Instanzenzug: Az: I-23 U 215/22vorgehend LG Duisburg Az: 22 O 10/22
Gründe
I.
1 Die Klägerin verlangt von der Beklagten Vergütung für Verwaltertätigkeiten hinsichtlich des Objekts h. (kurz: h. ) in Meschede für den Zeitraum Mai bis Oktober 2021.
2 Im März 2018 bat die Prokuristin der F. AG und der Beklagten unter Beifügung einer Mietübersicht "Mietsoll-Liste 02/2018" die Klägerin um die Abgabe eines Angebots für das kaufmännische und technische Management des Objekts. Daraufhin übersandte die Klägerin ein Angebot, dem als Anlage 2 ein "Preisblatt Regel- und Zusatzleistungen - h. Meschede" beigefügt war. Am schlossen die Klägerin als Auftragnehmer und die Beklagte als Auftraggeber sodann einen "Immobilien-Management-Vertrag" (im Folgenden auch: Vertrag), der in § 7 zur Vergütung Folgendes enthält:
"7.1 Der Auftragnehmer erhält ab dem unter Bezugnahme auf die als Anlage 2 und 3 zum Verwaltervertrag beigefügten Preisblätter und Leistungsbeschreibungen eine monatliche Vergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:
4% der Nettokaltsollmieten zuzüglich der gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer von den vermieteten Einheiten und Werbeflächen sowie
1% der Nettokaltsollmieten zuzüglich der gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer der vermietbaren Leerstandsflächen auf der Basis der zuvor mit dem Vermieter festgelegten Plansollmieten.
7.2 Vor Vertragsbeginn erhält der Auftragnehmer für die körperliche Objektaufnahme und kaufmännische Einrichtung der Objektverwaltung ferner eine einmalige Zahlung in Höhe einer Monatspauschale i.H.v. 5.000,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer, die zum fällig wird.
7.3 Die Vergütung ab dem ist im jeweiligen Folgemonat zum Monatsanfang gegen Vorlage einer entsprechenden Rechnung zahlbar. Der Auftragnehmer ist nur mit Abstimmung des Auftraggebers berechtigt, den als Vergütung zu zahlenden Betrag vom Management-Konto des Auftraggebers zu entnehmen."
3 Bei der als Anlage 2 bezeichneten Unterlage handelt es sich um eine mit "Vergütung der Regelleistungen für F. AG" überschriebene Vergütungsberechnung, die eine monatliche Nettovergütung von 5.084,27 € beziehungsweise von 6.050,28 € brutto ausweist. Die Beklagte überwies von Beginn der Verwaltungstätigkeit am an bis zum Mai 2019 monatlich den vorgenannten Bruttobetrag. Auch nach Einführung des Immobilien-Management-Kontos im Mai 2019 erfolgten entsprechende Zahlungen. Zahlungen von Mai bis Oktober 2021 leistete die Beklagte nicht mehr. Der Vertrag endete vorzeitig einvernehmlich zum .
4 Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Beklagte als Vergütung für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2021 weiterhin den bislang gezahlten und in Anlage 2 niedergelegten Betrag in Höhe von 5.084,27 € netto beziehungsweise 6.050,28 € brutto pro Monat schulde. Eine dementsprechende Jahresdauerrechnung wurde von ihr unter dem erstellt. Dem tritt die Beklagte entgegen, die sich auf die Regelung in § 7 des Vertrags beruft. Anfang 2021 sei ihr unter anderem im Zusammenhang mit der Prüfung der Unterlagen und anlässlich der Rückfragen zur Wirtschaftsplanung aufgefallen, dass die Vergütung nicht vertragskonform abgerechnet und veranschlagt worden sei, weshalb sie die Zahlung eingestellt habe.
