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BGH Urteil v. - 3 StR 586/24

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 4 KLs 67/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten A.        wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Erwerb von Betäubungsmitteln (Fälle B. I. 5. und 6. der Urteilsgründe [im Folgenden: Fälle I. 5. und 6.]), wegen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen (Fälle I. 2. bis 4.), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Erwerb von Cannabis, mit „unerlaubter“ Weitergabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (Fälle I. 2. und 3.), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Erwerb von Cannabis (Fall I. 4.), sowie wegen „unerlaubten“ Erwerbs von Cannabis in Tateinheit mit „unerlaubter“ Weitergabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (Fall I. 1.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 13.562 € angeordnet. Von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen.

2Den Angeklagten Y.        hat es wegen Handeltreibens mit Cannabis in elf Fällen (Fälle I. 1. bis 3., II. 1., 3. bis 9.), davon in einem Fall (Fall II. 3.) in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 30.031 € und seines PKW angeordnet.

3Den Angeklagten K.     hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 10.) und wegen Handeltreibens mit Cannabis in sechs Fällen (Fälle II. 4. bis 9.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.200 € sowie seines PKW angeordnet.

4Die Angeklagte N.             hat es wegen Besitzes von Cannabis in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (Fälle II. 2., 4. und 9.), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat.

5Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten erhobenen Revisionen jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

6Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

71. a) Der Angeklagte A.        erwarb am im Auftrag des Angeklagten Y.        90 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 10,8 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Der Angeklagte A.        reichte das von ihm zuvor bezahlte Cannabis umgehend an den Angeklagten Y.        ohne Preisaufschlag und gegen Barzahlung weiter, der es anschließend gewinnbringend weiterverkaufte (Fall I. 1.).

8b) Rechtlich hat das Landgericht dieses Geschehen für den Angeklagten A.        als Erwerb von Cannabis in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Weitergabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, 7 Alternative 2, Nr. 12 Buchst. a Alternative 1 KCanG, § 27 StGB und für den Angeklagten Y.        als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG gewertet.

92. a) Am erwarb der Angeklagte A.        erneut auf Bitte des Angeklagten Y.        ein Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 120 Gramm THC. Auch dieses Marihuana reichte der Angeklagten A.       , nachdem er es zuvor bezahlt hatte, zum Selbstkostenpreis und gegen Barzahlung an den Angeklagten Y.        weiter, der es wiederum gewinnbringend absetzte. Eine Teilmenge von 50 Gramm veräußerte der Angeklagte Y.        etwa einen Monat später mit Gewinn an den Angeklagten A.        zurück, der hiervon 10 Gramm zum Eigenkonsum verwendete und 40 Gramm weiterverkaufte (Fall I. 2.; Anklagevorwürfe I. 2. und 3.).

10b) Rechtlich hat das Landgericht dieses Geschehen für den Angeklagten A.        als Erwerb von Cannabis in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Weitergabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 und 7 Alternative 2, Nr. 12 Buchst. a Alternative 1 KCanG, § 27 StGB und in weiterer Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG gewertet. Insoweit ist die Strafkammer bezüglich aller Tathandlungen einschließlich des Rückkaufs von einer Bewertungseinheit ausgegangen. Betreffend den Angeklagten Y.        hat es das Geschehen als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG gewürdigt.

113. a) Die Angeklagten A.        und Y.        kamen Ende Januar 2023 überein, gemeinsam 1 Kilogramm Marihuana zu erwerben, wobei jeder die Hälfte des Kaufpreises zahlen sollte, um auf diese Weise günstigere Konditionen zu erhalten. Absprachegemäß erwarb der Angeklagte A.        am 1 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 120 Gramm THC und übergab dem Angeklagten Y.        dessen Anteil von 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 60 Gramm THC. Beide veräußerten ihre Teilmengen anschließend an verschiedene Abnehmer. Jedoch behielt der Angeklagte A.       , wie von Anfang an beabsichtigt, 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum (Fall I. 3.).

