in den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (s. dazu EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 63ff.; IR, , C-68/17, EU:C:2018:696, Rn. 50 ff.). Soweit diese Maßgaben eingehalten sind, liegt die Ausgestaltung der Vorschriften zum Schutz des Status der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts jedoch im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten. Hierbei können diese sich nach dem ausdrücklichen Verweis in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 Gleichbehandlungsrichtlinie auf die Bestimmungen ihres jeweiligen Verfassungsrechts beziehen (vgl. dazu Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 318).

157In ähnlicher Weise gestattet die Regelung im darauffolgenden Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie den Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, die Auferlegung von Loyalitätspflichten gegenüber den für sie arbeitenden Personen, sofern die Bestimmungen der Richtlinie im Übrigen eingehalten werden und die konkrete Anforderung "im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften" steht. Gerade die zuletzt genannte Voraussetzung verdeutlicht, dass die Norm den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume einräumt, welche der Erhaltung der Vielfalt einzelstaatlicher Wertungen im Hinblick auf das Grundrecht der korporativen Religionsfreiheit zu dienen bestimmt sind (vgl. dazu Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 319).

158bb) (1) Ausweislich ihres Titels bestimmt die Gleichbehandlungsrichtlinie einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf innerhalb der Europäischen Union. Dies kommt auch zum Ausdruck in dem von der Richtlinie verfolgten Konzept der Mindestharmonisierung, wie es in ihrem 28. Erwägungsgrund niedergelegt ist. Danach legt die Richtlinie lediglich "Mindestanforderungen" fest und es steht den Mitgliedstaaten frei, günstigere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, wobei die Umsetzung der Richtlinie keine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus rechtfertigt (vgl. insoweit den ähnlich lautenden Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie). Die Richtlinie greift den Gedanken der Mindestharmonisierung auch an verschiedenen anderen Stellen auf, so etwa in Art. 8 Abs. 1 (günstigere Vorschriften im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes), Art. 7 Abs. 1 (positive und spezifische Maßnahmen) oder Art. 10 Abs. 2 (Beweislastregelungen). Zudem wird den Mitgliedstaaten ermöglicht, innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie über die dort vorgesehenen Diskriminierungsmerkmale und Mindestanforderungen hinauszugehen, wovon einige Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht haben (vgl. Baumgärtner, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 1 AGG Rn. 44.1 <Sept. 2025> mit Hinweisen zur Rechtslage in Irland, Dänemark, Schweden und Finnland). Im Sinne einer allgemeinen Rahmensetzung legt der hier maßgebliche Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie europarechtliche Mindeststandards beim Schutz von Ungleichbehandlungen nach der Religionszugehörigkeit in religiös und weltanschaulich geprägten Arbeitsverhältnissen fest, wobei die Ausgestaltung des Arbeitsrechts in diesem Bereich im Übrigen den Mitgliedstaaten weitgehend überlassen bleibt (vgl. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, S. 430 f.).

159(2) Diesen Ansatz nimmt die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Gleichbehandlungsrichtlinie auf. Das kann in Richtung einer stärkeren Zulassung von Grundrechtspluralität in jenen Bereichen des Arbeitsrechts gedeutet werden, in denen es um Ungleichbehandlungen wegen der Religion geht. In den Rechtssachen WABE und Müller (EuGH, WABE und Müller, , C-804/18 u.a., EU:C:2021:594; vgl. Rn. 16) sowie Commune d'Ans (EuGH, Commune d'Ans, , C-148/22, EU:C:2023:924; vgl. Rn. 18) nahm der Gerichtshof ausdrücklich auf den rahmensetzenden Charakter der Richtlinie Bezug. Dieser Rahmen, der zugleich Ausdruck eines fehlenden Konsenses in diesen Fragen auf Unionsebene sei, belasse den Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum im Hinblick auf die Vielfalt der von ihnen verfolgten Ansätze in Bezug auf den Platz, den sie in ihrem Inneren der Religion oder den Überzeugungen einräumten (vgl. EuGH, WABE und Müller, , C-804/18 u.a., EU:C:2021:594, Rn. 86; Commune d'Ans, , C-148/22, EU:C:2023:924, Rn. 34). Nationale Traditionen und Rechtsprechungslinien, die der individuellen Religionsfreiheit mehr Raum geben, das heißt etwa dem Tragen des islamischen Kopftuchs am Arbeitsplatz aufgeschlossener gegenüberstehen, sollen daher weiter Bestand haben dürfen. In vergleichbarer Weise räumte der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Flämisches Schächtverbot (EuGH, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u.a., , C-336/19, EU:C:2020:1031), welche die Auslegung von Vorschriften der Verordnung (EG) 1099/2009 (Tierschlachtungs-Verordnung) zum Gegenstand hatte, den Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum dahingehend ein, ob diese dem Belang des Tierschutzes ein höheres Gewicht zumessen als der Religionsfreiheit - deren Stellenwert von den nationalen Gepflogenheiten abhänge - und aus diesem Grund rituelle Schlachtungen verbieten (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 67).

160Diese grundsätzliche Offenheit des Unionsrechts in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegenüber den bestehenden nationalen Traditionen im Bereich der Religionsfreiheit zeigt auf, dass an dieser Stelle Grundrechtspluralität zulässig ist und hieraus folgend unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf die Bedeutung, die der Religionsfreiheit innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnung eingeräumt wird, möglich sind. Dies kann sich bei der Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie in zwei Richtungen auswirken. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie kann daraus eine strengere Handhabung des Diskriminierungsverbots oder mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie die Eröffnung von Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen folgen, sofern sich eine solche Ausnahme aus dem religiösen Selbstbestimmungsrecht ergibt.

161cc) Dass die Richtlinie im hier relevanten Bereich der Ungleichbehandlung wegen der Religion keine Vollvereinheitlichung anstrebt, zeigt sich auch in deren 24. Erwägungsgrund. Dieser verweist auf die der "Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügte(n) Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften", in der die Union ausdrücklich anerkannt hat, "dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt". Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fand die Erklärung nahezu wortgleich Eingang in Art. 17 Abs. 1 und 2 AEUV (vgl. Rn. 5). Art. 17 AEUV ist Ausdruck der Neutralität der Europäischen Union gegenüber der Gestaltung der Beziehungen der Mitgliedstaaten zu den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 58; IR, , C-68/17, EU:C:2018:696, Rn. 48). Die Norm sichert mit ihrem Verweis auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die jeweiligen nationalen Identitäten im Bereich des Religionsverfassungsrechts und kann daher als spezielle Ausprägung des in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV verankerten Achtungsgebots gegenüber der Identität der Mitgliedstaaten angesehen werden (vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 11 <Okt. 2019>; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 17 AEUV Rn. 2; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 17 AEUV Rn. 2, 5; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 17 AEUV Rn. 15). Der Unionsgesetzgeber trägt dem in der Gleichbehandlungsrichtlinie auch durch Verweis auf einzelstaatliche Gepflogenheiten insbesondere in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Rechnung (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 57, 50).

162dd) Schließlich können der Entstehungsgeschichte der Richtlinie Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass Art. 4 Abs. 2 den Mitgliedstaaten Spielräume für die Ausgestaltung beruflicher Anforderungen von religiös oder weltanschaulich geprägten Arbeitgebern belassen will. Bevor der dem Rat der Europäischen Union vorgelegte Vorschlag der Europäischen Kommission (KOM<1999> 565 endg., ABl EG C Nr. 177 E vom , S. 42 ff.) angenommen wurde, kam es zu langwierigen, teils kontrovers geführten Diskussionen der Delegationen im Rat und zu mehrfachen Änderungen des Wortlauts des heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie. Während der ursprüngliche Entwurf noch vorgesehen hatte, dass eine unterschiedliche Behandlung dann keine Diskriminierung darstellt, wenn sie durch ein bestimmtes Merkmal begründet ist, das mit der Religion oder dem Glauben zusammenhängt, und dieses Merkmal aufgrund der Eigenschaft der Tätigkeit eine "wesentliche" berufliche Anforderung darstellt, wurde der Tatbestand später dahingehend verschärft, dass der diskriminierende Umstand wesentlich "und entscheidend" sein, einem "rechtmäßigen Zweck" dienen und es sich um eine "angemessene Anforderung" handeln muss, bis die tatbestandlichen Voraussetzungen schließlich ihre heutige Gestalt annahmen ("wesentlich, gerechtfertigt, rechtmäßig"). Ferner wurden Änderungen am Wortlaut vorgenommen, die eine Bezugnahme auf mitgliedstaatliche Bestimmungen enthielten. Die Regelung im heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie zur Zulässigkeit von Verhaltensanforderungen und Loyalitätsverpflichtungen, die bis dahin nur in einem Erwägungsgrund enthalten war, wurde auf Drängen der irischen Delegation in den Text der Vorschrift aufgenommen (ausführlich zur Entstehungsgeschichte Triebel, Das Europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, 2005, S. 89 ff.).

163Der Entstehungsgeschichte kann insgesamt ein ernsthaftes Bemühen des Unionsgesetzgebers um einen angemessenen Ausgleich zwischen den jeweils betroffenen Rechtspositionen entnommen werden. Die langwierigen Diskussionen und zahlreichen Änderungen der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zeigen einerseits, dass der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer vor Diskriminierungen ein zentrales Anliegen im Entstehungsprozess der Vorschrift gewesen ist. Andererseits lassen sie darauf schließen, dass die Belange der Religionsgemeinschaften sowie die Rücksicht auf die unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten ebenso wichtige Faktoren bei der Fassung der Vorschrift gewesen sind. Dafür spricht insbesondere die ausdrückliche Aufnahme einer Bezugnahme auf Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, wodurch - entgegen dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, Diskriminierungen zu vermeiden - unterschiedliche Ausnahmeregelungen in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen wurden. Über den im 24. Erwägungsgrund enthaltenen Verweis auf die Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften hinaus ist zudem eine Regelung zu religiös bedingten Loyalitätsanforderungen für so wichtig gehalten worden, dass die hierfür geltenden Voraussetzungen - einschließlich eines ausdrücklich aufgenommenen Verweises auf die "einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften" - in einem gesonderten Unterabsatz, dem heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, niedergelegt wurden (vgl. Triebel, Das Europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, 2005, S. 140 f., 293; Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 142 f., 319).

164c) Die Gleichbehandlungsrichtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten für den vorliegend betroffenen Sachbereich des religiösen Arbeitsrechts nach alledem Gestaltungsspielräume. Bei deren Ausfüllung ist - in Übereinstimmung mit der auf Vielfalt ausgerichteten Anlage der Charta selbst (vgl. BVerfGE 152, 152 <170 f. Rn. 48>) - davon auszugehen, dass das europäische Grundrechtsschutzniveau innerhalb eines äußeren unionsrechtlichen Rahmens Grundrechtsvielfalt zulässt.

165aa) Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht innerhalb des Rahmens, den Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union setzt. Unionsrechtlich vorgegeben ist demnach, dass eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung in Bezug auf berufliche Tätigkeiten keine Diskriminierung ist, wenn die Religion oder Weltanschauung der betreffenden Person nach der Art dieser Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung und angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte sowie verhältnismäßige (Hervorhebung nur hier) Anforderung darstellt. Zur Auslegung dieser Vorgaben zieht der Gerichtshof der Europäischen Union auch die Grundrechtecharta heran, namentlich die Religionsfreiheit in Art. 10 GRCh (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50), das Diskriminierungsverbot in Art. 21 GRCh (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 75 ff.) und die Rechtsschutzgarantie in Art. 47 GRCh (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 78 f.). Die in Art. 10 GRCh gewährleistete Religionsfreiheit wird ihrerseits wiederum im Lichte des Art. 9 EMRK und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte interpretiert (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61). Über den Rückgriff auf die Chartagrundrechte bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie wird der dieser Bestimmung zu entnehmende Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten zugleich begrenzt. Gefordert ist eine auf die jeweilige Tätigkeit bezogene Einzelfallbetrachtung, die wirksamer gerichtlicher Kontrolle unterliegt (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59). Bei der Ausfüllung des durch Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie eröffneten Gestaltungsspielraums durch die Mitgliedstaaten ist dieser Begrenzung Rechnung zu tragen.

166bb) Innerhalb dieses Rahmens lässt das Unionsrecht nicht nur Raum für die Zulassung von Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot im Hinblick auf das Erfordernis der religiösen/weltanschaulichen Zugehörigkeit bei bestimmten Tätigkeiten, sondern darauf aufsetzend auch für eine Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter nach Maßgabe der grundrechtlichen und religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten. Für die Herstellung des von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie geforderten Ausgleichs der Belange der religiösen Arbeitgeber und ihrer Arbeitnehmer gibt das Unionsrecht keine bestimmte und abschließende Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter und keine konkreten Ergebnisse vor, sondern verlangt, dass bei dem Abwägungsvorgang die in der Richtlinie genannten Kriterien berücksichtigt und die betroffenen Belange in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 52 f.). Hierbei kann es angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen zu dem Rang, der dem religiösen Selbstbestimmungsrecht innerhalb der staatlichen Rechtsordnung eingeräumt wird, zu voneinander abweichenden Wertungen in den Mitgliedstaaten kommen.

