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Online-Nachricht - Mittwoch, 17.09.2025

Berufsrecht | Einhaltung einer Frist scheitert nicht an ausstehender Digitalisierung bei Gericht (BRAK)

Dekorative GrafikDie BRAK macht auf einen Beschluss des BVerfG aufmerksam, wonach die Berücksichtigung von Anträgen bei Gericht nicht daran scheitern darf, dass der in Papierform eingeworfene Schriftsatz gerichtsintern noch nicht digitalisiert war und daher bei der Urteilserstellung noch nicht vorgelegen hat. Für den Eingang eines Schreibens bei Gericht ist allein erforderlich, dass der Schriftsatz in den Machtbereich des Gerichts gelangt ().

Sachverhalt: Ein ehemaliger Patient hatte in einem vorherigen Zivilprozess auf Schadensersatz gegen seinen damaligen Zahnarzt verloren. Den Grund dafür sah er in einem mangelhaften Gutachten des Sachverständigen, weswegen er diesen nun in einem Folgeprozess verklagte. Das AG Würzburg ordnete die Durchführung des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung nach § 495a ZPO an. Es wies darauf hin, dass „im Bürowege“ entschieden würde, wenn nicht eine der Prozessparteien innerhalb einer gesetzten Frist die mündliche Verhandlung beantrage.

Erst einen Monat nach Ablauf dieser Frist reichte der Kläger nachts noch einen Papierschriftsatz ein und beantragte die mündliche Verhandlung. Doch das Gericht wies die Klage direkt am nächsten Tag aus anderen Gründen per Urteil ab, ohne auf diesen Antrag einzugehen. Erst einige Tage später wies die Richterin den Kläger darauf hin, dass sein Schriftsatz wegen Ablauf der gesetzten Frist keine Berücksichtigung mehr finden könne. Auf die Anhörungsrüge des Mannes schob das Gericht – nebst materiell-rechtlichen Begründungen – nach, dass der Schriftsatz „der erkennenden Richterin im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils (…) aufgrund der Verzögerung infolge des Digitalisierens des Papiers nicht vorgelegen“ habe.

Hierzu führt die BRAK u.a. weiter aus:

  • Die Verfassungsbeschwerde des Ex-Patienten gegen das Urteil des AG Würzburg hatte vor dem BVerfG Erfolg.

  • Der Ex-Patient ist in seinem grundrechtsgleichen Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden. Dieser Grundsatz verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Im vorliegenden Fall ist er verletzt worden, weil das AG den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung übergangen und das Urteil erlassen hatte, ohne zuvor über den Antrag zu entscheiden.

  • Die Begründung, der Schriftsatz des Beschwerdeführers habe nach dessen Eingang bei Gericht noch digitalisiert werden müssen und habe daher bei der Erstellung des Urteils nicht vorgelegen, findet im Prozessrecht keine Stütze.

  • Für den Eingang eines Schreibens bei Gericht ist nämlich nicht erforderlich, dass es der richtigen Akte zugeordnet oder der Geschäftsstelle übergeben wird, sondern allein, dass es in den Machtbereich des Gerichts gelangt. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist noch vor Erlass des gegenständlichen Urteils beim AG eingegangen und hätte daher vom Gericht berücksichtigt werden müssen.

  • Auch der Umstand, dass der Antrag erst nach der gesetzten Stellungnahmefrist eingegangen ist, rechtfertigt ein Übergehen des Antrags nicht. Das AG hätte zumindest prüfen müssen, ob gemäß § 495a Satz 2 ZPO eine mündliche Verhandlung durchgeführt oder der hierauf gerichtete Antrag (soweit man dies einfach-rechtlich für zulässig halte) etwa als verspätetes Vorbringen nach § 296 oder § 296a ZPO zurückgewiesen wird. Eine solche Prüfung ist vorliegend aber nicht erfolgt.

  • Das Urteil beruht auch auf dem Gehörsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das AG nach einer mündlichen Verhandlung, in der der gesamte Prozessstoff erörtert worden wäre, zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Quelle: BRAK online, Meldung v. (lb)

Fundstelle(n):
IAAAJ-99848