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BFH Urteil v. - XI R 25/24

Zur Umsatzsteuerbefreiung von Betreuungs- und Pflegeleistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden

Leitsatz

1. Eine Leistung ist nicht bereits dann in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn die Gegenleistung aus dem Persönlichen Budget (§ 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) bestritten wird.

2. Eine Leistung ist jedoch in die Berechnung der Sozialgrenze des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der im Jahr 2020 geltenden Fassung (jetzt: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. n UStG) einzubeziehen, wenn ein Budgetnehmer mit einem in der Vorschrift genannten Kostenträger als Budgetgeber eine individuelle Zielvereinbarung abgeschlossen hat sowie ein Gesamtplan des Budgetgebers vorliegt, in denen jeweils der Leistungserbringer namentlich genannt wird (Anschluss an das , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

Gesetze: UStG a.F. § 4 Nr. 16 Buchst. l; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g; SGB IX § 29; GG Art. 3 Abs. 1 und 3

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die der jeweilige Leistungsempfänger aus seinem Persönlichen Budget im Sinne von § 29 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) bezahlt, umsatzsteuerfrei sind.

2 Die Klägerin ist eine im November 2019 gegründete GmbH. Zum ist sie unternehmerisch tätig geworden, indem sie den Geschäftsbetrieb der A übernommen hat.

3 Um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, werden auf Antrag der Leistungsberechtigten Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets gewährt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), und zwar als Geldleistung, bei laufenden Leistungen monatlich (§ 29 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Sie sind eine Alternative zur Erbringung von Sachleistungen.

4 Die von der Klägerin betreuten Menschen mit Behinderung (Budgetnehmer) stellten einen Antrag bei dem für sie zuständigen Leistungsträger (Budgetgeber) auf Auszahlung eines Persönlichen Budgets. In der daraufhin vom Budgetnehmer mit dem Budgetgeber abgeschlossenen individuellen Zielvereinbarung wurde die Klägerin als Leistungserbringerin namentlich genannt und wurden unter anderem sowohl die Höhe des Persönlichen Budgets als auch die Mittelverwendung festgehalten. In diesem Zusammenhang enthielt die Zielvereinbarung auch die Höhe der genehmigten Stundensätze.

5 Nach § 121 SGB IX erstellte der Budgetgeber außerdem einen Gesamtplan zur Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses, den er dem Budgetnehmer zur Verfügung stellte. Auch in den Gesamtplänen wird die Klägerin namentlich erwähnt.

6 Die Klägerin ist verpflichtet, dem Budgetgeber mitzuteilen, welche ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Budgetnehmer begleiten, und übermittelt entsprechende Ausbildungsnachweise.

7 Bis einschließlich 2019 wurde das Persönliche Budget der von A unterstützten Budgetnehmer direkt auf ein Konto der A überwiesen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah deshalb nach Durchführung einer Außenprüfung die Leistungen der A als umsatzsteuerfrei an.

8 Seit dem Jahr 2020 (Streitjahr) wird das Persönliche Budget an die Budgetnehmer ausgezahlt, die die ihnen als Persönliches Budget vom Budgetgeber überwiesenen Geldmittel im Rahmen der getroffenen Zielvereinbarung frei verwenden. Am Ende jedes Bewilligungszeitraums sind vom Budgetnehmer die betreffenden Rechnungen vorzulegen, um dem Kostenträger die Prüfung zu ermöglichen, ob das Persönliche Budget in voller Höhe ausgeschöpft wurde oder ob ein Teil zurückerstattet werden muss.

9 Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen im Streitjahr, wie zuvor die Leistungen der A, ebenfalls nach § 4 Nr. 16 Buchst. l des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (a.F.) umsatzsteuerfrei seien und wies in ihren Rechnungen an die Budgetnehmer unter Verweisung auf diese Steuerbefreiung keine Umsatzsteuer offen aus.

