Gründe
1I. Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung für eine ambulante Operation.
2Ein Versicherter der Beklagten wurde im Krankenhaus der Klägerin am ambulant operiert. Die Klägerin rechnete hierfür 767,52 Euro unter Berücksichtigung zweier Zuschläge für einen Simultaneingriff ab: 31148 (Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 bei Simultaneingriffen sowie zu der Gebührenordnungsposition 31147) sowie 31828 (Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31821 bis 31826 bei Simultaneingriffen sowie zu der Gebührenordnungsposition 31827 bei Fortsetzung einer Anästhesie und/oder Narkose für jeweils vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit). Die Beklagte beglich lediglich den sich ohne die beiden Ziffern ergebenden Betrag iHv 664,75 Euro. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) beanstandete im anschließenden Prüfverfahren, die Voraussetzungen für die Zuschläge seien mangels Simultaneingriffs nicht erfüllt.
3Das Klageverfahren ist erfolglos geblieben. Das SG ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es für einen Simultaneingriff an dem hierfür erforderlichen gesonderten operativen Zugangsweg fehle. Ein ausschließlicher Wechsel des Instrumentierkanals unter Nutzung bereits vorhandener Portale reiche hierfür nicht. Bei der minimalinvasiven Chirurgie stelle die Gesamtheit der Portale einen operativen Zugangsweg dar (Urteil vom ). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt, sie sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden (Schriftsatz vom ). Gleichwohl hat das LSG die Berufung durch ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil zurückgewiesen. Es könne offengelassen werden, ob ein gesonderter operativer Zugangsweg schon dann vorliege, wenn wegen des Zweiteingriffs ein Wechsel der Optik, des Instrumentierkanals oder des Einstellwinkels erfolge. Jedenfalls sei der vorliegenden Dokumentation nicht zu entnehmen, dass dieser Portalwechsel (allein) wegen des Zweiteingriffs erfolgt sei und nicht (auch) für den Haupteingriff (Urteil vom ).
4Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
5II. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den die Klägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet (dazu 1.). Dies eröffnet dem Senat die Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das LSG nach § 160a Abs 5 SGG (dazu 2.).
61. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die Klägerin bezeichnet den geltend gemachten Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den Mündlichkeitsgrundsatz (§ 124 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG) hinreichend.
7a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht (stRspr; vgl - juris RdNr 7; - juris RdNr 8; - juris RdNr 12; - SozR 1500 § 160a Nr 14). Diese Begründungsanforderungen erfüllt die Beschwerde. Die Klägerin hat dargelegt, dass das LSG nicht - wie geschehen - ohne mündliche Verhandlung habe entscheiden dürfen, da sie ihr Einverständnis hierzu nicht erteilt habe. Damit rügt sie einen Verstoß gegen das Prinzip der mündlichen Verhandlung (§ 124 Abs 1 SGG) sowie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK).
8b) Die Beschwerde der Klägerin ist auch begründet. Das LSG hätte nicht ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG entscheiden dürfen (hierzu aa). Das Urteil des LSG kann auf diesem Verfahrensfehler beruhen (hierzu bb).
9aa) Nach § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Abweichend von diesem Grundsatz kann es gemäß § 124 Abs 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis muss vor der Entscheidung erklärt werden und zwar von jedem Beteiligten ausdrücklich, eindeutig und vorbehaltslos (vgl - BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2 = juris RdNr 13; - juris RdNr 10; - juris RdNr 6). Diese Voraussetzungen lagen bei der vom LSG getroffenen Entscheidung nicht vor. Auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts vom hat lediglich die Beklagte mit Schriftsatz vom ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt, während die Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tage ausdrücklich erklärt hat, mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden zu sein.
10bb) Das Urteil des LSG kann auf diesem Verfahrensfehler beruhen. Die Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes ist im sozialgerichtlichen Verfahren zwar kein absoluter Revisionsgrund. Wegen der besonderen Bedeutung der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens (vgl - BVerfGE 107, 395, 409) ist aber regelmäßig davon auszugehen, dass bei einer Verletzung des Rechts auf mündliche Verhandlung die Entscheidung auch auf diesem Verfahrensfehler beruht (vgl etwa - juris RdNr 10; - juris RdNr 10; - juris RdNr 7; - juris RdNr 7). Wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein, bedarf es daher keines weiteren Vortrags zum "Beruhenkönnen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler. Es reicht vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (stRspr; vgl zB - juris RdNr 7 mwN; - juris RdNr 21). Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, sich in der mündlichen Verhandlung zu den rechtlichen und tatsächlichen Aspekten des Rechtsstreits zu äußern.
112. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.
123. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:270825BB1KR7824B0
Fundstelle(n):
JAAAK-00661