Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 2 T 510/24vorgehend AG Lingen Az: 4 C 549/21
Gründe
1I. Die Schuldnerin ist neben der F. C. I. mbH & Co. KG (nachfolgend: Mitschuldnerin) rechtskräftig verurteilt worden, den Gläubigerinnen eine vollständige Liste mit den Namen, Anschriften, E-Mail-Adressen und der Höhe der Beteiligung sämtlicher Treugeber und Gesellschafter der Mitschuldnerin in der Form eines vollständigen und übersichtlichen Verzeichnisses elektronisch in einem gängigen Dateiformat (z.B. .xls, .xlsx oder .pdf via E-Mail, auf CD oder einem mobilen Datenträger) gegen Erstattung der hierfür erforderlichen Aufwendungen herauszugeben. Die Gläubigerinnen begehren die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch die Festsetzung eines Zwangsgelds, ersatzweise Zwangshaft.
2Auf Antrag der Gläubigerinnen hatte das (in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts Osnabrück vom ) gegen die Schuldnerin und die Mitschuldnerin zur Erzwingung dieser Verpflichtung ein Zwangsgeld von je 1.250 € verhängt, ersatzweise für je 100 € einen Tag Zwangshaft.
3In der Folgezeit wurden gegen die Mitschuldnerin weitere Zwangsgelder in Höhe von 7.500 € und 15.000 € verhängt. Die Zwangsgelder wurden gezahlt, die titulierte Auskunftsverpflichtung aber nicht erfüllt.
4Auf weiteren Antrag der Gläubigerinnen hat das gegen die Schuldnerin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 25.000 € festgesetzt, ersatzweise - zu vollstrecken gegen ihren Geschäftsführer - für je 100 € einen Tag Zwangshaft. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Gläubigerinnen beantragen, erstrebt die Schuldnerin die Ablehnung des Antrags auf Festsetzung von Zwangsmitteln.
5II. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin als zulässig, aber unbegründet angesehen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6Entgegen der Ansicht der Schuldnerin richte sich die rechtskräftig ausgesprochene Verpflichtung nicht auf die Vornahme einer vertretbaren, sondern einer unvertretbaren Handlung. Dementsprechend bestimme sich die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO und nicht nach § 887 ZPO. Auskunftspflichten seien grundsätzlich unvertretbare Handlungen, da sie nur vom Schuldner vorgenommen werden könnten. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls. Angesichts der Gesellschaftsstruktur der Mitschuldnerin als Publikums-KG mit einer Vielzahl von Treugebern könne nicht davon ausgegangen werden, dass - wie es die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung gemäß § 887 ZPO erfordern würde - ein beliebiger Dritter ohne zusätzliche Informationen durch die Schuldnerin verlässlich eine vollständige Liste aller Gesellschafter und Treugeber erstellen könne. Zudem seien nicht nur die Namen, sondern auch die Anschriften, E-Mail-Adressen und die Höhe der Beteiligungen mitzuteilen. Dem Vortrag der Schuldnerin könne nicht entnommen werden, dass sämtliche Informationen ohne ihre Mitwirkung ohne weiteres für einen Dritten ersichtlich seien. Auch wenn der Ausdruck der Listen als solcher von jedem beliebigen Dritten vorgenommen werden könne, müsse die Schuldnerin jedenfalls an der Auskunftserteilung mitwirken. Sie müsse nicht nur das Betreten der Räumlichkeiten gestatten, sondern auch mitteilen, in welchen Dateien sich die mitzuteilenden Daten (vollständig) befänden. Zudem müsse sie unter Preisgabe der Passwörter auch Zugang zu diesen Daten gewähren. Hinzukomme, dass zweifelhaft sei, ob die Daten strukturiert gespeichert und ohne erheblichen Aufwand abrufbar seien. Diese Zweifel ergäben sich auch aus der beharrlichen Weigerung der Schuldnerinnen, ihrer Auskunftsverpflichtung nachzukommen und ihrer Bereitschaft, stattdessen Zwangsgelder in fünfstelliger Höhe zu zahlen.