10 Nachdem die Klägerin dem FA im Juli 2020 mitgeteilt hatte, dass sie von der Steuerfreiheit der von ihr erbrachten Leistungen ausgehe, forderte das FA (nach Einschaltung der Oberfinanzdirektion) sie auf, eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr einzureichen. In der Erklärung vom erklärte die Klägerin ihre Umsätze als steuerbar und steuerpflichtig (teilweise zum allgemeinen Steuersatz von 19 % und teilweise zum allgemeinen Steuersatz von 16 %). Dabei rechnete sie die Umsatzsteuer aus den vereinnahmten Beträgen heraus. Außerdem zog sie Vorsteuer in zwischen den Beteiligten unstreitiger Höhe ab. Anschließend erhob sie Sprungklage, der das FA zustimmte.

11 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2025, 56 veröffentlicht.

12 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Im Wesentlichen trägt sie vor, dass sie unstreitig eng mit der Betreuung und Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen erbringe. Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden, seien in die sog. Sozialquote des § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. (nunmehr § 4 Nr. 16 Buchst. n UStG) mit einzubeziehen. Die Budgetnehmer seien einkommens- und vermögenslos und verfügten daher über keine anderen Mittel als das Persönliche Budget. Die Mittel würden zweckgebunden gewährt und bei zweckwidriger Verwendung zurückgefordert. Überschüsse seien zurückzuzahlen. Eine andere Auslegung sei verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—), da die Klägerin schlechter gestellt werde als zum Beispiel Pflegedienste, deren Leistungen nicht aus dem Persönlichen Budget bestritten werden. Das Persönliche Budget sei eine vom Gesetzgeber gewollte Alternative zu Sachleistungen. Die Leistungen seien daher umsatzsteuerrechtlich gleich zu behandeln, um zu vermeiden, dass Menschen mit Behinderungen faktisch dazu gezwungen werden, Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Außerdem dienten die Leistungen der Klägerin dem Gemeinwohl. Eine Umsatzsteuerpflicht sei nicht mit § 29 SGB IX in Einklang zu bringen. Die Bemessung des Persönlichen Budgets erfolge nach dem festgestellten Bedarf (§ 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX). Das Persönliche Budget solle nicht die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen überschreiten (§ 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Würde man Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget finanziert werden, höher besteuern als Sachleistungen, könne diese Vorgabe nicht erfüllt werden. Es komme zu einer Mehrbelastung für die Pflegekassen (und gegebenenfalls zu einer Freiheitsbeschränkung der Klienten).

13 Außerdem verstoße die Auslegung des FG gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Selbst wenn die Sozialquote unionsrechtskonform sei, was bezweifelt werde, verstoße die Ausklammerung von Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget finanziert werden, gegen Unionsrecht.

14 Darüber hinaus seien nach Art. 4 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention —UN-BRK—) vom , das die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) am ratifiziert habe, die Vertragsstaaten verpflichtet, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Danach seien unter anderem alle geeigneten Maßnahmen, einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellten, und alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen.

15 Überdies weiche die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Danach reiche im Falle der mittelbaren Kostentragung eine explizite Entscheidung der Pflegekasse oder die Möglichkeit zum Abschluss eines Vertrages mit dem Kostenträger für eine Anerkennung aus. Wenn dem Kostenträger der leistende Unternehmer bekannt sei und er in Kenntnis dessen das Persönliche Budget bewillige, sei der dem Kostenträger bekannte leistende Unternehmer vom betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt. Die Voraussetzungen einer anzukennenden mittelbaren Kostentragung lägen vor. Die Klägerin sei dem Kostenträger als Leistungserbringerin bekannt, wenn er über das Persönliche Budget entscheide.

16 Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2020 vom dahin gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0,00 € herabgesetzt wird,

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Vorabentscheidung zu ersuchen,

weiter hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.

17 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

18 Es verteidigt unter Hinweis auf Abschn. 4.16.3. Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses die angefochtene Vorentscheidung.

Gründe

II.

19 Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Umsätze der Klägerin sind, was das FG bei seiner Urteilsfindung noch nicht berücksichtigen konnte, aufgrund der späteren Rechtsprechung des BFH steuerfrei.

20 1. Nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. sind steuerfrei die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.

21 a) Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (vormals Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“. Die Bestimmung legt allerdings Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung als soziale Einrichtung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. , BFHE 258, 517, Rz 39; vom  - XI R 20/16, BFHE 262, 220, BStBl II 2023, 786, Rz 49). Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. EuGH-Urteile Kügler vom  - C-141/00, EU:C:2002:473, Rz 54; Kingscrest Associates und Montecello vom  - C-498/03, EU:C:2005:322, Rz 51; Kinderopvang Enschede vom  - C-415/04, EU:C:2006:95, Rz 23; Zimmermann vom  - C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 26).

