Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung
Instanzenzug: Az: 3 Ca 3686/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 6 Sa 524/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen.
2Der Kläger wurde zum von der V Lebensversicherung AG eingestellt. Arbeitsvertraglich wurde die Anwendung der Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft vereinbart. Die damalige Arbeitgeberin des Klägers firmierte später in E AG um. Im Wege eines Betriebsübergangs ging das Arbeitsverhältnis zum auf die Beklagte über. Beide Parteien sind tarifgebunden.
3Zu den anwendbaren Tarifverträgen für die private Versicherungswirtschaft gehört der „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung“ (TV EU). Erstmalig wurde er am vereinbart.
4Am wurde der TV EU in der Präambel geändert, so dass § 19 BetrAVG anstelle von § 17 Abs. 3 BetrAVG genannt ist. In dieser ab dem gültigen Fassung des TV EU heißt es auszugsweise:
5Am schlossen die V Lebensversicherung AG und der Kläger eine Vereinbarung, wonach ein Teil seines monatlichen Bruttolohns „in einen Anspruch auf Verschaffung von Versicherungsschutz umgewandelt wird“. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, Beiträge zu der hierfür abzuschließenden Rentenversicherung zu zahlen. Zu diesem Zweck erfolgte der Abschluss einer Direktversicherung mit Wirkung zum . Mit Wirkung zum erhöhte der Kläger seinen monatlichen Beitrag zur Direktversicherung auf 248,00 Euro.
6Zum trat der Kläger dem sog. E-Versorgungswerk bei und reduzierte gleichzeitig seinen monatlichen Beitrag zur Direktversicherung auf 30,00 Euro. In diesem bei der Beklagten bestehenden Versorgungswerk werden 1,75 vH der versorgungsfähigen Bezüge zugunsten einer betrieblichen Versorgungszusage umgewandelt. Der monatliche Arbeitgeberbeitrag beträgt 3,5 vH der versorgungsfähigen Bezüge der für den jeweiligen Kalendermonat maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (West).
7Mit Schreiben von April und Juli 2022 forderte der Kläger von der Beklagten unter Bezugnahme auf § 1a Abs. 1a BetrAVG die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses ab dem zu seiner Direktversicherung.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm für den Zeitraum Januar bis Juni 2022 ein Zuschuss der Beklagten zu seiner Direktversicherung iHv. 15 vH von seinem damaligen Beitrag iHv. 248,00 Euro monatlich, also 37,20 Euro monatlich zustehen. Ab Juli 2022 belaufe sich der monatliche Zuschuss auf 4,50 Euro. Darüber hinaus habe er ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Konflikt zwischen den Parteien auch für die Zukunft geklärt werde. Falls die Beklagte nicht verpflichtet sei, den von ihm verlangten Arbeitgeberzuschuss zu zahlen, stehe ihm zumindest ein Schadenersatzanspruch zu.
9Der Kläger hat beantragt,
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
12Die Revision des Klägers ist überwiegend zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Die Klage ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
13I. Die Revision ist unzulässig, soweit der Hilfsantrag zu 4. des Klägers betroffen ist. Der Kläger wendet sich in der Revisionsbegründung nicht gegen die Klageabweisung insoweit. Zwar hängt der echte Hilfsantrag vom Erfolg der Hauptanträge ab. Da das Berufungsgericht aber über den Hilfsantrag entschieden hat, hätte der Kläger hierzu Stellung nehmen müssen. Das Berufungsgericht hat den Antrag mangels pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten abgewiesen. Hiermit hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.
14II. Die Revision ist im Übrigen unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben und die Klage abgewiesen.
151. Die Anträge zu 1. und 2. sind unbegründet. Ein Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG des Klägers gegen die Beklagte besteht wegen einer abweichenden Regelung im TV EU gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht. Es liegt mit den Bestimmungen des TV EU ein den dadurch begründeten Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung abschließend regelnder Tarifvertrag vor, der jedenfalls insoweit iSv. § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1a BetrAVG abweicht, wie danach kein Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG vorgesehen ist.
