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BGH Urteil v. - VIa ZR 73/23

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 10 U 81/22vorgehend LG Bamberg Az: 44 O 84/22

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Februar 2017 einen von der Beklagten hergestellten neuen Audi Q7 TDI, der mit einem Dieselmotor vom Typ V6 EA 897 Gen2Evo (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

2Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Es ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren sei. Es könne unterstellt werden, dass das verbaute "Thermofenster" als objektiv unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren sei. Der darin liegende unterstellte Gesetzesverstoß reiche nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Hierfür habe es vielmehr weiterer Umstände bedurft, an denen es im Streitfall fehle. Für das Vorhandensein der übrigen vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen fehlten greifbare Anhaltspunkte.

6Dem Kläger stehe auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu. Diese Regelungen der EG-FGV stellten keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liege.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11BGHZ 237, 245)

C. Fischer                            Möhring                            Messing

                     F. Schmidt                            Pastohr

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:081025UVIAZR73.23.0

Fundstelle(n):
PAAAK-01832