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BGH Beschluss v. - StB 46/25

Gründe

I.

1Vor dem 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist gegen den Angeklagten und weitere Mitangeklagte ein Strafverfahren unter anderem wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB anhängig.

2Dem in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten ist im Dezember 2022 Rechtsanwalt S.                und im Januar 2023 Rechtsanwalt H.          als Pflichtverteidiger bestellt worden. Mit ist die Beiordnung von Rechtsanwalt H.          aufgehoben und Rechtsanwalt K.          als neuer Pflichtverteidiger beigeordnet worden; Rechtsanwalt H.          ist weiterhin als Wahlverteidiger mandatiert.

3Am hat Rechtsanwalt K.         mitgeteilt, er werde am Hauptverhandlungstermin vom nicht erscheinen. Er hat beantragt, Rechtsanwalt H.          für diesen Termin als Pflichtverteidiger zu bestellen.

4Die Hauptverhandlung ist am fortgesetzt worden. Der Angeklagte war an diesem Tag durch seinen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S.                und seinen Wahlverteidiger H.           verteidigt. Letztgenannter hat beantragt, ihn für den Hauptverhandlungstag als Pflichtverteidiger zu bestellen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des mit der Sache befassten Staatsschutzsenats mit in der Hauptverhandlung verkündetem Beschluss vom abgelehnt. In der anschließend fortgesetzten Hauptverhandlung waren die Rechtsanwälte S.                  und H.          durchgängig anwesend.

5Gegen die Entscheidung des Senatsvorsitzenden vom wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom .

II.

6Die sofortige Beschwerde ist als Rechtsmittel des Angeklagten zu verstehen (§ 300 StPO), auch wenn sie ausdrücklich im Namen des Wahlverteidigers erhoben worden ist. Denn der Beschwerdebegründung ist noch hinreichend zu entnehmen, dass die Verletzung der Rechte des Angeklagten geltend gemacht wird (vgl. ‒ StB 5/22, StraFo 2022, 285 mwN).

III.

7Die gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 311 StPO statthafte, fristgerechte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob mit Blick auf die „PKH-Richtlinie“ (Richtlinie [EU] 2016/1919) eine rückwirkende Bestellung möglich ist (offen gelassen von ‒ StB 26/22, NStZ-RR 2022, 357, 358; bejahend ‒ Ws 962/20 u.a., StraFo 2021, 71, 72; aA Brandenburgisches ‒ 1 Ws 19/20 u.a., NStZ 2020, 625 Rn. 7 mwN; ebenso für die Zeit vor Geltung der EU-Richtlinie ‒ 1 StR 344/08, NStZ-RR 2009, 348; ‒ 2 Ws 86/13 u.a., juris Rn. 5; ‒ 1 ARs 1/15, juris Rn. 8 mwN). Denn der Vorsitzende des mit der Sache befassten Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts hat die Bestellung von Rechtsanwalt H.          als zusätzlichen Pflichtverteidiger zu Recht abgelehnt.

81. In einem solchen Fall prüft das Beschwerdegericht, ob der Vorsitzende des Erstgerichts die Grenzen seines Beurteilungsspielraums zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 StPO eingehalten und sein Entscheidungsermessen („können“) fehlerfrei ausgeübt hat (, NStZ-RR 2024, 178, 179 mwN).

92. Daran gemessen ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden. Dieses ist unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen davon ausgegangen, dass zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Hinzuziehung eines weiteren Verteidigers am Hauptverhandlungstag nicht erforderlich sei. Dabei hat es im Rahmen der vorgenommenen Abwägung in den Blick genommen, dass der Angeklagte an diesem Tag durch den Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S.                 und seinen Wahlverteidiger Rechtsanwalt H.          vertreten war. Nachvollziehbar hat der Vorsitzende vor diesem Hintergrund die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers abgelehnt. Ferner begründen die Umstände, dass Rechtsanwalt H.          bereits an zwei Hauptverhandlungstagen im Jahr 2024 beigeordnet und in vergleichbaren Fällen in entsprechender Weise bei Mitangeklagten verfahren worden ist, weder aus Gründen des Vertrauensschutzes noch der Gleichbehandlung seine Bestellung. Auch insoweit hat der Vorsitzende weder die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten noch sein Entscheidungsermessen fehlerhaft ausgeübt.

103. Im Übrigen sind die Rechte des Angeklagten auf eine effektive Verteidigung (s. Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK) und ein faires Verfahren (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) durch die Bestellung der Pflichtverteidiger S.                und K.        hinreichend gewahrt.

Berg                                Hohoff                                Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170925BSTB46.25.0

Fundstelle(n):
AAAAK-01328