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BGH Beschluss v. - 6 StR 24/25

Instanzenzug: Az: 3 KLs 28/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere war das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht gehalten, die angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu erörtern, denn zwischen Strafe und Maßregelanordnung besteht grundsätzlich keine Wechselwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 227/23, JR 2024, 540 mit Anm. Peglau; vom – 2 StR 305/24, Rn. 10; vom – 5 StR 610/24, Rn. 2).

32. Hingegen hat die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand.

4a) Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB zu Recht angenommen. Der Angeklagte ist wegen zwei Taten der in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Art zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten sowie von neun Jahren verurteilt worden, wobei er eine Tat im Erwachsenenalter begangen hat (vgl. , BGHSt 24, 243; vom – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511; Beschluss vom – 2 StR 513/01, NStZ-RR 2002, 183; LK-StGB/Peglau, 13. Aufl., § 66 Rn. 111).

5b) Rechtsfehlerfrei hat die sachverständig beratene Strafkammer auch die materiellen Voraussetzungen der Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB angenommen.

6c) Die Ermessensentscheidung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung indes nicht stand.

7aa) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Damit kann das Tatgericht dem Ausnahmecharakter der Bestimmung Rechnung tragen, die im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Angeklagten nicht voraussetzt (vgl. ; NStZ 2013, 707; vom − 2 StR 515/23, NStZ 2025, 291, 293 mit Anm. Kett-Straub; Beschluss vom – 2 StR 515/23, NStZ 2025, 291). Das Tatgericht soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. , NStZ 2013, 707; vom – 2 StR 511/21, BGHR StGB § 66 Abs. 3 Ermessensentscheidung 1). Dabei ist bei frühkriminellen Hangtätern, die das 21. Lebensjahr gerade erst überschritten haben, überdies besonders zu berücksichtigen, dass die Sicherungsverwahrung nur ausnahmsweise und unter strengen Anforderungen bei besonders schweren Straftaten zulässig ist (vgl. bereits , BGHSt 26, 152; Beschluss vom – 3 StR 451/13, NStZ-RR 2014, 107; NK-StGB/Dessecker, 6. Aufl., § 66 Rn. 48). Dies bedarf besonders sorgfältiger Würdigung in den Urteilsgründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 406/88, NStZ 1989, 67; vom – 2 StR 199/97; Urteil vom – 2 StR 511/21, BGHR StGB § 66 Abs. 3 Ermessensentscheidung 1).

8bb) Gemessen hieran hält die vom Landgericht getroffene Ermessensentscheidung revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat sie im Ausgangspunkt zu Recht den generellen Ausnahmecharakter von § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB hervorgehoben. Die Begründung des Landgerichts lässt aber nicht erkennen, dass es auch das besonders junge Alter des Angeklagten in den Blick genommen hat. Dies war hier gerade deshalb geboten, weil der Angeklagte die erste Anlasstat im Alter von 19 und die zweite im Alter von 21 Jahren begangen hat. Überdies hat er im Urteilszeitpunkt durch die Untersuchungshaft erstmals und für mehr als ein Jahr Freiheitsentzug erfahren. Der Umstand, dass die Strafkammer auf beide Fälle gemäß § 32 JGG das allgemeine Strafrecht angewendet hat, befreit von dieser gebotenen besonders sorgfältigen Würdigung nicht. Der Senat kann sie nicht nachholen, da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, die Ermessensentscheidung des Tatgerichts durch eigene Ermessenserwägungen zu modifizieren (vgl. , BGHSt 24, 345, 348; Beschlüsse vom – 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12; vom – 3 StR 207/12, Rn. 4).

93. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Aufhebung getroffener Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.

Bartel                            Wenske                            Fritsche

            von Schmettau                       Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240725B6STR24.25.0

Fundstelle(n):
XAAAK-00062