167d) Dass der Rückgriff auf die nationalen Grundrechte zu einem Zurückbleiben hinter den unionsrechtlichen Vorgaben zum Schutz gegen Diskriminierungen aus religiösen Gründen führen würde, ist nicht ersichtlich.

168aa) Dieser Rückgriff ist vielmehr Ausdruck der vom Unionsrecht in diesem Bereich zugelassenen Grundrechtspluralität. Diese spiegelt sich nicht zuletzt in dem normativen Befund wider, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - wie auch von Art. 17 AEUV primärrechtlich ausdrücklich anerkannt - unterschiedliche Vorstellungen über die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bestehen, die von einer strikten Trennung auf der einen Seite bis hin zu einer Verflechtung der beiden Sphären auf der anderen Seite reichen (vgl. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, S. 427 ff.). Der Gefahr etwaiger Schutzlücken zulasten des Diskriminierungsverbots wird durch die Auslegung der nationalen Grundrechte im Lichte der Vorgaben des Unionsrechts entgegengewirkt.

169bb) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Reichweite des Diskriminierungsverbots in Art. 21 GRCh. Diesem kann zwar als Belang der von Ungleichbehandlungen betroffenen Arbeitnehmer und Stellenbewerber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unmittelbare Wirkung auch im Privatrechtsverhältniszukommen (1). Jedoch gewährleistet Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (2) in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (3) ein Schutzniveau, das sich auch im Bereich des religiösen Arbeitsrechts als gleichwertig erweist (4).

170(1) Auf die Vorlagefrage des Bundesarbeitsgerichts, ob ein nationales Gericht verpflichtet sei, eine Norm des nationalen Rechts, die nicht in Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ausgelegt werden könne, außer Anwendung zu lassen, betont der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom , dass das in Art. 21 GRCh niedergelegte Diskriminierungsverbot schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht verleihe, das er in einem (Privat-)Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen könne (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16; EU:C:2018:257, Rn. 76 f.). Das Verbot jeder Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung habe als allgemeiner Rechtsgrundsatz zwingenden Charakter. Der Einzelne könne sich vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf dieses Recht berufen, ohne dass es einer Umsetzung durch unionales oder nationales Recht bedürfe (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 78). Das nationale Gericht sei in einem solchen Fall verpflichtet, für die volle Wirksamkeit des in Art. 21 GRCh (i.V.m. Art. 47 GRCh) garantierten Schutzes zu sorgen und gegebenenfalls eine unionsrechtswidrige nationale Norm außer Anwendung zu lassen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 79; zu der "negativen" unmittelbaren Wirkung von Art. 21 GRCh im Horizontalverhältnis vgl. Wendel/Seyller, EuGRZ 2024, S. 545 <551 ff.> mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung). Dessen ungeachtet habe das nationale Gericht in einem Rechtsstreit die widerstreitenden Grundrechtspositionen − betroffen sind vorliegend das Diskriminierungsverbot auf der einen Seite und das Recht auf religiöse Autonomie auf der anderen Seite − in Ausgleich zueinander zu bringen. Hierbei sei der vom Unionsgesetzgeber in der Gleichbehandlungsrichtlinie vorgesehene Rahmen zu berücksichtigen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 80 f.).

171(2) Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Norm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie den Staat, namentlich den Gesetzgeber, absoluten Unterscheidungsverboten unterwirft (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>; 97, 186 <197>; 114, 357 <364>). Die Religion darf grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtliche Ungleichbehandlungen benachteiligender oder bevorzugender Art herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie - oder gänzlich - andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>; 121, 241 <254>).

172Die Gewährleistung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG stellt ein eigenständiges Grundrecht dar. Das Diskriminierungsverbot enthält ein subjektives Grundrecht sowie eine objektive Wert-entscheidung (vgl. BVerfGE 17, 1 <27>; Nußberger/Hey, in: Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 233). Aufgrund seines engen Zusammenhangs mit dem Grundsatz der Menschenwürde (vgl. Nußberger/Hey, in: Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 236; Baer/Markard, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 407; zur engen Verbindung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG hinsichtlich des Merkmals "Rasse" vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2727/19 -, Rn. 18) kommt ihm als verfassungsrechtlich verankerter Gemeinwohlbelang besonderes Gewicht zu, das Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann.

173(3) Eine weitreichende einfachgesetzliche Umsetzung hat der Schutz vor Diskriminierung in den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gefunden. Sie verwirklichen den Diskriminierungsschutz insbesondere im Arbeitsrecht und schränken auf diesem Wege die Berufsfreiheit von Arbeitgebern und das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften oder entsprechenden Vereinigungen als Arbeitgeber ein.

174In diesem Sinne verschafft das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz den verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten, darunter auch dem Verbot der Diskriminierung aus religiösen und weltanschaulichen Gründen, für die Verhältnisse zwischen Privaten, darunter auch für das Arbeitsrecht, umfassend Geltung. Der Gesetzgeber, der den bisherigen Diskriminierungsschutz im Arbeits- und Zivilrecht als nicht weitreichend genug angesehen hat (vgl. BTDrucks 16/1780, S. 23), bezweckt mit den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - neben der Erfüllung der Pflicht zur Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien (insbesondere der Gleichbehandlungsrichtlinie) - die Stärkung des in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG normierten Diskriminierungsschutzes im allgemeinen Privatrechtsverkehr und im Arbeitsrecht. Diese Zielsetzung ist bei der Auslegung und Anwendung der Normen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugrunde zu legen. Das gilt auch für das Verständnis des § 9 AGG, der im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften oder -vereinigungen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1, § 2 Abs. 1 AGG enthält, die sich vor der gesetzgeberischen Zielsetzung der Umsetzung des Diskriminierungsverbots im Rahmen einer Abwägung der betroffenen verfassungsrechtlichen Belange rechtfertigen lassen müssen.

175(4) Der nach diesen Maßstäben vorzunehmende Ausgleich, auf den auch der Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen der Anwendung von Art. 21 GRCh abhebt (vgl. Rn. 170), bewirkt im Ergebnis einen Grundrechtsschutz, welcher dem durch die Unionsrechtsordnung gewährleisteten Schutzniveau entspricht und daher gleichwertig ist. Der Einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten auf den Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes berufen. Bei der Auslegung und Anwendung dessen Vorschriften muss das angerufene Gericht die verfassungsrechtlich verankerte hohe Bedeutung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG berücksichtigen, der der Gesetzgeber bei der Schaffung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Rechnung tragen wollte. Für die Frage, ob im nationalen Recht ein äquivalentes Schutzniveau zum Unionsrecht erreicht wird, ist es indes unerheblich, dass sich der Einzelne im Privatrechtsverhältnis nicht unmittelbar auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann (vgl. - juris, Rn. 26; Urteil vom - XI ZR 22/12 - juris, Rn. 28; von Achenbach in: Dreier GG, 4. Aufl. 2023 Art. 3 Abs. 2 Rn. 37, 26; Britz, VVDStRL 64 <2005>, S. 355 <361 f.>). Denn entscheidend ist nicht die dogmatische Ausgestaltung des nationalen Rechts, hier des Grundrechtsschutzes im Privatrechtsverhältnis - dies ist Sache der Mitgliedstaaten -, sondern dass der Einzelne im Ergebnis den Schutz genießt, den das Unionsrecht ihm der Sache nach gewährt. Das wird über die Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unter Berücksichtigung der hohen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Diskriminierungsverbots in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erreicht.

II.

176Der Schutzbereich des religiösen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (1.) ist im vorliegenden Fall eröffnet (2.). Dieses Recht unterliegt nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV der Schranke des "für alle geltenden Gesetzes" (3.). Bei Auslegung und Anwendung der hier einschlägigen Bestimmungen in § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und 9 AGG ist das religiöse Selbstbestimmungsrecht mit jenen Rechtsgütern, deren Schutz das einschränkende Gesetz dient, auf der Grundlage einer zweistufigen Prüfung in Ausgleich zu bringen. Hierbei sind die Vorgaben des Unionsrechts in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu berücksichtigen (4.). Diese Vorgaben entfalten kraft des Vorrangs des Unionsrechts Bindungswirkung (5.).

1771. a) Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind - mit eigenständiger Bedeutung gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen hat. Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes, wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des staatskirchenrechtlichen Systems darstellt (vgl. BVerfGE 137, 273 <303 Rn. 83> m.w.N.).

178Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung. Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt und in dessen Lichte auszulegen, weil sie das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche regeln (Art. 137 Abs. 1 WRV). Andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt (vgl. BVerfGE 137, 273 <303 f. Rn. 84> m.w.N.).

179Soweit sich die Schutzbereiche der inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung und der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG überlagern, geht Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft. Bei dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist (vgl. BVerfGE 137, 273 <304 Rn. 85> m.w.N.).

180b) Das religiöse Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Garantie erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>; 137, 273 <306 Rn. 90>).

181aa) Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst entsprechend ihrer rechtlichen Verfasstheit, sondern alle ihr in bestimmter Weise zugeordneten Institutionen, Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen. Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher Organisationsformen bedient (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>; 137, 273 <306 f. Rn. 92>). Nicht jede Organisation oder Einrichtung, die in Verbindung zur Kirche steht, unterfällt indes dem Privileg der Selbstbestimmung. Voraussetzung einer wirksamen Zuordnung ist vielmehr, dass die Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des Auftrages der Kirche teilnimmt, im Einklang mit dem Bekenntnis der verfassten Kirche steht und mit ihren Amtsträgern und Organwaltern in besonderer Weise verbunden ist (vgl. BVerfGE 46, 73 <87>; 70, 138 <163 ff.>; 137, 273 <307 Rn. 93>).

182bb) (1) Das Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne des religiösen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 70, 138 <164>; 99, 100 <125>; 137, 273 <307 Rn. 95>) und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399>; 137, 273 <307 f. Rn. 95>). Unter die Freiheit des "Ordnens" und "Verwaltens" fällt dementsprechend auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge (vgl. BVerfGE 70, 138 <165>; 137, 273 <308 Rn. 95>; BVerfGK 12, 308 <330>).

183Die Religionsgemeinschaften können sich der jedermann offenstehenden privatautonomen Gestaltungsformen bedienen, Dienstverhältnisse begründen und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Die im Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften enthaltene Ordnungsbefugnis gilt insoweit nicht nur für die Ämterorganisation (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV), sondern ist ein allgemeines Prinzip für die Ordnung des religiösen Dienstes (vgl. BVerfGE 70, 138 <164 f.>; 137, 273 <308 Rn. 97>). Sie berechtigt zur Organisation der Tätigkeit einschließlich der Aufrechterhaltung einer internen Organisationsstruktur, zur Auswahl ihrer Angestellten und zur Festlegung der religiösen Grundsätze, welche die Grundlage ihrer Tätigkeiten sein sollen (vgl. BVerfGE 137, 273 <308 f. Rn. 97>).

184(2) Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 125, 39 <79>; 137, 273 <309 Rn. 98>). Dieses beinhaltet neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 42, 312 <323>; 53, 366 <387>; 83, 341 <355>; 105, 279 <293>; 137, 273 <309 Rn. 98>).

185Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>; 137, 273 <309 f. Rn. 101>). Zwar hat der Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>). Wo aber die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers voraussetzt, wie dies bei der Religionsfreiheit der Fall ist, würde der Staat die Eigenständigkeit der Kirchen und ihre nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verankerte Selbständigkeit verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde (vgl. BVerfGE 18, 385 <386 f.>; 24, 236 <248>; 108, 282 <298 f.>).

186Allerdings genügt die bloße Behauptung einer Religionsgemeinschaft, eine Angelegenheit sei ihre eigene, als solche nicht, um von der Eröffnung des Schutzbereichs auszugehen. Vielmehr obliegt es den staatlichen Rechtsanwendungsinstanzen, diese Behauptung auf ihre Plausibilität hin zu prüfen (vgl. BVerfGE 137, 273 <314 ff. Rn. 112 ff.>; Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2018, § 6 Rn. 159; Ehlers/Jasper, in: Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 137 WRV Rn. 6). Die Religionsgemeinschaften trifft insoweit eine Darlegungslast, an die - abhängig davon, ob die Zuordnung der Aufgabe oder des Tätigkeitsbereichs zu den eigenen Angelegenheiten naheliegt oder nicht - unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Korioth, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 137 WRV Rn. 29 <Feb. 2003>).

