WEG-Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung sowie über die Zuführung zur Erhaltungsrücklage
Leitsatz
Bei der Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung steht den Wohnungseigentümern sowohl hinsichtlich der einzustellenden Positionen als auch im Hinblick auf deren Höhe ein weites Ermessen zu. Anfechtbar kann der Beschluss allenfalls dann sein, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung evident ist, dass er zu weit überhöhten oder wesentlich zu niedrigen Vorschüssen führt.
Gesetze: § 19 Abs 2 Nr 4 WoEigG, § 28 Abs 1 WoEigG
Instanzenzug: Az: 25 S 129/22vorgehend Az: 292a C 58/22
Tatbestand
1Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In einer Eigentümerversammlung im Juni 2022 wurden unter TOP 6 die Vorschüsse aus den Einzelwirtschaftsplänen für das Jahr 2022 beschlossen.
2Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage, die in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben ist. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird.
Gründe
I.
3Das Berufungsgericht meint, der Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Insbesondere seien der Ansatz der Positionen und deren Höhe in dem der Beschlussfassung über die Vorschüsse zugrundeliegenden Wirtschaftsplan nicht zu beanstanden. Auf der Ausgabenseite sei eine großzügige Schätzung zulässig, um Nachforderungen zu vermeiden. Bei dem Wirtschaftsplan handele es sich um eine Prognose der im Wirtschaftsjahr voraussichtlich anfallenden Ausgaben. Er stelle nur dann keine ordnungsmäßige Grundlage für den Beschluss über die Vorschüsse dar, wenn diese - anders als hier - entweder wesentlich überhöht seien oder mit erheblichen Nachschüssen zu rechnen sei.
II.
4Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
51. Die Revision ist bereits unzulässig, soweit sie den im Wirtschaftsplan angewandten Kostenverteilungsmaßstab und die Ausweisung eines Gesamtnachzahlungsbetrages rügt. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.
6a) Zwar enthält die - in den Gründen des Berufungsurteils - ausgesprochene Zulassung keinen Zusatz, der die Revision einschränkt. Es ist aber anerkannt, dass eine Zulassung im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die von dem Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 35/21, NJW 2022, 2685 Rn. 7 mwN). Bei der Beschlussmängelklage nach dem Wohnungseigentumsgesetz können die jeweils geltend gemachten Beschlussmängelgründe abtrennbare Teile des Streitstoffs darstellen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 282/19, ZWE 2021, 90 Rn. 7; Urteil vom - V ZR 207/21, ZWE 2022, 403 Rn. 7).
7b) Daran gemessen liegt eine wirksame Beschränkung vor. Das Berufungsgericht begründet die Zulassung der Revision für beide Parteien zum einen damit, dass höchstrichterlich nicht entschieden sei, nach welchem Erkenntnisstand die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses zu beurteilen ist. Diese Problematik diskutiert das Berufungsgericht nur im Rahmen der Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 5, bezüglich derer der Kläger obsiegt hat, nicht jedoch im Hinblick auf TOP 6. Weiter führt das Berufungsgericht zur Begründung der Zulassung aus, dass die Grenzen des Ermessensspielraums bezüglich der Höhe der nach § 28 Abs. 1 WEG zu beschließenden Vorschüsse ungeklärt seien. Soweit die Revision den Beschluss zu TOP 6 auch wegen des Fehlens eines Gesamtwirtschaftsplans sowie eines fehlerhaften Kostenverteilungsschlüssels für ungültig hält, ist dies von der Revisionszulassung nicht umfasst.
82. Soweit sie zulässig ist, ist die Revision unbegründet. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass der Beschluss über die Vorschüsse für 2022 ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
9a) Gemäß § 28 Abs. 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer über Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen auf Grundlage des von dem Verwalter für das Kalenderjahr aufgestellten Wirtschaftsplans. Hier enthält der Wirtschaftsplan sowohl eine Aufstellung der voraussichtlichen Kosten als auch die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage.
10b) Die der Beschlussfassung über die Vorschüsse zugrundeliegende Aufstellung der voraussichtlichen Kosten im Wirtschaftsplan ist nicht zu beanstanden.
