Kein Anspruch auf Videoverhandlung bei erstmaliger Antragstellung „in letzter Minute“ und nicht vorhandener Videokonferenztechnik des Gerichts
Leitsatz
NV: Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt kein Anspruch auf die Durchführung einer Videoverhandlung, wenn der Antrag erstmals nach Dienstschluss des Gerichts am Vorabend des Verhandlungstags gestellt wird, die mündliche Verhandlung auf den frühen Vormittag terminiert wurde und im Gerichtsgebäude keine Videokonferenztechnik verfügbar ist.
Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 91; FGO § 96 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO a.F. § 91a; ZPO § 128a; ZPO § 227
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom - 4 K 207/24
Gründe
1 Die Nichtzulassungsbeschwerde in einem Verfahren, mit dem die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Kindergeld für ihren Sohn für Dezember 2023 begehrt, ist unbegründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen zum Teil nicht vor (1.) und sind im Übrigen nur unzureichend dargelegt (2.).
2 1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) nicht verletzt, so dass insoweit kein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gegeben ist. Es hat eine Gehörsverletzung weder hinsichtlich der Berücksichtigung des Klagevorbringens (a) noch hinsichtlich der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der erst am Vorabend des Termins eine Videokonferenz beantragenden Klägerin (b) begangen.
3 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
4 aa) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten in einem ordnungsgemäß bei Gericht eingegangenen Schriftsatz entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde. Die Gerichte müssen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Es müssen nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Geht das Gericht jedoch in den Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. zu diesen Rechtsgrundsätzen den , Deutsches Steuerrecht 2025, 1698, Rz 23, m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschluss vom - III B 33/16, BFH/NV 2016, 1750, Rz 18).
5 bb) Gemessen daran hat das FG das rechtliche Gehör der Klägerin, die sich als Rechtsanwältin selbst vertritt, im Hinblick auf ihr Klagevorbringen nicht verletzt. Denn es hat dieses Vorbringen bei seiner Entscheidung in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und auch in Erwägung gezogen. Das FG hat die Klagebegründung der Klägerin im angegriffenen Urteil auszugsweise wiedergegeben und wegen der weiteren Einzelheiten in zulässiger Weise auf die Klageschrift und die weiteren Schriftsätze vom und Bezug genommen. Soweit es die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs für den alleinigen Streitmonat Dezember 2023 als nicht erfüllt angesehen und die Klage deshalb als unbegründet abgewiesen hat, begründet dies keine Gehörsverletzung. Das FG hat hierbei kein für die Entscheidung wesentliches Vorbringen der Klägerin übergangen.
6 b) Art. 103 Abs. 1 GG gewährt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt und dessen rechtlicher Bewertung äußern zu können.
7 aa) Findet eine mündliche Verhandlung statt, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht eines Verfahrensbeteiligten, sich in dieser Verhandlung zu äußern. Eine Gehörsverletzung liegt vor, wenn trotz beantragter Terminverlegung und Bestehen eines Verlegungsgrundes gleichwohl eine mündliche Verhandlung am ursprünglich bestimmten Termin stattfindet und in der Sache entschieden wird. Gleiches gilt, sofern sich —ohne dass das Vorliegen eines Verlegungsgrundes abschließend beurteilt werden könnte— aus der Art und Weise der Behandlung eines abgelehnten Terminverlegungsantrages beziehungsweise der Begründung für dessen Ablehnung ergibt, dass die Bedeutung und die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom Gericht verkannt wurden. Da die Ablehnung eines Verlegungsantrages regelmäßig die Möglichkeit eines Beteiligten auf die Wahrnehmung dieses Anspruchs durch Äußerung in der mündlichen Verhandlung einschränkt, gestalten die einfachrechtlichen Vorschriften zur Behandlung von Verlegungsanträgen den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG aus und sind insofern unmittelbar grundrechtsrelevant. Deshalb kann bei Verstößen hiergegen die Schwelle zur Grundrechtsverletzung eher erreicht sein, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist (vgl. zum Ganzen , Neue Juristische Wochenschrift 2021, 3384, Rz 9 f., m.w.N.).
8 bb) Eine Gehörsverletzung liegt vor, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl ein Verfahrensbeteiligter einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom - X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, Rz 9; vom - VIII B 144/22, BFH/NV 2023, 859, Rz 4; vom - II R 4/21, BFHE 281, 251, BStBl II 2024, 25, Rz 12). Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht in diesem Fall einen Termin aufheben. Liegt ein erheblicher Grund vor, verdichtet sich das gesetzliche Ermessen („kann“) zu einer Rechtspflicht und das Gericht muss zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs den Termin zur mündlichen Verhandlung verlegen, selbst wenn es den Rechtsstreit für entscheidungsreif hält und dessen Erledigung durch die Terminverlegung verzögert würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom - III B 158/19, BFH/NV 2020, 905, Rz 8; vom - III B 41/22, BFH/NV 2023, 825, Rz 18; BFH-Beschlüsse vom - I B 137/15, BFH/NV 2017, 433, Rz 11; vom - IX B 11/23, BFH/NV 2023, 983, Rz 4; vom - XI B 11/24, BFH/NV 2025, 700, Rz 12).