22 b) § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. hält sich im Rahmen dieses Ermessens, wenn er die Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass bei der betreffenden Einrichtung die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind (vgl. , BFHE 262, 220, BStBl II 2023, 786, Rz 48; EuGH-Urteile L.u.P. vom  - C-106/05, EU:C:2006:380, Rz 53 f. zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG; Zimmermann vom  - C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 36 und 37 zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Der nationale Gesetzgeber hatte lediglich die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens insoweit nicht beachtet, als er bezüglich der Einhaltung der Mindestvergütungsquote früher auf das vorangegangene Kalenderjahr abgestellt hat (vgl. , BFHE 240, 439, BStBl II 2023, 765, Rz 36 ff.; vom  - XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 42, jeweils zu § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. e UStG a.F.; EuGH-Urteil Zimmermann vom  - C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 40 und 41).

23 2. Ausgehend davon hat das FG zu Recht angenommen, dass keine unmittelbare Anerkennung der Klägerin vorliegt.

24 a) Die Klägerin erhielt ihre Zahlungen nicht in mindestens 25 % der Fälle unmittelbar von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge, sondern von den Leistungsempfängern. Der Umstand, dass diese die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget bestritten haben, das die Budgetnehmer zuvor von den in § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. genannten Personen als Geldleistung erhalten hatten, ist als solcher nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen, da in der Zahlung durch die Budgetnehmer als solche keine Anerkennung durch den betreffenden Mitgliedstaat liegt, wenn sich der Budgetnehmer für eine bestimmte Leistung den leistenden Unternehmer selbst aussuchen kann.

25 b) Der Vortrag der Klägerin, ihre Leistungen dienten dem Allgemeinwohl, führt zu keiner anderen Beurteilung, da nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten, sondern nur diejenigen, die in Art. 132 MwStSystRL einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind, steuerfrei sind (vgl. EuGH-Urteile Brockenhurst College vom  - C-699/15, EU:C:2017:344, Rz 22; Dubrovin & Tröger - Aquatics vom  - C-373/19, EU:C:2021:873, Rz 20, 31 f.).

26 c) Außerdem sind, anders als die Klägerin möglicherweise meint, nur die Umsätze von anerkannten und nicht auch die von nicht anerkannten Einrichtungen befreit (vgl. EuGH-Urteil Happy Education vom  - C-612/20, EU:C:2022:314, Rz 30 ff.; , BFHE 272, 259, BStBl II 2023, 792, Rz 35), wenn der betreffende Mitgliedstaat das ihm eingeräumte Ermessen —wie bei § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F.— eingehalten hat.

27 aa) Ist die Klägerin (durch Einhaltung der Sozialgrenze oder aus anderen in § 4 Nr. 16 UStG a.F. genannten Gründen) als andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung vom Mitgliedstaat Deutschland anerkannt, sind ihre Umsätze steuerfrei. Ist sie nicht als andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung anerkannt, sind ihre Umsätze steuerpflichtig. Sonst würden die in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltenen personellen Voraussetzungen der einzelnen Steuerbefreiungen durch die Rechtsprechung beseitigt (vgl. , BFHE 256, 550, BStBl II 2023, 781, Rz 30).

28 bb) Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL oder die UN-BRK vermag der Senat in dieser Unterscheidung nicht zu erkennen. Anknüpfungspunkt der umsatzsteuerrechtlichen Ungleichbehandlung durch persönliche Voraussetzungen einer Steuerbefreiung ist nicht die vergleichbare Leistung (hier: Geldleistung oder Sachleistung) oder der Leistungsempfänger (hier: behinderter Mensch), der nicht diskriminiert werden darf, sondern der Leistende (und seine bestehende oder fehlende Anerkennung). Durch die Festlegung der Mehrwertsteuerbefreiungen anhand von persönlichen Merkmalen in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, g, h, i, l, m und n MwStSystRL impliziert das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer (vgl. EuGH-Urteil Bridport and West Dorset Golf Club vom  - C-495/12, EU:C:2013:861, Rz 36; , BFH/NV 2015, 531, Rz 49; vom  - XI R 23/14, BFHE 258, 517, Rz 63; , BFH/NV 2017, 168, Rz 8), so dass in der Anerkennung beziehungsweise Nichtanerkennung (unionsrechtlich und verfassungsrechtlich) der eine umsatzsteuerrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigende Grund liegt. Die Leistungserbringung durch eine anerkannte und eine nicht anerkannte Einrichtung sind keine vergleichbaren Sachverhalte und müssen daher nicht umsatzsteuerrechtlich gleich behandelt werden (vgl. auch , BFH/NV 2015, 66 zu Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch einen Tierarzt).

