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BGH Urteil v. - VIa ZR 1186/22

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 3 U 27/21 Urteilvorgehend LG Magdeburg Az: 10 O 168/19

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im Februar 2015 von der nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten früheren Beklagten zu 1 einen von der Beklagten hergestellten neuen Porsche Cayenne, der mit einem von der AUDI AG hergestellten Dieselmotor des Typs 3.0 l V6 TDI (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Im April 2019 veräußerte die Klägerin das Fahrzeug.

2Das Landgericht hat die ursprünglich im Wesentlichen auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage - gegen die ehemalige Beklagte zu 1 rechtskräftig - abgewiesen. Auf die auf der Klägerin hat das Berufungsgericht ihr durch Teilversäumnis- und Schlussurteil einen Betrag von 22.098,58 € nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Berufung - rechtskräftig - zurückgewiesen.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 scheitere daran, dass diese Vorschriften keinen drittschützenden Charakter hätten. Einem Anspruch aus §§ 826, 31 BGB stehe entgegen, dass die Beklagte, die unstreitig nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Motors sei, weder sittenwidrig noch vorsätzlich gehandelt habe.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Die Klage auf Feststellung der Erledigung ist zulässig. Eine einseitige Erledigungserklärung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO im Revisionsverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll, außer Streit steht (st. Rspr., vgl. nur , BGHZ 222, 196 Rn. 16; Urteil vom - III ZR 70/23, NJW-RR 2024, 1170 Rn. 36; Urteil vom - VIa ZR 290/22, juris Rn. 6; Beschluss vom - I ZR 258/14, MDR 2018, 423 Rn. 15; jew. mwN). So liegt es hier. Vorliegend steht außer Streit,

92. Zu prüfen ist dann, ob die Klage bis zum geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und - wenn das der Fall ist - ob sie durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (, NJW-RR 2024, 1170 Rn. 36; Beschluss vom  - I ZR 258/14, MDR 2018, 423 Rn. 15). Der Senat vermag dies vorliegend indessen auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen.

10a) Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB abgelehnt hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

11b) Ob und in welchem Umfang die Klage ursprünglich zulässig und begründet war, hängt aber davon ab, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin ein Anspruch auf den Differenzschaden zugestanden hat. Die Revision wendet sich nämlich mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Schlussurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

12Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

13in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang im Umfang der Aufhebung

14Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze zu prüfen haben, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war, nachdem es der Klägerin Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

                                               

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:161025UVIAZR1186.22.0

Fundstelle(n):
PAAAK-02441