II.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Beschlusswege zurückgewiesen, nachdem es zuvor auf diese Absicht hingewiesen hatte. Zur Begründung hat es im Hinweisbeschluss unter anderem ausgeführt:
6 Das Landgericht gehe im Ausgangspunkt zutreffend vom Wortlaut der Vereinbarung vom aus. Danach könne die Klägerin von der Beklagten keine monatliche Pauschalvergütung von 6.050,28 € und damit für die Monate Mai bis Oktober 2021 nicht insgesamt 36.301,68 € beanspruchen. Die Vergütung sei vielmehr auf der Grundlage der Nettokaltsollmieten beziehungsweise für die Leerstandsflächen auf der Grundlage der Nettokaltplanmieten zu berechnen. Zwar könne sich auch - bei entsprechenden Anhaltspunkten - ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis der vertraglichen Regelung ergeben. Allein aus dem Umstand, dass in § 7 des Vertrags auch auf die als Anlagen 2 und 3 beigefügten Preisblätter und Leistungsbeschreibungen Bezug genommen werde, ergebe sich dies jedoch nicht. Anlage 2 weise zwar als monatliche Vergütung für die Regelleistungen einen Betrag in Höhe von 6.050,28 € aus. In die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung sei der Betrag jedoch nur hinsichtlich der körperlichen Objektaufnahme und kaufmännischen Einrichtung der Objektverwaltung vor Vertragsbeginn (als Nettobetrag) aufgenommen worden. Hinzu komme, dass in der Anlage 2 nicht nur auf die monatlichen Sollmieten, Stand Februar 2018, verwiesen werde, sondern auch darauf, dass sich daraus "aktuell" ein Gesamtbetrag von 127.106,80 € errechne. Auch das weise darauf hin, dass kein feststehender Pauschalbetrag geschuldet sein solle. Vor dem Hintergrund des Zustandekommens des Vertrags im März/April 2018 lasse sich ein übereinstimmender Parteiwille abweichend vom Wortlaut der vertraglichen Regelung ebenfalls nicht feststellen.
7 Etwas anderes folge auch nicht aus einer Gesamtschau mit den übrigen Umständen, unter anderem der Zahlung des monatlichen Verwalterhonorars in Höhe von 5.084,28 € netto bis Anfang 2021. Ebenso wenig lege die Klägerin in der Berufungsbegründung einen - abweichend von einem monatlichen Pauschalbetrag - geschuldeten Zahlungsanspruch schlüssig dar. Ungeachtet der Höhe der Jahressollmieten weiche die Berechnung der Klägerin, die sich nur pauschal auf gleichbleibende Leerstandsflächen berufe, schon hinsichtlich dieser Leerstände von dem ab, was die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer Berechnung gemäß Anlage L 1 ihrer Klageerwiderung jeweils für die einzelnen Jahre zugrunde gelegt habe.
8 Im Zurückweisungsbeschluss hat das Berufungsgericht auf seine Ausführungen im Hinweisbeschluss Bezug genommen und diese unter anderem wie folgt ergänzt:
9 Nicht erheblich sei, ob die Klägerin eine Pauschalvergütung geltend mache, was sie in ihrer Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss ausdrücklich verneine, oder eine "minimale Konstante" beziehungsweise ein "Fixum". Auch eine solche "Konstante" beziehungsweise ein solches "Fixum" lasse sich der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht entnehmen, auch nicht in Ansehung der in Anlage 2 (Preisblatt Regel- und Zusatzleistungen - h. Meschede) in Bezug genommenen Mietsoll-Liste 02/2018. Diese habe zwar ausweislich des Preisblattes als Grundlage dienen, jedoch keine unveränderliche Größe darstellen sollen, wie das Datum "Februar 2016" und der Hinweis auf "aktuell" belegten. Hinzu komme, dass der Vertrag in § 7 zwischen vermieteten Einheiten und vermietbaren Leerstandsflächen differenziere. Auch in Bezug auf die jeweiligen Leerstandsflächen habe die Klägerin einen geschuldeten Zahlungsanspruch für ihre Tätigkeiten im Zeitraum Mai bis Oktober 2021 nicht schlüssig dargelegt.