29 3. Allerdings kann auch bei der Erbringung von Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget vom Budgetnehmer bezahlt werden, eine mittelbare Anerkennung durch eine explizite Entscheidung des das Budget gewährenden Trägers vorliegen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

30 a) Der V. Senat des BFH hat zu der Frage, ob Leistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden, mit Urteil vom  - V R 1/22 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 18 bis 29) unter Anschluss an die Rechtsprechung des Senats (, BFHE 272, 259, BStBl II 2023, 792, Rz 39; EuGH-Urteil Finanzamt D vom  - C-657/19, EU:C:2020:811, Rz 51) entschieden, dass nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k bzw. l UStG a.F. Leistungen steuerfrei sind, die „vergütet worden sind“, was nur voraussetzt, dass der zuständige Träger die erbrachten Leistungen kennt und die Kosten hierfür —wenn auch nur mittelbar— tragen will. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Kostenübernahme —auch in Bezug auf die Person des Leistungserbringers— auf einer expliziten Entscheidung des Kostenträgers beruht. Auch in der Bereitschaft zur Vergütung einer Leistung einer dem Sozialversicherungsträger bekannten Person liegt daher eine Anerkennung als vergleichbare Einrichtung mit sozialem Charakter.

31 b) Daher sind —entgegen der Auffassung des FG— auch aus dem Persönlichen Budget (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F., nunmehr § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX n.F.) bestrittene Leistungen für die Bemessung der Mindestvergütungsquote des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k, l, m oder n UStG a.F. zu berücksichtigen, wenn eine explizite Entscheidung auch in Bezug auf die Person des Leistungserbringers durch einen in dieser Vorschrift genannten Träger (z.B. gesetzlicher Träger der Sozialversicherung, Träger der Sozialhilfe, Träger der Eingliederungsbeihilfe nach § 94 SGB IX) vorliegt. Der Senat verweist im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf das (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

32 c) Soweit das FA in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, auch im Falle des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. müsse eine über die explizite Entscheidung des zuständigen Trägers hinausgehende sozialrechtliche Anerkennung vorliegen, trifft dies nach den oben genannten Ausführungen nicht zu.

33 4. Die Sache ist spruchreif im Sinne der Stattgabe der Klage.

34 a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG liegt im Streitfall bei den von der Klägerin betreuten Budgetnehmern jeweils eine vom Budgetnehmer mit dem Budgetgeber geschlossenen individuelle Zielvereinbarung vor, in der die Klägerin als Leistungserbringerin namentlich genannt wird. Außerdem wird nach den tatsächlichen Feststellungen des FG in einem Gesamtplan des Budgetgebers nach § 121 SGB IX die Klägerin namentlich erwähnt. Es liegt daher hinsichtlich aller Budgetnehmer, denen ein Persönliches Budget unter Einschaltung der Klägerin gewährt wurde, eine explizite Entscheidung des zuständigen Trägers im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG a.F. vor. Die Sozialgrenze ist damit überschritten und die an die Budgetnehmer ausgeführten Umsätze der Klägerin sind steuerfrei.

35 b) Gleichzeitig ist, was die Klägerin selbst begehrt, der vom FA gewährte Vorsteuerabzug wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG rückgängig zu machen.

36 c) Dass die Klägerin weitere, nicht steuerfreie Umsätze ausgeführt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass sich die Frage der Anwendung der Kleinunternehmerregelung (vgl. dazu , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, unter II.5.b) im Streitfall nicht stellt. Die Umsatzsteuer ist daher auf 0 € festzusetzen.

37 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.300425.XIR25.24.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-99916