Instanzenzug: Az: 4 Ni 34/21 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 845 115 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer dänischen Priorität vom angemeldet worden ist und ein Kabelchipsystem betrifft.
2Patentanspruch 1, auf den sieben weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
A device-specific interface (1, 10, 20) for interfacing a first device (2) directly to a particular second device (3, 13, 23) in a voice communications system, where the device-specific interface (1, 10, 20) is specific to the particular second device (3, 13, 23) and the second device requires particular settings to be used by the first device when exchanging data with the second device, the interface comprising:
- first (I) and second (II, III, IV) connectors for releasably connecting the interface to the first and second devices, respectively;
- an electronic data connection (4) between the first connector and the second connector;
- an integrated circuit (5, 15, 25) comprising a memory (6) holding digital information relating to identification of the particular second device and relating to particular settings to be used when exchanging electronic data with the particular second device via the electronic data connection; and
- a digital data interface (7) between the first connector and the integrated circuit enabling the first device to access the digital information,
wherein
- the digital information comprises settings specific to the particular second device to be used by the first device when exchanging electronic data signals with the second device and wherein the device-specific interface is adapted to provide the digital information comprising settings specific to the particular second device to the first device thereby enabling the first device to automatically adapt its settings and/or functionality according to the settings specific to the particular second device,
- the device-specific interface (1, 10, 20) is a push-to-talk interface and the first device (2) is a push-to-talk device,
- the electronic data connection of the device-specific interface is a wire or cable between the first connector and the second connector, and
- the integrated circuit and the memory are embedded in the wire or cable or in the first or second connector so that they are physically part of the interface.
3Patentanspruch 8 schützt sinngemäß eine erste Einrichtung, die mittels einer solchen Schnittstelle an eine zweite Einrichtung angeschlossen werden kann, Patentanspruch 9 ein Verfahren zur Übermittlung von digitalen Informationen mit einer solchen Schnittstelle, Patentanspruch 16 eine Anordnung aus einer solchen Schnittstelle und einer ersten Einrichtung und Patentanspruch 17 die Verwendung einer solchen Schnittstelle, um eine zweite Einrichtung zu erkennen und die erste Einrichtung daran anzupassen.
4Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und nicht so offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in 14 geänderten Fassungen verteidigt.
5Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und um zwei weitere Hilfsanträge ergänzt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
6Die zulässige Berufung ist teilweise begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit diese sich gegen den mit Hilfsantrag 8 verteidigten Gegenstand richtet.
7I. Das Streitpatent betrifft ein Kabelchipsystem.
81. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik Schnittstellenstandards für die Datenkommunikation zwischen Computern und elektronischen Geräten bekannt, die das Detektieren und Verbinden eines Geräts erlauben. Diese böten Möglichkeiten zum Austauschen und Hinzufügen von Komponenten ohne Systemunterbrechung (hot-swapping, hot-plugging) (Abs. 2).
9Bei Sprachkommunikationsgeräten wie Funkgeräten, Sprechanlagen oder Telefonen, seien Schnittstellen mit Peripheriegeräten (z.B. Headsets oder Push-to-Talk-Geräten (PTT)) speziell für die jeweilige Marke und den jeweiligen Gerätetyp entwickelt worden. Dies bringe eine Beschränkung auf die vorgegebene Konfiguration mit sich. Werde ein anderes Funkgerät oder Mobiltelefon verwendet, sei in der Regel auch ein neues Peripheriegerät erforderlich. Hot-Swapping oder ein Austausch sei generell nicht möglich (Abs. 3).
10Aufgrund der mit zunehmender Rechenleistung bei vielen Sprachkommunikationsgeräten hinzugekommenen neuen Funktionen und Anforderungen seien Standardanschlüsse (Stecker/Buchse) nicht mehr ausreichend. Ein Headset oder PTT-Gerät müsse für eine zufriedenstellende Funktion an das jeweilige Funksystem angepasst werden (Abs. 4). Die technische Übereinstimmung zwischen Funkgeräten und PTT-Geräten müsse im Voraus bekannt seien (Abs. 5). Ähnliche Problemstellungen gebe es beim Anschluss von Peripheriegeräten in technischen Bereichen, in denen sich die Hersteller noch nicht auf einen Standard geeinigt hätten (Abs. 5).
112. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, die Verbindung und den Austausch von Peripheriegeräten in Kommunikationssystemen zu verbessern, für welche keine vordefinierten gemeinsamen Standards zur Verbindung, Identifikation und Kommunikation zwischen Geräten vorliegen.
123. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Schnittstelle vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
144. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.
15a) Die Schnittstelle im Sinne von Patentanspruch 1 muss gemäß Merkmal 1.8 eine Sprechtastenschnittstelle (push to talk) sein, also eine Schnittstelle, die den Betrieb einer Push-to-Talk-Einrichtung als erste Einrichtung ermöglicht.
16Nach den zutreffenden und nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts ist eine Push-to-Talk-Einrichtung ein Gerät, das bei einer Kommunikationsverbindung benötigt wird, bei der kein gleichzeitiges, sondern nur ein wechselseitiges Sprechen der Teilnehmer möglich ist (Halbduplex). Die PTT-Taste muss in solchen Fällen betätigt werden, um die Sprachübertragung von dem betreffenden Gerät aus zu ermöglichen.
17Eine Push-to-Talk-Schnittstelle muss demnach geeignet sein, den Betrieb einer Push-to-Talk-Einrichtung zusammen mit einer zweiten Einrichtung zu ermöglichen. Je nach den Eigenschaften der zweiten Einrichtung sind hierzu spezifische Einstellungen im Hinblick auf ihre Halbduplex-Fähigkeit, die Anzahl von aktiven Funknetz-/PTT-Leitungen, die Auswahl zwischen offenem Mikrofon und PTT oder sonstige Parameter erforderlich (Abs. 36).
18Patentanspruch 1 lässt offen, welche Parameter dies im Einzelnen sind.
19b) Als körperliche Bestandteile sehen die Merkmale 1.4 bis 1.5 erste (I) und zweite (II) Verbinder bzw. Anschlüsse (connectors), eine zwischen diesen angeordnete elektronische Datenverbindung (4), eine integrierte Schaltung (5) mit einem Speicher (6) und eine digitale Datenschnittstelle (7) zwischen dem ersten Verbinder und der integrierten Schaltung vor.
