Verfahrensrecht | Gewährung von Aussetzung der Vollziehung wegen unzureichender Aktenvorlage durch das Finanzamt (FG)
Das FG Münster hat Aussetzung der
Vollziehung für ein Einspruchsverfahren gewährt, weil das Finanzamt
unvollständige Akten in Bezug auf eine durchgeführte Steuerfahndungsprüfung
vorgelegt hatte ().
Sachverhalt: Der Antragsteller war in den Streitjahren zu 50 % an einer GmbH beteiligt und zugleich deren Geschäftsführer. Bei der GmbH wurden eine Steuerfahndungsprüfung und vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eine Amtsbetriebsprüfung durchgeführt. Auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen er verdeckte Gewinnausschüttungen aus der GmbH als Kapitalerträge erfasste. Hiergegen legte der Antragsteller Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Einspruchsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Zur Begründung seines bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags trug der Antragsteller vor, dass die Bescheide nicht hinreichend begründet seien und die Hinzuschätzungen, die zu den verdeckten Gewinnausschüttungen geführt hätten, unzutreffend seien. Außerdem habe das Betriebsstättenfinanzamt die Körperschaftsteuerbescheide gegenüber der GmbH von der Vollziehung ausgesetzt. Hiergegen verwies der Antragsgegner im Wesentlichen auf die Prüfungsberichte, die er dem Gericht jedoch trotz Aufforderung nicht vorlegte.
Das FG Münster setzte die geänderten Einkommensteuerbescheide vollumfänglich ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus:
Nach gebotener summarischer Prüfung bestehen auf der Grundlage der dem Gericht vorliegenden Unterlagen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Dies folgt entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht bereits daraus, dass die gegenüber der GmbH erlassenen Körperschaftsteuerbescheide im Hinblick auf die dort angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen möglicherweise von der Vollziehung ausgesetzt wurden.
Ein Körperschaftsteuerbescheid stellt im Hinblick auf eine verdeckte Gewinnausschüttung keinen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters dar (, BStBl. II 2013, 149). § 32a Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes stellt lediglich eine formelle Änderungsvorschrift dar, enthält aber keine materielle Bindungswirkung.
Allerdings hat der Antragsgegner, der für steuererhöhende Umstände wie verdeckte Gewinnausschüttungen die objektive Feststellungslast trägt, die Voraussetzungen für deren Ansatz nicht hinreichend schlüssig dargelegt.
Dem Gericht sind so gut wie keine Unterlagen, Akten oder präsente Beweismittel zur streitigen Frage der Hinzuschätzungen und der damit begründeten verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegt worden.
Da dem Gericht nicht einmal die Prüfungsberichte vorliegen, ist eine Überprüfung der Zurechnung von auf Hinzuschätzungen basierenden verdeckten Gewinnausschüttungen nicht ansatzweise möglich. Die Prüfungsberichte sind aber das Minimum dessen, was dem Gericht für eine Entscheidung im summarischen Verfahren vorzulegen ist.
Eventuelle Schwierigkeiten, entsprechende Unterlagen bei anderen Finanzämtern zu beschaffen, muss der Antragsgegner gegen sich gelten lassen. Etwaige Bedenken hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses sind im Streitfall nicht nachvollziehbar, da es sich bei dem Antragsteller um einen ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gehandelt hat. Außerdem ist eine Offenbarung in einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig.
Mit den Ausführungen des Antragstellers hat sich das Gericht mangels Überprüfungsmöglichkeit nicht auseinandersetzen können. Dies ist Aufgabe des Antragsgegners im laufenden Einspruchsverfahren, in dem eine Gesamtüberprüfung geboten ist.
Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung hat der Senat abgesehen, da der Antragsgegner keine konkreten Umstände dargelegt hat, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation der Antragsteller zulassen.
Der Volltext des Beschlusses ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.
Quelle: FG Münster, Newsletter Oktober 2025 sowie (il)
Fundstelle(n):
PAAAK-01871