Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 8 U 101/19vorgehend LG Frankenthal Az: 7 O 14/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Januar 2016 von einer dritten Person einen von der Beklagten hergestellten BMW X3 2,0d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe B 47 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
2Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen und Freistellung von Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Gründe
3Die Revision hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Es bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines "Thermofensters" verbaut sei, so reiche dies nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein objektiv sittenwidriges Gepräge zu geben. Auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers arbeite das "Thermofenster" auf dem und außerhalb des Prüfstands gleich und unterscheide sich somit von der im Motor EA 189 verwendeten Software. Damit fehle es an einer die arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörde indizierenden Prüfstandserkennung und auch an einem Schädigungsvorsatz.
6Soweit der Kläger seine Klage auf Ansprüche auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 27 EG-FGV stütze, gehe dies fehl, denn bei den Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV handele es sich nicht um Schutzvorschriften im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, die den Kläger vor der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit schützen wollten.
II.
7Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insofern auch keine konkreten Einwände.
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300925UVIAZR372.22.0
Fundstelle(n):
GAAAK-01660