20aa) Diese Komponenten sind in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
21bb) Bei dem ersten und zweiten Verbinder kann es sich um Stecker, Buchsen oder einen anderen physischen Anschluss handeln (Abs. 23).
22cc) Die elektronische Datenverbindung muss gemäß Merkmal 1.9 aus einem Draht (wire) oder einem Kabel (cable) bestehen.
23Eine drahtlose Verbindung, wie sie in der Beschreibung als weitere Möglichkeit angeführt wird (Abs. 23), ist damit ausgeschlossen.
24dd) Die integrierte Schaltung (5) mit dem Speicher (6) muss gemäß Merkmal 1.10 in dem Draht, dem Kabel oder einem der beiden Verbinder eingebettet sein und dadurch einen körperlichen Teil der Schnittstelle bilden.
25Dem hat das Patentgericht zutreffend und nicht angegriffen entnommen, dass es nicht ausreicht, wenn die integrierte Schaltung funktionell einen Bestandteil der Schnittstelle bildet.
26Eingebettet im Sinne von Merkmal 1.10 ist eine integrierte Schaltung jedenfalls dann, wenn sie vollständig vom Gehäuse eines der beiden Verbinder oder von der Umhüllung des Drahts oder Kabels umgeben ist. Wie die Figuren 1, 3 und 4 des Streitpatents zeigen, ist es unschädlich, wenn die Einbettung zu einer lokalen Vergrößerung des Querschnitts führt.
27c) In funktioneller Hinsicht muss die Schnittstelle gemäß Merkmal 1.2 spezifisch für die zweite Einrichtung sein, die mit der ersten Einrichtung - also der Push-to-Talk-Einrichtung - verbunden werden soll.
28aa) Spezifisch ist eine Schnittstelle, wenn sie in besonderer Weise auf die zweite Einrichtung abgestimmt ist, also nicht ohne weiteres mit anderen Geräten genutzt werden kann. Merkmal 1.3 konkretisiert dies dahin, dass die Push-to-Talk-Einrichtung besondere Einstellungen benötigt, um mit der zweiten Einrichtung Daten austauschen zu können.
29Diese Einstellungen können nach der Beschreibung des Streitpatents zum Beispiel Eigenschaften des Signals betreffen (etwa Impedanz, Kodierungsschema oder Trägerfrequenz), die Zuordnung der elektrischen Anschlüsse, ein anzuwendendes Kommunikationsprotokoll oder eine zu installierende Steuersoftware (Abs. 17, 33).
30bb) Entgegen der Auffassung der Berufung ist Merkmal 1.2 nicht zu entnehmen, dass die Schnittstelle außerdem eine besondere Gestaltung aufweisen muss, die die Möglichkeit der Verbindung mit anderen Geräten ausschließt, etwa eine von standardisierten Anschlüssen abweichende räumlich-körperliche Gestaltung oder Kennzeichnung.
31Der Wortlaut von Merkmal 1.2 sieht ein solches Erfordernis nicht vor.
32Aus der Patentbeschreibung ergibt sich nichts anderes. Dort wird zwar als Vorgabe formuliert, die Schnittstelle solle nur mit der bestimmten zweiten Einrichtung eingesetzt und für diesen Einsatz produziert und vertrieben werden (Abs. 24). Auch daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Beachtung dieser Vorgaben durch eine besondere Ausgestaltung der Schnittstelle zu gewährleisten ist.
33cc) Welche Kriterien zur Spezifikation der zweiten Einrichtung heranzuziehen sind, ist in Patentanspruch 1 nicht im Einzelnen vorgegeben.
34Entgegen der Auffassung der Berufung ist nicht erforderlich, dass die Schnittstelle für jedes einzelne Modell eines jeden Herstellers besondere Einstellungen vorsehen muss. Vielmehr reicht es aus, die jeweiligen Einstellungen so festzulegen, dass eine bestimmte Klasse von Geräten - etwa Funkgeräte mit bestimmten Eigenschaften - zusammen mit der Push-to-Talk-Einrichtung genutzt werden können.
35d) Die benötigten Einstellungen sowie eine digitale Identifikation der zweiten Einrichtung sind nach den Merkmalen 1.4.4.2 und 1.4.4.1 in dem bereits erwähnten Speicher (6) hinterlegt.
36Die Push-to-Talk-Einrichtung kann nach den Merkmalen 1.4.5 und 1.6 auf diese digitalen Informationen zugreifen und ihre Funktionalität gemäß Merkmal 1.7 automatisch entsprechend anpassen. Die automatische Anpassung schafft die Möglichkeit für Hot-Swapping und Hot-Plugging von unterschiedlichen Geräten, indem für jede Einrichtung ein für sie angepasstes Verbindungskabel eingesetzt wird (Abs. 42).
37Ein Funktionsablauf zur automatischen Herstellung einer Verbindung ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 schematisch dargestellt.
38Wenn die Verbindung auf diese Weise eingerichtet ist, können über die elektronische Datenverbindung (4) Signale zwischen den Einrichtungen übertragen werden (Abs. 48 f.).
39e) Die Art und Weise, in der die Schnittstelle die für die Einstellung benötigten Informationen vorhält und der Push-to-Talk-Einrichtung zur Verfügung stellt, ist in Patentanspruch 1 nicht im Einzelnen vorgegeben.
40Den Merkmalen 1.4.5, 1.6 und 1.7 ist insoweit nur die funktionelle Vorgabe zu entnehmen, dass die Push-to-Talk-Einrichtung aufgrund der zur Verfügung gestellten Informationen automatisch in die Lage versetzt werden muss, ihre Einstellungen oder ihre Funktionalität entsprechend anzupassen. Da die Push-to-Talk-Einrichtung nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1 gehört, ist hierbei ausreichend, wenn die Schnittstelle die Eignung aufweist, mit einer Push-to-Talk-Einrichtung in der vorgenannten Weise zusammenzuwirken.
41II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
42Das Streitpatent offenbare zwar die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sein Gegenstand sei aber nicht patentfähig.
43Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Ingenieur (FH) bzw. Bachelor der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Sprachkommunikationssysteme, dem entsprechende gängige Schnittstellentechnologien Übertragungsprotokolle bekannt seien, ausgehend von dem US-amerikanischen Patent 7 426 585 (O3) in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt gewesen.
