Instanzenzug: Az: 5 U 4819/19vorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 10 O 2474/18
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch. Er erwarb im August 2015 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten Mercedes-Benz C 250, der mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist.
2Der Kläger, dessen Klage in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben ist, hat im Wesentlichen verlangt, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge in der zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Fassung weiter.
Gründe
3Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Das Landgericht habe einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 826 BGB zu Recht verneint, denn es fehle an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Der Kläger habe weder behauptet, dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung in Abhängigkeit davon aktiviert oder deaktiviert würde, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den NEFZ-Zyklus durchlaufe oder unter vergleichbaren Bedingungen im wirklichen Straßenverkehr gefahren werde, noch habe er dargetan, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein gehandelt hätten, unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätten.
6Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV scheitere insbesondere daran, dass diese Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellten.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.
81. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:071025UVIAZR547.21.0
Fundstelle(n):
YAAAK-01923