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BVerwG Beschluss v. - 1 WB 15.25

Tatbestand

1Mit Verfügung vom wurde Oberstleutnant I. als ehrenamtlicher Richter für die Entscheidung in dem Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers wegen eines Konkurrentenstreits um die Besetzung eines nach der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstpostens herangezogen. Oberstleutnant I. hat am mitgeteilt, er kenne den Beigeladenen persönlich. Er sei am ... als Abteilungsleiter I ... am Standort P. eingesetzt. Der Beigeladene diene in der gleichen Dienststelle und Dienstort wie er und vertrete bei Bedarf den Abteilungsleiter IV. Zudem sei der Beigeladene Angehöriger des Personalrats der Dienststelle. Somit habe er dienstlich unregelmäßig mit dem Beigeladenen Kontakt. Da er und der Beigeladene sich bei fast jeder Veranstaltung der Dienststelle treffen würden, würden sie sich duzen. Auf privater Ebene würden sie sich nicht treffen. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Beigeladenen habe nur dienstlichen Charakter.

2Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Bundesministerium der Verteidigung sieht auf Grundlage seiner Schilderung keinen Grund, die Befangenheit von Oberstleutnant I. als ehrenamtlicher Richter für die vorliegende Entscheidung anzunehmen. Der Antragsteller hält die Selbstanzeige für begründet und führt aus, Oberstleutnant I. habe mehr als nur gelegentlichen Kontakt zum Beigeladenen und sei mit diesem "per du". Aus Sicht des Antragstellers geriete Oberstleutnant I. als ehrenamtlicher Richter damit in Erklärungszwänge, die seine Unbefangenheit beeinträchtigen würden. Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Gründe

3Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den gemäß § 23a Abs. 2 WBO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i. V. m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden.

4Oberstleutnant I. ist zwar nicht kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen. Aber er hat mit seiner E-Mail vom von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.

51. Nach dem in der E-Mail vom mitgeteilten Sachverhalt sind in der Person von Oberstleutnant I. keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach § 79 WDO (i. V. m. § 82 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, Abs. 7 WDO) gegeben. Er hat insbesondere nicht an dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt. § 79 Abs. 2 Nr. 3 WDO bezieht sich im gerichtlichen Disziplinarverfahren auf den angeschuldigten Soldaten und damit in der entsprechenden Anwendung im Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung auf den Antragsteller und nicht den Beigeladenen.

62. Er hat aber eine Konstellation angezeigt, die seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO rechtfertigt.

7Eine Selbstanzeige ist hiernach begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt; insoweit genügt schon der "böse Schein" ( 1 WB 13.17 - juris Rn. 10 m. w. N.). Für sich allein nicht ausreichend ist, dass der (ehrenamtliche) Richter den Verfahrensbeteiligten kennt oder dass zwischen dem (ehrenamtlichen) Richter und dem Verfahrensbeteiligten dienstliche Beziehungen oder Kontakte bestanden oder bestehen; insoweit enthalten § 54 Abs. 2 VwGO und § 79 WDO abschließende Ausschließungs-Regelungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 28.09 - NZWehrr 2010, 162 <163> und vom - 1 WB 35.14 - Rn. 7). Dienstliche Beziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten können aber dann eine Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie besonders eng sind oder sich zu einem engen persönlichen Verhältnis entwickelt haben ( 2 WD 14.13 - Rn. 4 m. w. N.).

8Hiernach sind vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Wertung des § 79 Abs. 2 Nr. 3 WDO keine hohen Anforderungen an aus objektiver Sicht bestehende vernünftige Zweifel an der Unparteilichkeit eines derselben Dienststelle wie der Beigeladene angehörenden ehrenamtlichen Richters zu stellen. Zwar haben sich die vom ehrenamtlichen Richter geschilderten dienstlichen Kontakte nicht zu privaten Kontakten entwickelt. Angesicht des bestehenden Duz-Verhältnisses bei den nicht nur gelegentlichen dienstlichen Kontakten zwischen dem Oberstleutnant I. und dem Beigeladenen ist aber auch aus objektiver Sicht der Eindruck eines Näheverhältnisses gerechtfertigt, der Zweifel an der Unparteilichkeit des ehrenamtlichen Richters aufwirft.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:160925B1WB15.25.0

Fundstelle(n):
XAAAK-02460