187(3) Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrags in Staat und Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken, das eine wesentliche Aufgabe für den Christen ist und von den Kirchen als religiöse Grundfunktion verstanden wird (vgl. BVerfGE 137, 273 <310 Rn. 102> m.w.N.).

1882. a) Der Beschwerdeführer ist Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Er ist der Evangelischen Kirche in Deutschland organisatorisch zugeordnet (aa), nimmt an ihrem religiösen Auftrag teil (bb) und steht im Einklang mit ihrem Bekenntnis (cc).

189aa) Die institutionelle Verbundenheit zwischen Beschwerdeführer und EKD zeigt sich insbesondere in der personellen Zusammensetzung des Beschwerdeführers. Gemäß § 9 Abs. 1 SEWDE in der Fassung vom (vgl. Rn. 36) gehören der Konferenz des Beschwerdeführers - ein zur Klärung wichtiger Grundsatzfragen berufenes Organ - zu einem beträchtlichen Teil Vertreter der EKD an. Die institutionelle Verknüpfung findet zudem Ausdruck in verschiedenen Einflussmöglichkeiten der Amtsträger und Organwalter der EKD auf dessen Tätigkeit. So bedürfen Änderungen der Satzung des Beschwerdeführers der Zustimmung des Rates beziehungsweise der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD (§ 27 Abs. 3 SEWDE). Die EKD beteiligt sich zudem an seinem Haushalt (§ 21 Nr. 1 SEWDE).

190bb) Der Beschwerdeführer nimmt an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags der evangelischen Kirche teil. In der Präambel seiner Satzung heißt es, dass das Werk "in den Traditionen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland" stehe. Konkrete Aussagen zu den Aufgaben des Beschwerdeführers finden sich in § 5 Abs. 3 SEWDE. Er übernimmt demnach im Sinne der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland diakonische und volksmissionarische Aufgaben sowie Aufgaben des Entwicklungsdienstes und der humanitären Hilfe. Diese Aufgaben sind Ausdruck der tätigen Nächstenliebe und Wohltätigkeit und lassen einen karitativen Zweck deutlich erkennen.

191Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer seit der Umstrukturierung im Jahr 2011 ein Dachverband in Form eines eingetragenen Vereins ist, der mehrere Werke in sich vereint. Zwar übernimmt der Beschwerdeführer als Verband vor allem Aufgaben im Bereich der Koordinierung, Repräsentation, Vertretung und des Austausches. Gleichwohl verfolgt er die Aufgabe, die karitative Arbeit wirkungsvoller zu gestalten, indem die Zusammenarbeit der einzelnen Mitglieder im Innenverhältnis gefördert und durch eine gemeinsame Vertretung eine starke Repräsentation im Außenverhältnis gewährleistet wird.

192cc) Der Beschwerdeführer steht auch mit dem religiösen Bekenntnis der EKD in Einklang, was sich insbesondere darin zeigt, dass er das Recht der EKD anwendet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AnfRL-2005).

193b) Das hier streitige Einstellungskriterium "Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag" ist vom Gewährleistungsumfang des Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst. Der Beschwerdeführer hat plausibel dargelegt, dass das grundsätzlich für jedes Arbeitsverhältnis geltende Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft nach dem zum Zeitpunkt der Ausschreibung der hier gegenständlichen Stelle geltenden glaubensdefinierten Selbstverständnis der EKD Ausdruck des kirchlichen Ethos war (aa) und der Beschwerdeführer diesem Selbstverständnis bei der Ausschreibung der Stelle gefolgt ist (bb).

194aa) Ausdruck der religiösen Prägung des kirchlichen Dienstes ist, dass dieser wesensgemäß nicht nur auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung beschränkt und ausgerichtet ist. Dem Dienst liegt auch die Vorstellung einer aktiven Teilnahme und Teilhabe am kirchlichen Sendungsauftrag zugrunde. Aufgabe sämtlicher Formen kirchlichen Dienens - unabhängig ob im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses - ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen (vgl. BVerfGE 137, 273 <311 f. Rn. 105>).

195Das Verständnis des Dienstes als aufeinander bezogene Gemeinschaft findet Ausdruck in dem von der EKD verwendeten Begriff der "Dienstgemeinschaft". Gemeinschaft in diesem Sinne bedeutet nach christlichem Glauben gemeinsame Verantwortung für das Wirken der Kirche und in der Kirche und ihren Einrichtungen (vgl. BVerfGE 137, 273 <311 f. Rn. 105>). Der Gedanke der dem kirchlichen Auftrag dienenden Gemeinschaft verpflichtet nach Vorstellung der EKD sowohl die Kirche und ihre Einrichtungen als auch die bei ihr oder ihren Einrichtungen tätigen Beamten und Arbeitnehmer. Er durchzieht in der Folge sämtliche kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Bestimmungen der EKD.

196Um sicherzustellen, dass sich der Einzelne der Dienstgemeinschaft tatsächlich verpflichtet fühlt und seine Tätigkeit hiernach ausrichtet, war in der zum Zeitpunkt der Ausschreibung der verfahrensgegenständlichen Stelle geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 AnfRL-2005 vorgesehen, dass die berufliche Mitarbeit in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der EKD oder einer Kirche voraussetzt, mit der die EKD in Kirchengemeinschaft verbunden ist. Der Beschwerdeführer hat dargelegt, dass nach dem (damaligen) glaubensdefinierten Selbstverständnis der EKD die Kirchenmitgliedschaft für eine Beschäftigung in der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen grundsätzlich für jede Arbeitsstelle vorauszusetzen war. Aus seiner Sicht verlangte eine loyale Zusammenarbeit im Inneren und eine glaubwürdige Repräsentation nach außen - wie sie gerade auch vorliegend in Rede steht -, dass die Beschäftigten sich den Glaubensinhalten der Kirche verbunden fühlen und die christlichen Glaubensüberzeugungen authentisch vertreten.

197bb) Die Ausschreibung des Beschwerdeführers, in der für die Stelle eines Referenten die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt wurde, ist Ausdruck dieses Selbstverständnisses der EKD. Der Beschwerdeführer war bei der Ausschreibung der verfahrensgegenständlichen Stelle an die Vorgaben in der Anforderungsrichtlinie 2005 gebunden.

1983. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterliegt nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV der Schranke "des für alle geltenden Gesetzes" (a). Darunter fallen die hier einschlägigen Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (b).

199a) Das religiöse Selbstbestimmungsrecht steht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, auch soweit sich der Schutzbereich mit demjenigen der korporativen Religionsfreiheit überlagert, unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Die Formel "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" kann jedoch nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in einigen Grundrechtsgarantien verstanden werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <333>). Vielmehr ist der Wechselwirkung von religiösem Selbstbestimmungsrecht und Schrankenzweck bei der Entfaltung und Konturierung der Schrankenbestimmung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 53, 366 <400 f.>). Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist daher der Umstand zu beachten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist (vgl. BVerfGE 137, 273 <312 Rn. 106>).

200b) aa) Gemäß § 7 in Verbindung mit § 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dürfen Beschäftigte - hierzu zählen auch alle Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG) - bei den Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen nicht aus religiösen Gründen benachteiligt werden. Dies gilt gemäß § 11 AGG auch für Stellenausschreibungen. Die Bestimmungen haben den Zweck, die Beschäftigten vor Diskriminierung zu schützen. Sie dienen dem Ziel, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch im Bereich des Arbeitsrechts zum Tragen zu bringen. Das Diskriminierungsverbot gilt dabei unterschiedslos für sämtliche Arbeitgeber.

201Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berücksichtigt jedoch auch die besonderen Belange der Religionsgemeinschaften und privilegiert diese gegenüber anderen Arbeitgebern, indem es in § 9 AGG einen zusätzlichen Rechtfertigungsgrund für Diskriminierungen wegen der Religion schafft, der nur für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen gilt. Der für die hier vorliegende Einstellungskonstellation heranzuziehende § 9 Abs. 1 AGG ermöglicht eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Vorschrift erkennt als einfachgesetzliche Ausprägung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts somit das Interesse kirchlicher Arbeitgeber an, bestimmte Stellen mit Kirchenmitgliedern zu besetzen.

202bb) Die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind daher einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV). Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass der Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Beschäftigte vor Diskriminierungen wegen der Religion zu schützen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG), vernachlässigt wird (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>; 137, 273 <314 Rn. 110 f.>). Dieser Wechselwirkung von religiöser Selbstbestimmung und Zweck der gesetzlichen Schrankenziehung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 137, 273 <314 Rn. 111> m.w.N.).

2034. Der Ausgleich kollidierender Rechtsgüter im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 137, 273 <314 ff. Rn. 112 ff., 335 Rn. 163>) auf der Grundlage einer zweistufigen Prüfung (a). Die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in dessen Urteil vom , die aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts zu beachten sind (b), stellen diese zweistufige Prüfung als solche nicht infrage. Sie verlangen jedoch eine Anpassung in Form einer Einbettung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in den von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in dessen Auslegung durch den Gerichtshof gesetzten Rahmen (c).

204a) aa) Die erste Prüfungsstufe knüpft an die für die Eröffnung des Schutzbereichs anzustellende Plausibilitätsprüfung an, die − wie gezeigt − der Klärung der Frage dient, welche Angelegenheit als eine religiöse betrachtet wird und welche Bedeutung ihr nach dem kirchlichen Selbstverständnis für die Verwirklichung des religiösen Ethos zukommt. Diese der Güterabwägung auf der zweiten Stufe vorgeschaltete Prüfung ist erforderlich, weil dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat eine solche Bewertung grundsätzlich verwehrt ist, die anschließende Abwägung der Interessen im konkreten Fall jedoch Kenntnis von der Bedeutung der Angelegenheit für den kirchlichen Arbeitgeber voraussetzt.

205Ist durch den religiösen Arbeitgeber plausibel dargelegt, dass nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung, Dogmatik, Tradition und Lehre der Religionsgemeinschaft ein bestimmtes Handeln oder eine Tätigkeit Gegenstand, Teil oder Ziel von Glaubensregeln ist, darf der Staat das so umschriebene glaubensdefinierte Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft nicht nur nicht unberücksichtigt lassen; er hat es vielmehr seinen Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen, solange es nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>; 102, 370 <392 ff.>; 137, 273 <316 f. Rn. 118>).

206bb) Auf der zweiten Prüfungsstufe der Schrankenziehung erfolgt - unter Zugrundelegung der Ergebnisse der ersten Stufe - eine offene Gesamtabwägung zwischen den Interessen und Belangen der Arbeitnehmer und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht (vgl. BVerfGE 137, 273 <317 Rn. 120>).

207Im Rahmen dieses Abwägungsvorgangs sind die kollidierenden Rechtspositionen - dem Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechend - in möglichst hohem Maße in ihrer Wirksamkeit zu entfalten. Sie sind einander im Sinne einer Wechselwirkung verhältnismäßig zuzuordnen, das heißt, das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte der Bedeutung des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG betrachtet werden, ebenso wie die kollidierenden Belange der Arbeitnehmer, deren Schutz das einschränkende Gesetz dient, im Verhältnis zum religiösen Selbstbestimmungsrecht gewichtet werden müssen (vgl. BVerfGE 137, 273 <319 Rn. 124>). Dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; 137, 273 <319 f. Rn. 125>; BVerfGK 12, 308 <333>), ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen (vgl. BVerfGE 70, 138 <170 ff.>; 137, 273 <319 f. Rn. 125>).

208Diese Abwägung obliegt zunächst den Fachgerichten. Ob sie verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann sodann Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn diese tragende Elemente des religiösen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte des Arbeitnehmers andererseits verkennen (vgl. BVerfGE 137, 273 <320 Rn. 126>).

209b) Bei der Durchführung des Ausgleichs zwischen den Belangen des religiösen Arbeitgebers und der Arbeitnehmer ist aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts (aa) der durch Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gesetzte Rahmen (bb) zu berücksichtigen.

210aa) Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Gründung und Fortentwicklung der Europäischen Union mit. Für den Erfolg der Europäischen Union ist die einheitliche Geltung ihres Rechts von zentraler Bedeutung (vgl. BVerfGE 123, 267 <399>; 126, 286 <301>). Als Rechtsgemeinschaft könnte sie nicht bestehen, wenn die einheitliche Geltung und Wirksamkeit ihres Rechts nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Costa/E.N.E.L., , C-6/64, EU:C:1964:66; stRspr). Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Recht der Union (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>). Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz daher die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf das nationale Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 <100>). Bei einer fortbestehenden Kollision im konkreten Fall muss das nationale Verfassungsrecht in aller Regel unangewendet bleiben (vgl. BVerfGE 126, 286 <301>). Ausfluss des Vorrangs des Unionsrechts ist im Weiteren die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, soweit dies möglich ist (vgl. BVerfGE 140, 317 <352 Rn. 77>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 282/13 u.a. -, Rn. 11; aus dem Schrifttum vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 1 AEUV Rn. 24). Auf diesem Wege können Kollisionen von vornherein vermieden werden.

