Instanzenzug: LG Passau Az: 2 Ks 12 Js 10004/24
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Angeklagte neben dem Tatbestand des § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG tateinheitlich auch den Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Alt. 2 StGB verwirklicht hat, der nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt.
1. Gesetzeskonkurrenz liegt vor, wenn ein Verhalten dem Wortlaut nach mehrere Strafvorschriften erfüllt, zur vollständigen Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aber ‒ anders als im Fall der Tateinheit ‒ bereits die Anwendung einer Strafnorm ausreicht (vgl. Rn. 26; Beschluss vom ‒ 5 StR 157/20, BGHSt 65, 36, 40; Urteil vom – 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380; RGSt 7, 116). Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufgestellt hat (vgl. , BGHSt 39, 100, 108).
2. Gemessen hieran liegt nicht Gesetzeseinheit in Form der Spezialität, der Subsidiarität oder der Konsumtion, sondern Idealkonkurrenz vor (vgl. Bergmann/Dienelt/Stephan, 15. Aufl., AufenthG § 96 Rn. 57).
a) Gesetzeseinheit in der hier allein in Betracht zu ziehenden Form der Konsumtion liegt vor, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt eines Delikts durch die Bestrafung wegen eines anderen Delikts deshalb hinreichend ausgeglichen wird, weil der verdrängte Tatbestand sich im Regelbild der typischen Begleittat hält und keinen eigenständigen, über die Haupttat hinausgreifenden Unrechtsgehalt aufweist (vgl. Rn. 10). Das Unrecht des zurücktretenden Delikts muss bei der Verurteilung wegen des verbleibenden Delikts erschöpfend erfasst werden (vgl. , BGHSt 63, 253, 261 Rn. 24). Unterschiedliche Schutzrichtungen der in Rede stehenden Tatbestände können hingegen für die Annahme klarstellender Idealkonkurrenz sprechen (vgl. Rn. 28; Beschluss vom – 5 StR 157/20 Rn. 24; Beschluss vom – 3 StR 532/19 Rn. 13).
b) Dies zugrunde gelegt, unterscheiden sich beide Tatbestände bereits in ihrer Schutzrichtung, da § 315d StGB in erster Linie die Sicherheit des Straßenverkehrs schützt (vgl. , BGHSt 66, 294, 299 Rn. 19), während § 96 AufenthG – auch in Gestalt der Qualifikation des § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG (vgl. BT-Drucks. 20/10090 S. 18 f.) – in erster Linie der Bekämpfung der Schleusungskriminalität dient. Zudem sind die Anwendungsbereiche der hier betroffenen Tatbestände nicht deckungsgleich. Zwar macht sich nach beiden Tatbeständen strafbar, wer sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos als Kraftfahrzeugführer fortbewegt und dabei Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Die Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3, § 315d Abs. 2 Alt. 2 StGB ist jedoch auf Fälle beschränkt, in denen sich der Täter mit nicht angepasster Geschwindigkeit fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Ein solches Handeln kann zwar, muss aber nicht zugleich bei dem Täter vorliegen, der entgegen § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG in den Fällen des § 96 Abs. 1 AufenthG versucht, sich einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen. Mit der Einfügung von § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG hat der Gesetzgeber dem allgemeinen Umstand Rechnung getragen, dass Schleuser zunehmend rücksichtsloser und brutaler gegenüber kontrollierenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, geschleusten Personen und unbeteiligten Dritten agieren, ohne dabei allein oder auch nur typischerweise eine Gefährdung durch überhöhte Geschwindigkeiten in den Blick zu nehmen. Zum Anlass nahm der Gesetzgeber vielmehr, dass Schleuser in sehr vielen Fällen Kontrollstellen oder während des Anhaltevorgangs durchbrechen in bzw. durch Kontrollstellen brechen und dabei die eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten häufig bereits durch bloßes Zufahren auf diese in einer zum Teil lebensgefährlichen Art und Weise verletzen. Das anschließende Fluchtverhalten sah der Gesetzgeber zwar auch von nichtangepassten und weit überhöhten Geschwindigkeiten geprägt, wollte aber nicht nur solche Geschehnisse, sondern ebenso Fälle sonstigen nicht angepassten Verkehrsverhaltens erfassen, wie etwa das Missachten von Verkehrszeichenanlagen oder sonstigen Vorfahrtsregelungen bzw. anderer Verkehrsregeln (BT-Drucks. 20/10090 S. 19).
Quentin Sturm Maatsch
Scheuß Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:110925B4STR354.25.0
Fundstelle(n):
ZAAAK-02309