9 Die erheblichen Gründe für eine Verlegung sind gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen. Strengere Anforderungen gelten, wenn der Terminverlegungsantrag „in letzter Minute“ gestellt wird und dem Gericht infolgedessen keine Zeit mehr bleibt, zur Glaubhaftmachung aufzufordern (vgl. BFH-Beschlüsse vom - V B 57/17, BFH/NV 2018, 345, Rz 4, und vom - X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, Rz 10); in diesem Fall muss der Beteiligte den Verlegungsgrund regelmäßig von sich aus glaubhaft machen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - III B 108/21, BFH/NV 2022, 606, Rz 5 f.; vom - III B 41/22, BFH/NV 2023, 825, Rz 18). Ein solcher Verlegungsantrag „in letzter Minute“, bei dem erhöhte Anforderungen an die sofortige Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe zu stellen sind, liegt jedenfalls dann vor, wenn der Antrag erst am Vorabend des Termins nach Dienstschluss des Gerichts gestellt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom - IX B 178/12, BFH/NV 2013, 762, Rz 4; vom - I B 137/15, BFH/NV 2017, 433, Rz 14; vom - X B 70/19, BFH/NV 2020, 226, Rz 15; Wendl in Gosch, FGO § 91 Rz 88 ff.).
10 cc) Nach diesen Maßstäben durfte das FG im Streitfall die mündliche Verhandlung ohne die sich selbst vertretende Klägerin durchführen. Denn das FG durfte nach dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (9:29 Uhr) vorliegenden Vorbringen der Klägerin annehmen, dass eine Möglichkeit für sie bestanden hätte, bei frühem Fahrtantritt mit öffentlichen Verkehrsmitteln rechtzeitig zum Termin zu erscheinen. Einen durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelten Anspruch auf Durchführung einer Videoverhandlung hatte die Klägerin nicht.
11 (1) Mit der Ladung vom wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am im FG in Dessau-Roßlau geladen und zugleich darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO). Erst nach Dienstschluss am beantragte die Klägerin, die Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz zu gestatten. Ihr betreffendes Schreiben weist die Fax-Uhrzeit „21:03“ aus, die Übermittlung aus ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) den Eingangszeitpunkt „, 21:25:15“ (vgl. FG-Akte, S. 62, 66).
12 Gemäß dem noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung versandten Antwortschreiben der Senatsvorsitzenden vom verfügte das FG am Tag der mündlichen Verhandlung über keine Videokonferenztechnik (vgl. FG-Akte, S. 67, s.a. FG-eAkte, S. 1838 ff.). Ein erheblicher Grund für die Aufhebung des Termins könne —so die Vorsitzende— nicht gesehen werden, denn trotz des (kurzfristigen) Ausfalls ihres Kfz bestehe für die Klägerin die Möglichkeit, zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Gericht zu kommen. Der dadurch entstehende Aufwand sei hinzunehmen. Erst etwas mehr als eine Stunde nach Urteilsverkündung und Sitzungsende (9:41 Uhr) ging beim FG ein weiteres Schreiben ein, in dem die Klägerin die Verlegung der mündlichen Verhandlung und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte (Fax-Uhrzeit „10:49“ und beA-Eingang „, 11:24:50“, FG-Akte, S. 68 ff.).
13 (2) In Anbetracht dieser zeitlichen Abfolge war dem FG weder zu Beginn noch am Ende der mündlichen Verhandlung ein erheblicher Grund für eine etwaige Terminverlegung bekannt (diese war von der Klägerin, die zunächst nur die Durchführung einer Videoverhandlung begehrte, bis dahin nicht ausdrücklich beantragt worden). Der Umstand, dass das FG die mündliche Verhandlung nicht verlegte, begründet insofern schon deshalb keine Gehörsverletzung. Zudem bestand gegenüber der als Rechtsanwältin zugelassenen Klägerin keine richterliche Hinweispflicht in Bezug auf die Verpflichtung, einen etwaigen „in letzter Minute“ vor der mündlichen Verhandlung gestellten Terminverlegungsantrag von sich aus substantiiert zu begründen und die darin aufgestellten tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (vgl. Senatsbeschluss vom - III B 158/19, BFH/NV 2020, 905, Rz 8).
14 dd) Auch soweit das FG die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass ihre „Teilnahme an der mündlichen Verhandlung leider nicht per Bild- und Tonübertragung“ gestattet werden könne, weil „gerichtsseits die technischen Voraussetzungen dafür noch nicht bestehen“, führt dies nicht zu einer Gehörsverletzung. Aus ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör konnte die Klägerin unter den Umständen des Streitfalls keinen Anspruch auf Durchführung der mündlichen Verhandlung im Wege einer sehr kurzfristig einzurichtenden Videokonferenz für die bereits auf 9:00 Uhr terminierte Sitzung ableiten. Zum einen war nach dem Vorbringen im ersten Schreiben für das FG nicht erkennbar, weshalb es der Klägerin aufgrund der (erst im zweiten Schreiben erläuterten) Umstände unmöglich schien, rechtzeitig vor Verhandlungsbeginn im Gerichtsgebäude anzukommen. Zum anderen stellte die Klägerin ihren Antrag auf Videoverhandlung ohne vorherige Ankündigung so kurzfristig, dass dem FG nach Dienstbeginn am Verhandlungstag nahezu keine Zeit mehr blieb, eine Verhandlung per Videokonferenz im Interesse der Klägerin zu ermöglichen (vgl. , 6 K 873/22). Schon aus diesen Gründen vermag die Ablehnung der Videoverhandlung nicht die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu begründen.
