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BGH Beschluss v. - IX ZB 32/23

Leitsatz

1. Die Frage, ob die Energiepreispauschale kraft Gesetzes unpfändbar ist, ist nicht im Insolvenzverfahren, sondern auf dem Prozessweg zu klären.

2. Der Streit zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter, ob die Energiepreispauschale eine atypische Sozialleistung darstellt und deshalb dem sozialrechtlichen Pfändungsschutz unterfällt, ist ebenfalls vor den Prozessgerichten und nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen.

Gesetze: § 122 S 2 EStG, § 36 Abs 1 S 2 InsO, § 36 Abs 4 InsO, § 54 Abs 2 SGB 1

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 5 T 133/23vorgehend AG Darmstadt Az: 9 IN 424/18

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner ist Arbeitnehmer. Sein Arbeitgeber zahlte im September 2022 eine Energiepreispauschale aus. Den Nettobetrag in Höhe von 204 € erfasste der Arbeitgeber als gewöhnliche Pfändung und überwies einen entsprechenden Betrag auf ein von dem weiteren Beteiligten eingerichtetes Sonderkonto der Masse.

2Auf Antrag des Schuldners vom hat das Insolvenzgericht - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - bestimmt, dass die dem Schuldner gewährte Energiepreispauschale ihm als unpfändbar zu belassen sei. Dies hat das Insolvenzgericht damit begründet, dass die Freigabe von Beträgen aus der Insolvenzmasse mangels einer anderen gesetzlichen Grundlage nur über die analoge Anwendung der allgemeinen Vollstreckungsschutzvorschrift des § 765a ZPO möglich sei. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das Beschwerdegericht dem weiteren Beteiligten aufgegeben, aus der Insolvenzmasse die (steuerbereinigte) Energiepreispauschale in Höhe von 204 € an den Schuldner zu erstatten. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte seinen Antrag weiter, den Pfändungsschutzantrag des Schuldners zurückzuweisen.

II.

3Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Abänderung des Beschlusses des Insolvenzgerichts dahingehend, dass der Pfändungsschutzantrag des Schuldners hinsichtlich der Energiepreispauschale abgelehnt wird.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zu Recht habe das Insolvenzgericht dem Schuldner die Energiepreispauschale als unpfändbar überlassen. Im eröffneten Insolvenzverfahren umfasse der Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO alle Gegenstände, die auch der Zwangsvollstreckung unterlägen. Unpfändbare Forderungen und Vermögensrechte unterlägen grundsätzlich nicht dem Insolvenzbeschlag. Die Energiepreispauschale sei gemäß § 122 Satz 2 EStG, der durch das Gesetz vom (BGBl. I S. 2294) mit Wirkung vom eingeführt wurde, in Höhe des in § 112 Abs. 2 EStG genannten Betrags unpfändbar und unterfalle damit nicht dem Insolvenzbeschlag. Die neu eingefügte Vorschrift des § 122 Satz 2 EStG sei auch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits ausgezahlten Energiepreispauschalen anwendbar. Anderenfalls liefe der Zweck der Gesetzesänderung leer. Jedenfalls sei die Energiepreispauschale als atypische Sozialleistung gemäß § 54 Abs. 2 SGB I unpfändbar.

52. Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Frage, ob die Energiepreispauschale gemäß § 122 Satz 2 EStG unpfändbar ist oder ob sie eine atypische Sozialleistung darstellt und deshalb Pfändungsschutz nach § 54 Abs. 2 SGB I genießt, ist nicht im Insolvenzverfahren, sondern auf dem Prozessweg zu klären. Soweit der Schuldner seinen Antrag auf die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale stützt, ist er somit unzulässig.

6a) Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO ist das Insolvenzgericht für Entscheidungen zuständig, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt. Das Gesetz nennt in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich § 850, § 850a, § 850c, § 850e, § 850f Abs. 1, § 850g bis § 850l, § 851c, § 851d, § 899 bis § 904, § 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Abs. 2 bis 4 ZPO.

7In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 36 Abs. 4 InsO noch nicht aus der Anwendung vollstreckungsrechtlicher Beurteilungsnormen folgt. Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als Vollstreckungsgericht nach § 36 Abs. 4 InsO hängt vielmehr davon ab, ob die Auseinandersetzung zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit als solche geführt wird - dann gehört der Rechtsstreit vor das Prozessgericht - oder ob über die Zulässigkeit der Vollstreckung gestritten wird - dann entscheidet das Insolvenzgericht im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO als Vollstreckungsgericht (, WM 2012, 1444 Rn. 6 mwN; vom - IX ZA 4/18, NZI 2019, 43 Rn. 9). Voraussetzung für die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ist daher, dass die in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung eine Maßnahme oder eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorsehen, (vgl. , NZI 2018, 52 Rn. 4 mwN).

