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BGH Urteil v. - VIa ZR 423/22

Instanzenzug: Az: 16 U 165/21vorgehend LG Aachen Az: 1 O 100/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Dezember 2015 von einer dritten Person einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten BMW 530d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe N 57 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

2Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er seine Anträge erster Instanz im Wesentlichen weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Der vom Kläger in der Hauptsache geltend gemachte Schadensersatzanspruch folge insbesondere nicht aus den §§ 826, 31 BGB zu. Denn er habe nicht schlüssig dargetan, dass der Motor N 57 des von ihm erworbenen Fahrzeugs eine die Typengenehmigung gefährdende unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer Software aufweise, die den Prüfstand erkenne und die Abgasreinigung ausschließlich während des Prüfstandbetriebs in einer gegenüber dem Normalbetrieb emissionsreduzierenden Weise regele.

6Entgegen der Auffassung des Klägers bestehe auch kein Schadensersatzanspruch nach den § 823 Abs. 2, § 31 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, denn bei den betreffenden Regelungen handle es sich nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

II.

7Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt auch keine konkreten Einwände.

92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

12Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                           Brenneisen                           Messing

                    Katzenstein                          F. Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300925UVIAZR423.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAK-01671