7III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die Zwangsvollstreckung der rechtskräftig gegen die Schuldnerin ausgesprochenen Verpflichtung nach § 888 Abs. 1 ZPO richtet.
81. Kann eine Handlung durch Dritte nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Die Voraussetzungen einer unvertretbaren Handlung in diesem Sinne liegen regelmäßig vor, wenn der Schuldner zur Erteilung einer Auskunft verurteilt ist, die nur aufgrund seines Wissens gegeben werden kann (vgl. , GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 15]; Beschluss vom - I ZB 31/24, GRUR 2025, 187 [juris Rn. 19] = WRP 2025, 191; zur Vollstreckung der Pflicht zur Rechnungslegung vgl. Beschluss vom - I ZB 68/08, GRUR 2009, 794 [juris Rn. 20] = WRP 2009, 996). Dies gilt ebenfalls für die Vollstreckung der Verpflichtung zur Vorlage von Belegen im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung, auch wenn ihre Auswertung von einem Dritten vorgenommen werden könnte (BeckOK.ZPO/Stürner, 57. Edition [Stand ], § 887 Rn. 8). Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht seiner Prüfung zugrunde gelegt. Abweichendes macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
92. Die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe sich mit bloßen Vermutungen begnügt, dass ausschließlich die Schuldnerin diejenigen Handlungen vornehmen könne, die die Gläubigerinnen erzwingen wollten. Damit habe es verkannt, dass eine Vollstreckung gemäß § 888 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht komme, wenn nur die Möglichkeit bestehe und nicht ausgeschlossen sei, dass ein anderer als der Schuldner die Handlung nicht vornehmen könne. Richtigerweise müsse aber feststehen, dass eine an sich vertretbare Handlung nicht nach § 887 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden könne. Damit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
10a) Die Rechtsbeschwerde stützt ihre Rüge auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine geschuldete an sich vertretbare Handlung zu einer unvertretbaren Handlung im Sinne von § 888 Abs. 1 ZPO wird, wenn deren Vornahme die Mitwirkung oder Zustimmung von dritten Personen erfordert und diese dazu nicht bereit sind (, NJW-RR 2009, 443 [juris Rn. 11]; Beschluss vom - I ZB 51/11, juris Rn. 11; Beschluss vom - I ZB 38/24, NJW-RR 2025, 505 [juris Rn. 9]). Für eine solche Fallgestaltung hat der Senat angenommen, dass für die Anwendung des § 888 Abs. 1 ZPO kein Raum ist, solange nicht feststeht, dass eine an sich vertretbare Handlung nicht nach § 887 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 443 [juris Rn. 12]).
11b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind diese Grundsätze im Streitfall nicht maßgeblich. Die Rechtsbeschwerde übersieht, dass das Beschwerdegericht gerade nicht davon ausgegangen ist, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und die darauf bezogene Pflicht zur Belegvorlage eine an sich vertretbare Handlung darstellt. Es hat vielmehr im Gegenteil angenommen, dass die im Streitfall titulierten Verpflichtungen zur Auskunft und Belegvorlage nach den Umständen des Streitfalls auf eine originär unvertretbare Handlung gerichtet seien. Dabei hat es sich - entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde - auch nicht mit bloßen Vermutungen begnügt, sondern festgestellt, dass die Erfüllung der titulierten Pflichten die Mitwirkung der Schuldnerin voraussetze, die nicht nur das Betreten der Räumlichkeiten gestatten, sondern unter Preisgabe der Passwörter auch mitteilen müsse, in welchen Dateien sich die mitzuteilenden Daten (vollständig) befänden. Dass das Beschwerdegericht diese Feststellungen verfahrensfehlerhaft getroffen hat, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Umständen ausgegangen sei oder Vortrag der Schuldnerin unberücksichtigt gelassen habe, hat die Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.
12IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Schmaltz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:310725BIZB10.25.0
Fundstelle(n):
LAAAK-02088