Instanzenzug: Az: 2 StR 557/24 Beschlussvorgehend Az: 2 StR 557/24 Beschlussvorgehend Az: 2 StR 557/24 Beschlussvorgehend LG Erfurt Az: 10 KLs 620 Js 16338/22
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten D. und F. wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge“ sowie wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge in 12 weiteren Fällen“ zu mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Den Angeklagten S. hat es der „Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Cannabis in nicht geringer Menge, sowie der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Cannabis in nicht geringer Menge in acht weiteren Fällen sowie tatmehrheitlich des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge in einem Fall“, den Angeklagten J. der „Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Cannabis in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie tatmehrheitlich des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge in zwei Fällen“ schuldig gesprochen und Gesamtfreiheitsstrafen verhängt.
2Ferner hat die Strafkammer die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagten D. und F. als Gesamtschuldner in Höhe von 59.824,90 Euro, gegen den Angeklagten S. in Höhe von 4.360 Euro und gegen den Angeklagten J. in Höhe von 7.690 Euro angeordnet.
3Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen dieses Urteil und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet mit ihren Revisionen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer weitergehenden Einziehung des Wertes der durch die Straftaten erlangten Taterträge abgesehen hat. Die Rechtsmittel erzielen den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
I.
4Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten sich die Angeklagten unter der Führung der Angeklagten D. und F. seit Juni 2020 zu einer Bande zusammengeschlossen, deren Ziel es war, jeweils mehrere Kilogramm Marihuana – und vereinzelt auch Kokain – zu erwerben und gewinnbringend weiterzuverkaufen, um sich dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts zu verschaffen. In Umsetzung dieses Tatplans kam es zwischen dem und dem zu insgesamt 14 Bandentaten, wozu in zehn Fällen der Angeklagte S. und in neun Fällen der Angeklagte J. als Kuriere bei den An- und Weiterverkäufen der Drogen Beihilfe leisteten.
5Das Landgericht hat im Rahmen der Einziehungsentscheidungen hinsichtlich der Angeklagten D. und F. auf das jeweils durch insgesamt zwölf festgestellte Weiterverkäufe „konkret Erlangte“ abgestellt. „Darüber hinaus“ hat die Strafkammer „eine Einziehung nicht festgesetzt […], da lediglich die aus dem Abverkauf der Drogen tatsächlich erlangten Erlöse eingezogen werden können, nicht aber der Wert der in Weiterverkaufsabsicht erworbenen Betäubungsmittel angesetzt werden“ dürfe.
6Hinsichtlich der Angeklagten S. und J. hat die Strafkammer der jeweiligen Einziehungsentscheidung das aus deren Eigengeschäften konkret Erlangte zugrunde gelegt. Am Verkaufserlös der Bande seien sie nicht beteiligt gewesen, sondern für ihre Gehilfentätigkeit durch die Überlassung von Marihuana zu vergünstigten Preisen entlohnt worden.
II.
7Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen haben überwiegend Erfolg.
81. Die Rechtsmittel sind gemäß § 344 Abs. 1 StPO wirksam auf die Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen beschränkt, da diese Entscheidungen losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden können (vgl. auch , NStZ-RR 2023, 76, 77 mwN).
92. Die Rechtsmittel sind überwiegend begründet.
10a) Die Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Angeklagten D. und F. weist einen Rechenfehler auf (unter aa)) und ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht ausschließlich auf die konkret festgestellten Weiterverkäufe abgestellt und von einer weitergehenden Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen hat (unter bb)).
11aa) Soweit das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 59.824,90 Euro angeordnet hat, weist sie einen Rechenfehler in Höhe von 2.100 Euro zugunsten der beiden Angeklagten auf.
12Das Landgericht hat im Fall II. 2. b der Urteilsgründe hinsichtlich der am erfolgten Lieferung von elf Kilogramm Marihuana festgestellt, dass davon drei Kilogramm zum Preis von 4.800 Euro je Kilogramm verkauft worden seien; danach ergibt sich rechnerisch ein Betrag von 14.400 Euro, den die Angeklagten F. und D. erlangt haben. Das Landgericht hat indes – ohne weitere Erläuterungen – rechnerisch lediglich einen Betrag in Höhe von 12.300 Euro zugrunde gelegt, ohne dass dieses durch die getroffenen Feststellungen belegt wäre. Diesen offensichtlichen Rechenfehler korrigiert der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO, sodass gegen die Angeklagten D. und F. als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 61.924,90 Euro angeordnet ist.
13bb) Soweit die Strafkammer von einer weitergehenden Einziehung abgesehen hat, hält die dieser Entscheidung zugrundeliegende Beweiswürdigung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
14(1) Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn das Tatgericht es versäumt, sich im Urteil mit anderen naheliegenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen, und dadurch über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht (vgl. etwa , Rn. 6 mwN).
15(2) Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, denn sie lässt besorgen, dass das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt und über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen ist.