211bb) Das Unionsrecht gibt in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union die Kriterien vor, die im Fall einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bei beruflichen Anforderungen für die Bewältigung des Konflikts zwischen religiösem Selbstbestimmungsrecht und damit kollidierenden Rechtspositionen, hier dem Recht der Arbeitnehmer, bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, berücksichtigt werden müssen.

212Erforderlich ist zunächst ein objektiv überprüfbarer Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung (hier der Kirchenmitgliedschaft) und der Art der Tätigkeit beziehungsweise den Umständen ihrer Ausübung (z.B. durch eine Nähe zum Verkündigungsauftrag oder der Notwendigkeit einer glaubwürdigen Vertretung nach außen; vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 63). Die berufliche Anforderung der Religionszugehörigkeit muss ferner aufgrund der Bedeutung der fraglichen beruflichen Tätigkeit für die Bekundung des Ethos der Religionsgemeinschaft oder die Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts notwendig erscheinen ("wesentlich"; vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 65). Sie darf im Weiteren nicht der Verfolgung eines sachfremden Zweckes dienen ("rechtmäßig"; vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 66) und nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen. Sie muss schließlich angemessen sein ("verhältnismäßig"; vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 68). Den Religionsgemeinschaften obliegt es, anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls darzulegen, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung des Ethos oder des Selbstbestimmungsrechts wahrscheinlich und erheblich ist, sodass die in Rede stehende berufliche Anforderung tatsächlich notwendig ist ("gerechtfertigt"; vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 67).

213In Streitfällen sind die staatlichen Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu überprüfen und den gebotenen Ausgleich zwischen den kollidierenden Rechten im Wege einer Interessenabwägung herzustellen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59). Die genannten Voraussetzungen der Richtlinie stellen insoweit gerichtlich vollständig überprüfbare Kriterien dar, die im Abwägungsvorgang zu berücksichtigen sind. Lediglich die Legitimität des Ethos der Religionsgemeinschaft als solches unterliegt - bis auf ganz außergewöhnliche Fälle - keiner Beurteilung durch die staatlichen Gerichte (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61).

214c) Die bindenden Vorgaben von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union lassen sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen (aa). Sie führen zu einer Konkretisierung der bisherigen Maßstäbe des durch Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleisteten religiösen Selbstbestimmungsrechts, die sich wiederum auf die Auslegung des Fachrechts, das heißt der hier einschlägigen Vorschriften in § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und 9 AGG als Schranken des religiösen Selbstbestimmungsrechts, auswirkt. Hierdurch wird eine Schärfung der verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Schrankenebene dahingehend bewirkt, dass eine am Einzelfall orientierte und auf die jeweilige Arbeitsstelle bezogene Prüfung des Erfordernisses der in Rede stehenden beruflichen Anforderungen - hier der Kirchenmitgliedschaft - und eine wirksame gerichtliche Kontrolle dieses Erfordernisses im Hinblick auf die Art der in Rede stehenden Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung erfolgt (bb). An diese Prüfung schließt sich auf der zweiten Stufe eine Abwägung der betroffenen rechtlichen Belange an (cc).

215aa) Im grundlegenden Ansatz der Prüfung bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Verfassungsrecht. Der Gerichtshof der Europäischen Union unterscheidet, wie auch das Bundesverfassungsgericht, zwischen einer unzulässigen theologischen Bewertung des religiösen Ethos durch staatliche Gerichte und der daraus folgenden grundsätzlichen Hinnahme der von den Religionsgemeinschaften formulierten beruflichen Anforderungen als dem religiösen Ethos geschuldet einerseits (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61) und der rechtsstaatlichen Beschränkung der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des staatlichen (Gleichbehandlungs-) Rechts andererseits (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50 f.).

216bb) (1) An der Plausibilitätskontrolle als Ausgangspunkt für die Schrankenprüfung ist danach auch angesichts der unionsrechtlichen Vorgaben im Grundsatz weiterhin festzuhalten. Sowohl das Unionsrecht als auch das nationale Verfassungsrecht gehen übereinstimmend von der Prämisse aus, dass das Ethos der Religionsgemeinschaft als solches einer Überprüfung grundsätzlich unzugänglich ist. Die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs durch Abwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitnehmers und der Religionsgemeinschaft anhand der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie aufgeführten Kriterien (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50-52, 64-68) betreffen sämtlich den hiervon zu trennenden Prüfungsschritt der Rechtfertigung einer dem jeweiligen Ethos geschuldeten beruflichen Anforderung. Sie stellen nicht grundsätzlich infrage, dass sich eine Kirche im Ausgangspunkt auf ihr Ethos für die Forderung der Kirchenmitgliedschaft für eine bestimmte Position berufen kann, sondern geben Antwort darauf, ob die Kirche mit ihren Interessen gegenüber denen des Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung durchdringen kann. Sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union als auch das Bundesverfassungsgericht gehen davon aus, dass das Ethos der Religionsgemeinschaft die Grundlage der weiteren Prüfung bilden muss und es ihr mithin obliegt, anhand ihrer Glaubenssätze, Lehre und Tradition darzulegen, weshalb eine bestimmte Tätigkeit die Kirchenmitgliedschaft erfordert. Denn der Staat ist aufgrund seiner Verpflichtung zu religiös-weltanschaulicher Neutralität nicht dazu in der Lage, das Ethos der Religionsgemeinschaft zu untersuchen und hieraus Schlussfolgerungen - etwa hinsichtlich der Bedeutung einer Angelegenheit für die Verwirklichung dieses Ethos - zu ziehen. Das Vorbringen der Religionsgemeinschaft ist in einem ersten Schritt somit lediglich auf Plausibilität, das heißt auf Nachvollziehbarkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen. Dies steht in Einklang mit dem Unionsrecht.

217(2) Diese Plausibilitätskontrolle erfährt durch die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch insoweit eine Schärfung, als die Gerichte auf der Ebene der Schrankenziehung nicht mehr auf die Prüfung beschränkt sind, ob die berufliche Anforderung nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft plausibler Ausdruck eines Glaubenssatzes ist. Sie sind vielmehr verpflichtet festzustellen, ob sich aus der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung − hier der Kirchenmitgliedschaft − und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Erforderlich ist eine Einzelfallbetrachtung, die die jeweils betroffene Stelle in den Blick nimmt. Hierin liegt keine theologische Bewertung des von der Religionsgemeinschaft vorgetragenen Anliegens, die den staatlichen Gerichten verwehrt ist, sondern eine Anwendung der durch den Gesetzesvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV dem religiösen Selbstbestimmungsrecht gezogenen Schranken.

218(3) Damit die zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichteten Gerichte überprüfen können, ob ein solcher direkter Zusammenhang vorliegt, obliegt es wiederum der betroffenen Religionsgemeinschaft, anhand ihres Selbstverständnisses nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen, worin der Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der konkret betroffenen Tätigkeit besteht. Ausgangspunkt der Prüfung bildet auch insoweit das einer staatlichen Beurteilung entzogene Ethos der Religionsgemeinschaft. Inwieweit eine Tätigkeit der Mitwirkung an der Bestimmung und Verwirklichung des Ethos dient (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 63), kann ohne Kenntnis der von Seiten der Religionsgemeinschaft zu bestimmenden Glaubensinhalte und der hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen nicht beurteilt werden.

219Die Anforderungen an die Darlegung richten sich danach, wie offenkundig das Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft für die konkret zu besetzende Stelle ist. Es gilt der Grundsatz, dass die Anforderungen an die Darlegung steigen, je weiter sich die Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle von dem, was das religiöse Profil und die religiöse Identitätsbildung der betroffenen Religionsgemeinschaft nach innen und außen bestimmt, entfernen. Der pauschale Verweis darauf, dass die Figur der Dienstgemeinschaft für sämtliche Tätigkeiten innerhalb der Kirche und ihrer Einrichtungen die Kirchenmitgliedschaft verlange, wird danach den Darlegungsanforderungen regelmäßig nicht genügen.

220(4) Hat die Religionsgemeinschaft anhand ihrer Glaubensinhalte plausibel dargelegt, welche Bedeutung der beruflichen Anforderung zukommt und worin der direkte Zusammenhang zwischen der im konkreten Fall aufgestellten beruflichen Anforderung der Mitgliedschaft und der fraglichen Tätigkeit liegt, so muss dieses Selbstverständnis in der folgenden Abwägung mit den Interessen der Beschäftigten entsprechende Berücksichtigung finden.

221cc) (1) Auch auf der zweiten Prüfungsstufe sind die jeweiligen Anforderungen des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts grundsätzlich miteinander vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht geht ebenso wie der Gerichtshof der Europäischen Union von einer Gesamtabwägung aus, die einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die Rechte der Arbeitnehmer sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Recht der Religionsgemeinschaft auf Selbstbestimmung in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 137, 273 <317 Rn. 120>). Ein überprüfungsfreier Raum, der es den Religionsgemeinschaften erlauben würde, pauschal für jeden Arbeitsplatz die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zu fordern, besteht danach nicht (ähnlich Hammer/Oberlinger, ZTR 2019, S. 127 <128>). Vielmehr ist der kirchliche Belang von den staatlichen Gerichten zu gewichten, damit er zu der kollidierenden Rechtsposition, hier dem Diskriminierungsschutz, in ein Verhältnis gesetzt werden kann. Bei der Gewichtung dieses Belangs durch die Gerichte ist der Vortrag der betroffenen Religionsgemeinschaft maßgeblich zu berücksichtigen, ohne dass der Staat freilich verpflichtet wäre, die Einschätzung der Religionsgemeinschaft über seine Bedeutung ungeprüft zu übernehmen. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht setzt sich also nicht ohne Weiteres gegenüber den kollidierenden rechtlichen Belangen durch, sondern nur nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Betrachtung der jeweils betroffenen Position im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese ist in Auslegung und Anwendung der dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV unterfallenden einfachgesetzlichen Regelungen, hier des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG, durchzuführen.

222(2) Auch die Art und Weise der Abwägung erfährt durch die Kriterien des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Konkretisierung.

223(a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Ausgestaltung der Abwägung zwischen religiösem Selbstbestimmungsrecht und Arbeitnehmerrechten weitgehend offengelassen. Vorgegeben hat es lediglich, dass die Herstellung praktischer Konkordanz durch eine wechselwirkende Betrachtung der widerstreitenden Interessen erzielt werden soll.

224(b) Dieser abstrakte Prüfungsrahmen erfährt nunmehr eine stärkere Konturierung. Die durch den Gerichtshof der Europäischen Union definierten Merkmale "wesentlich", "rechtmäßig", "gerechtfertigt" und "verhältnismäßig" im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie sind allgemein gehalten und überschneiden sich inhaltlich mit den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach deutscher Grundrechtsdogmatik. Die in Rede stehende berufliche Anforderung muss danach im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet sein, darf also keine sachfremden Zwecke verfolgen. Sie muss erforderlich sein, was bedeutet, dass sie aufgrund der Bedeutung der beruflichen Tätigkeit für die Verkündigung oder die Wahrung der religiösen Selbstbestimmung notwendig erscheinen muss und nicht über das zur Erreichung dieses Ziels gebotene Maß hinausgehen darf. Schließlich muss die Anforderung auch angemessen im engeren Sinne sein, das heißt, das Gewicht der in ihr zum Ausdruck kommenden religiösen Belange muss die kollidierenden Verfassungsrechtsgüter - betroffen ist hier der Schutz vor Diskriminierung - in der Sache überwiegen.

225(c) Die Integration dieser unionsrechtlichen Anforderungen in die überkommene Zweistufenprüfung auf der Schrankenebene lässt es weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein besonderes Gewicht beizumessen. Dies steht in Einklang mit der Offenheit des Unionsrechts für die unterschiedlichen grundrechtlichen Wertungen der Mitgliedstaaten (vgl. Rn. 153) und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, welche das religiöse Ethos, dessen Legitimität nicht beurteilt werden darf, zum Ausgangspunkt der Prüfung macht und eine entsprechende Gewichtung im Rahmen der Abwägung der betroffenen Interessen nach Maßgabe der jeweils einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässt. Für die Sicht des Grundgesetzes ist insofern maßgeblich, dass, soweit sich der Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit in Art. 137 Abs. 3 WRV mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG deckt, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV zwar aufgrund der speziellen Schrankenbestimmung vorrangig Anwendung findet. Den schrankenlosen Gewährleistungen des Art. 4 GG wird gleichwohl dadurch in besonderer Weise Rechnung getragen, dass Ausgangspunkt der Abwägung der von der Kirche in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts vorgetragene Belang ist, dem in der Abwägung mit konkurrierenden Rechtsgütern ein besonderes Gewicht zukommen muss. Insofern gilt: Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen (etwa Nähe zum Verkündigungsauftrag, Vermittlung religiöser Inhalte, Seelsorge) und/oder außen (etwa Außendarstellung und glaubwürdige Repräsentation, Leitungsfunktion, Mission) ist, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und das daraus von der Kirche abgeleitete Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Geht es um die Besetzung derartiger, für die religiöse Identität bedeutsamer Positionen im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses, dürfte sich die Forderung der Kirche nach der Kirchenmitgliedschaft gegenüber gegenläufigen Belangen der betroffenen Arbeitnehmer (hier dem Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion) regelmäßig durchsetzen. Je weniger Relevanz die Stelle jedoch für die Wahrung beziehungsweise die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung muss in der Abwägung Rechnung getragen werden.