8Auf dieser Grundlage hat der Senat eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als Vollstreckungsgericht etwa in den Fällen des § 850c Abs. 6, des § 850e Nr. 2 und 2a, des § 850f Abs. 1 und des § 850i ZPO (vgl. , ZIP 2010, 1197 Rn. 2; vom - IX ZB 2/18, ZIP 2019, 2118 Rn. 7; vom - IX ZB 25/20, ZIP 2021, 1403 Rn. 14 ff; vom - IX ZB 12/22, NZI 2023, 221 Rn. 6; Riedel, Lohnpfändung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 29 f; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 10. Aufl. § 36 Rn. 67 f), ferner für Beschlüsse über die Pfändbarkeit von Urlaubsgeld nach § 850a Nr. 2 ZPO (vgl. , WM 2012, 1040 Rn. 7), von Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit (vgl. , WM 2018, 2047 Rn. 5) und von Erschwerniszulagen (, WM 2023, 1653 Rn. 9 ff) nach § 850a Nr. 3 ZPO angenommen. Bestimmt nämlich das als Vollstreckungsgericht handelnde Insolvenzgericht - wie vielfach, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in Deutschland hat - über den Umfang der Pfändung des Arbeitslohns, ergeht die Anordnung des Insolvenzgerichts regelmäßig im Rahmen der Vollstreckung (vgl. , WM 2012, 1444 Rn. 7; vom - IX ZA 4/18, NZI 2019, 43 Rn. 10).

9In anderen Fällen hat der Senat eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als Vollstreckungsgericht verneint, weil die Pfändbarkeit keiner gerichtlichen Anordnung bedurfte. Daher ist etwa der Streit um die Zusammenrechnung des in Geld zahlbaren Einkommens und der Naturalien gemäß § 850e Nr. 3 ZPO auf dem Prozessweg zu klären (, NZI 2018, 528 Rn. 5), ebenso die Pfändbarkeit einer Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung im Hinblick auf § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO (, NZI 2009, 824 Rn. 2). Danach liegt keine Vollstreckungshandlung vor, wenn der Insolvenzverwalter eine Forderung ohne Einschaltung der Gerichte zur Masse einzieht.

10b) Eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts über die in § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO in Bezug genommenen Normen hinaus kommt vor diesem Hintergrund nur in Betracht, wenn das Gesetz dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung über die Pfändbarkeit einer Forderung oder über die Höhe der Pfändung einer Forderung im Einzelfall konstitutiv zuweist. Dagegen ist eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nicht gegeben, wenn Streit besteht, ob eine Forderung kraft Gesetzes vom Insolvenzbeschlag erfasst ist.

11Der Insolvenzbeschlag von Forderungen entsteht kraft Gesetzes, soweit die Forderung pfändbar ist (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ist die Forderung kraft Gesetzes unpfändbar, ist sie vom Insolvenzbeschlag nicht erfasst. Einer (vollstreckungs)gerichtlichen Anordnung bedarf es hierfür nicht. Für einen klarstellenden Beschluss des Insolvenzgerichts ist mangels gesetzlicher Grundlage kein Raum (vgl. , ZInsO 2014, 687 Rn. 9 zu § 850k Abs. 7 ZPO; vom - IX ZB 27/17, NZI 2018, 52 Rn. 4 mwN zu § 850e Nr. 3 ZPO). Dagegen bedarf es in Fällen, in denen das Gesetz dem Vollstreckungsgericht die Frage der Pfändbarkeit durch von § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO nicht in Bezug genommene Normen im Einzelfall konstitutiv zuweist, auch im Insolvenzverfahren einer gerichtlichen Entscheidung zur Klärung der Frage, ob (und gegebenenfalls in welcher Höhe) die Forderung zur Masse gezogen werden soll. Diese gerichtliche Entscheidung soll nach § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO im Insolvenzverfahren nicht das Vollstreckungsgericht, sondern stets das Insolvenzgericht treffen.