12b) Das Landgericht hat dieses Geschehen in rechtlicher Hinsicht für die Angeklagten A.        und Y.        jeweils als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG und für den Angeklagten A.        zudem in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Erwerb von Cannabis, Weitergabe von Cannabis und Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, 7 Alternative 2, Nr. 12 Buchst. a Alternative 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB gewertet.

134. a) Der Angeklagte A.        einigte sich mit einem gesondert Verfolgten über den Erwerb von einem Kilogramm Marihuana, um hiervon 900 Gramm gewinnbringend zu verkaufen und 100 Gramm zum Eigenkonsum für sich und seine Lebensgefährtin zu verwenden. Das am 2. und in zwei Teillieferungen an den Angeklagten A.        übergebene Cannabis hatte einen Wirkstoffgehalt von 16 % und eine Wirkstoffmenge von 160 Gramm THC. Mindestens 236 Gramm aus der erworbenen Gesamtmenge verkaufte der Angeklagte A.        anschließend weiter. 26 Gramm konsumierten er und seine damalige Lebensgefährtin. Der Restbestand wurde im Rahmen einer späteren Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A.        sichergestellt (Fall I. 4.).

14b) Dieses Handeln des Angeklagten A.        hat das Landgericht rechtlich als Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 und 12 Buchst. a Alternative 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG, § 52 StGB gewürdigt.

155. a) Im Zeitraum von Ende Januar 2023 bis zum erwarb der Angeklagte A.        an zwei nicht mehr genau bestimmbaren Tagen jeweils 30 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von wenigstens 80 % und einer Wirkstoffmenge von 24 Gramm Kokainhydrochlorid (CoHCl). Hiervon behielt er pro Einkauf 6 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 4,8 Gramm CoHCl für sich sowie seine Lebensgefährtin zum Eigenkonsum und veräußerte den Rest gewinnbringend weiter (Fälle I. 5. und 6.).

16b) Diesen Sachverhalt hat die Strafkammer in rechtlicher Hinsicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, nach § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 52 StGB gewertet.

176. a) Der Angeklagte Y.        erwarb am 1./ von einem gesondert Verfolgten 1 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 100 Gramm THC (Fall II. 1.). In der Folgezeit kaufte der Angeklagte Y.        in sechs weiteren Fällen jeweils vom Angeklagten K.     Marihuana (Fällen II. 4. bis 9.), nämlich Ende Januar/Anfang Februar 2023 1 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 120 Gramm THC (Fall II. 4.), am 1. und jeweils 150 Gramm Marihuana mit einer jeweiligen Wirkstoffmenge von 18 Gramm THC (Fälle II. 5. und 6.), am weitere 200 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 24 Gramm THC (Fall II. 7.), am 500 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 76 Gramm THC (Fall II. 8.) und letztlich am aus K.    s Handelsbestand von 783,78 Gramm Marihuana 494 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 52,37 Gramm THC (Fall II. 9.). Das letztgenannte Cannabis wurde am selben Tag von der Polizei sichergestellt. In allen übrigen Fällen veräußerte der Angeklagte Y.         das Marihuana an seine Abnehmer, wobei er im Fall II. 8. nur eine Teilmenge von 343 Gramm verkaufte.

18b) Rechtlich hat die Strafkammer die Geschehnisse für den Angeklagten Y.        als Handeltreiben mit Cannabis in sieben Fällen und für den Angeklagten K.     als Handeltreiben mit Cannabis in sechs Fällen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG, § 53 StGB gewürdigt und zudem bei den Taten II. 1., 4., 7. bis 9. jeweils das Regelbeispiel der nicht geringen Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG bejaht.

197. a) Im Januar 2023 veräußerte der Angeklagte Y.        an einen gesondert Verfolgten als Zwischenhändler bzw. „Läufer“ mindestens 50 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12 % und einer Wirkstoffmenge von 6 Gramm THC, um dieses gewinnbringend an Endabnehmer zu verkaufen. Im Rahmen von Verkaufsverhandlungen des gesondert Verfolgten gelang es dem späteren Geschädigten, sich ohne Bezahlung in den Besitz des Cannabis zu bringen. Der hierüber in Kenntnis gesetzte Angeklagte Y.        suchte den späteren Geschädigten auf und forderte von diesem neben der Entrichtung des Kaufpreises die Zahlung eines Strafgeldes, wobei ihm bewusst war, dass er hierauf keinen Anspruch hatte. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, schlug er dem Geschädigten mit der flachen Hand ins Gesicht. Auf dessen Bitte gewährte der Angeklagte ihm einen Zahlungsaufschub. Entgegen seiner Erwartung zahlte der Geschädigte jedoch nicht (Fall II. 3.).