2265. Die im Vorstehenden entfaltete Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens für den mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum, wie sie sich aus der Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergeben, ist kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfällt nur in eng begrenzten Fallkonstellationen, in denen die hohen Voraussetzungen der verfassungsgerichtlichen Kontrollvorbehalte (a) erfüllt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall (b).

227a) aa) Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art. 31 GG für die deutsche Rechtsordnung vorsieht, kann der Vorrang des Unionsrechts nicht umfassend sein. Er reicht nur soweit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben beziehungsweise vorsehen (vgl. BVerfGE 73, 339 <375 f.>; 123, 267 <348 ff., 398>; 126, 286 <302>; 134, 366 <384 Rn. 26>). Dem entsprechen die Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union. Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft (Art. 2 Satz 1 EUV; vgl. EuGH, Les Verts/Parlament, C-294/83, , EU:C:1986:166, Rn. 23). Sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV; vgl. BVerfGE 142, 123 <199 Rn. 144> m.w.N.) und die europäischen Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten, auf denen sie beruht (Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV; vgl. BVerfGE 126, 286 <303>; 142, 123 <199 Rn. 144>). Das Unionsrecht bleibt von einer vertraglichen Ermächtigung abhängig. Für eine Erweiterung ihrer Befugnisse sind die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daher auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. insbesondere Art. 48 Abs. 4 UAbs. 2, Abs. 6 UAbs. 2 Satz 3, Abs. 7 UAbs. 3 EUV; vgl. BVerfGE 142, 123 <199 Rn. 144>). Eine wirksame Ermächtigung für die Ausübung öffentlicher Gewalt ist auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art. 2 EUV, Art. 20 Abs. 3 GG), sodass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die auf Kompetenzüberschreitungen beruhen, sich weder auf eine gültige Aufgabenzuweisung durch die Verträge in Verbindung mit dem jeweiligen Zustimmungsgesetz stützen können noch Eingriffe in die Rechtssphäre der Bürgerinnen und Bürger zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 164, 193 <283 Rn. 127> m.w.N. − ERatG - NGEU).

228bb) Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen erfolgen, und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>). Diese Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV), abzustimmen. Wenn jeder Mitgliedstaat ohne Weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Vorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet (vgl. BVerfGE 126, 286 <303>).

229Die Ultra-vires-Kontrolle setzt dementsprechend eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung voraus. Damit wird zugleich die Aufgabenzuweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV gewahrt (vgl. BVerfGE 154, 17 <92 Rn. 112> − PSPP-Programm der EZB; 164, 193 <283 f. Rn. 129> m.w.N.). Eine qualifizierte Kompetenzüberschreitung muss offensichtlich und für die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten von struktureller Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 154, 17 <90 Rn. 110>; 164, 193 <283 f. Rn. 129>).

230(1) Eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union liegt offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen (vgl. BVerfGE 126, 286 <304>; 134, 366 <392 Rn. 37>; 142, 123 <200 Rn. 148>; 151, 202 <300 f. Rn. 151> − Europäische Bankenunion; 154, 17 <90 Rn. 110>), wenn sich die Kompetenz bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 164, 193 <284 Rn. 130> m.w.N.). Die Annahme einer offensichtlichen Kompetenzüberschreitung setzt allerdings nicht voraus, dass zu einer Frage keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen vertreten werden. Offensichtlich kann die Annahme einer Kompetenzüberschreitung auch sein, wenn sie das Ergebnis einer sorgfältigen und detailliert begründeten Auslegung ist (vgl. BVerfGE 164, 193 <284 Rn. 131> m.w.N.).

231Die Auslegung des Unionsrechts einschließlich der Bestimmung der dabei anzuwendenden Methode ist in erster Linie Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV; vgl. BVerfGE 142, 123 <205 Rn. 158>). Die vom Gerichtshof entwickelten Methoden richterlicher Rechtskonkretisierung beruhen dabei auf den gemeinsamen (Verfassungs-)Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten, wie sie sich nicht zuletzt in der Rechtsprechung ihrer Verfassungs- und Höchstgerichte sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte niedergeschlagen haben. Insofern haben jedenfalls der Wortlaut einer Norm, die freilich in mehreren Sprachfassungen verbindlich ist, der von ihr verfolgte Regelungszweck (effet utile) und der systematische Kontext, in dem sie sich befindet, besonderes Gewicht. Die Eigentümlichkeiten des Unionsrechts bedingen allerdings nicht unbeträchtliche Abweichungen hinsichtlich der Bedeutung und Gewichtung der unterschiedlichen Interpretationsmittel. Eine offenkundige Außerachtlassung der im europäischen Rechtsraum überkommenen Auslegungsmethoden oder allgemeiner, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsätze ist vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV jedoch nicht umfasst (vgl. BVerfGE 142, 123 <206 f. Rn. 160>). Bei Auslegungsfragen im Unionsrecht, die auch bei methodengerechter Bewältigung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, setzt jedoch das Bundesverfassungsgericht nicht seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs (vgl. BVerfGE 126, 286 <307>). Vielmehr muss es eine richterliche Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof auch dann respektieren, wenn dieser zu einer Auffassung gelangt, der sich mit gewichtigen Argumenten entgegentreten ließe, solange sie sich auf anerkannte methodische Grundsätze zurückführen lässt und nicht objektiv willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 142, 123 <207 Rn. 161>).

232(2) Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen liegt vor, wenn die Kompetenzüberschreitung im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt. Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. BVerfGE 126, 286 <309>; 151, 202 <301 Rn. 153>; 154, 17 <90 Rn. 110>), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 164, 193 <284 f. Rn. 132> m.w.N.).

233cc) Der Vorrang des Unionsrechts gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zu den Grundrechten des Grundgesetzes. Er steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Unionsgrundrechte einen wirksamen Schutz gegenüber der Hoheitsgewalt der Union bieten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, insbesondere den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgen (Solange-Vorbehalt). Maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht des Grundgesetzes bezogene generelle Betrachtung (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 f.>; 125, 260 <306>; 152, 216 <236 Rn. 47>; 155, 119 <163 Rn. 84> − Bestandsdatenauskunft II). Nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 ff.>; 152, 216 <236 Rn. 48> m.w.N.).

234dd) Die durch das Bundesverfassungsgericht ausgeübten Reservevorbehalte sind zurückhaltend und europarechtsfreundlich anzuwenden. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Unionsrechtsordnung und um zu verhindern, dass sich deutsche Behörden und Gerichte ohne Weiteres über den Geltungsanspruch des Unionsrechts hinwegsetzen, verlangt die europarechtsfreundliche Anwendung der Kontrollvorbehalte bei Beachtung des in Art. 100 Abs. 1 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedankens, dass eine Durchbrechung des Vorrangs des Unionsrechts mit der Folge, dass Unionsrecht in der Bundesrepublik Deutschland im Einzelfall von Verfassungs wegen für unanwendbar erklärt werden muss, nur dem Bundesverfassungsgericht obliegt (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>; 140, 317 <337 Rn. 43>; 142, 123 <204 Rn. 155>). Eine europarechtsfreundliche Anwendung der Kontrollvorbehalte setzt ferner voraus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union, soweit erforderlich, im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV mit der Sache befasst wird und das Bundesverfassungsgericht seiner Prüfung die Maßnahme in der Auslegung zugrunde legt, die ihr in dem Vorabentscheidungsverfahren durch den Gerichtshof gegeben wird (vgl. BVerfGE 126, 286 <304>; 134, 366 <382 ff. Rn. 22 ff.>; 142, 123 <204 Rn. 156>; 152, 216 <243 f. Rn. 68, 70>; 164, 193 <287 f. Rn. 139>).

235b) Gemessen an diesen Maßstäben stellt das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom weder einen Ultra-vires-Akt dar (aa) noch führt es zu einer Rechtslage, die den vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzten Grundrechtsstandard im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterschreitet (bb).

236aa) Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom ist kein ausbrechender Rechtsakt. Ein offensichtlicher Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung liegt nicht vor. Der Gerichtshof verkennt weder in offensichtlich kompetenzwidriger Weise die Bedeutung von Art. 17 AEUV (1) noch die Reichweite der Antidiskriminierungskompetenz in Art. 19 Abs. 1 AEUV (2). Seine Auslegung des Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie ist vertretbar (3).

237(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht Art. 17 AEUV als Abwägungsgebot und nicht als Bereichsausnahme, welche das mitgliedstaatliche Recht zum Status der Religionsgemeinschaften vor jeglicher Beeinträchtigung durch das Recht und die Rechtsprechung der Europäischen Union schützen würde (so etwa Greiner, jM 2018, S. 233 <235>). Dieses Verständnis von Art. 17 AEUV und von dessen Bedeutung für die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ist im Ergebnis vertretbar.

238(a) Aufgrund des offenen Wortlauts und der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Traditionen im Bereich des Staatskirchenrechts ist die Auslegung von Art. 17 AEUV stark umstritten.

239Streitig ist zum einen der in Art. 17 AEUV verwendete Statusbegriff (zur Problematik der Definition des Begriffes vgl. Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <38>). Da das Achtungsgebot und das Beeinträchtigungsverbot an diesen anknüpfen, ist die Frage nach dem Anwendungsbereich von Art. 17 AEUV maßgeblich davon abhängig, wie weit beziehungsweise eng der Begriff verstanden wird. Die Befürworter eines tendenziell weiten Verständnisses verweisen darauf, dass die Norm dem Zweck diene, die in den Mitgliedstaaten der Union teilweise erheblich divergierenden staatskirchenrechtlichen Modelle unbeeinträchtigt zu lassen (vgl. Greiner, jM 2018, S. 233 <235>). Demgegenüber argumentieren die Vertreter eines engeren Verständnisses unter anderem damit, dass der Wortlaut "Status" nur die Verfassung und Organisationsstruktur einer Kirche oder anderen religiösen Gemeinschaft und deren Beziehung zum Staat erfasse (vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 28 f. <Okt. 2019>).

240Ferner ist umstritten, ob das Beeinträchtigungsverbot in Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme oder als Abwägungsgebot zu verstehen ist. Von Teilen der Literatur wird Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme (vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 3 <Okt. 2019>; Greiner, jM 2018, S. 233 <235>) beziehungsweise negative Kompetenznorm (vgl. Schmidt, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 17 Rn. 20; Fremuth, EuZW 2018, S. 723 <729>; Kahl, ZevKR 65 <2020>, S. 107 <122>) verstanden. Dafür spreche die ausdrückliche Normierung eines Beeinträchtigungsverbots. Indem die Union garantiere, den Status der Kirchen und religiösen Vereinigungen nicht zu beeinträchtigen, sichere sie den Mitgliedstaaten einen abwägungsresistenten Kernbestand an Kompetenzen zu (vgl. Classen, EuR 2018, S. 752 <761>; Greiner, jM 2018, S. 233 <235>; Kahl, ZevKR 65 <2020>, S. 107 <123>).

241Im Gegensatz dazu sieht der überwiegende Teil der Literatur in Art. 17 AEUV ein Abwägungsgebot (vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2018, § 18 Rn. 599; Streinz, Europarecht, 12. Aufl. 2023, S. 468; Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht, 2. Aufl. 2018, S. 300; Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435>; Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <36>). Art. 17 AEUV sei nicht wie eine Bereichsausnahme ausgestaltet (vgl. Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 17 AEUV Rn. 3). Wenn die Union bestimmte Bereiche vom Geltungsbereich des Unionsrechts ausnehmen wolle, regele sie dies explizit. In allen anderen Fällen sei nach der Gesetzessystematik des europäischen Rechts bei Kollisionen verschiedener Rechtspositionen vom Erfordernis einer Abwägung auszugehen (Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435>). Dies entspreche der Vorstellung, dass alle primärrechtlichen Ziele gleichwertig und im Konfliktfall bestmöglich in Ausgleich zu bringen seien (vgl. Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <36>).

242(b) Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht Art. 17 AEUV nicht als Bereichsausnahme, sondern als Abwägungsgebot, ohne dies allerdings ausdrücklich auszusprechen und vertieft zu begründen (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50 ff.). Dieses Normverständnis liegt unter Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden im Rahmen der im Schrifttum vertretenen Auffassungen.