44O3 habe sogenannte Smart Cables zum Gegenstand und befasse sich mit der Verbindung von Eingabe-/Ausgabegeräten (I/O-devices) mit einem zentralen System (central system). Beschrieben werde ein intelligentes Kabeldesign- und Schnittstellensystem, das dem zentralen System ermögliche, automatisch das Vorhandensein, den Typ und die Eigenschaften eines Eingabe-/Ausgabegeräts, das an einem der Steckplätze des Zentralsystems angeschlossen sei, festzustellen sowie eine automatische Systemkonfiguration bereitzustellen.
45Nicht entnehmbar sei O3 lediglich Merkmal 1.8. Zwar könnten über die Schnittstelle als zweite Einrichtungen Funkgeräte, Sprechanlagen und dergleichen betrieben werden. Dem Fachmann sei auch bekannt, dass insbesondere bei Funkgeräten die Verwendung von Sprechtasten üblich sei. Jedoch sei O3 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die lediglich beispielhaft erwähnten Funkgeräte tatsächlich eine Sprechtaste aufwiesen und dafür die erste Einrichtung (central system) als eine Sprechtasteneinrichtung sowie die vorrichtungsspezifische Schnittstelle als eine Sprechtastenschnittstelle ausgestaltet sei.
46Die Schnittstelle als PTT-/Sprechtastenschnittstelle und die erste Einrichtung als Sprechtasteneinrichtung auszugestalten, habe sich für den Fachmann jedoch in naheliegender Weise ergeben. Ihm sei bekannt gewesen, dass Funkgeräte üblicherweise nicht für Gegensprechen bzw. Vollduplex-Betrieb eingerichtet seien, sondern meist nur ein wechselseitiges Sprechen der Teilnehmer (Wechselsprechen, Halbduplex-Betrieb) ermöglichten, wobei eine PTT-Taste oder Sprechtaste eingesetzt werde, um bei Beginn der Sprachübertragung die Aktivierung des Senders auszulösen und während des Sendens das Empfangsteil des Funkgeräts abzuschalten.
47Der Fachmann habe Veranlassung gehabt, einen Betrieb des vorbekannten Systems im Hinblick auf Funkgeräte zu ermöglichen, welche typischerweise das Wechselsprechen (Halbduplex) verwenden. Eine vorrichtungsspezifische Schnittstelle für die Übertragung des ggf. zusätzlichen Signals für die Umschaltung von Senden und Empfangen und die erste Einrichtung für die Verarbeitung dieses Signals auszustatten, um den Betrieb für solche üblicherweise im Halbduplex arbeitenden Funkgeräte zu ermöglichen, stelle für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten seien unbegründet.
48Für die übrigen Patentansprüche ergebe sich keine abweichende Beurteilung.
49Die Hilfsanträge 1, 1a, 3, 4, 4a und 4b seien nicht zulässig. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 seien zudem in den Fassungen sämtlicher Hilfsanträgen dem Fachmann ausgehend von O3 in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt gewesen. Da die Beklagte sämtliche Hilfsanträge als geschlossene Anspruchssätze verteidigt habe, habe es einer gesonderten Beurteilung der Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 17 nicht bedurft.
50III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Hinblick auf die erteilte Fassung stand.
511. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die Erfindung so deutlich offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
52Das Patentgericht hat in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis im Einzelnen dargelegt, weshalb die Beschreibung und die Figuren der Streitpatentschrift eine Realisierung der beanspruchten Schnittstelle ermöglichen. Diese Ausführungen lassen keinen Fehler in der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung erkennen.
53Die Klägerin hat diese Ausführungen mit dem Argument angegriffen, es sei nicht ersichtlich, wie eine Leitung oder ein Kabel genügend Raum für die in Merkmal 1.10 vorgesehene Einbettung einer integrierten Schaltung mit Speicher ermöglichen kann. Hierzu hat das Patentgericht zutreffend auf den Anwendungshinweis des Unternehmens maxim integrated (Application note 4623: Smart Cable Aids Quality Control and Authentication, O7) verwiesen, in dem ein Chip offenbart wird, der in ein Kabel eingebettet werden kann, um Produktfälschungen zu erschweren.
542. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 als ausgehend von O3 nahegelegt angesehen.
55a) O3 befasst sich mit sogenannten Smart Cables, die zur Verbindung von Ein-/Ausgabegeräten (input/output-(I/O)-devices) mit einem zentralen System (central system) eingesetzt werden und die Übertragung von Daten zwischen den angeschlossenen Geräten ermöglichen.
56aa) O3 führt aus, für Nutzer könne es schwierig sein, I/O-Geräte über den jeweils hierfür vorgesehenen Anschluss (cable slot) mit einem zentralen System zu verbinden. Das zentrale System benötige zudem Informationen darüber, welche Anschlüsse belegt seien und welcher Gerätetyp angeschlossen sei, um die für die ordnungsgemäße Funktion erforderlichen Datenformate und Protokolle anwenden zu können. Unter Umständen seien auch spezifische Informationen zum jeweiligen Nutzer erforderlich, zum Beispiel bei Spracherkennung (Sp. 1 Z. 13-54).
57bb) Zur Verbesserung schlägt O3 ein System mit mehreren einheitlich ausgestalteten Anschlüssen zum Verbinden mit I/O-Geräten vor.
58Die eingesetzten Verbinder (cable connectors) enthalten einen Speicher, in dem Informationen zu Typ oder charakteristischen Eigenschaften des I/O-Geräts oder zu Identität oder Eigenschaften eines verbundenen Benutzers abgelegt werden können. Das zentrale System erkennt automatisch das Einführen eines solchen Verbinders in einen Anschluss und liest daraufhin Konfigurationsinformationen aus dem Speicher aus. Es kann diese Informationen verwenden, um Daten oder Signale zwischen den Steckplätzen und separaten internen Logikblöcken zu steuern und Funktionen zu konfigurieren. Das Zentralsystem kann ferner Konfigurationsinformationen in den Speicher des Verbinders schreiben (Sp. 2 Z. 16-40, Z. 56-61).
59cc) Ein Ausführungsbeispiel für einen Verbinder und die darin enthaltenen Komponenten ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.