20b) Diesen Sachverhalt hat das Landgericht als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit versuchter räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255, 22, 23 StGB gewertet.

218. a) Der Angeklagte K.     hielt am in seiner Wohnung insgesamt 24,09 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 21,9 Gramm CoHCl vor, um es gewinnbringend zu verkaufen (Fall II. 10.).

22b) In rechtlicher Hinsicht hat die Strafkammer dies als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG).

239. a) Die Angeklagte N.             bunkerte in drei Fällen für Dritte Marihuana in ihrer Wohnung, nämlich in der Zeit zwischen dem bis Anfang Dezember 2022 für einen gesondert Verfolgten 2 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 240 Gramm THC (Fall II. 2.) und jeweils für den Angeklagten K.     im Januar 2023 1 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 120 Gramm THC (Fall II. 4.) sowie im April 2023 weitere 710,88 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 10,6 % THC (Fall II. 9.).

24b) Diese Tathandlungen hat die Strafkammer betreffend die Angeklagte N.             als Besitz von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in drei Fällen nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, §§ 27, 52, 53 StGB gewürdigt.

2510. In ihre Strafzumessung hat die Strafkammer für sämtliche Angeklagte eingestellt, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG jeweils 20 Gramm THC betrage.

II.

261. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben teilweise Erfolg. Das Rechtmittel betreffend den Angeklagten A.        führt für ihn in den Fällen I. 1. bis 3. zur Änderung des Schuldspruchs. Auch beanstandet die Beschwerdeführerin erfolgreich die Einzelstrafaussprüche, mit Ausnahme im Fall II. 3., bezüglich aller Angeklagten, soweit diese eines Verstoßes gegen das Konsumcannabisgesetz schuldig sind. Dies zieht die Aufhebung sämtlicher Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

27a) Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zunächst zu einer Änderung des gegen den Angeklagten A.        ergangenen Schuldspruchs insoweit, als der Angeklagte auf Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in den Fällen I. 1. bis 3. das Cannabis nicht gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 oder Nr. 15 KCanG weitergab, sondern nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 1 KCanG abgab.

28aa) Die Straftatbestände des § 34 KCanG sind grundsätzlich so zu verstehen wie ihre Entsprechungen im Betäubungsmittelgesetz. Jedoch kann sich insbesondere aus dem Konsumcannabisgesetz selbst und den ihm zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien ausnahmsweise Abweichendes ergeben ( ‒ 3 StR 158/24, NStZ-RR 2024, 311, 312; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.; s. auch BT-Drucks. 20/8704 S. 130).

29bb) Das Merkmal der Weitergabe kennt das Betäubungsmittelgesetz nicht. Das Konsumcannabisgesetz versteht hierunter die Weitergabe nach den Vorschriften des dortigen 4. Kapitels als besondere Form der Abgabe in Anbauvereinigungen zwischen natürlichen Personen oder natürlichen Personen und juristischen Personen (vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 92; s. auch Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 2 KCanG Rn. 40). Die Weitergabe im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 KCanG ist somit die Übertragung der Sachherrschaft für den Eigenkonsum an Mitglieder in Anbauvereinigungen unter den Voraussetzungen der §§ 11 ff. KCanG (Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 2 KCanG Rn. 40, § 34 Rn. 120; s. auch BT- Drucks. 20/8704 S. 94). Darüber hinaus stellt § 34 Abs. 1 Nr. 15 KCanG die Weitergabe von Cannabis aus einem gemeinschaftlichen Anbau ohne Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 KCanG unter Strafe. § 19 KCanG erlaubt Anbauvereinigungen die Weitergabe von Cannabis unter engen Voraussetzungen. Fehlt für diese grundsätzlich erlaubten Handlungen aber die Erlaubnis der zuständigen Behörde nach § 11 Abs. 1 KCanG, unterfällt diese Sachherrschaftsübertragung der Strafnorm des § 34 Abs. 1 Nr. 15 KCanG (vgl. ‒ 3 StR 158/24, NStZ-RR 2024, 311, 312; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 2 KCanG Rn. 39 f., § 34 Rn. 120, 208 f.; s. auch BT- Drucks. 20/8704 S. 94).