10 Im Übrigen hat das Berufungsgericht auf seine Ausführungen im Hinweisbeschluss auch insoweit verwiesen, als sich die Klägerin erneut auf die "gelebte Vergütungsregelung" beruft. Soweit die Klägerin nunmehr - neu - auf einen Schriftverkehr zwischen den Parteien nebst Budgetplan 2021 Bezug nehme, könne dahinstehen, ob dieser Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO beachtlich sei. Denn ungeachtet der Frage der Verspätung zeige dies nur, dass in den Plan im Januar 2021 der Betrag (netto) eingestellt worden sei, den die Klägerin nunmehr monatlich (brutto) geltend mache, nicht jedoch, ob die Klägerin auch einen entsprechenden Anspruch habe.
11 Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch in vollem Umfang weiter.
III.
12 Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit in entscheidungserheblicher Weise verletzt, als es den von ihr als Zeugen benannten Rechtsanwalt S. P. nicht vernommen hat.
131. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Partei in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (zB: , NJW 2012, 1647 Rn. 14; Beschlüsse vom - VI ZR 225/16, VersR 2017, 966 Rn. 7 und vom - VI ZR 323/23, NJW-RR 2025, 378 Rn. 9). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (Senat, Urteil vom - III ZR 287/23, NJW 2024, 3077 Rn. 14; aaO).
142. So liegt es im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch beweisbewehrten Sachvortrag nur unvollkommen zur Kenntnis genommen und einem erheblichen Beweisangebot nicht nachgegangen ist.
15 a) Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss unter anderem vorgetragen, es sei - wie dem E-Mail-Verkehr aus Januar 2021 zu entnehmen sei - der auf Klägerseite sachbearbeitend zuständige Rechtsanwalt S. P. gewesen, der mit dem Geschäftsführer der Beklagten den Budgetplan 2021 "näher erörterte, prüfte und die für das Geschäftsjahr 2021 weiterhin auch hier streitgegenständlichen Honorarforderungen vereinbarte". Zum Beweis hierfür hat sich die Klägerin auf das Zeugnis des Rechtsanwalts S. P. berufen.
16 b) Auf das Vorbringen der Klägerin, Rechtsanwalt S. P. habe mit dem Geschäftsführer der Klägerin eine Vereinbarung über das geltend gemachte Honorar für das Geschäftsjahr 2021 getroffen, ist das Berufungsgericht im Zurückweisungsbeschluss nicht eingegangen; eine Beweisaufnahme ist nicht erfolgt. Dass aus der Sicht des Berufungsgerichts dieser Sachvortrag, zu dem Zeugenbeweis angeboten worden ist, nicht entscheidungserheblich wäre, lässt sich dem Zurückweisungsbeschluss nicht entnehmen. Das Schweigen des Berufungsgerichts bei seiner Befassung mit der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss lässt nur den Schluss zu, dass der Vortrag der Klägerin nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet worden ist. Auch das zugehörige Beweisangebot ist erheblich. Weshalb nicht in die Beweisaufnahme eingetreten worden ist, ergibt sich aus dem Zurückweisungsbeschluss ebenfalls nicht (vgl. aaO Rn. 16).
17 c) Ob hier eine Zurückweisung des Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 ZPO in Betracht gekommen wäre, muss der Senat dahinstehen lassen, weil eine solche im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nachgeholt werden kann (vgl. BGH aaO Rn. 17 mwN).
183. Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei (hinreichender) Befassung mit dem Vortrag der Klägerin und gegebenenfalls der Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt S. P. zu einer anderen Beurteilung des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs gelangt wäre.
IV.
19 Die angefochtene Entscheidung kann folglich keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.
Herrmann Herr
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250925BIIIZR297.23.0
Fundstelle(n):
EAAAK-01665