60Die Anschluss-Logik (14) weist einen 1-Draht-Bus (36) auf, der beispielsweise mit zwei von acht Steckerstiften für ein bidirektionales digitales Signal und für die Stromversorgung gekoppelt ist. Die anderen Stifte können dazu verwendet werden, verschiedene Arten von Signalen zwischen einem mit dem Anschluss (10) gekoppelten Gerät und dem zentralen System zu übermitteln, z.B. digitale oder analoge Signale, die Audio-, Temperatur- oder andere Arten von Daten beinhalten (Sp. 3 Z. 37-53).
61Der 1-Draht-Bus (36) wird von einer Steuerung (18) gesteuert. Diese ist mit einem Read Only Memory (ROM 20) verbunden, das einen dem Typ des Geräts eindeutig zugeordneten Code speichert. Eine Steuerung (22) steuert den Zugriff auf einen Datenspeicher (26) mit vorgelagertem Zwischenspeicher (scratchpad 28) und ein Anwendungsregister (30) mit vorgelagertem Zwischenspeicher (32). In den Speichern (28, 30, 32) können Werte hinterlegt werden, die den Typ oder spezifische Merkmale eines mit dem Anschlusskabel gekoppelten I/O-Geräts oder des Nutzers beschreiben. Zu diesen Informationen gehört zum Beispiel ein Verstärkungsbetrag, der zum Aufbringen auf ein durch das Kabel für ein besonderes Gerät oder einen besonderen Nutzer übermitteltes Signal erforderlich ist, etwa hinsichtlich der Sprechlautstärke des Nutzers. Der Datenspeicher (26) ist ein dauerhafter Speicher für Daten, die beim Koppeln des Anschlusssteckers mit der Aufnahme des zentralen Systems in die Speicher (28, 30, 32) geladen oder beim Entkoppeln aus diesen übertragen werden können. Auf diese Weise kann das zentrale System Informationen zu Typ bzw. Identität oder Merkmalen von Geräten oder Nutzern aus dem Speicher-Scratchpad (28) auslesen. Das zentrale System kann auch einen geänderten Wert in dem dauerhaften Datenspeicher (26) abspeichern (Sp. 4 Z. 4-29).
62dd) Die Schritte zur Erkennung und Verarbeitung von Informationen über den Kabelanschluss sind in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 dargestellt.
63Wenn im Schritt (102) das Einstecken eines Kabels erkannt worden ist, werden im nachfolgenden Schritt (104) Daten aus dem Logikspeicher des Kabelverbinders ausgelesen. Hat das System die Daten erkannt, ermittelt es im Schritt (108) eine Geräte- oder Kabelklasse aus einer vorgegebenen Gruppe von Klassen. Zu diesen Klassen können etwa Funkgeräte, Sprechanlagen (intercom), externe Mikrofone, sonstige Kommunikationsgeräte (AuxComm), entfernte Lautsprecher oder Kissen-Lautsprecher gehören. Je nach erkannter Klasse werden in den Schritten (110, 112, 114) Konfigurationsmaßnahmen durchgeführt. Anschließend speichert das System im Schritt (116) den neuen Kabeltyp und den zugehörigen Anschluss. Im abschließenden Schritt (118) informiert es alle betroffenen Prozessoranwendungen über das neue Gerät (Sp. 5 Z. 59 bis Sp. 6 Z. 40).
64b) Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass O3 damit sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 mit Ausnahme des Merkmals 1.8 offenbart.
65aa) Zu Recht hat das Patentgericht das in O3 offenbarte zentrale System als erste Einrichtung und die daran anschließbaren Geräte als zweite Einrichtungen im Sinne von Merkmal 1.1 angesehen.
66Entgegen der Auffassung der Berufung offenbart D1 auch eine direkte Verbindung zwischen diesen Einrichtungen. Hierfür reicht aus, dass jedes Gerät mittels eines Kabels und des in O3 vorgeschlagenen Verbinders mit der Zentraleinheit verbunden ist, ohne dass weitere Komponenten dazwischengeschaltet sind.
67In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die Zentraleinheit ihrerseits aus mehreren Komponenten besteht - etwa einem Prozessor (56) und weiteren Bauteilen. Merkmal 1.1 gibt nicht vor, mit welcher Komponente der ersten Einrichtung die Verbindung bestehen muss.
68bb) Eine Vorwegnahme der Merkmale 1.2 und 1.3 hat das Patentgericht zutreffend darin gesehen, dass in den Speicherkomponenten des Verbindungssteckers Informationen abgelegt werden können, die sich auf den Typ oder bestimmte Eigenschaften eines an das Kabel angeschlossenen Geräts beziehen.
69(1) Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gerätetypen zur Verwirklichung der Merkmale 1.2 und 1.3 aus. Eine Unterscheidung zwischen jedem einzelnen Modell ist nicht erforderlich.
70(2) Entgegen der Auffassung der Berufung steht der Offenbarung der Merkmale 1.2 und 1.3 auch nicht entgegen, dass O3 die Möglichkeit aufzeigt, spezifische Informationen zu bestimmten Nutzern vorzuhalten.
71Diese Möglichkeit besteht in O3 nicht anstelle, sondern zusätzlich zur Möglichkeit, solche Informationen zu bestimmten Geräteklassen vorzuhalten. Das Streitpatent schließt derartige Zusatzfunktionen nicht aus.
72(3) O3 offenbart ferner, dass das zentrale System die aus dem Verbinder auslesbaren Informationen nutzt, um den Anschluss so zu konfigurieren, dass das erkannte Gerät ordnungsgemäß genutzt werden kann (Sp. 2 Z. 23-35). Dies ist auch in Figur 4 in den Schritten (110, 112, 114) dargestellt.
73Entgegen der Auffassung der Berufung sind diese Ausführungen nicht "spekulativ". Die automatische Erkennung unterschiedlicher Geräte und die darauf abgestimmte Konfiguration des zentralen Systems stehen im Zentrum der Überlegungen von O3, die den Benutzer gerade davon entlasten will, zwischen unterschiedlichen Anschlüssen für einzelne Gerätetypen zu wählen.
74cc) Die in Merkmal 1.4.1 verlangte Lösbarkeit der Verbinder ergibt sich in O3 für die Verbindung mit dem zentralen System aus der Darstellung in Figur 1 und aus den Erläuterungen in der Beschreibung, wonach es sich um einen Verbinder des Typs RJ-45 handeln kann (Sp. 3 Z. 23-29).
75Als Möglichkeiten für den Anschluss der zweiten Einrichtung führt O3 unter anderem Buchsen (jacks) vom Typ RS-232 an (Sp. 3 Z. 50-52). Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, sind Verbindungen dieses Typs ebenfalls lösbar.
76Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Annahme, dass die anderen Geräte zum Beispiel über RS-232-Verbindungen mit dem Kabel verbunden sind, nicht spekulativ. Die Beschreibung von O3 führt an der oben angegebenen Stelle (Sp. 3 Z. 50-52) ausdrücklich aus, dass Geräte, die mit dem durch den Verbinder (10) abgeschlossenen Kabel verbunden sind, neben Mikrofonen, Lautsprechern und Temperatursonden auch solche sein können, die mittels RS-232-Buchsen verbunden sind.
77dd) Merkmal 1.4.4.1 ist in O3 deshalb offenbart, weil der im Verbinder enthaltene Speicher Informationen zum Typ des angeschlossenen Geräts enthalten kann.
78Dies reicht aus, weil Patentanspruch 1 aus den im Zusammenhang mit den Merkmalen 1.2 und 1.3 angegebenen Gründen auch insoweit nicht vorgibt, anhand welcher Kriterien eine zweite Einrichtung zu identifizieren ist. Insbesondere ist nicht erforderlich, jedes einzelne Exemplar eines Geräts individuell erkennbar zu machen.
79Dass O3 darüber hinaus die Möglichkeit offenbart, bestimmte Nutzer zu identifizieren, ist auch in diesem Zusammenhang unerheblich. Ausschlaggebend ist, dass die Möglichkeit zur Identifikation von Einrichtungen anhand ihres Typs besteht.
80ee) Dass die in O3 ausgetauschten digitalen Informationen im Sinne von Merkmal 1.4.4.2 Einstellungen für den Datenaustausch mit der zweiten Einrichtung betreffen, ergibt sich aus den bereits oben im Zusammenhang mit den Merkmalen 1.2 und 1.3 genannten Ausführungen, wonach das zentrale System die aus dem Verbinder ausgelesenen Informationen verwendet, um sich selbst zu konfigurieren (Sp. 2 Z. 23-35).
81ff) Merkmal 1.4.5 ist in O3 offenbart, weil das zentrale System auf die in der integrierten Schaltung der Schnittstelle gespeicherten digitalen Informationen zugreifen kann.
82Wie bereits oben dargelegt wurde ist die Annahme des Patentgerichts, bei dem zentralen System handele es sich um die erste Einrichtung im Sinne von Patentanspruch 1, nicht zu beanstanden.
83gg) Merkmal 1.5 ist in O3 jedenfalls deshalb offenbart, weil das zentrale System ausweislich der bereits im Zusammenhang mit den Merkmalen 1.2, 1.3 und 1.4.4.2 erwähnten Ausführungen die aus dem Speicher des Verbinders ausgelesenen Informationen verwenden kann, um sich selbst zu konfigurieren (Sp. 2 Z. 23-35).
84Einschränkende Vorgaben auf eine besondere Art von Einstellungen, die über die Ermöglichung des Datenaustauschs hinausgehen, enthält Merkmal 1.5 nicht.
85hh) Die Feststellungen des Patentgerichts zur Vorwegnahme der Merkmale 1.6 und 1.7 sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
86Wie oben dargelegt wurde, ist eine ausreichende Möglichkeit zur Anpassung der Schnittstelle grundsätzlich schon dann gegeben, wenn die digitalen Informationen so zur Verfügung gestellt werden, dass sich die erste Einrichtung auf deren Grundlage automatisch anpassen kann. Dies ist in O3 offenbart.
87Wie bereits mehrfach aufgezeigt wurde, liest das zentrale System die Konfigurationsinformationen automatisch aus dem Speicher des Verbinders aus und nutzt sie zur Systemkonfiguration (Sp. 2 Z. 23-35). So kann beispielsweise auf Grundlage der übermittelten Daten ermittelt werden, wie die Signale des Ports zur Ausgangsverarbeitungsschaltung geleitet werden (Sp. 5 Z. 14-17).
88ii) Vor diesem Hintergrund greift die Berufung die Feststellungen des Patentgerichts zur Offenbarung der Merkmale 1.9 und 1.10 mit Recht nicht an.
89c) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass Merkmal 1.8 in O3 nicht eindeutig offenbart ist.
90O3 ist zwar zu entnehmen, dass das zentrale System in der Lage ist, angeschlossene Audiogeräte wie Funkgeräte, Mikrofone oder Lautsprecher zu nutzen.
91Eine Nutzung als Push-to-Talk-Gerät lässt sich daraus aber nicht eindeutig ableiten.
92d) Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von O3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
93aa) Entgegen der Auffassung der Berufung stellt O3 bei der Suche nach Möglichkeiten, eine Push-to-Talk-Einrichtung auf einfache Weise mit einer Vielzahl unterschiedlicher anderer Einrichtungen zu kombinieren, keinen "gattungsfremden" Stand der Technik dar.
94O3 befasst sich ebenso wie das Streitpatent mit der Frage, wie Funkgeräte, Sprechanlagen und ähnliche Geräte mit anderen Geräten verbunden werden können. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, gehört zu den Geräten, die sich für eine solche Kombination eignen, auch eine Push-to-Talk-Einrichtung. Eine solche Einrichtung wird zwar nur für Funkgeräte benötigt, die lediglich einen Halbduplex-Modus ermöglichen. Solche Geräte werden nach den Feststellungen des Patentgerichts aber häufig eingesetzt. Die in O3 vorgeschlagene Schnittstelle lässt sich nach den Feststellungen des Patentgerichts ohne Schwierigkeiten für diese Zwecke einsetzen.
95bb) Hieraus hat das Patentgericht zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass es nahelag, das in O3 vorgeschlagene System mit einer Push-to-Talk-Einrichtung als zentrales System einzusetzen.
96cc) Ob eine solche Ausgestaltung auch ausgehend von der internationalen Patentanmeldung 2011/128489 (O10) oder sonstigen Entgegenhaltungen nahegelegen hat, ist unerheblich.
97Auch wenn diese Frage zu verneinen ist, schließt dies nicht aus, ein Naheliegen ausgehend von O3 zu bejahen.
983. Für die Patentansprüche 8, 9, 16 und 17 ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
99a) Der Gegenstand von Patentanspruch 8 ist ausgehend von O3 ebenfalls nahegelegt.