30Nach diesen Maßstäben gab der Angeklagte A.        das von ihm zuvor erworbene Cannabis weder nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG noch gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 15 KCanG an den Angeklagten Y.        weiter.

31cc) Unter Abgabe nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 1 KCanG ist sowohl die unentgeltliche als auch die entgeltliche Besitzverschaffung an einen anderen zu verstehen ( ‒ 3 StR 20/24, juris Rn. 41; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 2 KCanG Rn. 39, § 34 KCanG Rn. 119; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 322; s. jedoch auch BT-Drucks. 20/8704 S. 168; in anderem Zusammenhang mehrdeutig ‒ 3 StR 158/24, NStZ-RR 2024, 311, 312).

32Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Betäubungsmittelstrafrecht. Die betäubungsmittelrechtliche Abgabe (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 7 BtMG) ist die Übertragung eigener tatsächlicher Verfügungsgewalt. Zur ‒ spezielleren ‒ Veräußerung (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 6 BtMG) wird sie, wenn sie gegen Entgelt aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung vorgenommen wird ( ‒ 3 StR 20/24, juris Rn. 36 mwN; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 788, 837). Fehlt ein solcher eigener Veräußerungstatbestand, wie etwa in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, so erstreckt sich die Abgabe indes auf die entgeltliche Sachherrschaftsübertragung (BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 136/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Abgabe 2 Rn. 5; vom – 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 163; vom – 3 StR 245/90, BGHSt 37, 147, 148). Entsprechendes gilt für das Konsumcannabisgesetz, welches das Veräußern von vorneherein nicht ausdrücklich verbietet ( ‒ 3 StR 20/24, juris Rn. 41; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 322).

33Nur diese Auslegung steht damit in Einklang, dass der Täter im Fall der gewerbsmäßigen Abgabe von Cannabis sowohl das Regelbeispiel nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG als auch den Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a KCanG erfüllen kann. Denn dies setzt voraus, dass er sich durch die wiederholte Abgabe fortlaufende Einnahmen, beispielsweise in Form von Bargeld oder geldwerten Vermögensvorteilen (Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 1549 mwN), von einiger Dauer und einem Umfang verschaffen will. Zudem würde anderenfalls das Konsumcannabisgesetz – dem von ihm verfolgten Kinder- und Jugendschutz (vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 1) zuwider – unter dem Gesichtspunkt des Regelbeispiels gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a KCanG den entgeltlich gegenüber dem unentgeltlich handelnden Täter privilegieren.

34Infolgedessen stellt sich das Handeln des Angeklagten A.        in den Fällen I. 1. bis 3. als Abgabe von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 1 KCanG dar. Er veräußerte das Marihuana jeweils an den Angeklagten Y.        gegen Barzahlung zum Selbstkostenpreis und verschaffte ihm damit entgeltlich den Besitz hieran.

35dd) Der Senat ändert den Schuldspruch in den Fällen I. 1. bis 3. betreffend den Angeklagten A.        in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Urteilsformel ersichtlich.

36b) Der gegen den Angeklagten A.        ergangene Schuldspruch bedarf einer weiteren Änderung, weil die Beurteilung der Konkurrenzen durch das Landgericht im Fall I. 2. (Anklagevorwürfe I. 2. und 3.) der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Die Strafkammer hat rechtsfehlerhaft die diesbezüglichen selbständigen Straftaten des Angeklagten A.        zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst.

