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BGH Urteil v. - VIII ZR 250/23

Leitsatz

Zur Haftung eines vermietenden Wohnungseigentümers für Schäden, die der Mieter durch einen Sturz bei Eisglätte unter Verletzung der Räum- und Streupflicht auf einem Weg erlitten hat, der sich auf dem im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Grundstück befindet.

Gesetze: § 241 Abs 2 BGB, § 278 S 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 535 Abs 1 S 2 BGB

Instanzenzug: LG Limburg Az: 3 S 32/23vorgehend AG Wetzlar Az: 35 C 158/21

Tatbestand

1Die Klägerin ist Mieterin einer Eigentumswohnung der Beklagten in einem Mehrfamilienhaus in S.       . Für die Gehwege auf dem Grundstück nimmt die Streithelferin der Beklagten, die G.                                                        mbH, im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft den Winterdienst wahr.

2Im Mietvertrag der Parteien ist bestimmt, dass die Klägerin die Betriebskosten unter anderem für die Schneebeseitigung und das Streuen bei Glatteis nach dem "Eigentumsanteil" zu tragen hat. Zudem sieht der Mietvertrag vor:

"Der […] Mieter bzw. Nutzer hat auch die Zugangswege vor dem Haus und den Gehweg zu reinigen, dort Schnee und Eis zu beseitigen und bei Glätte zu streuen. Im Übrigen sind die ortspolizeilichen Vorschriften zu beachten. […]

Der Mieter ist zur Vornahme dieser Arbeiten nur insoweit verpflichtet, als diese nicht anderweitig vorgenommen und die Kosten nicht über die Betriebskostenumlage abgerechnet werden."

3Nach den vom Berufungsgericht wiedergegebenen Feststellungen des Amtsgerichts stürzte die Klägerin am , einem Montag, beim Verlassen des Hauses gegen 7.30 Uhr auf dem zum Haus führenden Weg, der sich auf dem im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehenden Grundstück befindet. Dieser Weg sei nicht von Glatteis befreit gewesen, obwohl zuvor Glatteis im Rahmen der Wettervorhersagen angekündigt worden sei. Bei dem Sturz habe sich die Klägerin schwerwiegend verletzt, über einen langen Zeitraum Schmerzen erlitten und sich langwierigen Folgebehandlungen unterziehen müssen. Die Klägerin macht geltend, die Beklagte sei ihrer Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen.

4Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der unter anderem auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds gerichteten Klage diesbezüglich in Höhe von 12.000 € nebst Zinsen und Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

5Die Revision hat Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7Die Übertragung der Räum- und Streupflicht im Winter von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf einen professionellen Hausmeisterdienst sei ein typischer Fall einer zulässigen Delegation der Verkehrssicherungspflicht. Eine Haftung des Grundstückseigentümers komme in diesem Fall nur noch in Betracht, wenn Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzt würden. Die Verkehrssicherungspflicht treffe hier - anders als das Amtsgericht angenommen habe - im Ergebnis nicht die Beklagte als Vermieterin, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft als gemeinschaftsbezogene Pflicht. Es habe deshalb keiner Delegation der der Beklagten als Eigentümerin der Wohnung obliegenden Pflichten auf die Wohnungseigentümergemeinschaft bedurft.

8Jedenfalls aber habe die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits mit einem im Jahr 2008 geschlossenen Vertrag die Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht vertraglich auf die Streithelferin der Beklagten übertragen. Anhaltspunkte für eine unsorgfältige Auswahl seien nicht ersichtlich. Diese Delegation führe im Grundsatz zur Haftung des beauftragten Unternehmens im Fall von Pflichtverletzungen; eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft käme nur noch für Verletzungen der Überwachungs- und Kontrollpflichten in Betracht. In diesem Rahmen hafte die Beklagte als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft allenfalls nach dem Verhältnis ihres Miteigentumsanteils. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verletzung der Überwachungs- und Kontrollpflichten seien jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