100aa) Patentanspruch 8 hat eine erste Einrichtung zum Gegenstand, die mit einer zweiten Einrichtung in einem Sprachkommunikationssystem mittels der vorrichtungsspezifischen Schnittstelle nach einem der Ansprüche 1 bis 7 verbunden werden kann und zusätzlich folgende Merkmale aufweist:
102bb) Eine Lösbarkeit der Verbindung im Sinne von Merkmal 8.2 ergibt sich aus den oben aufgezeigten Erwägungen zu Merkmal 1.4.1.
103cc) Die in Merkmal 8.3 vorgesehene Möglichkeit, digitale Informationen aus dem zur Schnittstelle gehörenden Speicher auszulesen und anzuwenden, geht über die in den Merkmalen 1.5 und 1.7 von Patentanspruch 1 vorgesehenen Möglichkeiten nicht hinaus. Sie ist mithin aus den oben aufgezeigten Gründen ebenfalls in O3 offenbart.
104b) Patentanspruch 9 unterliegt derselben Beurteilung wie Patentanspruch 1, weil die Merkmale dieser Ansprüche der Sache nach übereinstimmen.
105Entgegen der Ansicht der Berufung führt der Umstand, dass Patentanspruch 9 nicht nur die Eignung der Schnittstelle zur Ausführung bestimmter Verfahrensschritte vorgibt, sondern die tatsächliche Ausführung dieser Verfahrensschritte, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
106Wie bereits oben ausgeführt wurde, sind diese Verfahrensschritte in O3 ebenfalls offenbart.
107c) Die Patentansprüche 16 und 17 sehen keine zusätzlichen Merkmale vor, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten.
1084. Die übrigen Ansprüche bedürfen keiner gesonderten Betrachtung.
109Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie die eingereichten Anspruchssätze vorrangig in ihrer Gesamtheit verteidigt.
110IV. Hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen 1 bis 7 verteidigten Fassungen ist die Berufung ebenfalls unbegründet.
1111. Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist nicht patentfähig.
112a) Nach Hilfsantrag 1 soll die erteilte Fassung der Patentansprüche 1 und 9 wie folgt geändert werden:
113b) Damit wird die bereits in Merkmal 1.7 enthaltene Vorgabe, dass die erste Einrichtung - also die Push-to-Talk-Einrichtung - die erforderlichen Anpassungen vornimmt, um ein Zusammenwirken mit der zweiten Einrichtung zu ermöglichen, nochmals hervorgehoben.
114Einschränkende Vorgaben zur Art und Weise, in der die Schnittstellenverbindung gesteuert wird, sind indes auch Merkmal 1.8' nicht zu entnehmen.
115c) Das Patentgericht hat vor diesem Hintergrund zutreffend entschieden, dass die Ergänzung nicht zu einer Beschränkung führt, die die Patentfähigkeit gegenüber O3 begründen kann.
1162. Für Hilfsantrag 1a gilt Entsprechendes.
117a) Nach Hilfsantrag 1a sollen die Patentansprüche 1 und 9 in der Fassung von Hilfsantrag 1 wie folgt geändert werden:
118b) Damit wird verdeutlicht, dass die im Speicher hinterlegten Informationen nicht nur der Identifikation der zweiten Einrichtung dienen, sondern auch Einstellungen umfassen, mit deren Hilfe die Push-to-Talk-Einrichtung auf die zweite Einrichtung zugreifen kann. Auf welche Weise diese Informationen gespeichert werden, gibt Merkmal 1.4.4.2' jedoch nicht vor.
119c) Auch diese Änderung führt nicht zu einer Beschränkung, die für die Patentfähigkeit gegenüber O3 von Bedeutung ist.
120O3 sieht ebenfalls vor, dass der zur Verbindung gehörende Speicher nicht nur Angaben zum Typ eines angeschlossenen Geräts enthält, sondern auch Informationen zu spezifischen Merkmalen des Geräts.
1213. Der mit Hilfsantrag 2 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
122a) Nach Hilfsantrag 2 sollen die Patentansprüche 1 und 9 in der Fassung von Hilfsantrag 1 wie folgt ergänzt werden:
123b) Ein Zwei-Wege-Funkgerät ermöglicht nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts üblicherweise eine Kommunikation in beiden Richtungen, nicht aber zwingend eine Übertragung im Vollduplex-Verfahren.
124c) Aus der Vorgabe, dass das Funkgerät am Körper tragbar ist, ergeben sich keine Anforderungen an einen bestimmten Einsatzzweck, etwa für Polizei, Feuerwehr oder Militär, oder eine bestimmte Trageweise, zum Beispiel auf dem Rücken. Soweit damit überhaupt eine relevante Beschränkung für die Umschreibung der beanspruchten Schnittstelle verbunden ist, war es ausgehend von O3 zumindest nahegelegt, als zu verbindende Geräte auch Handfunkgeräte in Betracht zu ziehen.
125d) Vor diesem Hintergrund hat das Patentgericht Merkmal 1.11 zu Recht als durch O3 nahegelegt angesehen, weil dort Funkgeräte ausdrücklich als geeignete I/O-Geräte angeführt werden und bekannt ist, dass es auch tragbare Funkgeräte gibt.
1264. Für Hilfsantrag 2a gilt Entsprechendes.
127a) Nach Hilfsantrag 2a sollen die Patentansprüche 1 und 9 in der Fassung von Hilfsantrag 2 wie folgt ergänzt werden:
128b) Diese Ausgestaltung lag ausgehend von O3 ebenfalls nahe.
129O3 ist zwar zu einer tragbaren Ausgestaltung des zentralen Systems nichts zu entnehmen. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, lag es aber nahe, eine Push-to-Talk-Einrichtung als zentrales System in Betracht zu ziehen. Ausgehend davon bot es sich an, ein solches Gerät bei Bedarf tragbar auszugestalten, insbesondere wenn es mit einem tragbaren Funkgerät gekoppelt werden soll.
1305. Die Verteidigung mit den Hilfsanträgen 3, 4, 4a und 4b ist unzulässig, weil sie zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen würde.
131a) Nach den Hilfsanträgen 3, 4, 4a und 4b soll Patentanspruch 1 - zusätzlich zu weiteren Änderungen - auf ein Sprachkommunikationssystem mit mindestens zwei spezifischen Schnittstellen gerichtet sein.