16Die Strafkammer hat unter gebotener Würdigung sämtlicher Feststellungen nicht geprüft, ob – über die konkretisierten Weiterverkäufe hinaus – das zum gewinnbringenden Handel erworbene Marihuana und Kokain ebenfalls weiterverkauft worden ist. Angesichts der über einen langen Tatzeitraum erfolgten mehrfachen umfangreichen Ankäufe von Marihuana und Kokain mittels vorhandener erheblicher Bargeldreserven innerhalb kurzer Zeitspannen drängte sich hier eine eingehende Erörterung auf, zumal mit Blick darauf, dass die beiden Angeklagten die abgeurteilten Taten als Haupttäter begingen, um sich eine dauerhafte und nicht unerhebliche Einnahmequelle zur Finanzierung eines erheblichen Teils ihres Lebensunterhaltes zu verschaffen. Danach liegt es nahe, dass die Angeklagten die erworbenen Drogen tatzeitnah jeweils (zumindest teilweise) weiterverkauften und – wie auch in den konkretisierten Weiterverkaufsfällen – im Tatzeitraum von der Bande vereinnahmte Verkaufserlöse entgegennahmen (vgl. auch , NStZ-RR 2009, 94).
17cc) Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird die rechtsfehlerfrei festgestellten Umstände umfassend in eine vorzunehmende Gesamtwürdigung einzustellen haben. Sollten konkrete Feststellungen hinsichtlich der von den Angeklagten vereinnahmten Verkaufserlöse nicht getroffen werden können, sind solche Erlöse nach § 73d Abs. 2 StGB zu schätzen (vgl. , NStZ-RR 2009, 94; s. auch , Rn. 4: Verkaufserlöse mindestens in Höhe der Ankaufspreise).
18Sorgfältiger als bislang geschehen wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht überdies die in den Fällen II. 2. b, II. 2. c, II. 2. d und II. 2. m der Urteilsgründe festgestellten bzw. beweiswürdigend belegten höheren Verkaufsmengen im Rahmen der weiteren Einziehungsentscheidung in den Blick zu nehmen haben. Warum die Strafkammer im Fall II. 2. l der Urteilsgründe nicht den festgestellten Betrag in Höhe von 8.200 Euro, sondern einen Betrag in Höhe von 7.400 Euro zugrunde gelegt hat, kann der Senat nicht nachvollziehen.
19b) Die Einziehungsentscheidungen hinsichtlich der Angeklagten S. und J. erweisen sich ebenfalls als durchgreifend rechtsfehlerhaft, soweit die Strafkammer von einer weitergehenden Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen hat.
20aa) Ausweislich der Urteilsgründe hat der Angeklagte S. in den Fällen II. 2. b, II. 2. d und II. 2. h der Urteilsgründe auf Veranlassung der Mitangeklagten D. und F. Marihuana übergeben und verkauft. Der Angeklagte J. hat in den Fällen II. 2. l und II. 2. n der Urteilsgründe bei insgesamt drei Gelegenheiten Marihuana auf Veranlassung des Angeklagten F. verkauft.
21Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat entnehmen, dass die Angeklagten J. und S., die an den Verkaufserlösen der Bande nicht beteiligt waren, die Kaufpreise in bar erhielten und das Geld im Anschluss an die Mitangeklagten D. und F., die ihre Drogengeschäfte durchgehend mit Barmitteln abwickelten, übergaben.
22bb) Angesichts dieser Feststellungen hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die Angeklagten S. und J. durch die abgewickelten Drogengeschäfte die jeweils erhaltenen Kaufpreise im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB erlangt haben.
23Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter oder Teilnehmer durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, zwingend der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise, ob das Erlangte beim Täter oder Teilnehmer verbleibt oder ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später – etwa durch absprachegemäße Weitergabe an einen anderen – aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse gemindert wurde (vgl. , NStZ-RR 2022, 339 mwN).
24Nur dann, wenn der Täter etwas nur kurzfristig und transitorisch durch die Tat erhalten hat, weil er dieses – ohne faktische Verfügungsgewalt hieran erlangt zu haben – weiterzuleiten hatte, hat er den Gegenstand nicht im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73c StGB erlangt. Ein bloß transitorischer Besitz liegt aber regelmäßig nicht vor, wenn der Tatbeteiligte den durch die Tat erlangten Gegenstand über eine nicht unerhebliche Zeit unter Ausschluss der anderen Tatbeteiligten in seiner faktischen Verfügungsgewalt hält (vgl. BGH, aaO, mwN; vgl. auch ,BGHR StGB § 73 Erlangtes 30). Auch in dieser Hinsicht schweigt das Urteil.
25c) Die zugrundeliegenden Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt. Sie können daher – anders als von der Revisionsführerin beantragt – bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
263. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 301 StPO).
Menges Zeng Meyberg
Grube Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040625U2STR557.24.0
Fundstelle(n):
FAAAK-00726