9Unter dem Gesichtspunkt des (Miet-)Vertragsrechts hafte die Beklagte der Klägerin zwar grundsätzlich gemäß der Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Schadensersatz. Aus dem Mietvertrag ergebe sich jedoch, dass die Beklagte die Räum- und Streupflicht nicht persönlich wahrnehmen werde, weil darin ein Umlageschlüssel für die Kosten der Schneebeseitigung und des Streuens "nach Eigentumsanteilen" vereinbart sei. Aber auch unabhängig davon sei im rechtlichen Ansatz nicht die Beklagte als einzelne Wohnungseigentümerin, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft als Grundstückseigentümerin verkehrssicherungspflichtig. Zudem sei die Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hier anwendbar mit der Folge, dass die Beklagte auch als Vermieterin im Verhältnis zur Klägerin allenfalls ihre Mitwirkung an der Überwachung und Kontrolle des beauftragten Unternehmens im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft geschuldet habe; eine darüber hinausgehende Haftung käme allenfalls bei konkret erkannten, aber nicht abgewendeten Defiziten in Betracht, die aber nicht ersichtlich seien.

II.

10Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht verneint werden. Vielmehr kommt ein solcher Anspruch nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin jedenfalls wegen einer Verletzung von Nebenpflichten aus dem Mietvertrag in Gestalt der Räum- und Streupflichten in Betracht (§ 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 1, 2, § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB).

121. Der Vermieter ist aus dem Mietvertrag heraus verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zur Mietsache zu gewähren (vgl. , NJW-RR 1989, 76 unter 3 a mwN; vom - VIII ZR 321/07, NJW 2009, 143 Rn. 13; vom - VIII ZR 255/16, WuM 2018, 639 Rn. 20).

13a) Der Vermieter hat daher in seinem Einflussbereich die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Störungen des Gebrauchs der Mietsache, insbesondere auch Gefahren für den Mieter sowie der in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Personen zu verhindern und abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 183/87, aaO). Die dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) erstreckt sich dabei auch auf die nicht ausdrücklich mit vermieteten Hausteile wie Zugänge und Treppen und insbesondere darauf, dass sich diese Räume und Flächen in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten, verkehrssicheren Zustand befinden (vgl. , NJW 1967, 154 unter 2 a; vom - VIII ZR 321/07, aaO; vom - VIII ZR 255/16, aaO). Dazu gehört es grundsätzlich, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum in den Wintermonaten zu räumen und zu streuen (vgl. , VersR 1965, 364 unter 3; vom - VI ZR 134/67, VersR 1968, 1161 unter II 1; vom - VIII ZR 208/75, VersR 1977, 431 unter II; vom - VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rn. 11; vom - VIII ZR 255/16, aaO). Insbesondere gehört die Sicherung des unmittelbaren Zugangs zum Haus bei Schnee- und Eisglätte zu den Aufgaben des Vermieters und dient vor allem dem Schutz der Mieter (vgl. , aaO unter II 1, 3; vom - VI ZR 126/07, aaO; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 84. Aufl., § 535 Rn. 60 mwN).

14b) Diese Grundsätze gelten - was das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen hat - auch dann, wenn der Vermieter - wie hier die Beklagte - nicht (Allein-)Eigentümer des Grundstücks, sondern Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Denn für das Bestehen der vorstehend dargestellten (miet-)vertraglichen Pflichten des Vermieters kommt es grundsätzlich nicht auf die Eigentumsverhältnisse an, sondern auf dessen Stellung als Partei des Mietvertrags. Diese vertragliche - in Abgrenzung zu der sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergebenden allgemeinen (deliktischen) - Verkehrssicherungspflicht des Vermieters folgt gerade nicht aus seiner eigentumsrechtlichen Stellung und der damit einhergehenden Verantwortlichkeit für eine Gefahrenquelle, sondern - wie aufgezeigt - aus seiner mietvertraglichen Erhaltungspflicht (vgl. , VersR 1965, 364 unter 3; vom - VI ZR 134/67, VersR 1968, 1161 unter II 1; vom - VIII ZR 208/75, VersR 1977, 431 unter II; vom - VIII ZR 183/87, NJW-RR 1989, 76 unter 3 a mwN; vom - VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rn. 11; vom - VIII ZR 255/16, ).

15Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung, die den Mieter einer Eigentumswohnung grundsätzlich anders behandeln will als den Mieter von Räumen auf einem Grundstück, das sich im (Allein-)Eigentum des Vermieters befindet, führte zu einem unterschiedlichen Schutzniveau innerhalb des Wohnraummietrechts, das sachlich nicht gerechtfertigt ist und für das es eine rechtsdogmatische Grundlage nicht gibt. Denn ein Mieter, der von einem Wohnungseigentümer eine Wohnung anmietet, ist grundsätzlich nicht weniger schutzwürdig als derjenige, dessen Vermieter nicht Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist, zumal die Eigentumsverhältnisse an der Mietwohnung und am Grundstück, auf dem sich die Mietsache befindet, für den Mieter bei Abschluss des Mietvertrags häufig nicht erkennbar sind.

16c) Nach den bislang getroffenen Feststellungen haben die Parteien im Streitfall - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsauffassung der Beklagten - eine von dieser grundsätzlichen Verteilung der Vertragspflichten abweichende vertragliche Vereinbarung nicht getroffen. Insbesondere haben sie nicht - wie die Revisionserwiderung meint - im Mietvertrag mit Wirkung gegenüber der Klägerin als Mieterin eine Übernahme des Winterdiensts durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beziehungsweise durch die von dieser beauftragte Streithelferin vereinbart. Eine solche Vereinbarung kann namentlich nicht der im Mietvertrag getroffenen Regelung über die Beseitigung von Schnee und Eis auf den Zugangswegen vor dem Haus entnommen werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob es sich dabei - wozu das Berufungsgericht keine Feststelllungen getroffen hat - um eine allgemeine Geschäftsbedingung oder um eine individuell getroffene Abrede handelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), weil auch im letztgenannten Fall diese Regelung eine solche Auslegung, die der Senat selbst vornehmen kann, da das Berufungsgericht diese unterlassen hat und weitere Feststellungen dazu nicht zu erwarten sind (vgl. , juris Rn. 13; vom - VIII ZR 234/18, NJW-RR 2020, 523 Rn. 17; vom  - VIII ZR 318/19, NJW 2021, 464 Rn. 32; jeweils mwN; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 7/21, juris Rn. 27), nicht rechtfertigt.

17Diese Regelung lässt eine eindeutige Vereinbarung dahingehend nicht erkennen, dass die Räum- und Streupflicht der Klägerin oblegen hätte und sie deshalb im Haftungsfall keine vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte als Vermieterin geltend machen könnte und auf die Inanspruchnahme Dritter angewiesen wäre. Zwar sieht die die Reinigung der Zugangswege vor dem Haus betreffende Regelung grundsätzlich eine Verlagerung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter vor. Dieser ist nach dem weiteren Inhalt der Regelung zur Vornahme dieser Arbeiten jedoch nicht verpflichtet, wenn sie "anderweitig vorgenommen" und die Kosten über die Betriebskostenumlage abgerechnet werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Winterdienst hier von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Streithelferin übertragen worden. Der Regelung lässt sich jedoch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass in einem solchen Fall der Mieter etwa dennoch rechtlich zur Vornahme verpflichtet bliebe und nur tatsächlich von der Durchführung des Winterdienstes entlastet würde. Erst recht ergibt sich aus der Regelung nicht hinreichend klar, dass der Vermieter in diesem Fall von der ihm grundsätzlich obliegenden Räum- und Streupflicht vollständig entbunden sein und der Mieter allein auf Ansprüche gegen Dritte, hier namentlich die - in der Bestimmung noch nicht einmal erwähnte - Wohnungseigentümergemeinschaft oder die Streithelferin verwiesen werden sollte.

18Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass im Mietvertrag an anderer Stelle vorgesehen ist, dass die Klägerin die Betriebskosten für die Schneebeseitigung und das Streuen bei Glatteis nach dem "Eigentumsanteil" zu tragen hat. Im Gegenteil spricht auch diese Regelung, bei der es sich lediglich um eine Abrede über die Betriebskosten im Sinne von § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. hierzu BeckOGK-BetrKV/Drager, Stand: , § 2 Rn. 75; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 16. Aufl., § 556 BGB Rn. 268), gegen das Vorliegen einer Pflichtenübertragung auf den Mieter und gegen einen diesen treffenden Haftungsausschluss.

19d) Die Beklagte konnte sich zur Erfüllung der sie demnach hinsichtlich der Beseitigung von Schnee und Eis treffenden vertraglichen Nebenpflichten aus dem Mietvertrag ihrer Streithelferin als Erfüllungsgehilfin bedienen, für deren Verschulden sie nach § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB wie für eigenes Verschulden rechtlich einzustehen hat.

20aa) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt noch zutreffend erkannt hat, ist für die allgemeine (deliktsrechtliche) Verkehrssicherungspflicht anerkannt, dass der Verkehrssicherungspflichtige diese nicht persönlich zu erfüllen hat, sondern sie grundsätzlich delegieren kann. Erforderlich hierfür ist eine klare Absprache, die eine Ausschaltung von Gefahren sicherstellt. In diesem Fall verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich allein Verantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstreckt, ob der Dritte die übernommenen Sicherungspflichten auch tatsächlich ausgeführt hat (vgl. nur , NJW 1996, 2646 unter II 1; vom - VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rn. 9; vom - V ZR 43/19, NJW 2020, 1798 Rn. 9; jeweils mwN).

21bb) Auch dem Vermieter von Wohnraum steht es nach einhelliger Auffassung offen, einen Dritten mit der Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten, insbesondere mit der Durchführung des Winterdiensts zu beauftragen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 882, 883; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2024, § 535 Rn. 45, 54a; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 535 BGB Rn. 458; Horst, NZM 2012, 513, 517 ff.). Denn für die vertraglichen Schutzpflichten des Vermieters ist anerkannt, dass sie inhaltlich den allgemeinen (deliktischen) Verkehrssicherungspflichten entsprechen, soweit sie darauf abzielen, eine Verletzung des Geschädigten zu vermeiden und dadurch sein Integritätsinteresse zu erhalten (vgl. nur , NJW 2008, 3778 Rn. 9; vom - VIII ZR 255/16, WuM 2018, 639 Rn. 20 f.; Staudinger/V. Emmerich, BGB, aaO Rn. 45). Damit sind aber nur die Grundsätze gemeint, die die Rechtsprechung zum zeitlichen und sachlich-räumlichen Umfang und Inhalt der Verkehrssicherungspflichten entwickelt hat (vgl. , aaO Rn. 9 f. mwN). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung bedeutet dies hingegen nicht, dass im Fall der Beauftragung eines Dritten der (Vertrags-)Schuldner - hier der Vermieter - aus seiner (vertraglichen) Haftung entlassen wird oder sich Art und Umfang seines Pflichtenprogramms ändern, insbesondere dieses auf ein bloßes Auswahl- und Überwachungsverschulden beschränkt wird. Denn der Dritte wird bei der Erfüllung der mietvertraglichen Erhaltungspflicht tätig, für dessen Verschulden der Vermieter nach § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB umfassend haftet (vgl. , VersR 1965, 364 unter 3; vom - XII ZR 6/12, NJW-RR 2013, 333 Rn. 21 ff.; Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, Miete, 8. Aufl., § 535 BGB Rn. 315; MünchKommBGB/Grundmann, 9. Aufl., § 278 Rn. 32; Erman/Lützenkirchen/Selk, BGB, 17. Aufl., § 535 Rn. 188).