15 Entgegen der Auffassung der Klägerin war das FG aufgrund des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren, auch nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab über das Fehlen der Videokonferenztechnik im Gerichtsgebäude zu informieren (vgl. , BFH/NV 2023, 824, Rz 10 f.). Für das FG war vor dem nicht erkennbar, dass die Klägerin die Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz beantragen wollte und dass sie von den fehlenden technischen Voraussetzungen des FG keine Kenntnis hatte. Die rechtskundige Klägerin durfte sich nicht ungefragt darauf verlassen, dass die kurzfristige Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach einem Antrag „in letzter Minute“ unproblematisch möglich sein würde.
16 ee) Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass das Vorhandensein und die Einsatzfähigkeit der erforderlichen Technik der Gerichte als ungeschriebene Voraussetzungen des Einsatzes von Videokonferenztechnik angesehen werden und ein Anspruch der Beteiligten hierauf ohnehin verneint wird (vgl. nur , BFH/NV 2021, 1079, Rz 6; 5 B 22.20 D, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report 2021, 997, Rz 12; BH, Rz 8; Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom - L 9 AL 122/22 NZB, Rz 23; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 91a Rz 4; vgl. auch § 128a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, wonach die mündliche Verhandlung „in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen“ als Videoverhandlung stattfinden kann und der Vorsitzende die von einem Verfahrensbeteiligten beantragte Teilnahme per Bild- und Tonübertragung „unter diesen Voraussetzungen“ gestatten soll).
17 ff) Ob sich das FG im September 2024 generell auf die im Gerichtsgebäude noch nicht zur Verfügung stehende Videokonferenztechnik berufen konnte, bedarf vorliegend ebenfalls keiner Entscheidung (vgl. die durch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom , BGBl. 2024 I Nr. 237, mit Wirkung vom eingefügten Vorschriften des § 227 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 ZPO; zur gleichzeitigen Ersetzung des § 91a FGO a.F. durch § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 128a ZPO vgl. , BStBl II 2025, 527, Rz 18).
18 2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begehrt, hat sie die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht hinreichend dargelegt.
19 a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer abstrakt beantwortbaren, hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Im Rahmen der Darlegung bedarf es einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur und insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH. Erforderlich sind Ausführungen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. zu diesen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO betreffenden Rechtsgrundsätzen , BFH/NV 2025, 505, Rz 4).
20 Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere beziehungsweise erneute Klärung der Rechtsfrage kann zum Beispiel geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (, BFH/NV 2024, 1424, Rz 3).
21 Nicht grundsätzlich klärungsbedürftig sind Fragen, deren Beantwortung wesentlich von den Einzelfallumständen abhängig ist; solche Fragen vermögen die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO daher nicht zu rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom - VIII B 3/23, BFH/NV 2024, 942, Rz 3; vom - V B 54/23, Betriebs-Berater 2025, 743).
22 b) Die Klägerin sieht die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO als erfüllt an. Sie habe beim FG beantragt, die „Revision zur Klärung der grundsätzlichen Frage zuzulassen, in welchem rechtlichen Verhältnis § 38 Abs. 5 und 4 SGB III zu § 32 Abs. 4 Ziffer 1 EStG (gemeldet sein als ausbildungssuchend) stehen und in welchem tatsächlichen Umfang dieses Tatbestandsmerkmal vom Tatgericht zu prüfen ist“. Ausgehend vom Gesetzestext des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) finde sich keine rechtliche Definition für das „gemeldet sein“, eine Bezugnahme auf die Vorschriften des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch gebe es im Gesetz nicht (zu den weiteren Ausführungen der Klägerin zur grundsätzlichen Bedeutung vgl. BFH-Akte, S. 40 f.).
23 Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Es wird nicht klar differenziert zwischen dem Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG einerseits („bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet“) und dem des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG andererseits („eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann“). Da die Klägerin auf Rechtsprechung des BFH nicht konkret eingeht, macht sie nicht deutlich, inwieweit sie im Hinblick darauf (weiteren) Klärungsbedarf sieht. Auch mit dem Meinungsstand in der Literatur setzt sie sich nicht auseinander. Abgesehen hiervon erläutert sie nicht, inwieweit die für klärungsbedürftig erachtete(n) Frage(n) nach den für den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindenden Feststellungen des FG in einem Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähig wären. Damit ist den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht genügt.
24 3. Von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
25 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:B.190925.IIIB95.24.0
Fundstelle(n):
QAAAK-02017