132Hierzu sind folgende Formulierungen vorgesehen:
133aa) Hilfsanträge 3 und 4:
134bb) Hilfsantrag 4a:
135cc) Hilfsantrag 4b:
136b) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass mit diesen Änderungen der Schutzbereich unzulässig erweitert würde.
137aa) Nach der Rechtsprechung des Senats führt die nachträgliche Einbeziehung eines vom Streitpatent in der erteilten Fassung nicht geschützten Gegenstands in einen Patentanspruch zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.
138Das Patentnichtigkeitsverfahren eröffnet dem Patentinhaber zwar die Möglichkeit, das Schutzrecht in eingeschränkter Fassung zu verteidigen. Es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents. Diese Funktion ist vielmehr allein dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen. Deshalb darf ein Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren nicht so geändert werden, dass er einen von der erteilten Fassung nicht umfassten Gegenstand einbezieht (, GRUR 2024, 603 Rn. 43 - Happy Bit; Urteil vom - X ZR 56/17, GRUR 2019, 389 Rn. 33 - Schaltungsanordnung III; Urteil vom - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145, 146 - Elektronisches Modul).
139bb) Die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 stellt eine Schnittstelle unter Schutz, die für die Verbindung von zwei Einrichtungen geeignet ist.
140Mit den Hilfsanträgen 3, 4, 4a und 4b wird hingegen Schutz für ein Gesamtsystem beansprucht. Dieses kann auch Teile und Einrichtungen umfassen, die in keiner räumlichen oder funktionalen Wechselwirkung zur Schnittstelle stehen.
141Die angestrebte Änderung würde deshalb zu einer unzulässigen Verlagerung des Schutzes führen.
1426. Die mit den Hilfsanträgen 5 und 6 verteidigten Gegenstände sind nicht patentfähig.
143a) Nach Hilfsantrag 5 soll die erteilte Fassung der Patentansprüche 1 und 9 wie folgt geändert werden:
144b) Nach Hilfsantrag 6 sollen zusätzlich die Wörter "wire or" gestrichen werden.
145c) Entgegen der Auffassung der Klägerin führen diese Änderungen jeweils zu einer Beschränkung des geschützten Gegenstands. Sie engen die nach der erteilten Fassung mögliche Auswahl zwischen mehreren unterschiedlichen Ausgestaltungen auf einzelne davon ein.
146d) Das so geänderte Merkmal 1.10 wird von O3 nicht vorweggenommen. Dort ist die Verbinder-Logik (14) in dem Verbinder (10) angeordnet.
147e) Die Logik stattdessen in das Kabel einzubetten, war jedoch nahegelegt.
148Wie bereits im Zusammenhang mit der Frage der Ausführbarkeit dargelegt wurde, waren elektronische Schaltungen, die in ein Kabel integriert werden können, im Stand der Technik aus O7 bekannt.
149Vor diesem Hintergrund hat das Patentgericht zu Recht angenommen, dass sich die Einbettung in ein Kabel als naheliegende Alternative zu der in O3 offenbarten Einbettung in einen der beiden Verbinder anbot, zumal O7 einige Vorteile der Einbettung in ein Kabel schildert. Dass die Auswahl zwischen diesen Varianten Auswirkungen auf die Funktion der Verbindungsvorrichtung haben könnte, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
150Bei dieser Ausgangslage ist unerheblich, ob eine Einbettung in das Kabel zusätzliche Vorteile bietet. Solche Vorteile vermögen nicht zur Bejahung der erfinderischen Tätigkeit zu führen, wenn die in Rede stehende Ausgestaltung schon aus anderen Gründen nahelag.
1517. Der mit Hilfsantrag 7 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
152a) Nach Hilfsantrag 7 sollen die Patentansprüche 1 und 9 in der Fassung von Hilfsantrag 6 wie folgt ergänzt werden:
153b) Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus der Festlegung, dass es sich bei dem integrierten Schaltkreis um einen Mikroprozessor oder einen digitalen Signalprozessor handeln muss, nicht, dass dieses Bauteil zur Verarbeitung von Signalen geeignet sein muss, die zwischen der Push-to-Talk-Einrichtung und der zweiten Einrichtung ausgetauscht werden.
154Aus dem Begriff "Signalprozessor" können schon deshalb keine weitergehenden Schlussfolgerungen gezogen werden, weil dieser nur als eine von zwei möglichen Varianten vorgegeben ist.
155Unabhängig davon geht aus der Bezeichnung nicht hervor, zur Verarbeitung welcher Signale der Prozessor geeignet sein muss.
156c) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht Merkmal 1.11 nicht in Widerspruch zu Merkmal 1.4.4.
157Die Vorgabe, dass es sich bei dem integrierten Schaltkreis um einen Mikroprozessor oder einen digitalen Signalprozessor handelt, schließt nicht aus, dass dieses Bauteil einen internen Speicher aufweist oder auf externen Speicher zugreifen kann.
158d) Eine solche Ausgestaltung ist in O3 offenbart.
159Das Patentgericht hat die in O3 offenbarte Verbinder-Logik (14) zu Recht als Mikroprozessor im Sinne von Merkmal 1.11 angesehen, weil sie mit den Speicherkomponenten und der Kontroll-Logik (1-wire function control logic 18) wesentliche Elemente enthält, die einen Mikroprozessor kennzeichnen.
160V. Hinsichtlich der mit Hilfsantrag 8 verteidigten Fassung ist die Berufung hingegen begründet.
1611. Der mit Hilfsantrag 8 verteidigte Gegenstand erweist sich als rechtsbeständig.
162a) Nach Hilfsantrag 8 soll die mit Hilfsantrag 7 verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 und 9 wie folgt geändert werden:
163b) Diese Änderung hat entgegen der Auffassung der Klägerin beschränkende Wirkung.
164aa) Das Patentgericht hat die ergänzenden Vorgaben zutreffend dahingehend ausgelegt, dass die integrierte Schaltung sich gegenüber den zwischen den beiden Anschlussverbindern übertragenen Daten nicht nur rein passiv verhalten kann, sondern in der Lage ist, aktiv Einfluss auf diese zu nehmen und sie in irgendeiner Weise zu verändern.