22(1) Gemäß § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Erfüllungsgehilfe, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falls mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (vgl. , BGHZ 62, 119, 124; vom  - V ZR 40/94, NJW 1996, 451 unter II 3 a; vom - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 29; vom - VIII ZR 249/15, NJW 2017, 2608 Rn. 43; vom - I ZR 160/17, NJW 2019, 1596 Rn. 48; vom - V ZR 41/23, NJW-RR 2025, 336 Rn. 30). Die Zurechnung beruht auf dem Gedanken, dass der Schuldner gegenüber dem Gläubiger für die Erweiterung seines Geschäfts- und Gefahrenkreises verantwortlich ist; die eingesetzte Hilfsperson übernimmt eine Aufgabe, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (, aaO; vom - VIII ZR 249/15, aaO). Daher soll ein Schuldner, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch deren Nachteile tragen, nämlich das Risiko, dass der an seiner Stelle handelnde Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt (, aaO mwN).

23(2) Die Grundsätze des Wohnraummietrechts geben - anders als das Berufungsgericht offenbar gemeint hat - keinen Anlass, von dieser in der allgemeinen vertragsrechtlichen Verhaltens- und Verschuldenszurechnung angelegten Risikoverteilung dergestalt abzuweichen, dass den Vermieter in dem hier gegebenen Fall einer Übertragung der Räum- und Streupflichten auf einen Dritten nur eine Überwachungs- und Kontrollpflicht träfe. Denn anders als ein außenstehender Dritter, der mit den Gefahren in Kontakt kommt, vor dem ihn die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht schützen will, hat sich der Mieter den Vermieter als seinen Vertragspartner ausgesucht und darf daher auch berechtigterweise darauf vertrauen, dass dieser ihm für die Verletzung der Pflichten aus dem Mietvertrag haftet. Zudem hat der Mieter im Regelfall auf die Auswahl des Dritten, derer sich der Vermieter zur Erfüllung seiner (Schutz-)Pflichten aus dem Mietvertrag bedient, keinen Einfluss.

24(3) Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung ist der Mieter, wenn ihm in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden nur ein deliktischer Anspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zustünde, nicht in vergleichbarer Weise wie nach den oben dargestellten Grundsätzen geschützt. Denn zum einen wäre die Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft auf ein Auswahl- und Kontrollverschulden beschränkt und zum anderen käme dem Mieter nicht die Vermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zugute, die der Vermieter bei einer Inanspruchnahme durch den Mieter entkräften muss, um einer Haftung zu entgehen. Ein etwaiger Anspruch gegen die Streithelferin böte dem Mieter schon deshalb keinen vergleichbaren Schutz, weil dieser insoweit das Insolvenzrisiko eines von ihm nicht als Vertragspartner ausgewählten Dritten trüge.

25(4) Anders als die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, rechtfertigt auch das von ihr angeführte "Zusammenspiel" der Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes mit den Grundsätzen des Wohnraummietrechts nicht die Annahme, bei der zu erfüllenden Verbindlichkeit im Sinne des § 278 Satz 1 BGB handele es sich um eine solche der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht des Vermieters. Die Revisionserwiderung übersieht hierbei, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Räum- und Streupflicht um eine die beklagte Vermieterin gegenüber der Klägerin als Mieterin treffende mietvertragliche Verpflichtung handelt. Die Revisionserwiderung nimmt zudem nicht hinreichend in den Blick, dass sich die von ihr angeführten Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes lediglich auf die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft beziehen, nicht hingegen das Verhältnis der Mietvertragsparteien regeln.