243Die Auslegung des Gerichtshofs überschreitet die Grenzen des Wortlauts des Art. 17 AEUV nicht. Die kurzgefasste Norm enthält unbestimmte Rechtsbegriffe, die nicht weiter erläutert werden, und einen Verweis auf nationale Rechtsvorschriften, der ebenfalls nicht näher beschrieben wird. Die Norm lässt folglich verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu; die Annahme einer Bereichsausnahme aufgrund des Wortlauts in Art. 17 Abs. 1 AEUV ("beeinträchtigt ihn nicht") ist nicht zwingend geboten. Bereichsausnahmen sind als Abweichungen von der Regel in ihrem Wortlaut als solche deutlich erkennbar (vgl. etwa Art. 106 Abs. 2 AEUV). Eine solch klare Formulierung enthält Art. 17 AEUV gerade nicht.

244Die historische Auslegung lässt ebenfalls verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Art. 17 AEUV ist, wie Generalanwalt Tanchev in seinen Schlussanträgen darlegt (vgl. Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom , Egenberger, C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 97), ein Kompromiss zwischen denjenigen Staaten, die im Vertrag von Amsterdam die Erwähnung des christlichen Erbes Europas wünschten, und denjenigen, die auf einer klaren Trennung von Kirche und Staat beharrten (vgl. auch Junker, NJW 2018, S. 1850 <1852>). Der Generalanwalt zieht hieraus die nachvollziehbare Schlussfolgerung, dass die Mitgliedstaaten mit der Wahl des Begriffes "Status" die Auswahl ihres staatskirchenrechtlichen Modells sichern und die Union diesbezüglich zu Neutralität verpflichten wollten. Es fänden sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Mitgliedstaaten den nationalen Besonderheiten prinzipiellen Vorrang vor den Grundrechten und Grundsätzen der Union einräumen wollten (vgl. Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom , Egenberger, C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 98 f.; vgl. auch Junker, NJW 2018, S. 1850 <1852>).

245Auch systematisch-teleologische Erwägungen stützen die Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Es entspricht der Gesetzessystematik des Unionsrechts, bei Kollisionen primärrechtlicher Rechtspositionen eine Abwägung vorzunehmen (vgl. Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435>). Nur so wird garantiert, dass die primärrechtlichen Ziele, die in keinem Rangverhältnis zueinanderstehen, im Konfliktfall bestmöglich in Ausgleich gebracht werden (vgl. Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <36>). Verstünde man Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme, bestünde für Mitgliedstaaten überdies die Möglichkeit, unter Berufung auf ihre nationalen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen unionsrechtliche Regelungen wie etwa zum Diskriminierungsschutz auszuhebeln und den Vorrang des Unionsrechts zu umgehen.

246(c) Ein offensichtlicher Kompetenzverstoß folgt auch nicht aus dem Abwägungsergebnis, zu dem der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung gelangt. Zwar ist zuzugeben, dass das Abwägungsergebnis den Diskriminierungsschutz stärker in den Fokus rückt als das Recht der Kirchen auf Autonomie. Der Rückschluss, der Gerichtshof habe Art. 17 AEUV in der Abwägung unberücksichtigt gelassen, ist jedoch angesichts der Urteilsgründe fernliegend.

247Der Gerichtshof betont ausdrücklich die Bedeutung der Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Arbeitnehmerrechten und dem Recht auf Autonomie der Kirchen (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50 ff.). Er verweist auf die in Art. 17 AEUV verankerte Pflicht der Union zu Neutralität (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 58) und stellt klar, dass es den staatlichen Institutionen verwehrt sei, die Legitimität des kirchlichen Ethos zu beurteilen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61). Die Definitionen der Tatbestandsmerkmale "wesentlich", "rechtmäßig", "gerechtfertigt" und "verhältnismäßig", die als Kriterien für die Abwägung zwischen Arbeitnehmer- und kirchlichen Arbeitgeberinteressen dienen, sind abstrakt formuliert und lassen Raum für nationale Gepflogenheiten.

248(2) Es ist im Weiteren nicht erkennbar, dass der Gerichtshof die Kompetenznorm des Art. 19 Abs. 1 AEUV, wonach die Europäische Union im Rahmen der ihr durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten geeignete Vorkehrungen gegen Diskriminierungen aus Gründen unter anderem der Religion oder der Weltanschauung treffen kann, offensichtlich willkürlich ausgelegt hat. Das Ergebnis seiner Auslegung lässt sich auf die im Unionsrecht anerkannten Methoden der historischen, grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung stützen.

249Im Amsterdamer Vertrag wurde die Union durch die Einführung des Art. 13 EGV (jetzt Art. 19 AEUV) ausdrücklich ermächtigt, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Die ihr in Art. 19 AEUV übertragene Kompetenz hat die Union unter anderem durch Erlass der Gleichbehandlungsrichtlinie wahrgenommen. Zweck der Richtlinie ist gemäß Art. 1 unter anderem "die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung (…) in Beschäftigung und Beruf". Die Anwendung von Gleichbehandlungsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine hiervon erfasste Materie für sich genommen nicht in die Regelungskompetenz der Union fällt (so auch das von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten vom unter Verweis auf EuGH, Sirdar, , C-273/97, EU:C:1999:523, Rn. 11-20). Denn das Unionsrecht zum Schutz vor Diskriminierungen, das seit jeher als Querschnittsmaterie verstanden wurde, kann in Bereichen Wirkungen entfalten, für die die Union keine originäre Kompetenz besitzt, ohne dass dies die Integrität der mitgliedstaatlichen Kompetenzen berühren würde. Das Gleichbehandlungsrecht hat das Potential, in verschiedenste Rechtsbereiche - wie hier in das kirchliche Arbeitsrecht - auszustrahlen (so auch das von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten vom und die Stellungnahme der Klägerin des Ausgangsverfahrens vom , jeweils unter Verweis auf EuGH, Tanja Kreil, , C-285/98, EU:C:2000:2).

250Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Anwendungsbereich des Art. 19 AEUV und der auf diesen zurückgehenden sekundärrechtlichen Regelungen im Sinne des effet-utile-Grundsatzes (Art. 4 Abs. 3 EUV) weit auslegt. Art. 19 AEUV ist Ausdruck und Teil eines umfassenden Diskriminierungsschutzes der Europäischen Union, der in vielen weiteren Vorschriften primärrechtlich verankert ist (vgl. nur Art. 18, 45, 49, 157 AEUV und Art. 21 GRCh). Die hohe Bedeutung, die dem Schutz vor Diskriminierung in der Europäischen Union zukommt, liegt in der Annahme begründet, dass sämtliche europäische Gesellschaften von der Gleichwertigkeit der Menschen und deren Recht auf faire Zugangsmöglichkeiten zu den Chancen im Leben ausgehen (vgl. Khan/Schäffer, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl. 2023, Art. 19 AEUV Rn. 1).

251(3) Die Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie beziehungsweise der dort enthaltenen Ausnahmeklausel in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 durch den Gerichtshof der Europäischen Union unterliegt ebenfalls keinen durchgreifenden methodischen Bedenken.

252Der Wortlaut der Vorschrift ist im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen "wesentlich", "rechtmäßig", "gerechtfertigt" auslegungsbedürftig und unterscheidet sich in den unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie zum Teil erheblich (vgl. Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom , Egenberger, C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 113 ff.). Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union bei der Auslegung des Tatbestands von der Systematik, dem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte der Norm hat leiten lassen (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 44). Das Ergebnis seiner Auslegung stützt er auf den Gedanken, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie als Ausfluss eines Ausgleichs zwischen dem Recht der betroffenen Arbeitnehmer, nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, und dem Recht der Religionsgemeinschaften auf Autonomie verstanden werden muss. Die in der genannten Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen stellen insoweit die maßgeblichen Kriterien dar, um den gebotenen Ausgleich im Einzelfall herzustellen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50 ff.). Diesen Ansatz begründet der Gerichtshof zum einen nachvollziehbar damit, dass die Gleichbehandlungsrichtlinie gemäß Art. 1 den Zweck hat, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen und insoweit Ausdruck des in Art. 21 GRCh niedergelegten allgemeinen Diskriminierungsverbots ist (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 47, 75). Zum anderen wird auf den primärrechtlich gebotenen Schutz der betroffenen Interessen der religiösen Arbeitgeber aus Art. 17 AEUV und Art. 10 GRCh abgestellt (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50). Danach beinhaltet Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie eine Ausnahme von dem allgemeinen Diskriminierungsverbot, welchem im Unionsrecht ein hoher Stellenwert zukommt. Sie wird gerechtfertigt durch spezifische Bedürfnisse der Religionsgemeinschaften, die sich im Hinblick auf die jeweils in Rede stehende Tätigkeit in Anstellungsverhältnissen mit Arbeitgebern ergeben, die von einer Religionsgemeinschaft getragen werden.

253Auch soweit der Gerichtshof der Europäischen Union eine wirksame gerichtliche Kontrolle der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie genannten Kriterien verlangt, entspricht seine Argumentation, indem sie sich an den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und an der Systematik der Richtlinie orientiert, rechtsmethodischen Standards. Zum Ausgangspunkt seiner Begründung für das Erfordernis einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle macht der Gerichtshof die Verbindlichkeit der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich geregelten Vorgaben. Daraus zieht er die nachvollziehbare, auf den effet-utile-Grundsatz zurückgehende Schlussfolgerung, dass die Kriterien, die von den Mitgliedstaaten im Wortlaut der Richtlinie festgelegt worden seien, leerliefen, wenn sie in Zweifelsfällen keiner Kontrolle durch eine unabhängige Stelle unterlägen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 46). Das entscheidende Argument für die Notwendigkeit einer effektiven gerichtlichen Kontrolle sind daher ersichtlich die Existenz der Vorschrift selbst und ihre Rechtssatzqualität; der gerichtliche Rechtsschutz ist aus Sicht des Gerichtshofs das verfahrensrechtliche und rechtsstaatliche Korrelat der materiell-rechtlichen Bestimmungen. Zur Bestätigung dieses Ergebnisses verweist er auf die hohe Bedeutung des Diskriminierungsschutzes im Rechtssystem der Europäischen Union (vgl. Art. 21 GRCh), auf die Systematik der Richtlinie, die in Art. 9 die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, und auf die primärrechtlich in Art. 47 GRCh gewährleistete Garantie eines wirksamen gerichtlichen Schutzes der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 47 ff.).

254bb) Bereits nach den vorstehenden Ausführungen erscheint es fernliegend, dass die unionsrechtlichen Vorgaben der Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in dessen Urteil vom zu einer Rechtslage führen, wonach im Bereich des Grundrechtsschutzes jene Mindeststandards nicht mehr gewahrt sind, die Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG für das religiöse Selbstbestimmungsrecht als unabdingbar voraussetzt. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht wird von der Unionsrechtsordnung in seinem grundlegenden Bestand auch im Bereich des Individualarbeitsrechts anerkannt (1). Die einschlägigen Maßstäbe der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind und auch vom Gerichtshof der Europäischen Union für die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Gewährleistungen der Charta herangezogen werden, bestätigen diesen Befund (2). Eine Unterschreitung des vom Grundgesetz als unabdingbar gewährleisteten Grundrechtsstandards im Bereich der religiösen Selbstbestimmung scheidet nach alledem aus (3).

255(1) Das religiöse Selbstbestimmungsrecht als solches gehört zu dem vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzten Grundrechtsstandard, der auch im Zuge des europäischen Integrationsprozesses Bestand haben muss. Das Unionsrecht gewährleistet mit der Verbürgung der Religionsfreiheit in Art. 10 GRCh, auf die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Religionsgemeinschaften berufen können und welche unter anderem die autonome Bestimmung der "eigenen Angelegenheiten" umfasst (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50 f., 61), auf Ebene des Primärrechts einen strukturellen und gehaltvollen Schutz des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Im normativen Ausgangspunkt besteht damit kein Konflikt mit den Wertungen des Grundgesetzes.

256Der primärrechtlich verankerte Schutz der religiösen Selbstbestimmung kommt auch auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts zum Tragen, hier namentlich in der Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie. Die Regelung ermöglicht es Religionsgemeinschaften, dass diese - unter näher genannten Voraussetzungen - Bewerber und Arbeitnehmer aufgrund religionsbezogener Merkmale unterschiedlich behandeln dürfen.