11aa) Der Wirtschaftsplan enthält gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 WEG eine Schätzung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 175/10, NJW-RR 2011, 1232 Rn. 13). Die daraus abgeleiteten Hausgeldzahlungen müssen es dem Verwalter ermöglichen, die voraussichtlich entstehenden Kosten zu begleichen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 271/12, NJW 2014, 145 Rn. 16; Urteil vom - V ZR 80/19, NZM 2020, 1114 Rn. 23). Deswegen sind in dem Wirtschaftsplan alle Ausgaben anzusetzen, die entweder feststehen oder im kommenden Wirtschaftsjahr zu erwarten sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 26/14, NJW 2015, 930 Rn. 26).
12bb) Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht steht den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung sowohl hinsichtlich der einzustellenden Positionen als auch im Hinblick auf deren Höhe ein weites Ermessen zu (vgl. LG Hamburg, ZMR 2011, 996, 997; LG Rostock, ZWE 2021, 287 Rn. 61; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 28 Rn. 31; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 28 Rn. 34; BeckOK WEG/Bartholome [], § 28 Rn. 9; vgl. auch Senat, Urteil vom - V ZR 26/14, NJW 2015, 930 Rn. 26). Dies gilt nicht nur für die den Wirtschaftsplan ergänzende Sonderumlage (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 Rn. 15), sondern auch für den Wirtschaftsplan selbst (vgl. LG München I, BeckRS 2012, 9947; BeckOK WEG/Bartholome [], § 28 Rn. 9). Anfechtbar kann der Beschluss allenfalls dann sein, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung evident ist, dass er zu weit überhöhten oder wesentlich zu niedrigen Vorschüssen führt. Im Übrigen werden die Vorschüsse ohnehin durch den auf der Grundlage der Jahresabrechnung zu fassenden Beschluss an die tatsächliche Entwicklung angepasst.
13cc) Daran gemessen ist - entgegen der Revision - die der Beschlussfassung über die Vorschüsse zugrundeliegende Kostenaufstellung im Wirtschaftsplan nicht zu beanstanden.
14(1) Es begegnet keinen Bedenken, dass die Wohnungseigentümer für die Kosten der Anmietung der Fahrradgarage 1.500 € als voraussichtliche Ausgabe eingestellt haben. Ob der Vertrag - wie der Kläger meint - nichtig ist, ist keine Frage, die im Rahmen der Anfechtung eines Beschlusses über die Vorschüsse zu klären ist. Bei der Aufstellung der voraussichtlichen Kosten haben die Wohnungseigentümer aus Gründen wirtschaftlicher Vorsicht grundsätzlich zu unterstellen, dass geschlossene Verträge wirksam sind.
15(2) Vor dem Hintergrund der fehlenden Verwalterbestellung für das Jahr 2021 und des erfolgten Verwalterwechsels ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Wohnungseigentümer eine Zusatzvergütung der neuen Verwalterin in Höhe von 3.000 € angenommen und in den Wirtschaftsplan eingestellt haben.
16(3) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Position „Rechtsberatung/Kosten Gerichtsverfahren“ in Höhe von 12.000 €. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf an, dass die Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 5, wonach eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Geltendmachung der Herausgabe von Unterlagen und der Rückforderung von Zusatzvergütungen beauftragt werden sollte, von dem Berufungsgericht aus formalen Gründen rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind. Denn dies ändert nichts daran, dass die Wohnungseigentümer erwarten durften, es werde zu Rechtstreitigkeiten mit entsprechenden Kostenfolgen kommen.
17(4) Die Erhöhung der Ansätze für die Wasser- und Versicherungskosten liegt zweifelsfrei innerhalb des Entscheidungsermessens der Wohnungseigentümer.
18c) Auch die im Wirtschaftsplan angesetzte Zuführung zur Erhaltungsrücklage von insgesamt 20.000 € ist nicht zu beanstanden. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG gibt den Wohnungseigentümern auf, eine angemessene Erhaltungsrücklage anzusammeln. Anders als die Revision offenbar meint, ist hierfür nicht erforderlich, dass ein konkreter Reparaturbedarf besteht. Bei der Bestimmung der Höhe der Zuführung zur Erhaltungsrücklage haben die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 24; BeckOK WEG/Bartholome [], § 28 Rn. 9). Warum dessen Grenzen überschritten sein sollten, ergibt sich aus dem Vorbringen der Revision nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
III.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner Göbel Haberkamp
Laube Grau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260925UVZR108.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 45
DAAAK-02565