26§ 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 1, 2, § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB

27a) Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin bestand zur Zeit des Unfalls nach der Straßen- und Wetterlage eine konkrete Gefahrenlage durch Glättebildung, die durch Erfüllung der Räum- und Streupflicht hätte beseitigt werden können (siehe zu vergleichbaren Fällen , NJW 1985, 484, unter II 2 b aa; vom - III ZR 225/08, NJW 2009, 3302 Rn. 4; vom - VI ZR 138/11, NJW 2012, 2727 Rn. 9 f.; vom - VI ZR 254/16, NJW-RR 2017, 858 Rn. 7; Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, Miete, 8. Aufl., § 535 BGB Rn. 314 mwN). Die Klägerin ist nach ihrem Vortrag infolge der Glätte auf einem zum Grundstück gehörenden Weg vom Haus zur Straße zu Fall gekommen und hat sich hierbei erhebliche Verletzungen zugezogen, die eine längere Heilbehandlung erforderlich machten.

28b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung steht der Haftung der Beklagten nicht entgegen, dass ihre Streithelferin bereits im Jahr 2008 von der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Erfüllung der Räum- und Streupflicht beauftragt worden ist. Denn ungeachtet der zwischen den Parteien strittigen Frage, ob dies zu einer (wirksamen) Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Streithelferin geführt hat, hat die Beklagte eine etwaige Pflichtverletzung ihrer Streithelferin jedenfalls nach der Vorschrift des § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB zu vertreten.

29c) Die Voraussetzungen für eine Haftungszurechnung nach § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB liegen nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt vor. Die unternehmerische Selbständigkeit der Streithelferin steht der Annahme nicht entgegen, dass diese als Erfüllungsgehilfin für die Beklagte tätig geworden ist (st. Rspr.; vgl. , NJW 1988, 1907, 1908 unter II 3 mwN; vom - III ZR 246/09, BGHZ 187, 86 Rn. 18 mwN; vom - I ZR 208/15, NJW 2018, 155 Rn. 20).

30Die Ansicht der Revisionserwiderung, es fehle an der für die Qualifikation als Erfüllungsgehilfin notwendigen Voraussetzung, dass die Streithelferin mit dem Willen der Beklagten tätig geworden sei, weil nicht diese, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft, auf deren Handeln die Beklagte als Mitglied derselben nur mittelbaren Einfluss habe, die Streithelferin beauftragt habe, ist unzutreffend. Die Beklagte ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft und hat der Klägerin - wie die Regelung im Mietvertrag zeigt - die von der Streithelferin berechneten Kosten über die jährliche Betriebskostenabrechnung in Rechnung gestellt. An dem Willen der Beklagten, dass die Streithelferin durch die Vornahme des Winterdienstes auch für sie zur Erfüllung ihrer Schutzpflichten aus dem Mietvertrag tätig geworden ist, kann demnach kein Zweifel bestehen.

31d) Mithin liegen - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin auch die Voraussetzungen der Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB vor. Wie ausgeführt, traf die Beklagte die (miet-)vertragliche Nebenpflicht, den Weg von dem Haus zur Straße zu räumen und zu streuen. Dem steht weder entgegen, dass im Mietvertrag ein Umlageschlüssel für die Kosten der Schneebeseitigung und des Streuens bei Glatteis nach dem "Eigentumsanteil" vereinbart war, noch kommt es für die vorgenannte vertragliche Nebenpflicht darauf an, wen die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht traf. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die die Beklagte demnach treffende (Vertrags-)Pflicht auch nicht auf eine bloße Mitwirkung an der Überwachung und Kontrolle der Streithelferin beschränkt, sondern die Beklagte hatte nach § 280 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 278 Satz 1 Alt. 2 BGB das Verschulden der Streithelferin als ihrer Erfüllungsgehilfin bei der Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden.

323. Da sich eine Haftung der Beklagten demnach schon unmittelbar aus der Verletzung mietvertraglicher Pflichten ergibt, kommt es auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob die Beklagte (auch) in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft deliktisch haftet (offen gelassen von , NJW 2020, 1798 Rn. 7), nicht an.

III.

33Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.

Dr. Bünger                         Kosziol                         Dr. Liebert

                   Dr. Matussek                     Messing

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060825UVIIIZR250.23.0

Fundstelle(n):
FAAAK-01938