37aa) Sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, werden vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalisierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden. Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. ‒ 3 StR 295/22, juris Rn. 14 mwN). Eine solche rechtliche Einheit ist nicht nur beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln oder Cannabis, sondern bei allen Absatzdelikten in Bedacht zu nehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom ‒ 2 StR 82/20, juris Rn. 2; vom ‒ 5 StR 255/13, NStZ-RR 2013, 347, 348 vom ‒ 3 StR 123/03, NStZ 2004, 109 Rn. 3; vom ‒ 4 StR 557/98, NStZ 1999, 192).

38bb) Gemessen daran tragen die Urteilsfeststellungen die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Beurteilung hinsichtlich des Angeklagten A.        nicht. Die Annahme einer Bewertungseinheit scheidet aus, da es sich für ihn beim Erwerb des Cannabis nebst unmittelbarer Abgabe an den Angeklagten Y.        einerseits und dem späteren Rückkauf des Cannabis von diesem andererseits um zwei getrennte Umsatzgeschäfte handelte. Zwar stammte das Cannabis ursprünglich aus einer Erwerbsmenge. Jedoch war das erste Umsatzgeschäft durch die Übergabe des Marihuanas an den Angeklagten Y.        nebst sofortiger Barzahlung abgeschlossen. Der Angeklagte A.        erwarb einen Monat später das Cannabis vom Angeklagten Y.        in einem gesonderten Bestellvorgang auf einer neuen rechtsgeschäftlichen Grundlage und damit im Rahmen eines eigenständigen Güterumsatzes. Dies wird auch daran deutlich, dass der Angeklagte Y.        seinen Anteil des Cannabis, anders als der Angeklagte A.        zuvor, an diesen mit Gewinn verkaufte. Der Fall ist deshalb nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, dass ein Umsatzgeschäft etwa wegen Qualitätsmängeln rückabgewickelt wird (dazu BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 427/22, juris Rn. 4; vom – 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 480 mwN).

39Für den Angeklagten Y.        ist das Konkurrenzverhältnis in diesem Fall anders zu bewerten. Denn es ist für jeden Mittäter, der an einer Deliktserie mehrerer Personen beteiligt ist, gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob bei ihm einzelne Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. etwa , StV 2020, 661 Rn. 9 mwN). Bezogen auf den Angeklagten Y.        handelte es sich nur um ein Umsatzgeschäft. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob und inwieweit er das erworbene Marihuana – gewinnbringend – an seine gewöhnlichen Abnehmer oder zurück an den Angeklagten A.        veräußerte. Sämtliche seiner Betätigungen im Rahmen dieses Güterumsatzes werden daher zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden.

40cc) Die Urteilsgründe belegen auch nicht, dass sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen überschnitten und die festgestellten Tathandlungen des Angeklagten A.        deshalb zueinander in Tateinheit stehen ( − 3 StR 546/14, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2 Rn. 9; Beschluss vom – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11 Rn. 5; vgl. auch , BGHSt 63, 1 Rn. 13 ff.).

41dd) Der Schuldspruch ist daher entsprechend zu ändern. Der Angeklagte A.        ist im Fall I. 2. schuldig des Erwerbs von Cannabis in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit Abgabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis und tatmehrheitlich des Handeltreibens mit Cannabis (§ 53 StGB). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

42Ein Schuldspruch wegen Erwerbs oder Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder b, Nr. 12 KCanG neben dem Handelsdelikt (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) scheidet hingegen unter konkurrenzrechtlichen Gesichtspunkten aus. Denn die Eigenkonsummenge von 10 Gramm Marihuana liegt unterhalb der in den jeweiligen Straftatbeständen genannten Mengenangaben. Sie überschreitet daher für sich gesehen keine der die Strafbarkeit regelnden Grenzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom ‒ GSSt 1/24, NJW 2025, 2492 Rn. 12 ff., 18 ff.; vom ‒ 5 StR 204/25, juris Rn. 3).