165Die erteilte Fassung enthält solche Vorgaben nicht. Sie sieht lediglich vor, dass die Schnittstelle der Push-to-Talk-Einrichtung Informationen zur Verfügung stellen kann, die es ihr ermöglichen, ihre Einstellungen so anzupassen, dass ein Zusammenwirken mit der zweiten Einrichtung möglich ist. Eine zusätzliche Möglichkeit zur Einflussnahme der Schnittstelle auf den Datenverkehr zwischen den beiden Einrichtungen ist nach der erteilten Fassung hingegen nicht erforderlich.
166bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um verfahrensbezogene Merkmale, die auf die Beschaffenheit der in Patentanspruch 1 geschützten Schnittstelle keinen Einfluss haben.
167Die Vorgaben aus Merkmal 1.11' haben zur Folge, dass der zur Schnittstelle gehörende Mikroprozessor dafür eingerichtet sein muss, den Datenverkehr zwischen den beiden Einrichtungen in der näher spezifizierten Weise zu beeinflussen. Eine mit dem Anschluss des Prozessors verbundene Erhöhung der Betriebstemperatur stellt noch keine entsprechende Einrichtung dar.
168c) Wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, gibt Merkmal 1.11' nicht im Einzelnen vor, in welcher Weise die übertragenen Daten veränderbar sein müssen.
169Nach der Beschreibung kann der integrierte Schaltkreis (5) zum Beispiel so ausgestaltet sein, dass er die übermittelten Daten verstärkt oder filtert (Abs. 50).
170Wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, ist Merkmal 1.11' nicht auf diese Ausgestaltungen beschränkt.
171Zwingend erforderlich ist aber, dass nicht nur solche Daten verändert werden können, die zwischen der Schnittstelle und der Push-to-Talk-Einrichtung ausgetauscht werden, sondern Daten, die zwischen der Push-to-Talk-Einrichtung und der zweiten Einrichtung übertragen werden.
172d) Die mit Merkmal 1.11' beanspruchte Ausgestaltung ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.
173Ebenso wie das Streitpatent (Abs. 49 f.) zeigt bereits die Anmeldung die Möglichkeit auf, dass die Signale zwischen den beiden Einrichtungen über die elektronische Datenverbindung der Schnittstelle übertragen werden. In diesem Zusammenhang finden sich die bereits erwähnten Ausführungen, dass der integrierte Schaltkreis (5) der Schnittstelle als elektronische Verarbeitungseinheit ausgestaltet sein kann, die in der Lage ist, auf die übermittelten Signale zuzugreifen und diese zu verarbeiten, zum Beispiel zum Zwecke der Verstärkung, Filterung oder Messung (S. 14 Z. 23-33).
174Die Anmeldung (S. 11 Z. 21-23) und die Beschreibung des Streitpatents (Abs. 39 aE) verwenden auch die ergänzende Formulierung, dass die Verarbeitungseinheit auf die genannten Signale reagieren, in den Datenverkehr eingreifen und die Signale verändern kann. Diese enthält ohnehin nur eine andere Umschreibung dessen, was die Anmeldung beispielhaft anhand von Verstärkung oder Filterung schildert.
175e) Gründe dafür, dass eine Einflussnahme auf solche Daten mit Hilfe eines Prozessors mit aus dem Fachwissen bekannten Mitteln nicht möglich ist, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
176f) Wie die Berufung zu Recht geltend macht, ist eine solche Einflussmöglichkeit in O3 nicht offenbart.
177Nach den Ausführungen zu Figur 1 kann die Verbinder-Logik (14) aus O3 zwar die Daten beeinflussen, die auf dem 1-Draht-Bus (36) übertragen werden. Der 1-Draht-Bus ermöglicht darüber hinaus auch eine bidirektionale Datenübertragung. Er verbindet aber nur die Verbinder-Logik und das zentrale System. Für den Datenaustausch zwischen dem zentralen System und den daran angeschlossenen Geräten sind hingegen andere Steckerstifte (pins) vorgesehen (Sp. 3 Z. 40-52).
178In O3 ist auch an anderen Stellen nicht beschrieben, dass die Verbinder-Logik (14) den Datenverkehr zwischen dem zentralen System und einem daran angeschlossenen I/O-Gerät verändern kann.
179Wie die Berufung zu Recht geltend macht, ist den vom Patentgericht zitierten Ausführungen, wonach das in Figur 1 als Teil der Verbinder-Logik (14) dargestellte ROM (20) einen eindeutigen Code enthalten kann, der sich auf das verbundene Gerät bezieht (Sp. 3 Z. 53-57), lediglich zu entnehmen, dass dieser Code vom Verbinder an das zentrale System übermittelt wird. Ein Datenaustausch zwischen dem zentralen System und einem über den Verbinder angeschlossenen I/O-Gerät findet in dieser Phase nicht statt.
180g) Aus O10 ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.
181O10 offenbart ein Zubehörteil wie zum Beispiel ein Headset, das Informationen über seine Identität oder Beschaffenheit an ein Audiogerät übermitteln kann. Das Audiogerät kann anhand dieser Informationen Einstellungen vornehmen, um die Nutzung des Zubehörteils zu ermöglichen.
182Ein in die Schnittstelle eingebetteter Prozessor und die Verarbeitung von Signalen, die zwischen den beiden Geräten ausgetauscht werden, ist in O10 nicht offenbart. Diesbezügliche Anregungen lassen sich der Entgegenhaltung ebenfalls nicht entnehmen.
183h) Das Datenblatt zu einem TTL-232R USB to TTL Serial Converter Cable (Future Technology Devices International Ltd., 2006, S. 1-8, O14) gab ebenfalls keinen Anlass, die in O3 offenbarte Verbindung der Verbinder-Logik mit dem zentralen System abzuändern.
184O14 mag zwar zeigen, dass es im Stand der Technik Verbindungskabel gab, die Signale, die zwischen den beiden daran angeschlossenen Geräten ausgetauscht werden, verändern können. Ausgehend von O3 ergab sich aber keine Anregung, diese Funktion mit dem in O3 vorgeschlagenen Datenaustausch zwischen einer Verbinder-Logik und einem zentralen System zu kombinieren.
185i) Die übrigen Entgegenhaltungen enthalten keine weitergehenden Hinweise.
1862. Die Sache ist zur Endentscheidung reif.
187Aus den oben dargelegten Gründen ergibt sich, dass das Streitpatent in der mit Hilfsantrag 8 verteidigten Fassung Bestand hat.
188VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190825UXZR112.23.0
Fundstelle(n):
EAAAK-00774