257Die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie niedergelegten Kriterien für die gebotene Abwägung der religiösen Belange mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer führt nicht zu einer - aus Sicht des Grundgesetzes unzulässigen - staatlichen Beurteilung des Ethos der Religionsgemeinschaft. Im Gegenteil ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Bewertung der Legitimität des Ethos der Religionsgemeinschaften als solche grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61). Der Umstand, dass die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften von staatlichen Gerichten in einer Abwägung gewichtet werden muss, ändert hieran nichts. Den Religionsgemeinschaften verbleibt nämlich weiterhin die freie Bestimmung darüber, wie die jeweilige Glaubenslehre zu interpretieren ist, welcher Angebote und Dienste es zur Verwirklichung dieser Glaubenslehre bedarf sowie in welcher Organisationsform die konkrete Umsetzung erfolgt (vgl. -, juris, Rn. 76; Giehl, Die Europäisierung des kirchlichen Individualarbeitsrechts, 2022, S. 138 f.; Schneedorf, NJW 2019, S. 177 <179>; Schubert, EuZA 2020, S. 320 <352>). Wenn die staatlichen Gerichte bei der nach Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie erforderlichen Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer das Maß der jeweiligen Beeinträchtigung beurteilen, stellt das für sich genommen keine Bewertung des Ethos der Religionsgemeinschaft dar.

258(2) Dafür, dass der in der Unionsrechtsordnung vorgesehene Grundrechtsschutz in Bezug auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht nicht unter das vom Grundgesetz als unabdingbar zu fordernde Niveau abgesunken ist, spricht auch, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die einschlägigen Maßstäbe der Europäischen Menschenrechtskonvention (a) bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Gewährleistungen der Charta herangezogen hat (b).

259(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasst Art. 9 EMRK neben dem Schutz der individuellen Religionsfreiheit auch die Gewährleistung der korporativen Religionsfreiheit. Wo die Organisation der Religionsgemeinschaft eine Rolle spielt, muss Art. 9 Abs. 1 EMRK im Lichte des Art. 11 Abs. 1 EMRK ausgelegt werden, welcher die Tätigkeit der Gemeinschaft vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates schützt. Ohne diesen Schutz der Organisation durch die Konvention würden auch alle anderen Aspekte der individuellen Religionsfreiheit beeinträchtigt (vgl. EGMR <GK>, Hasan and Chaush v. Bulgaria, , 30985/96, § 62; EGMR, Metropolitan Church of Bessarabia et al. v. Moldova, , 45701/99, § 118; Holy Synod of the Bulgarian Orthodox Church <Metropolitan Inokentiy> et al. v. Bulgaria, , 412/03 u.a., § 103; Obst c. Allemagne, , 425/03, § 44; Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02, § 41; EGMR <GK>, Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Romania, , 2330/09, § 136; Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, § 127).

260Wenn es - wie typischerweise bei Kündigungen - zu Konflikten zwischen zwei konventionsrechtlich geschützten Rechtspositionen der jeweiligen Grundrechtsträger kommt, sind die betroffenen Rechte miteinander abzuwägen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte räumt den Mitgliedstaaten an dieser Stelle einen weiten Einschätzungsspielraum ein, insbesondere dann, wenn es unter den Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention keinen Konsens über die Bedeutung des in Rede stehenden Rechts oder die Mittel zu dessen Schutz gibt. Dies ist im Bereich des Religionsrechts der Fall.

261Religionsgemeinschaften steht das Recht zu, nach ihrer eigenen Einschätzung auf Gefahren für die religiöse Selbstbestimmung zu reagieren, wobei die staatlichen Behörden diese Einschätzung grundsätzlich hinzunehmen haben. Die bloße Behauptung einer Religionsgemeinschaft, dass ihre Selbstbestimmung tatsächlich oder möglicherweise bedroht ist, reicht jedoch nicht aus, um einen Eingriff in Rechtspositionen Dritter zu rechtfertigen. Vielmehr muss die Religionsgemeinschaft anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls darlegen, dass die behauptete Gefahr wahrscheinlich und erheblich ist, dass der Eingriff in die Rechtsposition nicht über das zur Beseitigung der Gefahr erforderliche Maß hinausreicht, willkürfrei ist und keine Zwecke verfolgt, die nicht in der religiösen Selbstbestimmung begründet liegen. Die Gerichte der Vertragsstaaten müssen durch eine eingehende und alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen sicherstellen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. EGMR <GK>, Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Romania, , 2330/09, § 159; Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, § 132; ähnlich EGMR, Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02, § 45).

262Hierbei gibt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestimmte Faktoren und Kriterien für die Abwägung vor. Die Zulässigkeit erhöhter Loyalitätsverpflichtungen setzt unter anderem voraus, dass diese im Hinblick auf die Wahrung der Glaubwürdigkeit der Religionsgemeinschaft "vernünftig" beziehungsweise "annehmbar" erscheinen (vgl. EGMR, Obst c. Allemagne, , 425/03, § 50; Schüth v. Germany, , 1620/03, §§ 69, 71; Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02, § 46; EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, §§ 134 f., 138; EGMR, Travaš v. Croatia, , 75581/13, §§ 89 ff.). Weiter wird berücksichtigt, ob und inwieweit das dem Betroffenen zurechenbare Verhalten in den Augen der Religionsgemeinschaft für unvereinbar mit ihren Glaubensüberzeugungen anzusehen ist und daher einen Verstoß gegen Loyalitätsverpflichtungen begründet. Hierbei wird auch eingestellt, wie nah sich die konkrete Tätigkeit des Betroffenen zum Verkündigungsauftrag der Religionsgemeinschaft befindet (vgl. EGMR, Obst c. Allemagne, , 425/03, § 51; Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02, § 46; EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, §§ 136 ff.; EGMR, Travaš v. Croatia, , 75581/13, §§ 97 ff.; ähnlich auch EGMR, Schüth v. Germany, , 1620/03, §§ 69, 72). Zudem prüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ob Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz bestand und ob die nationalen Gerichte die wesentlichen Umstände des Einzelfalls in die gebotene Interessenabwägung eingestellt haben (vgl. EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, §§ 147 ff.; EGMR, Travaš v. Croatia, , 75581/13, §§ 108 ff.; in diese Richtung auch EGMR, Obst c. Allemagne, , 425/03, §§ 45 ff.; Schüth v. Germany, , 1620/03, § 59; Siebenhaar c. Allemagne, , 18136/02, §§ 42 ff.).

263(b) Zwischen dem Schutzstandard der Europäischen Menschenrechtskonvention und demjenigen des Unionsrechts in Bezug auf das kirchliche Arbeitsrecht zeigen sich mithin keine maßgeblichen Unterschiede. Beide Rechtsregime definieren den Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit nahezu deckungsgleich und streben für den Fall einer Kollision mit anderen Grundrechtspositionen in vergleichbarer Weise und nach ähnlichen Kriterien einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen an (vgl. Giehl, Die Europäisierung des kirchlichen Individualarbeitsrechts, 2022, S. 172 ff., 216; Temming, in: Staudinger, BGB, § 626 Rn. 199 <2025>).

264Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich zur Bestimmung der Bedeutung und Tragweite der Garantien in Art. 10 GRCh an den korrespondierenden konventionsrechtlichen Gewährleistungen - hier Art. 9 in Verbindung mit Art. 11 EMRK - sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh). Das zeigt sich darin, dass der Gerichtshof der Europäischen Union das religiöse Selbstbestimmungsrecht grundsätzlich als von Art. 10 Abs. 1 GRCh erfasstes Schutzgut ansieht, wofür er auf die korrespondierende Gewährleistung in Art. 9 EMRK verweist (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50; Centraal Israëlitisch Consistorie van België u.a., , C-336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 56 f.). Er bestätigt im Urteil vom , dass ein Kernbestandteil des religiösen Selbstbestimmungsrechts, nämlich die Freiheit, das kirchliche Ethos frei von staatlicher Beurteilung zu bestimmen und den eigenen Handlungen zugrunde zu legen, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zu beachten ist, und verweist hierzu auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61). Die vom Gerichtshof der Europäischen Union gewählte Formulierung entspricht nahezu wortgleich derjenigen des in Bezug genommenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, § 129) und ist lediglich an die Terminologie der maßgeblichen Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie angepasst (vgl. Fornasier, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2024, § 4 Rn. 80).

265Auch im Rahmen der Auslegung des einschlägigen Sekundärrechts (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 65 ff.) orientiert sich der Gerichtshof der Europäischen Union zumindest implizit an den einschlägigen Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vergleicht man die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Reichweite und Grenzen des religiösen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 9 in Verbindung mit Art. 11 EMRK (vgl. EGMR <GK>, Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Romania, , 2330/09, § 159; Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, §§ 127 ff.) mit der Wortwahl des Gerichtshofs im Urteil vom , so sticht die Ähnlichkeit der jeweiligen Formulierungen ins Auge. So entspricht etwa die Auslegung des Begriffs "rechtmäßig" im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, wonach die in Streit stehende berufliche Anforderung "nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu dem religiösen oder weltanschaulichen Ethos oder zur Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie" dienen darf (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 66), nahezu wortgleich der Formulierung der aus dem Konventionsrecht folgenden Anforderung, dass ein durch die Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts bedingter Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen keinen Zweck verfolgen darf, der mit der Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts in keinem Zusammenhang steht (vgl. EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, § 132). Weitere Ähnlichkeiten zeigen sich in der Auslegung des Begriffs "gerechtfertigt" in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie durch den Gerichtshof (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 67) und den im Konventionsrecht verankerten Anforderungen an die grundsätzliche Eröffnung einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit und der Obliegenheit der Religionsgemeinschaft, anhand der Umstände des Einzelfalls darzulegen, dass die behauptete Gefahr für die religiöse Selbstbestimmung wahrscheinlich und hinreichend gewichtig ist (vgl. EGMR <GK>, Fernández Martínez v. Spain, , 56030/07, § 132).

266(3) Eine Unterschreitung des vom Grundgesetz als unabdingbar gewährleisteten Grundrechtsstandards durch das Unionsrecht in Bezug auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht im Bereich des Individualarbeitsrechts scheidet nach alledem aus. Auch der vom Beschwerdeführer angeführte Umstand, dass die Gewichtung der kirchlichen Belange nicht nur vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften abhängt, sondern einer Beurteilung durch die staatlichen Gerichte unterliege, unterschreitet das unabdingbare Maß des Grundrechtsschutzes nicht. Insoweit trifft es zwar zu, dass durch die in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie vorgegebenen Kriterien in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Freiraum der Religionsgemeinschaften zur Bestimmung der beruflichen Anforderungen eingeschränkt und dadurch zugleich der Schutz der Arbeitnehmer vor Diskriminierung tendenziell gestärkt wird. Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, dass die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften in der Abwägung übergangen würde - sie setzt sich nur nicht ohne Weiteres gegenüber der anderen Rechtsposition durch (vgl. -, juris, Rn. 75; Fremuth, EuZW 2018, S. 723 <730>). Wenn sich die Religionsgemeinschaften im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts der Mittel des staatlichen Rechts bedienen, bewegen sie sich nicht in einem rechtsfreien Raum. Etwaige Beschränkungen von Rechtspositionen Dritter müssen aus Gründen des Grundrechtsschutzes kontrollier- und gewichtbar sein; für eine "prinzipielle Privilegierung" der Interessen der Religionsgemeinschaften ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Raum (vgl. Joussen, EuZA 2018, S. 421 <430>). Insgesamt schützt das Unionsrecht die religiöse Selbstbestimmung zwar mit anderer Akzentuierung im Sinne einer gehaltvolleren Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechtspositionen als die bisherige deutsche Rechtsprechung; im Ergebnis ergibt sich aber ein in der Sache strukturell vergleichbarer Schutz.

III.

267Das verletzt den Beschwerdeführer in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Nach den durch das Unionsrecht konkretisierten verfassungsrechtlichen Maßstäben unterliegt das zwar insoweit keinen Bedenken, als es von der Unanwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ausgeht (1.). Es verstößt jedoch gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, weil die bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Beschwerdeführers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt (2.).

2681. Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts verstößt insoweit nicht gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, als es den zugunsten kirchlicher Arbeitgeber geschaffenen Rechtfertigungsgrund des § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG wegen dessen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht nicht zur Anwendung gebracht hat.

269Das Bundesarbeitsgericht geht in der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass § 9 Abs. 1 AGG nicht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgelegt werden könne (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 71). Nach seinem Verständnis (vgl. -, juris, Rn. 25-43) kommt es für die Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen der Religion gemäß § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG maßgeblich auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft und gerade nicht auf die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung an. Legt man diese Auslegung zugrunde, ist § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG mit den Vorgaben aus Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nicht vereinbar und daher auch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten außer Anwendung zu lassen (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 79, 82 unter Rückgriff auf Art. 21 und 47 GRCh). Dieses Vorgehen des Bundesarbeitsgerichts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 126, 286 <311> zur "negativen" Wirkung von Richtlinien im Hinblick auf eine richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Norm).

