Instanzenzug: Az: 22 KLs 3/24 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen, davon in einem Fall in elf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und in einem Fall in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und mit Cannabis sowie wegen Handeltreibens mit Cannabis in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Den Anklagten R. hat es wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen, davon in einem Fall in elf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und in einem Fall in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I. Revision des Angeklagten O.
21. Die Verurteilung des Angeklagten O. wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen (Fälle II.A.1 und II.A.2 der Urteilsgründe) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts vermittelte der Angeklagte O. dem gesondert Verfolgten I. gegen ein Zahlungsversprechen von 5.000 Euro den gesondert Verfolgten Re. als Fahrer für künftige Schleusungsfahrten. Re. brachte als Fahrer bei einer Schleusungsfahrt elf Personen (Fall II.A.1) und bei einer weiteren Fahrt sechs Personen (Fall II.A.2) über die Grenze nach Österreich, die als Staatsangehörige von Drittstaaten nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels waren.
4b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch insoweit nicht.
5aa) Sie ergeben, dass der Angeklagte O. des Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AufenthG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom schuldig ist. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Angeklagte Hilfe im Sinne des § 96 Abs. 1 AufenthG geleistet hat. Die Hilfeleistung muss nicht unmittelbar den Grenzübertritt fördern; vielmehr reicht eine Unterstützung im Vorfeld der Einreise aus, wenn sie den Grenzübertritt ermöglicht oder erleichtert (vgl. Rn. 3 mwN). Nach den Grund-sätzen zur sogenannten Kettenbeihilfe genügt es für die Tatbestandserfüllung des § 96 Abs. 1, Abs. 4 AufenthG auch, dass sich die Unterstützungshandlung auf die Förderung der Hilfeleistung eines anderen – hier auf die Unterstützung des gesondert Verfolgten I. ‒ beschränkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 144/12 Rn. 3; vom – 1 StR 289/20 Rn. 69; Urteil vom – 5 StR 490/24 Rn. 32).
6Das Landgericht hat jedoch nicht bedacht, dass nach §§ 96, 97 AufenthG Handlungen, die nach den allgemeinen Regeln als Teilnahmehandlungen anzusehen sind, zur Täterschaft erhoben werden (vgl. ‒ 5 StR 490/24 Rn. 36). Der Angeklagte ist daher nicht der Beihilfe, sondern des Einschleusens von Ausländern schuldig.
7bb) Zudem hat der Angeklagte O. den Qualifikationstatbestand des § 97 Abs. 2 AufenthG nicht verwirklicht. Denn das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass er Mitglied einer Bande war. Auch gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 96 Abs. 2 AufenthG ist nicht festgestellt.
8cc) Schließlich begegnet auch die konkurrenzrechtliche Bewertung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Hilfeleistung darin gesehen, dass der Angeklagte O. dem gesondert verfolgten I. einen Fahrer vermittelte. Fördert eine Handlung – wie hier – gleichzeitig mehrere rechtlich selbständige Taten der unerlaubten Einreise, liegt nach allgemeinen Grundsätzen nicht Tatmehrheit, sondern Tateinheit vor (vgl. Rn. 2).
9dd) Der Senat schließt aus, dass Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 96 Abs. 2 AufenthG tragen können, und stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO um. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der insoweit geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sieht der Senat davon ab, die gleichartige Tateinheit in der Entscheidungsformel zum Ausdruck zu bringen.
10ee) Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der beiden Einzelstrafen. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht darf bei der Festsetzung der neuen Einzelstrafe die Summe der beiden bisherigen Einzelstrafen nicht überschreiten (vgl. ‒ 1 StR 106/22 Rn. 10).
112. Der Strafausspruch hält auch im Fall II.B.1 (Fall IV.1 der Anklageschrift) der Urteilsgründe revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat nicht bedacht, dass die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel bzw. Cannabisprodukte aufgrund der polizeilichen Sicherstellung nicht in den Verkehr gelangt sind. Dieser Umstand ist beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 588/89; vom – 5 StR 383/14; vom – 2 StR 23/25 Rn. 4) und beim Handeltreiben mit Cannabis (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 23/25 Rn. 4; vom – 3 StR 305/24 Rn. 3) ein bestimmender Strafzumessungsgrund. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu geringeren Einzelstrafen gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.
123. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
134. Die Einziehungsanordnungen halten im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
14Zwar kann die Anordnung der Einziehung des bei der Durchsuchung am sichergestellten Bargeldes – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht auf § 73 Abs. 1 StGB gestützt werden, weil das sichergestellte Bargeld nicht aus verfahrensgegenständlichen Taten herrührte. Die Urteilsgründe ergeben aber, dass insoweit die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 StGB vorliegen (vgl. auch Rn. 8). Denn der Angeklagte O. hat eingeräumt, dass dieses sichergestellte Bargeld „sein Verkaufserlös aus Drogenhandel“ war; eine Zuordnung zu einer oder mehreren konkret nachweisbaren Taten ist nach den Urteilsgründen auszuschließen.
II. Revision des Angeklagten R.
15Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten R. ergeben; jedoch fasst der Senat den Schuldspruch aus Gründen der Übersichtlichkeit neu und lässt die Kennzeichnung gleichartiger Tateinheit bei den abgeurteilten Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern entfallen.
16Der Strafausspruch im Fall II.B.2 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat auch insoweit nicht strafmildernd berücksichtigt, dass das zum Handeltreiben bestimmte Kokain polizeilich sichergestellt wurde und nicht in den Verkehr gelangt ist.
17Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Bartel Tiemann von Schmettau
Arnoldi Dietsch
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100625B6STR163.25.0
Fundstelle(n):
OAAAK-00976