43c) Im Übrigen hat die auf die Sachrügen veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hinsichtlich der verbleibenden Schuldsprüche keinen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten ergeben. Die vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen sind durch die Beweiswürdigung belegt und tragen die Schuldsprüche. Insbesondere ist die Beweiswürdigung zum Eigenkonsum des Angeklagten A.        und zur versuchten räuberischen Erpressung durch den Angeklagten Y.        in Fall II. 3. nicht zu beanstanden.

44d) Infolge der abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung der Handlungen des Angeklagten A.        im Fall I. 2. ist die gegen ihn hierfür festgesetzte Freiheitsstrafe von acht Monaten aufzuheben. Dieser und weitere Einzelstrafaussprüche bezüglich aller Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Konsumcannabisgesetz, mit Ausnahme im Fall II. 3., erweisen sich aus einem weiteren Grund als rechtsfehlerhaft, so dass sie ebenso wie die Gesamtstrafenaussprüche der Aufhebung unterliegen; hierzu im Einzelnen:

45aa) Soweit sich die Angeklagten nach dem Konsumcannabisgesetz strafbar gemacht haben, ist das Landgericht, mit Ausnahme im Fall II. 3., rechtsfehlerhaft von einem zu geringen Unrechts- und Schuldumfang ausgegangen. Denn es hat nicht berücksichtigt, dass nach der ‒ ihm zum Urteilszeitpunkt noch unbekannten ‒ Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grenzwert der nicht geringen Menge für THC im Sinne des Konsumcannabisgesetzes 7,5 Gramm beträgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom ‒ 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 8; vom ‒ 2 StR 480/23, StV 2024, 587 Rn. 27 ff.; vom ‒ 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom ‒ 4 StR 50/24, juris Rn. 6 ff.; vom ‒ 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 ff.; vom ‒ 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.). Dies zugrunde gelegt, überschritten die Wirkstoffmengen, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, auch in den die Angeklagten A.        und/oder Y.        betreffenden Fällen I. 1., II. 5. und 6. den Grenzwert der nicht geringen Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG. Darüber hinaus unterliegen die Einzelstrafen in den Fällen I. 2. bis 4., II. 1., 2. und 4. sowie 7. bis 9. hinsichtlich der jeweils beteiligten Angeklagten der Aufhebung. Denn auch insoweit ist die Strafkammer trotz Bejahung des vorgenannten Regelbeispiels von einem zu geringen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten ausgegangen.

46Die vorgenannten Strafaussprüche beruhen auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht unter Beachtung des höheren Unrechts- und Schuldgehalts strengere Strafen gegen die Angeklagten verhängt hätte (vgl. ‒ 3 StR 448/24, juris Rn. 20 f.; Beschluss vom ‒ 3 StR 217/23, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 49 Rn. 11 mwN). Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche entzieht sämtlichen Gesamtstrafen die Grundlage.

47bb) Die jeweils zugehörigen Feststellungen sind dagegen von dem Rechtsfehler unberührt und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

48e) Die Einziehungsanordnungen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen bestehen. Insbesondere beruht der im Wege der Schätzung ermittelte Eigenverbrauch des Angeklagten A.        auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Ferner ist die unterbliebene Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 € bezüglich der Angeklagten N.            nicht zu beanstanden. Denn ein staatlicher Zahlungsanspruch ist durch ihren wirksamen Verzicht auf den sichergestellten Bargeldbetrag in Höhe von 3.060 € erloschen (vgl. BGH, Beschlüsse vom ‒ 4 StR 333/23, juris Rn. 3 f.; vom ‒ 4 StR 22/21, juris Rn. 4; vom ‒ 3 StR 219/20, juris Rn. 8).

49f) Schließlich begegnet die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten A.        in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

502. Einen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten (§ 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils nicht ergeben.

513. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache nochmaliger Verhandlung und Entscheidung. Im Fall I. 2. wird das neue Tatgericht zum einen wegen Erwerbs von Cannabis in Tateinheit mit Abgabe von Cannabis und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, zum anderen für das – nunmehr als tatmehrheitlich beurteilte – Handeltreiben mit Cannabis jeweils eine neue Einzelstrafe festzusetzen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240725U3STR586.24.0

Fundstelle(n):
AAAAK-00891