12Der Senat bejaht deshalb eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Einzelfallanordnungen gemäß dem - in § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 InsO nicht genannten - § 765a ZPO (, WM 2019, 2022 Rn. 24 mwN), außerdem für die Entscheidung über einen Antrag des Insolvenzverwalters (§ 36 Abs. 4 Satz 2 InsO) gemäß § 850b Abs. 2 ZPO, nach § 850b Abs. 1 ZPO grundsätzlich unpfändbare Bezüge, insbesondere Renten, nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften für pfändbar zu erklären, wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht (vgl. , NJW-RR 2010, 474 Rn. 10; vom - IX ZR 132/09, NZI 2010, 777 Rn. 41; Beschluss vom - IX ZB 268/09, ZIP 2010, 1197 Rn. 2). Dagegen besteht keine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts außerhalb des § 850b Abs. 2 ZPO, über die Unpfändbarkeit einer Rente nach § 850b Abs. 1 ZPO zu entscheiden (vgl. , NZI 2009, 824 Rn. 2 f).

13c) Daran gemessen besteht keine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts entsprechend § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO zur Entscheidung über die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale gemäß § 122 Satz 2 EStG. Die Unpfändbarkeit tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer gerichtlichen Anordnung oder Mitwirkung bedarf. Das Insolvenzgericht hat mangels einer gesetzlichen Grundlage keine Befugnis, dies zwischen den Beteiligten verbindlich zu klären.

14d) Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht seine Entscheidung hilfsweise auf § 54 Abs. 2 SGB I gestützt. Auch der Streit zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter, ob es sich bei der Forderung um eine der Regelung des § 54 SGB I unterfallende Sozialleistung handelt, ist vor den Prozessgerichten und nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen.

15aa) Die Beteiligten streiten vorliegend nicht darum, ob eine Pfändung der Energiepreispauschale der Billigkeit entspräche; das behauptet auch der Insolvenzverwalter nicht. Keiner Entscheidung bedarf daher, ob das Insolvenzgericht - vergleichbar seiner Entscheidungskompetenz in den Fällen des § 850b Abs. 2 ZPO - berufen wäre, nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls über die Billigkeit der Pfändung zu entscheiden.

16bb) Vorliegend steht allein die einer Billigkeitsentscheidung vorgelagerte Frage im Streit, ob es sich bei der Energiepreispauschale um eine der Regelung des § 54 Abs. 2 SGB I unterfallende, atypische Sozialleistung handelt. Ob die Energiepreispauschale als (atypische) Sozialleistung anzusehen ist und deshalb Pfändungsschutz nach Maßgabe von § 54 Abs. 2 SGB I genießt, ist zwischen den Beteiligten vor dem Prozessgericht zu klären. Denn der Insolvenzverwalter, der einen Pfändungsschutz nach § 54 Abs. 2 SGB I in Abrede stellt, beruft sich auf einen kraft Gesetzes bestehenden Insolvenzbeschlag der Forderung. Das Insolvenzgericht hat mangels einer gesetzlichen Grundlage keine Befugnis, die Streitfrage zwischen den Beteiligten verbindlich zu klären. Eine Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts kommt allenfalls in Betracht, wenn es angerufen wird, die Pfändbarkeit im Einzelfall aufgrund Billigkeit auszusprechen.

173. Die - im materiell-rechtlichen Ergebnis im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich des § 122 Satz 2 EStG richtige - Entscheidung des Beschwerdegerichts kann nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten werden (§ 577 Abs. 3 ZPO). Dem Schuldner konnte - unabhängig von der Pfändbarkeit - schon deshalb kein Pfändungsschutz nach § 850f Abs. 1, § 850i Abs. 1 oder § 765a ZPO gewährt werden, weil die Voraussetzungen dieser Bestimmungen nicht erfüllt sind.

18a) Der Senat hat bisher offengelassen, ob Pfändungsschutz nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO auch dann noch beantragt und gewährt werden kann, wenn die Zahlung des Drittschuldners mit schuldbefreiender Wirkung einem Sonderkonto der Masse gutgeschrieben worden ist (vgl. , WM 2021, 1336 Rn. 17). Er kann dies auch weiterhin offenlassen. Die Anträge sind jedenfalls unbegründet.

19b) Pfändungsschutz für die Energiepreispauschale kann nicht nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt werden.