162. Der im TV EU geregelte Anspruch auf Entgeltumwandlung weicht von der gesetzlichen Regelung in § 1a BetrAVG ab. Der TV EU enthält eine bezogen auf den danach vorgesehenen Anspruch auf Entgeltumwandlung abschließende Regelung. Das folgt bereits aus dem Namen des Tarifvertrags und seinen den Anspruch auf Entgeltumwandlung ausführlich regelnden Bestimmungen. §§ 1, 2 TV EU enthalten die Grundsätze und Einzelheiten der Entgeltumwandlung. Die Beschäftigten haben nach § 2 Abs. 1 TV EU einen Anspruch auf Entgeltumwandlung, wenn sie ihn - abweichend von § 1a Abs. 1 BetrAVG - schriftlich beantragen. § 2 Abs. 1, 2, 5 TV EU bestimmt zudem die maximale Höhe der der Umwandlung zugänglichen Entgeltbestandteile und den Zeitpunkt der Umwandlung sowie ihrer Vereinbarung. § 2 Abs. 1 Satz 3 TV EU begrenzt die Umwandlung auf künftige Entgeltansprüche. § 2 Abs. 3 TV EU eröffnet dem Arbeitgeber die Bestimmung des Durchführungswegs mit einer Ersatzbestimmung durch den Arbeitnehmer. § 1 TV EU ermöglicht die Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen. § 3 TV EU ermächtigt die Betriebsparteien zu eigenständigen Regelungen. Einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG sieht der TV EU nicht vor. Auf die Präambel kommt es daneben nicht entscheidend an. An ihr lässt sich aber ablesen, dass die Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Abweichung von § 1a BetrAVG in § 19 Abs. 1 BetrAVG gesehen haben und von ihr Gebrauch machen wollten.
173. Diese Abweichung von § 1a BetrAVG ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig. Die Tariföffnungsklausel erfasst auch bereits vor dem geschlossene Tarifverträge. Es ist deshalb nicht von Bedeutung, dass der TV EU bereits im August 2017 neu gefasst wurde. Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 BetrAVG, die Systematik sowie der gesetzgeberische Wille und der sich daraus ergebende Sinn und Zweck der Norm lassen nur den Schluss zu, dass auch bereits vor dem geschlossene Tarifverträge zur Entgeltumwandlung von § 1a BetrAVG, einschließlich des mit § 1a Abs. 1a BetrAVG neu geschaffenen Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss, abweichen können (vgl. dazu ausführlich - Rn. 11 ff.; bestätigt - 3 AZR 53/24 - Rn. 17).
184. Ob ein Tarifvertrag eine abschließende Regelung der Entgeltumwandlung und eine von § 1a BetrAVG abweichende Regelung enthält, ist eine Frage seiner Auslegung. Das ist beim TV EU wie gesehen der Fall. Es genügt, dass der TV EU eigenständig einen Anspruch auf Entgeltumwandlung ohne Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt. Allein dadurch sieht er eine von § 1a BetrAVG abweichende Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens und der Lasten der Entgeltumwandlung vor. Hierfür bedarf es weder einer konkreten oder ausdrücklichen Abbedingung des Zulagenanspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG noch einer darauf bezogenen oder sonstigen Kompensation. Der TV EU beschränkt sich nicht etwa auf eine gemäß § 20 Abs. 1 BetrAVG erforderliche Zulassung einer Umwandlung von auf Tarifvertrag beruhenden Entgeltansprüchen.
19III. Der Antrag zu 3. ist im Kosteninteresse des Klägers als unechter Hilfsantrag dahin zu verstehen, dass er nur dann zur Entscheidung anfallen soll, wenn den Zahlungsanträgen zu 1. und 2. stattgegeben wird (vgl. - Rn. 40). Dieses Verständnis hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
20IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:260825.U.3AZR298.24.0
Fundstelle(n):
EAAAK-00038