2702. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletzt mit der gegebenen Begründung jedoch Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, weil es die Tragweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts bei der im Rahmen des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorzunehmenden Güterabwägung nicht hinreichend beachtet. Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG, die der Abwägung der Interessen des Beschäftigten mit denen des kirchlichen Arbeitgebers dienen, orientiert sich das Bundesarbeitsgericht zwar zu Recht an Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Konkretisierung dieser Bestimmung im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (a). Es berücksichtigt jedoch nicht hinreichend die grundrechtlichen Gestaltungsspielräume, die den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof belassen werden, und die weiterhin geltenden - in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben modifizierten - Grundsätze der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Zweistufenprüfung mit der Folge, dass es sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos an die Stelle des Verständnisses des Beschwerdeführers setzt (b). Dadurch überspannt das Bundesarbeitsgericht die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts des Beschwerdeführers (c).

271a) Das Bundesarbeitsgericht legt § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahingehend aus, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung dann zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

272b) Es verkennt indes, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom dem nationalen Recht Spielräume belässt, innerhalb derer die grundrechtlichen Vorgaben der Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gelten. Die fehlende Berücksichtigung dieser Spielräume bildet den Ausgangspunkt dafür, dass das Bundesarbeitsgericht dem religiösen Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Abwägung mit dem Recht der Klägerin, nicht wegen ihrer Religion diskriminiert zu werden, nicht das Gewicht beimisst, welches ihm nach der Verfassung zukommt.

273aa) Gegenstand der auf der ersten Stufe durchzuführenden Schrankenprüfung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist nach der Konkretisierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union das objektiv überprüfbare Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung, hier der Kirchenmitgliedschaft, und der fraglichen Tätigkeit. Dafür bedarf es einer entsprechenden Feststellung im Hinblick auf die sich aus dem Ethos der Religionsgemeinschaft ergebende Anforderung anhand von deren Darlegungen, die auf Plausibilität zu prüfen sind.

274bb) In Umsetzung dieser Vorgaben stellt das Bundesarbeitsgericht zwar den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche mit den Umständen der Ausübung der vorliegend in Rede stehenden Tätigkeit fest (vgl. -, juris, Rn. 72). Es stellt dabei unter Berücksichtigung des Vortrags des Beschwerdeführers (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 17, 78) und der Stellenausschreibung darauf ab, dass der Stelleninhaber den Beschwerdeführer nach außen glaubwürdig gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen zu vertreten und dafür zu sorgen hatte, dass − aus spezifisch christlicher Sicht und dem darauf beruhenden Menschenbild − bestehende Defizite bei der Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention in Deutschland und gebotene Handlungsoptionen aufgezeigt und kommuniziert werden sowie in den Parallelbericht einfließen (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 73 ff. und 77 ff., insb. Rn. 79). Insoweit wirke sich auch aus − so das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich −, dass sich das christliche Verständnis der Menschenrechte in vielerlei Hinsicht von entsprechenden säkularen Ansätzen, die von vielen anderen an der Berichterstattung beteiligten Organisationen vertreten würden, unterscheide. So sei für das Christentum Antirassismus bereits aufgrund der Überzeugung von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen konstitutiv (BAG, a.a.O., Rn. 78).

275Die sich hieran anschließende Subsumtion des Bundesarbeitsgerichts unter die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG nimmt dieses Selbstverständnis der Kirche im Hinblick auf den objektiven Zusammenhang zwischen der ausgeschriebenen Position und dem Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft indes nicht zum Ausgangspunkt der nachfolgenden Abwägung. Bei der Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG misst das Gericht damit dem Selbstbestimmungsrecht nicht jene besondere Bedeutung bei, die ihm das Verfassungsrecht innerhalb des durch das Unionsrecht gesetzten Rahmens einräumt.

276Vielmehr setzt es sich über den von ihm selbst eingeräumten Umstand hinweg, dass der Stelleninhaber unter anderem die spezifisch christliche Sicht des Beschwerdeführers auf die Vorgaben der UN-Antirassismuskonvention, gegebenenfalls auch in Auseinandersetzung mit gegenläufigen Positionen anderer an der Erstellung des Berichts beteiligter Organisationen, zu vertreten hatte. Dass der Beschwerdeführer mit dieser Aufgabe, das heißt der glaubwürdigen und authentischen Vertretung des Ethos des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstellung des Parallelberichts, nach der Stellenausschreibung nur eine Person betrauen wollte, die die damit verbundenen, aus christlicher Perspektive für die religiöse Identität konstitutiven Überzeugungen auch persönlich als Kirchenmitglied verkörpert, wird vom Bundesarbeitsgericht mit dem Argument beiseitegeschoben, dass es auf die Bekundung des christlichen Selbstverständnisses nur insoweit ankomme, als mit Auffassungsunterschieden im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zu rechnen gewesen sei. Insoweit sei es allerdings ausreichend, dass der Stelleninhaber über die maßgeblichen Fakten sowie verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und unionsrechtliche Grundlagen kirchlicher Einstellungspraxis unterrichtet sei und über fundierte Kenntnisse des kirchlichen Arbeitsrechts verfüge (BAG, a.a.O., Rn. 89, 93). Entscheidend wirke sich hier auch aus, dass er fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess bei dem Beschwerdeführer eingebunden gewesen sei und insofern nicht unabhängig habe handeln können (BAG, a.a.O., Rn. 101 f.).

277Mit dieser Argumentation stellt das Bundesarbeitsgericht sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen im vorliegenden Zusammenhang an die Stelle des Verständnisses des Beschwerdeführers. Damit, dass dessen Verständnis von vornherein nicht plausibel dargelegt sei, setzt sich das Gericht nicht auseinander. Davon geht es ersichtlich auch nicht aus (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 79).

278c) Mangels Berücksichtigung des plausibel - und damit ausreichend - dargelegten christlichen Profils der verfahrensgegenständlichen Stelle überspannt das Bundesarbeitsgericht in der Folge bei der Anwendung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Indem das Gericht seine Sicht auf die ausgeschriebene Tätigkeit und deren Zusammenhang mit der Kirchenmitgliedschaft an die Stelle der Sicht des Beschwerdeführers setzt, wird das Interesse des Beschwerdeführers, eine christliche Sicht auf mögliche Menschenrechtsverletzungen in den Parallelbericht zur UN-Antirassismuskonvention einfließen zu lassen, nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gewichtet.

279aa) Die vom Bundesarbeitsgericht geäußerten erheblichen Zweifel daran, dass die vom Beschwerdeführer geforderte berufliche Anforderung der Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche "wesentlich" im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist, lassen die gebotene Einbeziehung des religiösen Selbstbestimmungsrechts des Beschwerdeführers nicht erkennen. Zwar gesteht das Bundesarbeitsgericht zu, dass der Beschwerdeführer "grundsätzlich" ein Interesse gehabt habe, seine vom christlichen Selbstverständnis getragene, spezifische Position zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zur Geltung zu bringen (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85). Bei der Abwägung wird dieses Interesse an einer glaubwürdigen Vertretung seines Ethos durch einen Stelleninhaber, der selbst Kirchenmitglied ist, aber ohne hinreichende Gründe relativiert.

280(1) Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Stelleninhaber nicht durch Bekundung des christlichen Selbstverständnisses auf die beteiligten Organisationen einzuwirken habe. Vielmehr habe er "nur" abweichende Positionen in den zu erstellenden Bericht einbringen müssen und dies auch "nur" dort, wo sich Unterschiede zu den beteiligten Organisationen ergäben (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85, 87). Im Ergebnis stützt das Bundesarbeitsgericht seine Zweifel an der Notwendigkeit der für den Stelleninhaber vorgesehenen Kirchenzugehörigkeit mithin darauf, dass dieser die spezifische Sichtweise des Beschwerdeführers nach der Aufgabenbeschreibung in den zu erstellenden Bericht ohnehin nicht eigenverantwortlich habe einbringen können oder sollen. Dies steht in Widerspruch zu der in der Stellenausschreibung explizit genannten und vom Beschwerdeführer vorgetragenen Anforderung, ihn nach außen hin gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen zu repräsentieren.

281(2) Zudem stellt das Bundesarbeitsgericht bei den Erwägungen zur Wesentlichkeit der Kirchenzugehörigkeit für die Tätigkeit maßgeblich auf den Parallelbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention ab und leitet die fehlende Notwendigkeit der beruflichen Anforderungen unter anderem aus dem Inhalt der tatsächlich abgegebenen späteren Stellungnahme ab (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 89). Insofern setzt es sich in Widerspruch zu seinen übrigen Ausführungen, die sich bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat, zu Recht ausschließlich auf den Zeitpunkt der Stellenausschreibung beziehen. Die hiervon abweichende Ex-post-Betrachtung des Merkmals der "Wesentlichkeit" ist mit dem religiösen Selbstbestimmungsrecht unvereinbar. Die Frage, ob eine berufliche Anforderung für eine Tätigkeit wesentlich ist, kann nicht nachträglich anhand dessen beurteilt werden, was der für die Stelle Ausgewählte tatsächlich geleistet hat. Eine solche Betrachtung rückt in Verkennung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach die Frage der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung "angesichts des Ethos der Organisation" zu beurteilen ist, unzutreffend das schließlich erreichte Arbeitsergebnis in den Vordergrund, das von vielen Faktoren abhängt, die für die ausschreibende Religionsgemeinschaft beziehungsweise religiöse Einrichtung nicht vorhersehbar waren.

282(3) Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Bundesarbeitsgericht die Aufgabe der Vertretung des Beschwerdeführers nach außen, aus der es zuvor unter anderem den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Kirchenmitgliedschaft und der ausgeschriebenen Tätigkeit abgeleitet hatte, angemessen gewichtet hat. Es findet zum einen keine eingehendere Auseinandersetzung damit statt, inwieweit ein einzustellender Referent der Kritik beteiligter Organisationen, insbesondere an der kirchlichen Einstellungspolitik, glaubwürdig allein mit fundierten rechtlichen Kenntnissen, etwa des kirchlichen Arbeitsrechts, entgegentreten kann. Zum anderen wird seitens des Bundesarbeitsgerichts nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen, dass der Beschwerdeführer an dieser Stelle eine glaubwürdige und nach außen hin authentische Vertretung der eigenen Position anstrebt, die er an der Kirchenzugehörigkeit festmacht. Dabei lässt das Bundesarbeitsgericht außer Acht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom ausdrücklich festgehalten hat, dass die Notwendigkeit einer glaubwürdigen Vertretung der Kirche nach außen die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung wegen der Religion begründen kann (vgl. EuGH, Egenberger, , C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 63). Das Bundesarbeitsgericht stellt mithin maßgeblich auf die eigene Sichtweise ab, anstatt das Selbstverständnis des Beschwerdeführers in Bezug auf die mit der Tätigkeit einhergehenden repräsentativen, eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben entsprechend zu würdigen. Dies wird der Gewährleistung aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV nicht gerecht.

283bb) Auch soweit das Bundesarbeitsgericht ausführt, dass die vom Beschwerdeführer formulierte berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt ist, trägt es dem religiösen Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend Rechnung.

284(1) Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer weder eine Gefahr der Beeinträchtigung seines Rechts auf Autonomie noch seines Ethos dargetan habe. Zur Begründung argumentiert es unter anderem damit, dass das Recht des Beschwerdeführers auf Autonomie schon nicht betroffen sei, weil zu den Aufgaben bei der Berichterstellung nicht die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gehöre (vgl. -, juris, Rn. 97). Hierbei übergeht es wiederum die Aufgabe des Stelleninhabers, den Beschwerdeführer mit seiner spezifisch christlichen Sichtweise auf die UN-Antirassismuskonvention und ihre Umsetzung in Deutschland nach außen hin zu vertreten und dessen Standpunkt in den Bericht einzubringen. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass die Sicht des Beschwerdeführers auf den Inhalt und die Bedeutung der Aufgabe überhaupt in die Prüfung eingeflossen ist. Das gilt insbesondere insoweit, als das Bundesarbeitsgericht im Weiteren abermals zugrundelegt, eine ausdrückliche Bekundung des spezifisch christlichen Selbstverständnisses sei "nur dort überhaupt notwendig", wo sich Auffassungsunterschiede zu den beteiligten Organisationen ergäben (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 99).

285(2) Im Übrigen stellt das Bundesarbeitsgericht entscheidend darauf ab, dass der Stelleninhaber in Fragen, die das Ethos betreffen, nicht selbständig habe handeln und dieses daher nicht durch ungeschützte und unabgestimmte Positionierungen habe beeinträchtigen können. Insoweit stützt sich das Gericht auf die Stellenausschreibung, der zufolge der Stelleninhaber bei seiner Tätigkeit im Zentrum "Migration und Soziales" des Beschwerdeführers fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess eingebunden sei (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 101 f.). Die aus der Stellenanzeige ersichtlichen Anforderungen an den Bewerber, die Diakonie Deutschland projektbezogen unter anderem gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit zu vertreten, sowie die "Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung" und "zu häufigen Dienstreisen" bleiben bei diesen Überlegungen allerdings unberücksichtigt.

E.

286Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

287Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rs20250929.2bvr093419

Fundstelle(n):
HAAAK-02568