20aa) Pfändungsschutz nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ZPO erhalten sämtliche Arten von Einkünften, die kein Arbeitseinkommen sind. Darunter sind auch Einkünfte aus sogenannter kapitalistischer Tätigkeit zu rechnen, etwa aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und Verkaufserlöse, solange die Einkünfte selbst erzielt, also eigenständig erwirtschaftet sind (, WM 2014, 1485 Rn. 10; vom - IX ZB 19/18, WM 2018, 2098 Rn. 10). Geldforderungen, die der Schuldner nicht aufgrund wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, stellen keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 850i ZPO dar. Solche Einkünfte, welche ein Schuldner nicht selbst erzielt hat, sind etwa Geschenke, Lottogewinne und erbrechtliche Ansprüche ( aaO Rn. 11).

21bb) Daran gemessen unterfällt die Energiepreispauschale nicht dem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO, weil der Schuldner den Anspruch auf Zahlung der Energiepreispauschale nicht aufgrund wirtschaftlicher Tätigkeit erworben hat (vgl. AG Norderstedt, NZI 2022, 869 Rn. 15; AG Köln, NZI 2023, 28 Rn. 10; Kampf, ZVI 2022, 415, 416; Ahrens, NZI 2023, 57, 58). Der Schuldner hat den Anspruch auf Zahlung der Energiepreispauschale vielmehr aufgrund einer Bewilligungsentscheidung des Gesetzgebers erworben (vgl. § 113 EStG).

22c) Pfändungsschutz kann auch nicht nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO gewährt werden. Diese Vorschrift erfasst nur Arbeitseinkommen des Schuldners. Unter Anwendung dieser Vorschrift kann einem Schuldner die Energiepreispauschale bereits deshalb nicht belassen werden, weil die Energiepreispauschale kein Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO ist (LG Wuppertal, JurBüro 2022, 608, 609; AG Norderstedt, NZI 2022, 869 Rn. 9 f; AG Wolfratshausen, ZInsO 2022, 2598, 2599; BeckOK-ZPO/Riedel, 2024, § 829 Rn. 214; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 16. Aufl., § 829 Rn. 74; aA wohl LG Deggendorf, NZI 2023, 269 Rn. 33). Die Energiepreispauschale ist eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte staatliche Leistung, für die der Arbeitgeber gemäß § 117 Abs. 1 EStG lediglich als Zahlstelle eingesetzt ist (vgl. BFH, DStRE 2024, 631 Rn. 11; Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665, 1667).

23d) Pfändungsschutz kann nicht nach § 765a ZPO gewährt werden.

24aa) § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Zwar kann die Vorschrift im Insolvenzverfahren über § 4 InsO entsprechend anwendbar sein. Sie ist als Ausnahmevorschrift jedoch eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führte. Dabei sind die Ziele des § 1 InsO und die Besonderheit der Gesamtvollstreckung grundsätzlich vorrangig zu berücksichtigen. In der Regel ermöglicht es die Vorschrift nicht, der Masse ausdrücklich kraft Gesetzes (§§ 35, 36 InsO) zugewiesene Vermögenswerte zu entziehen. Ein Eingreifen auf der Grundlage von § 765a ZPO kommt nur dann in Betracht, sofern zusätzlich Rechte des Schuldners in insolvenzuntypischer Weise schwerwiegend beeinträchtigt werden (, WM 2019, 2022 Rn. 24 mwN).

25bb) Das Beschwerdegericht hat keine Tatsachen festgestellt, welche die Annahme tragen, diese Maßgaben seien erfüllt. Auch bei (hier unterstellter) Pfändbarkeit der Energiepreispauschale sind die Voraussetzungen des § 765a ZPO nicht allein dadurch erfüllt, dass es im Jahre 2022 Energiepreissteigerungen gegeben hat, die den Gesetzgeber veranlasst haben, eine Energiepreispauschale zu gewähren (vgl. AG Wolfratshausen, ZVI 2023, 79; AG Köln, NZI 2023, 28 Rn. 12; BeckOK-ZPO/Ulrici, 2024, § 765a Rn. 17.2; Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665, 1668; Ahrens, NZI 2023, 57, 58; Lissner, JurBüro 2023, 8, 10; Homann, ZVI 2023, 43, 47; aA AG Lüneburg, NZI 2023, 29 Rn. 9 ff; Grote, InsbürO 2022, 337, 339 f).

264. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Der Antrag des Schuldners ist abzulehnen, weil sich für die - im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich des § 122 Satz 2 EStG inhaltlich richtige - Entscheidung des Beschwerdegerichts unter keinem in die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts fallenden Gesichtspunkt ein Pfändungsschutz für die Energiepreispauschale ergibt.

                          

                                                      

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240725BIXZB32.23.0

Fundstelle(n):
TAAAK-00782